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Von der freien zur integrierten Erwachsenenbildung

Zugänge zur Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich- Ein Studienbuch

von Wilhelm Filla (Autor:in)
©2014 Monographie 271 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Werk wurde mit den Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch 2015 ausgezeichnet.
Dieses Studienbuch zur Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich ist das erste seiner Art. Es eröffnet Zugänge zu den Anfängen und zur Entwicklung dauerhaft institutionalisierter Erwachsenenbildung bis in die unmittelbare Gegenwart, unter Bezugnahme auf internationale Entwicklungen. Unter dem Titel Von der freien zur integrierten Erwachsenenbildung wird die komplexe Entwicklungsgeschichte, chronologisch-periodisch strukturiert, zusammengefasst, reflektiert und zur Diskussion gestellt. Offene Fragen und weiße Flecken in der Erwachsenenbildungsgeschichte werden angesprochen und zahlreiche forschungsmethodische Hinweise gegeben. Bild- und Dokumentenmaterial dient der Veranschaulichung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Zum Buch
  • 1. Grundlagen
  • Einführung
  • Gründe für eine Auseinandersetzung
  • Zugänge zur Geschichte der Erwachsenenbildung
  • Chronologisch-periodischer und problemorientierter Zugang
  • Weitere Zugänge
  • Verknüpfung mit der „großen“ Geschichte
  • Historische Empirie
  • Beginnfragen sind Begründungsfragen
  • Grundlagen und Voraussetzungen moderner Erwachsenenbildung
  • Aufklärung
  • Arbeiterbewegung und neue Wissenschaft
  • Demokratiebezug der Erwachsenenbildung
  • Wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfindungen und Entdeckungen als Ursache für Erwachsenenbildung
  • Spezifischer Konstitutionsprozess moderner Erwachsenen-bildung
  • Richtungen der frühen modernen Erwachsenenbildung
  • Arbeiter- und Volksbildung
  • Erläuterung der Unterschiede und Überschneidungen von Arbeiter- und Volksbildung
  • Konfessionell gebundene, ländliche sowie berufliche Bildungstätigkeit
  • Internationalisierung der frühen modernen Erwachsenenbildung
  • Volkshochschule
  • Exkurs zur Heimvolkshochschule
  • Forschungsmethodische Fragestellungen
  • University Extension
  • Urania
  • Entwicklungsbesonderheiten am Beginn moderner Erwachsenen bildung
  • Drei-Faktoren-Erklärungsmodell für die Entstehung von Institutionen der Erwachsenenbildung
  • Entstehung moderner Volksbildungseinrichtungen in Wien
  • Die historische Entwicklung der Zentralbegriffe der Erwachsenenbildung
  • Volksbildung und Erwachsenenbildung
  • Weiterbildung
  • Lebenslanges Lernen
  • Weitere Begriffe
  • Probleme der Begriffsverwendung
  • These zur Begriffsverwendung
  • Methodisch-theoretische Vorgehensweise
  • Exkurs zur Theorie
  • 2. Beginn und erste Entwicklung dauerhaft institutionalisierter Erwachsenenbildung
  • Frühe institutionelle Entwicklung der Volksbildung
  • Der Wiener Volksbildungsverein
  • Vorgeschichte
  • Überregionale Entwicklung
  • Lokale Entwicklung
  • Die Wiener Gründung
  • Beginnfragen
  • Die Volkstümlichen Universitätsvorträge
  • Die Urania in Österreich
  • Das „Athenäum“
  • Das Volksheim
  • Wiener Sonderentwicklung: Fachgruppen
  • Définition und Entwicklung
  • Quantitative Beschreibung
  • Kurzzusammenfassung
  • Erste Verbandsgründungen
  • Der Centralverband deutsch-österreichischer Volksbildungsvereine
  • Mitglieder des Vereins
  • Aufgaben des Vereins
  • Verbreitung des Vereins
  • Bestimmung gemeinsamer Positionen
  • Vereinsende
  • „Vergessene“ Volksbildungsinitiativen um 1900
  • „Bauernhochschule“ Otterbach
  • Der Tiroler „Mistapostel“
  • Der Wissenschaftliche Landesverein Vorarlberg
  • Das Wiener Modell der Volksbildung
  • Entwicklung der Arbeiterbildung bis zum Ersten Weltkrieg
  • Skizzierung der Entwicklung der beruflichen Bildung
  • Zusammenfassung
  • 3. Demokratische Periode der Zwischenkriegszeit
  • Überblick
  • Staatliche Volks- und Erwachsenenbildungspolitik
  • Bundesstaatliche Volksbildungsreferenten
  • Verfassungsrechtliche Verankerung der Volksbildung
  • Schaffung von Volksbildungsheimen
  • Volksbildungsheim St. Martin
  • Volksbildungsheim Hubertendorf
  • Staatlicher Einfluss
  • Blütezeit der Wiener Stammvolkshochschulen
  • Institutionelle Ausdehnung
  • Hohe Teilnahmezahlen
  • Ausdehnung der Volkshochschulen über Wien hinaus
  • Urania Entwicklung
  • Prägung durch bedeutende Persönlichkeiten
  • Volkshochschulgründungen in Nachbarländern
  • Nahezu europaweite Ausdehnung
  • Schweiz
  • Slowenien
  • Ungarn
  • Höhepunkte der Arbeiterbildung
  • Dezentral-hierarchische Struktur der Arbeiterbildung
  • Sonderentwicklung „Bildstatistik“
  • Beginn emanzipatorischer Frauenbildung -in Deutschland
  • Verankerung von Erwachsenenbildung an Universitäten in Deutschland
  • Die Etablierung des Zweiten Bildungsweges
  • Mittelschulkurs sozialistischer Arbeiter
  • Unterrichtskurse des Volksbundes der Katholiken Österreichs
  • Staatliche Arbeitermittelschulen
  • Staatliche Aufbauschule
  • Staatliche Höhere Maschinenbauschule für Praktiker („Technische Arbeitermittelschule“)
  • Hinwendung zur beruflichen Bildungstätigkeit
  • Neue Arbeitsfelder der Erwachsenenbildung
  • 4. Erwachsenenbildung im Faschismus und Nationalsozialismus
  • Forschungsstand
  • Vielfalt gesellschaftlicher Zentralbegriffe
  • Erhebliche Forschungsdefizite
  • Vorhandene Literatur
  • Erwachsenenbildungshistorische Besonderheiten
  • Strukturelle Merkmale
  • Volksbildung während des Austrofaschismus
  • Institutionelle Gründungen
  • (Stadt-)Politik
  • Vaterländische Front
  • Erwachsenenbildung im Nationalsozialismus
  • Deutschland
  • Österreich (Ostmark)
  • Organisatorisch-institutionelle Veränderungen
  • Ideologisch-weltanschauliche Ausrichtung
  • Das nationalsozialistische Volksbildungsprogramm am Beispiel des Volksheims
  • Der weitere Verlauf
  • Methodische Hinweise und Forschungsanregungen
  • 5. Erwachsenenbildung in der Zweiten Republik
  • 1945-Bruch der Entwicklung?
  • Hypothese
  • Periodisierung
  • (Wieder-)Aufbau-, Pionier- und Konsolidierungsphase
  • Dezentralisierung und Zentralisierung sowie Ausweitung der Erwachsenenbildung
  • Verbände der Erwachsenenbildung
  • Steigerung des Angebots und der Frequenz 1945 bis 1970
  • Entwicklungsschub und Abflachung 1970 bis heute
  • Qualifizierung der Mitarbeiter/innen
  • Anfänge
  • Erwachsenenbildung an Universitäten
  • Weiterbildung der Weiterbildner/innen in den Verbänden
  • Lehrbücher
  • Fachzeitschriften zur Erwachsenenbildung
  • Strukturveränderungen nach 1945
  • Rolle der politischen Bildung im Zeichen von „Re-education“
  • Bundeszentrale für politische Bildung – in Deutschland
  • Arbeit und Leben
  • Exemplarische (Programm-)Innovationen
  • Die Lebensschulen
  • Der Medienverbund
  • Medienpreise
  • Institut für Wissenschaft und Kunst
  • Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung -bifeb) und Haus Ri(e)f
  • „Realistische Wende“ und wissenschaftlich-pädagogische Supportstrukturen
  • „Realistische Wende“ und neuer Bildungsbegriff
  • Wissenschaftlich-pädagogische Sup portstrukturen
  • Bildungspolitisch beeinflusste und gesteuerte Ausweitungs-, Differenzierungs- und Integrationsphase seit 1970
  • Erster Überblick
  • Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (1)
  • Parteiakademien (2)
  • Anhebung der Bundes subvention (3)
  • „Erwachsenenbildungsförderungsgesetz 1973“ und legisti-sche Entwicklungen (4)
  • Kurzer Ländervergleich
  • Inhaltliche Regelungen im EB-Förderungsgesetz 1973
  • Vielzahl erwachsenenbildungsrelevanter Gesetzesmaterien
  • Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung (5)
  • „Entwicklungsplanung“ (6)
  • Professionalisierungsschritte (7)
  • Etablierung eines Weiter-bildungsmarktes im Zeichen von K:K:K (8)
  • Konkurrenz in der Erwachsenenbildung
  • Grundvoraussetzungen für Erwachsenenbildung: PERLS
  • Lebenslanges Lernen:
  • Erwachsenenbildung/Weiterbildung:
  • Anbieter/innendefinition:
  • Kategorisierung von Erwachsenenbildungsinhalten: PERLS
  • Raster für die institutionelle Gliederung
  • Wiener Vorlesungen (9)
  • Europäisierung der Projekttätigkeit (10)
  • Qualitätssicherung (11)
  • University meets public - ein kooperatives Wissenschaftsverbreitungsmodell (12)
  • Strategie zum lebensbegleitenden Lernen (13)
  • Nationaler Qualifikationsrahmen (14)
  • Weiterbildungsakademie (15)
  • Schaffung bundesweiter Vertretungseinrichtungen (16)
  • Berufsvereinigung der Arbeitgeberinnen privater Bildungseinrichtungen (BABE)
  • Plattform für berufsbezogene Erwachsenenbildung (PbEB)
  • Verband der Erwachsenenbildungsträger Österreichs (VEBÖ)
  • Portal für Lehren und Lernen Erwachsener
  • Leistungsvereinbarungen (17)
  • „ Verbindliche Ziele“:
  • „Operative“, das heißt fakultative Ziele:
  • Initiative Erwachsenenbildung (18)
  • Zwischenresümee: Standardisierung als Eingriff in die „freie“ Erwachsenenbildung
  • Staatliche Eingriffe und tendenzielles Ende der „freien Erwachsenenbildung“
  • Zusammenfassende Beurteilung
  • Quantitative Entwicklung
  • „Mega-Trend" Bildung: Vom Beginn der 1970er-Jahre bis in die 1990er-Jahre
  • Stagnierende bis rückläufige Tendenzen in der Erwachsenenbildung: Ende der 1990er-Jahre bis zur Mitte des letzten Jahrzehnts, seither wieder leichter Anstieg
  • KEBÖ-Statistik
  • Bedingungsgefüge für Weiterbildungsteilnahme
  • Legistische Maßnahmen mit direkten Teilnahmeeffekten
  • 6. Entwicklung der Theorie der Erwachsenenbildung
  • Anfänge in der frühen modernen Erwachsenenbildung
  • Theoriebezüge in der Erwachsenenbildung der Zweiten Republik
  • Volkshochschulen
  • Gewerkschaftliche Bildung
  • Berufliche Bildung
  • Konfessionell gebundene Bildung und Bildungswerke
  • Politische Bildung
  • Wissenschaftsverbreitung
  • Disziplin- und fachbereichsspezifische Theorieproduktion
  • Universitäre Theorie und Wissenschaftsentwicklung
  • Staatlich initiierte und angeleitete Bildungsdiskussionen
  • Institutionsinterne Entwicklungen
  • Universitäre Impulse
  • Staatliche Impulse
  • Internationale Theorie- und Wissenschaftsimpulse
  • 7. Erwachsenenbildungshistorie als Subdisziplin der Erwachsenenbildungswissenschaft
  • Exkurs zur deutschen Entwicklung
  • Prozesshafte Konstituierung einer Subdisziplin Geschichte der Erwachsenenbildung in der Erwachsenenbildungswissenschaft in Österreich
  • Außer universitärer Institutionalisierungsprozess
  • Universitäre Verankerung
  • Forschungsprojekttätigkeit
  • Internationalisierung
  • Sektor übergreifende Vernetzungsaktivitäten
  • Wenig beachtete Sonderentwicklung: Astronomie in der Erwachsenenbildung
  • Besonderheiten des Konstitutionsprozesses der kontinuierlichen Historiografie der Erwachsenenbildung
  • 8. Literatur
  • Bücher, Broschüren und Beiträge in Sammelbänden zur Erwachsenenbildung
  • Historische und sozialwissenschaftliche Hintergrundliteratur
  • Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge
  • Dokumente, Berichte und Gesetze
  • Unveröffentlichte Diplomarbeiten und Dissertationen
  • DVD
  • Bildverzeichnis
  • Eigene Tabellen und Grafiken
  • Der Autor

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Zum Buch

Die „Geschichte der Erwachsenenbildung“ hat sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer Subdisziplin der Weiterbildungswissenschaft entwickelt. Damit hat sie, aus der Praxis kommend, Universitäten erreicht. In der Erwachsenenbildung selbst ist sie mit Schwerpunkt auf Volkshochschulen seit langem verankert, wenngleich sie nicht immer wissenschaftlich betrieben wird. Überhaupt nicht präsent ist die Geschichte der Erwachsenenbildung außerhalb der Weiterbildungswissenschaft in anderen Sektoren des Bildungssystems und in der Geschichtswissenschaft. In der Öffentlichkeit ist sie weitgehend unbekannt. Der Kreis der Spezialisten und Spezialistinnen, die sich mit ihr intensiv beschäftigen, ist klein, und das nicht nur in Österreich. Dabei handelt es sich bei der Erwachsenenbildung um den seit langem von der Zahl der Teilnahmen her größten Bildungssektor.

Generell lässt sich feststellen, dass sich die „Geschichte der Erwachsenenbildung“ aktuell in einem Spannungsfeld von objektiver Bedeutung und grassierender Unkenntnis beziehungsweise weitgehender Negierung ihrer Forschungsergebnisse befindet – ein Spannungsfeld von wachsendem Interesse bei gleichzeitig anhaltendem Desinteresse seitens der Wissenschaft und der Praxis.

Das hat verschiedene Ursachen. Eine Ursache liegt zweifelsohne bei der Geschichte der Erwachsenenbildung und ihrer bisherigen Darstellung selbst. Es fehlen „Hilfen“ für den Zugang zu ihr. Diese sind umso erforderlicher, als die Erwachsenenbildung ob ihrer Vielfalt und Heterogenität der bei weitem am schwersten übersehbare Bildungssektor ist. Selbst Spezialisten und Spezialistinnen tun sich hier schwer. Das gilt in gleicher Weise für ihre Geschichte.

Mit diesem Studienbuch wird für Österreich erstmals der Versuch unternommen, einen Zugang zur Geschichte der Erwachsenenbildung zu eröffnen, der als „Zugang“ die Geschichte selbst nicht ersetzen kann, aber auf sie mit der Darstellung von konkretem Anschauungsmaterial systematisch Bezug nimmt. Da Internationalität ein integraler Bestandteil von Erwachsenenbildung ist, kann für ihre Geschichte nicht ausschließlich ein nationalstaatlicher Blickwinkel eingenommen werden. Einen „Zugang“ herzustellen, bedeutet daher, den Blick in exemplarischer Weise auch über die Grenzen zu richten.

Aufgrund der großen institutionellen, inhaltlichen und methodischen Vielfalt von Erwachsenenbildung war eine „didaktische Reduktion“ unumgänglich. Der Schwerpunkt liegt auf der institutionellen Seite der Entwicklung, die bis in die unmittelbare Gegenwart des Jahres 2012 verfolgt wird. Auch bei dieser Darstellung musste ausschnittsweise vorgegangen werden. Von vornherein werden Bereiche ausgeklammert, die unter historischen Gesichtspunkten noch nicht näher erforscht wurden. Hier kommt die Formel: „Ohne Quellen keine Geschichte“ zum Tragen. Das gilt insbesondere für die Entwicklung der betrieblichen Bildungstätigkeit und den ganzen Bereich des informellen Lernens. ← 9 | 10 →

Weitgehend ausgeklammert wurde auch der Bibliotheksbereich, obwohl die öffentlichen Bibliotheken in Österreich ein wesentlicher Teil der Erwachsenenbildung sind. Für sie liegen aber, gemessen an ihrer Bedeutung und ihrer Sonderrolle in der Erwachsenenbildung, vergleichsweise wenige historische Studien vor. Ein genereller Überblick, auf den Bezug genommen hätte werden können, fehlt zur Gänze.

Eines ist das Studienbuch nicht: die Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich. Sehr wohl thematisiert es aber als Studienbuch forschungsmethodische Probleme und formuliert zahlreiche Forschungsfragen, die sich aus „weißen Flecken“ in der bisherigen Erwachsenenbildungshistorie ergeben. Hergestellt werden auch immer wieder Theoriebezüge, zumal historische Forschung ohne theoretische Reflexion nicht auskommt. Weiterführende und vertiefende Literatur- und Quellenhinweise in den einzelnen Abschnitten sollen zum Weiterlesen und Weiterforschen anregen.

Da der Verfasser rund dreieinhalb Jahrzehnte lang in der Erwachsenenbildung in leitenden Funktionen tätig war, ist er auch als Zeitzeuge zu qualifizieren mit allen diesbezüglichen Problemen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Blick gelegentlich eingeschränkt und von Interessenszusammenhängen geprägt ist. Aussagen auf der Basis des Zeitzeugenstatus werden daher immer deutlich gemacht. Dass häufig und ausführlich auf die Volkshochschule eingegangen wird, hängt nicht mit der Volkshochschulvergangenheit des Autors zusammen, sondern mit dem Faktum, dass die historische Literatur zur Erwachsenenbildung und die vorhandenen Quellen ausgesprochen „volkshochschullastig" sind. Keine andere Ein-richtung der Erwachsenenbildung hat sich auch nur annähernd so intensiv mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt wie die Volkshochschule.

Mit dem Titel „Von der freien zur integrierten Erwachsenenbildung“ wird die bereits lange und sehr komplexe Entwicklungsgeschichte der Erwachsenenbildung in Österreich auf den kürzesten Nenner gebracht.

Dank

Zu diesem Buch haben zahlreiche Anregungen und Hinweise von Studierenden an den Universitäten Graz und Klagenfurt beigetragen, wofür ich mich pauschal bedanke. Mein Dank gilt dem Österreichischen Volkshochschularchiv, das bei der Material- und Literaturrecherche behilflich war. Im Besonderen gilt der Dank dem Direktor des Österreichischen Volkshochschularchivs Christian H. Stifter für die umsichtige Durchsicht des Manuskripts nach formalen, sprachlichen und inhaltlichen Gesichtspunkten und für zahlreiche Hinweise, Korrektur- und Ergänzungsvorschläge. Hier handelt es sich um eine kollegiale Beratung ebenso wie um eine Dienstleistung des „Volkshochschularchivs“. Der besondere Dank gilt ebenso Laura Rosinger, die für ein ungemein sorgfältiges und professionelles Lektorat nach formalen, sprachlichen und inhaltlichen Gesichtspunkten gesorgt hat. Zu Dank verpflichtet bin ich Gerhard Bisovsky, meinem Nachfolger im Verband Österreichischer Volkshochschulen, der die Fertigstellung dieses Buches stets unterstützt hat, ebenso Josef Holzer für den professionellen und arbeitsaufwendigen Satz.

Der Verfasser

Wien, im November 2013

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1. Grundlagen

Einführung

Legt man Studierenden, die Erwachsenenbildung im zweiten Studienabschnitt oder im Masterstudium als Haupt- oder Nebenfach an den Universitäten Graz oder Klagenfurt belegen, einen Katalog von 21 Themenbereichen der Erwachsenen-bildungswissenschaft für eine Relevanzreihung vor1, wird „Geschichte der Erwachsenen bildung“ von ihnen im oberen Teil des dritten Drittels platziert. Bei in der Erwachsenenbildung Tätigen wäre das Ergebnis vermutlich ähnlich.

Geschichte der Erwachsenenbildung steht im Vergleich zu anderen Themen der Erwachsenenbildungswissenschaft und den praktischen Anforderungen, die an Erwachsenenbildner/innen gerichtet werden, nicht hoch im Kurs. Auch Universitätslehrer/innen müssen nicht um die Geschichte der Universitäten oder auch nur um die Geschichte „ihrer“ Universität näher Bescheid wissen. Für Schulen gilt Vergleichbares. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, die nähere Beschäftigung mit der „Geschichte der Erwachsenenbildung“ bedarf der Begründung.

Gründe für eine Auseinandersetzung

Ein erster Grund für die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Erwachsenenbildung, und gar nicht der gewichtigste, liegt darin, dass es in Österreich in den letzten zwei Jahrzehnten gelungen ist, dieselbe zu einer Subdisziplin der Erwachsenenbildungswissenschaft zu entwickeln. Dabei ist das bemerkenswerte Phänomen festzustellen, dass dies vor allem von Praktikern der Erwachsenenbildung geleistet wurde und nicht vorrangig auf Universitätsboden zustande gekommen ist.2 Zum zweiten existiert ein unmittelbar wissenschaftsimmanenter Grund. Als „Subdisziplin“ ist „Geschichte“ Teil der Erwachsenen- oder Weiterbildungswissenschaft und als solche zu behandeln. Für die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Erwachsenenbildung sprechen aber noch viele andere praktische, bildungspolitische und wissenschaftliche Gründe:

 Ihre Kenntnis ist Element einer erwachsenenbildnerischen Allgemeinbildung, Teil eines umfassenden Professionswissens und eines professionell-wissenschaftlichen ← 11 | 12 → Zugangs zur Erwachsenenbildung und ihrer entsprechenden Positionierung.

 Sie ist objektiv integraler Teil der Bildungs-, Kultur-, Wissenschafts- und politischen Geschichte eines Landes und somit Europas, wird jedoch von den Fachwissenschafter/innen in diesen Bereichen gar nicht gesehen und schon gar nicht erforscht.

 Aufgrund der eher geringen forschungs- und quellenbasierten Auseinandersetzung mit der Geschichte der Erwachsenenbildung sind Legenden entstanden, die tradiert werden und die einer wissenschaftlichen Basierung von Erwachsenenbildung abträglich sind.

 Sie kann eine Vielzahl von Beiträgen für die allgemeine Geschichte leisten und ist zugleich eng mit der Geschichte der anderen Bildungssektoren verzahnt.

 Aus der Geschichte der Erwachsenenbildung lässt sich viel für die Identität und den gesellschaftlichen Stellenwert dieses Bildungssektors ableiten, wenngleich davor zu warnen ist, Erwachsenenbildungsgeschichte unter dem Gesichtspunkt aktueller Erfordernisse und Legitimationszwänge zu betrachten.

 Die Kenntnis der Erwachsenenbildungsgeschichte bietet die Chance, an historische Modelle und Traditionen durch deren Analyse und Bekanntmachung anzuknüpfen.

 Ohne Kenntnis der Erwachsenenbildungsgeschichte sind aktuelle Entwicklungen und Phänomene der Erwachsenenbildung nicht hinreichend zu erklären.

 Mit der Kenntnis ihrer ungemein vielfältigen und komplexen Geschichte lässt sich Erwachsenenbildung gegenüber den anderen Bildungssektoren besser positionieren und damit an ihrer bildungspolitischen Aufwertung arbeiten. Identität und gesellschaftlicher Stellenwert der Erwachsenenbildung können auch aus ihrer Geschichte abgeleitet werden.

 Die Kenntnis der Geschichte der Erwachsenenbildung und der professionelle Umgang mit ihr sind ein Praxiserfordernis, das bei der Einführung neuer Bildungsangebote, aber auch bei Jubiläen von Einrichtungen und Personen tragend wird. (Auf manche wichtige Jubiläen wurde aufgrund mangelnder Kenntnisse der jeweils verantwortlichen Bildungspraktiker/innen schlicht ver-gessen oder es wurde von ihnen aus Einsicht in einschlägige Kompetenzmängel bewusst verabsäumt, sie entsprechend öffentlichkeitswirksam zu begehen.) Wie jede Wissenschaftsdisziplin weist auch die „Subdisziplin“ Geschichte der

Erwachsenenbildung zwei miteinander verzahnte Dimensionen auf: die Forschung, die prinzipiell unabgeschlossen ist, und die Lehre und Vermittlungstätigkeit, die mehr oder weniger auf Forschungen beruhen.3 ← 12 | 13 →

Zugänge zur Geschichte der Erwachsenenbildung

Erwachsenenbildung ist nicht nur seit geraumer Zeit der größte4, sondern – aktuell wie historisch – auch der mit Abstand heterogenste, vielfältigste und am schwersten zu überblickende Bildungssektor. Noch dazu weist er unscharfe und nie ein für alle Mal zu klärende Ränder auf. Diese Komplexität und Vielfalt erstreckt sich auf die Institutionen der Erwachsenenbildung ebenso wie auf die Methoden, auf die vermittelten Inhalte sowie die Teilnehmer/innen und das – generell formuliert – Lehrpersonal. Daher erschließt sich Erwachsenenbildungsgeschichte nicht „einfach so“, und vor allem nicht ohne systematische und theoriegeleitete Forschungsaktivitäten.

Chronologisch-periodischer und problemorientierter Zugang

Prinzipiell gibt es neben thematisch punktuellen oder eingegrenzten Studien zwei unterschiedliche Zugänge zur Erwachsenenbildungsgeschichte.

Der erste Zugang ist der chronologisch-periodische. Die Geschichte wird dabei in Abschnitte gegliedert und Erwachsenenbildungsgeschichte für jeden historischen Abschnitt erforscht und dargestellt. Für Österreich bieten sich für die letzten 150 Jahre folgende historische Abschnitte an: das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts als Konstitutionsphase der modernen Volksbildung, die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die Jahre des Ersten Weltkrieges, die demokratische Periode der Zwischenkriegszeit, der Austrofaschismus5, der Nationalsozialismus von 1938 bis 1945 sowie die Zweite Republik vor und nach 1970.

Der zweite Zugang zur Erwachsenenbildungsgeschichte, der allerdings in der Rezeption schwieriger ist und Vorkenntnisse voraussetzt, ist der problemorientierte. Probleme und Fragestellungen der Erwachsenenbildung werden identifiziert – Teilnehmer/innen, Finanzierung, verwendete Methoden, Inhalte, staatlicher Einfluss, Öffentlichkeitsarbeit und so weiter – und diese werden für bestimmte Zeitabschnitte untersucht und dargestellt. Das bekannteste Beispiel für diese Vorgangsweise ist eine Arbeit von Wolfgang Seitter zur Geschichte der Erwachsenenbildung ← 13 | 14 → in Deutschland aus dem Jahr 2000. Für Österreich oder seine Nachbarländer liegt nichts Vergleichbares vor.

Eine herausragende Erwachsenenbildungsgeschichte aus einem chronologischperiodischen Blickwinkel hat Josef Olbrich 2001 für Deutschland unter Mitarbeit von Horst Siebert vorgelegt, der die Geschichte der Erwachsenenbildung in der DDR beschreibt. Günter Wolgast hat 1996 eine Zeittafel zur Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland veröffentlicht und ein Jahr zuvor war unter der Herausgeberschaft von Ekkehard Nuissl und Hans Tietgens ein Sammelband erschienen, der mehrere Institutionen beziehungsweise Richtungen der Erwachsenenbildung seit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg vorstellt.

Weitere Zugänge

Für den Zugang zur Geschichte der Erwachsenenbildung können auch Richtungen der Erwachsenenbildung – Arbeiterbildung, Volksbildung, konfessionell gebundene Bildungstätigkeit, berufliche Bildung – in ihrer historischen Entwicklung untersucht werden.

Besonders häufig ist der Zugang über die Geschichte von Institutionen der Erwachsenenbildung. Im deutschen Sprachgebiet liegt dabei ein eindeutiger institutioneller Schwerpunkt auf den Volkshochschulen. Einen Zugang schafft darüber hinaus auch die Untersuchung der Geschichte der verwendeten Methoden, der Inhalte der Bildungstätigkeit und sogar des Einsatzes von Bildungstechnologien.

Häufig zu finden ist der personenbezogene-biographische Zugang zur Geschichte, mit dem Erwachsenenbildungsgeschichte aber nicht umfassend erschlossen werden kann. Sowohl für Österreich wie für Deutschland, jedoch kaum für die Schweiz und andere Nachbarländer Österreichs, liegen einige ganz hervorragende Biografien von Erwachsenenbildner/innen vor. Bei diesen Biographien besteht das Problem, dass sie sich in der Tendenz „auf große Männer“, und hier wiederum vor allem auf solche aus dem „Apparat“ von Institutionen konzentrieren. Für Deutschland liegen allerdings auch Beispiele für gelungene und sehr aussagekräftige Biografien von Volks- und Erwachsenenbildnerinnen vor. Große Defizite gibt es bei den Biografien von Lehrenden (eine Ausnahme für Österreich ist die Edgar Zilsel-Biografie von Johann Dvořak). Zur Gänze fehlt eine historischbiographische Teilnehmer/innenforschung, die über den rein statistischen Aspekt hinausgeht und sich auch auf Bildungsbemühungen und -motive erstreckt.

Prinzipiell lassen sich die erwähnten Zugänge zur Erwachsenenbildungsgeschichte sowohl für die Forschung wie für die Geschichtsdarstellung heranziehen und mehr oder weniger miteinander kombinieren. Sie sind vor allem mit der Geschichte von Ideen, Theorien und Konzepten von Erwachsenenbildung zu verbinden. Auch eigenständige Ideen- und Theoriegeschichte kann in der Erwachsenen bildungsgeschichte ihren Platz haben. ← 14 | 15 →

Verknüpfung mit der „großen“ Geschichte

Kompliziert und besonders anspruchsvoll werden alle genannten Zugänge zur Geschichte der Erwachsenenbildung, wenn sie mit der jeweiligen Gesellschafts-, Kultur-, Wissenschafts- und Politikgeschichte eines Landes systematisch verknüpft werden, zumal dies einen gesellschaftstheoretischen sowie kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Zugang voraussetzt. Dieser umfassende Zugang zur Geschichte der Erwachsenenbildung fehlt weitgehend. Für Deutschland allerdings gibt es, wenn auch etwas ältere, aber noch immer brauchbare Grundlagen und Vorarbeiten, wie die unter bildungs- und gesellschaftskritischen Vorzeichen von Dirk Axmacher und Werner Markert verfassten Studien.

Beispiele für Zugänge zur Erwachsenenbildungsgeschichte

Dirk Axmacher: Erwachsenenbildung im Kapitalismus. Ein Beitrag zur politischen Ökonomie des Ausbildungssektors in der BRD. Frankfurt am Main 1974.

Thomas Dostal: Aspekte einer Entwicklungsgeschichte des Verbandes Niederösterreichischer Volkshochschulen. In: 50 Jahre Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen 1957-2007. St. Pölten 2007, S. 15-129.

Johann Dvorak: Edgar Zilsel und die Einheit der Erkenntnis. Wien 1981.

Günter Fellner: Ludo Moritz Hartmann und die österreichische Geschichtswissenschaft. Grundzüge eines paradigmatischen Konfliktes. Wien-Salzburg 1985.

Wilhelm Filla: Volkshochschularbeit in Österreich – Zweite Republik. Eine Spurensuche. Graz 1991.

Dorothea Flaig: Gertrude Hermes. Leben und Werk einer Erwachsenenbildnerin. Oldenburg 1998.

Details

Seiten
271
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653042955
ISBN (ePUB)
9783653996685
ISBN (MOBI)
9783653996678
ISBN (Paperback)
9783631634738
DOI
10.3726/978-3-653-04295-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
Erwachsenenbildung institutionalisierte Erwachsenenbildung Erwachsenenbildungsgeschichte
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 271 S., 23 s/w Abb., 5 Tab., 9 Graf.

Biographische Angaben

Wilhelm Filla (Autor:in)

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