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Raum und Zeit im Kontext der Metapher

Korpuslinguistische Studien zu französischen und spanischen Raum-Zeit-Lexemen und Raum-Zeit-Lokutionen

von Kathleen Plötner (Autor:in)
©2014 Dissertation 349 Seiten

Zusammenfassung

Die Studie setzt sich mit der oftmals als metaphorisch bezeichneten Verbindung zwischen Raum und Zeit auseinander. Nach der Klassifizierung unterschiedlicher Metapherarten rückt die Autorin die Frage nach der Existenz von Raum-Zeit-Metaphern in den Fokus der Untersuchung. Die Arbeit beinhaltet eine Darstellung von sprachlichen Elementen des Raumes und von Mitteln zum Ausdruck der Temporalität. Es wird ein Überblick über den aktuellen Gebrauch ausgewählter raumzeitlicher Präpositionen und Adjektive im Französischen und Spanischen und ein Einblick in deren diachrone Entwicklung gegeben. Die Autorin verknüpft korpusbasierte, linguistische Analysen mit kognitionslinguistischen und philosophischen Erkenntnissen über das Raum- und Zeitkonzept.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • 1 Einleitung
  • 1.1 Zwischen Sprache und Denken: Die Metapher als Untersuchungsgegenstand in verschiedenen Wissenschaftsgebieten
  • 1.2 Forschungsanliegen: Raum und Zeit im Kontext der Metapher
  • 1.3 Methodologisches Vorgehen in der Korpusanalyse
  • 2 Zur Terminologie dieser Arbeit
  • 2.1 Was ist Kognitionslinguistik?
  • 2.2 Zur Verbindung zwischen Semantik und Kognition bzw. Lexemen, Semen und Konzepten
  • 2.3 Die vier existierenden Konzept-Modelle: eine Einteilung nach Murphy
  • 2.4 Zur Strukturierung von Konzepten
  • 2.5 Zusammenfassung
  • 3 Metaphertheorien
  • 3.1 Zur Funktionsweise von Metaphern
  • 3.1.1 Die Metapher zwischen Ähnlichkeit, Vergleich und Analogie
  • 3.1.2 Die Metapher als Substitut (einer Bezeichnungslücke)
  • 3.1.3 Die Metapher in Abgrenzung zur Metonymie und Synekdoche
  • 3.1.4 Die Metapher als Interaktions- und Kontextphänomen
  • 3.1.5 Die Metapher und der Sprecher
  • 3.1.6 Die grammatische Metapher
  • 3.1.7 Die kognitive Metapher
  • 3.1.8 Die structural similarity view
  • 3.1.9 Zusammenfassung und Relevanz der Metaphertheorien für die vorliegende Arbeit
  • 3.2 Warum die Metapher eine Metapher ist
  • 3.2.1 Wie metaphorisch ist die Metapher?
  • 3.2.2 Wortarten und syntaktische Beziehungen in der Metapher
  • 3.2.3 Verschiedene Metaphertypen
  • 3.2.4 Die Metapher als semantisch-funktionales Sprachprinzip
  • 4 Studien zum Raum- und Zeitkonzept
  • 4.1 Forschungsstand: Zum Raum- und Zeitkonzept unter Berücksichtigung der Semantik und Pragmatik von Raum-Zeit-Lexemen
  • 4.2 Realer Raum und Perzeption
  • 4.2.1 P-Space und L-Space
  • 4.2.2 Raum, Zeit und Perzeption
  • 4.3 Zwischen Perzeption und Kognition: Philosophische Sichtweisen zur Raum-Zeit-Verbindung
  • 4.3.1 Zeiteinteilungen
  • 4.3.2 Zeit, Sinneseindrücke und Gedächtnis
  • 4.3.3 Zeit und Bewegung
  • 4.3.4 Zeit und Sprache
  • 4.3.5 Zusammenfassung
  • 4.4 Die kognitive Sichtweise
  • 4.4.1 Raum und Zeit bei Lakoff & Johnson
  • 4.4.2 Moving-ego und moving-time
  • 4.4.3 Merkmale des Zeitkonzepts nach Klein
  • 4.5 Sprachwissenschaftliche Denominationen
  • 4.5.1 Grundbegriffe
  • 4.5.2 Raumachsen und Raumorientierungen
  • 4.5.3 Die Begriffe „Sprechzeit“, „Ereigniszeit“ und „Referenzzeit“
  • 4.6 Relevanz der Begriffe und unterschiedlichen Analyseebenen für die eigenen Untersuchungen
  • 5 Der sprachliche Ausdruck von Raum und Zeit im Französischen und Spanischen
  • 5.1 Raumpräpositionen
  • 5.1.1 Zur Einteilungs- und Abgrenzungsproblematik von Präpositionen
  • 5.1.2 Französische und spanische Raumpräpositionen
  • 5.2 Raumadjektive
  • 5.2.1 Zur Vor- und Nachstellung von Adjektiven
  • 5.2.2 Französische und spanische Raumadjektive
  • 5.3 Raumadverbien
  • 5.4 Nomen mit Raumbezug
  • 5.5 Zeitpräpositionen
  • 5.5.1 Zur Einteilung von Zeitpräpositionen
  • 5.5.2 Französische und spanische Zeitpräpositionen
  • 5.6 Zeitadjektive
  • 5.7 Zeitadverbien
  • 5.8 Nomen mit Zeitbezug
  • 5.9 Zusammenfassung
  • 6 Korpusanalyse von französischen und spanischen Raum- und Zeitlexemen und Raum- und Zeitlokutionen
  • 6.1 Beschreibung der verwendeten Korpora
  • 6.2 Zur Problematik der Kontextbestimmung
  • 6.3 Zum Konzept des Raumes – Synchrone Betrachtungen zur Verwendung von espace / espacio
  • 6.3.1 Der physische Raum
  • 6.3.2 Der öffentlich-soziale Raum
  • 6.3.3 Der innere oder mentale Raum
  • 6.3.4 Raum und Gedächtnis
  • 6.3.5 Raum und Zeit
  • 6.3.6 Zeiträume
  • 6.3.7 Zusammenfassung
  • 6.4 Zum Konzept der Zeit – Synchrone Betrachtungen zur Verwendung von temps / tiempo
  • 6.4.1 Die universelle Zeit
  • 6.4.2 Zeit als konstruktive und destruktive Kraft
  • 6.4.3 Die kalendarische oder historische Zeit
  • 6.4.4 Die persönliche Zeit
  • 6.4.5 Das Außerhalb-der-Zeit-Sein
  • 6.4.6 Tote und lebendige Zeit
  • 6.4.7 Zeit als Objekt
  • 6.4.8 Zusammenfassung
  • 6.5 Diachrone und synchrone Analyse von Raum-Zeit-Präpositionen im Französischen und Spanischen
  • 6.5.1 Die raumzeitliche Verwendung von entre
  • 6.5.1.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • Abstrakter Gebrauch
  • Zeitlicher Gebrauch
  • 6.5.1.2 Diachrone Analyse
  • 6.5.1.3 Schlussfolgerung
  • 6.5.2 Die raumzeitliche Verwendung von loin de / lejos de
  • 6.5.2.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • Abstrakter Gebrauch
  • Zeitlicher Gebrauch
  • Loin de / lejos de + Verb
  • Lejos als Adverbial mit zeitlicher Bedeutung
  • 6.5.2.2 Diachrone Analyse
  • 6.5.2.3 Schlussfolgerung
  • 6.5.3 Die raumzeitliche Verwendung von à partir de / a partir de
  • 6.5.3.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • A travers de / mediante / sur la base de / sobre la base de
  • Zeitlicher Gebrauch
  • Die Präposition à (als Teilstruktur eines anderes Verbs) in syntaktischer Verbindung mit partir de und andere Grenzfälle
  • 6.5.3.2 Diachrone Analyse
  • 6.5.3.3 Schlussfolgerung
  • 6.5.4 Die raumzeitliche Verwendung von depuis / desde
  • 6.5.4.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • Abstrakter Gebrauch
  • Zeitlicher Gebrauch
  • Adverbialer Gebrauch und Interferenzen zur Konjunktion
  • 6.5.4.2 Diachrone Analyse
  • 6.5.4.3 Schlussfolgerung
  • 6.6 Diachrone und synchrone Analyse von Raum-Zeit-Adjektiven im Französischen und Spanischen
  • 6.6.1 Die raumzeitliche Verwendung von long
  • 6.6.1.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • Abstrakter Gebrauch
  • Zeitlicher Gebrauch
  • (tout) le long de vs. (tout) au long de
  • Vor – und Nachstellung des Adjektivs
  • Quantitative Untersuchungen im Korpus WS
  • 6.6.1.2 Diachrone Analyse
  • 6.6.1.3 Schlussfolgerung
  • 6.6.2 Die raumzeitliche Verwendung von largo
  • 6.6.2.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • Abstrakter Gebrauch
  • Zeitlicher Gebrauch
  • A lo largo de
  • Adverbialer Gebrauch
  • Vor- und Nachstellung des Adjektivs
  • Untersuchungen im Korpus WS
  • 6.6.2.2 Diachrone Analyse
  • 6.6.2.3 Schlussfolgerung
  • 6.6.3 Die raumzeitliche Verwendung von profond
  • 6.6.3.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • Abstrakter Gebrauch
  • Zeitlicher Gebrauch
  • Le / du plus profond de
  • Au plus profond (de)
  • Adverbialer Gebrauch
  • Untersuchungen im Korpus WS
  • 6.6.3.2 Diachrone Analyse
  • 6.6.3.3 Schlussfolgerung
  • 6.6.4 Die raumzeitliche Verwendung von profundo
  • 6.6.4.1 Synchrone Analyse
  • Räumlicher Gebrauch
  • Abstrakter Gebrauch
  • (en) lo (más) profundo (de)
  • Zeitlicher Gebrauch
  • Untersuchungen im Korpus WS
  • 6.6.4.2 Diachrone Analyse
  • 6.6.4.3 Schlussfolgerung
  • 7 Fazit
  • 7.1 Bewertung der Untersuchung
  • 7.2 Zum Konzept
  • 7.3 Der sprachliche Ausdruck von Raum und Zeit
  • 7.4 Zum Konzept : Die Frage nach der Raum-Zeit-Metaphorik
  • 7.5 Mögliche Forschungsdesiderata
  • 8 Bibliografie
  • 8.1 Verzeichnis der verwendeten Literatur
  • 8.2 Wörterbücher
  • 8.3 Onlinepublikationen
  • 8.4 Online (ohne Autorenangabe)
  • 8.5 Korpus
  • 9 Anhang
  • 9.1 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: long (Zugriffsdatum: 13.11.2011)
  • 9.2 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: longue (Zugriffsdatum: 13.11.2011)
  • 9.3 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: largo (Zugriffsdatum: 13.11.2011)
  • 9.4 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: larga (Zugriffsdatum: 13.11.2011)
  • 9.5 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: profond (Zugriffsdatum: 20.09.2012)
  • 9.6 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: profonde (Zugriffsdatum: 20.09.2012)
  • 9.7 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: profundo (Zugriffsdatum: 20.09.2012)
  • 9.8 Quantitative Untersuchungen im Korpus WS: profunda (Zugriffsdatum: 20.09.2012)
  • Reihenübersicht

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1 Einleitung

1.1 Zwischen Sprache und Denken: Die Metapher als Untersuchungsgegenstand in verschiedenen Wissenschaftsgebieten

Publikationen zur und über die Metapher sind insbesondere im 20. Jahrhundert in großer Anzahl erschienen und eine Frage, die sich unweigerlich jedem Rezipienten von Metaphertheorien und Metapheranalysen aufdrängt, ist, warum fortwährend neue Dissertationen, Abhandlungen, Vorträge etc. über die Metapher verfasst bzw. gehalten werden. Die Frage ist dennoch problemlos zu beantworten: Die Metapher ist ein Bereich der Sprache, in dem sich die Komplexität und Kreativität des menschlichen Denkens widerspiegelt und der nicht nur Aristoteles vor über 2000 Jahren beschäftigt hat, sondern bis dato Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zu Forschungen anregt. Die Metapher wird in der Linguistik als lexikalisches, semantisches, grammatisches, kognitives und / oder pragmatisches Phänomen beschrieben und analysiert. Kohl sagt hierzu:

Die Vielfalt der Metaphertheorien gründet darin, dass die Metapher ein Phänomen ist, das sich zwischen Kognition und artikulierter Sprache bewegt und kontinuierlich Denken in Sprache, Sprache in Denken umsetzt. (Kohl 2007: 22)

Kohls Zitat besagt nicht, dass anderen sprachlichen Kategorien diese Fähigkeit – die Sichtbarmachung von Denkprozessen – verschlossen bleibe. Allerdings erscheint es tatsächlich so, dass die Metapher mindestens auf der lexikalischen und kognitiven Ebene eine verbindende Funktion hat, denn sie bringt Lexeme (bzw. Konzepte) zueinander, die nicht dem gleichen semantischen Bereich angehören oder, anders ausgedrückt, sie verbindet „Unvereinbares miteinander“, um „doch etwas wirklich Vorhandenes auszusagen“ (Lau 2006: 245). Die vorhergehende Aussage Kohls trifft im Grunde auf das gesamte Spektrum an Tropen zu. Metaphern, Metonymien, Synekdochen, Vergleiche etc. werden nicht nur in der Sprachwissenschaft, sondern insbesondere auch in der Literatur- und Kulturwissenschaft sowie in der Psychologie, Neurologie und Philosophie behandelt. Guyau sieht in der Metapher einen Erkenntnisprozess, denn für ihn steht vor dem Wissen über eine Sache immer die Vorstellung von einer Sache (vgl. Guyau 1890: 59). Wie Kohl bereits im Vorwort ihres Buches treffend anmerkt, sind Tropen

[...] keine klar abgrenzbaren Konstrukte, sondern sie bezeichnen – immer nur annäherungsweise – höchst komplexe Prozesse, die sich in der Kommunikation Sprecher/Autor, Äußerung/Werk und/oder Rezipient in einem immer wieder anderen Kontext abspielen. (Kohl 2007: V) ← 15 | 16 →

In dieser Arbeit wird sich der Metapher i.e.S. und den Begriffen der wörtlichen und metaphorischen Bedeutung unter Betrachtung von anderen Tropen wie Metonymie, Synekdoche und Vergleich als auch unter Bezugnahme auf Begriffe wie Ähnlichkeit, Analogie und Kontextgebundenheit genähert. Die Rolle des Sprechers1 wird ebenfalls erläutert. Inwieweit Metaphern (bzw. Tropen) aber wahrhaftig als kognitives Mittel gesehen werden können, soll unter Einbeziehung der These von Murphy (1996), der die Metapher als eine Erfindung des Rezipienten bezeichnet, die nicht im Zusammenhang mit der Konzeptualisierung der Welt durch den Sprecher steht, diskutiert werden.

In Bezug auf die Natur der Metapher gibt es drei verschiedene Grundfragen, die in nahezu jeder sprachwissenschaftlichen Publikation über Metaphern auftreten und mehr oder weniger ausführlich behandelt werden:

 Wie funktionieren Metaphern?

 Welche Funktionen haben bzw. erfüllen Metaphern in der Sprache?

 Gibt es metaphorische bzw. uneigentliche und nicht-metaphorische bzw. eigentliche / wörtliche Bedeutung?

Reimer und Camp (2007: 27) formulieren vier zentrale Fragen, die nach ihnen in der Sprachphilosophie vorrangig behandelt werden2:

I. Was sind Metaphern?

II. Was ist metaphorische Bedeutung?

III. Wie funktionieren Metaphern?

IV. Wie ist metaphorische Wahrheit beschaffen?

Die Fragen I und II sind stark an die Unterscheidung zwischen wörtlichem und metaphorischem Gebrauch von Lexemen geknüpft. Dieser Unterscheidung wird im dritten Kapitel Aufmerksamkeit geschenkt. Die Frage nach der Funktionsweise von Metaphern ist die für diese Arbeit – neben der Darstellung des Raum- und Zeitkonzeptes – zentrale, kann aber nicht unabhängig von den anderen Fragen behandelt werden, da sie eng an die Frage der metaphorischen Bedeutung geknüpft ist.

In der vorliegenden Arbeit werden keine endgültigen Aussagen in Bezug auf all diese Fragen gegeben werden können, jedoch werden die untersuchten Beispiele aus den zwei romanischen Sprachen Französisch und Spanisch und Bezüge zum Deutschen und Englischen helfen, diese Fragen zu erläutern und Tendenzen für verschiedene Metaphertypen anzugeben. Primär werden Metaphern mit den bereits vorhandenen Instrumenten aus der lexikalisch-semantischen ← 16 | 17 → Linguistik (wie der Semanalyse oder der Bestimmung von Fokus und Frame) untersucht. Es werden aber auch grammatische und kognitive Ansätze einbezogen. Dabei distanzieren wir uns von der Aussage Haverkamps, der schreibt, dass es „keine einheitliche Metaphernforschung [gäbe] und eine Theorie der Metapher nur als Sammelname konkurrierender Ansätze“, die „unvereinbar“ seien (Haverkamp 1983: 2), vorliege. Es ist anzunehmen, dass die zahlreichen Metaphertheorien das Phänomen Metapher aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und sich der Metapher auf verschiedenen Ebenen nähern, jedoch gemeinsame Schnittstellen aufweisen. Diese Schnittstellen gilt es in dieser Arbeit aufzuzeigen. Zudem soll klar herausgestellt werden, auf welchen Ebenen sich die jeweiligen Autoren mit der Metapher beschäftigen und wie diese Ebenen zu einem Gesamtkonstrukt zusammengefügt bzw. zur Analyse verschiedener Metapherarten angewendet werden können.

1.2 Forschungsanliegen: Raum und Zeit im Kontext der Metapher

In kognitiven Studien – wie jenen von Lakoff & Johnson ([1980] 2005), Lakoff (1993), Vandeloise (1991b) oder Baldauf (1997) – wird angenommen, dass sich Realität bzw. die Art und Weise, wie Sprecher ihre Umwelt begreifen, in der Sprache widerspiegelt. Raum kann neben der Sprache als eine der grundlegenden menschlichen Erfahrungen beschrieben werden. Die Erfahrungen mit dem eigenen Körper, der Umwelt und den sich darin befindlichen Gegenständen sowie die Wahrnehmung und das Empfinden von Materie und ihren unterschiedlichen Aggregatzuständen haben maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung von Sprache und sprachlichen Relationen. Die Bereiche Sprache und Raum als einen gemeinsamen Untersuchungsgegenstand zu betrachten, scheint daher von größtem Interesse für die semantische und kognitive Linguistik zu sein. Dass hierbei der Metapher als zumindest sprachliches Mittel zur Schaffung von mentalen Bildern eine besondere Rolle zukommt, liegt auf der Hand. Neben Sprache und Raum kommt in dieser Untersuchung jedoch noch eine weitere Dimension hinzu: Die zeitliche. In der Linguistik wird Zeit meist über ihre grammatische Kategorie – das Tempus – untersucht.

Cuando los lingüistas se ocupan de estudiar el concepto „tiempo“ y su manifestación en las lenguas, habitualmente se centran en la configuración de los tiempos verbales, como expresión prototípica y, a la vez, condicionante de la percepción misma del tiempo por parte de los hablantes. (Calero Vaquera 2011: 51)← 17 | 18 →

Die oftmals sprachliche Beschreibung von Zeit mit Hilfe von räumlichen Strukturen spielt hierbei keine Rolle. In der vorliegenden Studie werden wir daher das Tempus ausklammern und die restlichen lexikalischen Mittel der Temporalität in den Fokus rücken. Die sprachlich enge Verbindung zwischen Raum und Zeit ist bereits mehrfach untersucht worden (Clark (1973), Lakoff & Johnson ([1980] 2005), Jackendoff (1983), Michon (1985), Vandeloise (1991a), Boers (1996), Haspelmath (1997) u.a.), jedoch gibt es zur Fragestellung, ob die Übertragung vom Raum auf die Zeit einen metaphorischen Charakter aufweist, nur ansatzweise Auseinandersetzungen in den genannten Werken.

Ces linguistes [Lakoff & Johnson] s’intéressent surtout aux métaphores « vivantes », pour lesquelles, contrairement aux métaphores figées comme les carottes sont cuites, le sens propre des mots reste perceptible. C’est le cas, par exemple, pour le mot long, qui peut s’appliquer dans l’espace (une longue table) mais également dans le temps (un long moment). Si l’on admet que cette extension n’est pas arbitraire, elle pose d’intéressantes questions sur notre système conceptuel, d’autant plus que l’emploi de mots spatiaux dans le domaine temporel se rencontre dans beaucoup de langues (Traugott 1978). (Vandeloise 1991a: 98)

Vandeloise weist im Zusammenhang mit dem vorhergehenden Zitat abschließend darauf hin, dass es weiterer Studien zum Ausdruck von Raum und Zeit in verschiedenen Sprachen bedarf, um die Frage nach einer Raum-Zeit-Metapher und viceversa zu klären. Meist wird eine Übertragung oder extension vom Raum auf die Zeit vorbehaltlos vorausgesetzt und kognitiv begründet, d.h., es fehlt weithin ein sprachlich-fundierter Analyseansatz. Die folgenden zwei Beispiele für die Präposition loin de sollen die Problematik illustrieren:

(1) « Dis, Jeanne, sommes-nous encore loin de Montmartre ? »
Roubaud, Jacques (2000): Poésie : récit. S. 363, FR.

(2) On circulait entre les tablées. Tu te trouvais, non loin de l’heure du départ, assise à la même que ***.
Garréta, Anne (2002): Pas un jour. S. 111, FR.

Die Präposition loin de kann sowohl räumlich als auch zeitlich verwendet werden bzw. in einem räumlichen (Montmartre) oder zeitlichen Kontext (l’heure du départ) stehen. Wird sie daher vom Raum auf die Zeit übertragen? Und kognitiv gedacht: Ist die Zeit ein durch den Raum strukturiertes Konzept? Zur Raum-Zeit-Verbindung lassen sich laut Haspelmath (1997: 18) drei verschiedene Feststellungen / Thesen finden: a) Zeitliche Ausdrücke und Wendungen sind den räumlichen identisch; b) Zeitliche Ausdrücke und Wendungen basieren auf räumlichen; c) Sprecher denken ZEIT unter Verwendung des Konzepts RAUM. Zur ersten These würde Murphys Ansicht (1996) gehören, denn obwohl Raum- und Zeitwendungen identisch sind, spricht er von keiner Übertragung des ← 18 | 19 → Raumkonzepts auf die Zeit, sondern von der ähnlichen Strukturierung der beiden Konzepte. Die Thesen b und c lassen sich zur Lakoffschen Theorie (1980) zählen, wobei These c die Begründung für These b darstellt. Die These der metaphorischen Übertragung vom Raum auf die Zeit soll in der vorliegenden Arbeit zunächst unter Berücksichtigung verschiedener Studien zur Konzeptualisierung von Raum und insbesondere von Zeit untersucht werden. Dabei wird zwischen den drei Bereichen „Perzeption“, „Kognition“ und „Sprache“ unterschieden. Hierfür werden systematisch Studien aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen – der Kognitionswissenschaft, Philosophie und Linguistik – für die Darstellung eines möglichst umfassenden Bildes von Raum und Zeit sowie deren sprachlichen Repräsentation eingearbeitet. Die Untersuchung weist somit neben der lexikalisch-semantischen eine perzeptive, kognitive und philosophische Dimension auf, die sich den Beziehungen zwischen Raum und Zeit und deren Wahrnehmung durch den Menschen widmet (Kapitel 4). Der Fokus liegt hierbei auf der Darstellung der Zeit aus philosophischer und sprachphilosophischer Perspektive. Um die Frage nach der Beziehung von Raum und Zeit – die Zeit gilt bekanntermaßen als Funktion oder Metapher des Raumes – genauer untersuchen zu können, ist es notwendig ein Konstrukt des existierenden Zeitkonzeptes zu erstellen. Unter Einbeziehung diverser Werke, wie z.B. Aristoteles’ Metaphysik (1994), Guyaus Die Entstehung des Zeitbegriffs (1890) und John M. Hulls Im Dunkeln sehen (1992) – im letztgenannten Werk wird die Wahrnehmung von Räumen trotz Blindheit beschrieben – soll die Bedeutung von Raum-Zeit-Strukturen für den Menschen diskutiert werden. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Gerade in der Philosophie ist eine Vielzahl an Abhandlungen über die Zeit erschienen; die in dieser Arbeit ausgesuchten Autoren des Bereiches Philosophie sind so gewählt, dass sie der anschließenden Korpusuntersuchung von Nutzen sind. Ihre Erkenntnisse werden systematisch für die eigene Untersuchung verwendet.3 Erst nach einer möglichst umfassenden Erarbeitung der perzeptiven, kognitiven und sprachlichen Relationen zwischen Raum- und Zeitstrukturen, können weitere Aussagen zu einer möglichen Metapher und deren Natur gemacht werden. Eine grundlegende Annahme hierbei ist der Zusammenhang zwischen Sprache und Denken. Zwei Thesen werden in dieser Arbeit den Untersuchungen vorausgesetzt:

 Die Sprache „est moyen non seulement de la communication des informations, mais aussi des états psychologiques des locuteurs […]. Elle participe ← 19 | 20 → de la manière dont la pensée fonctionne“ (Saussure & Sthioul 2004: 67). Das heißt, Sprache ist kein in sich geschlossenes System; Erfahrungen, Wahrnehmungs- und Denkweisen sind Bestandteil der Sprache und „are crucially implicated in the […] functioning of language“ (Koch 2003: 86).

 Das Vorhandensein einer Sprache impliziert, dass sich Sprecher mittels dieser miteinander verständigen können. Das wiederum bedeutet, dass die materiellen Zeichen einer Sprache (signifiant) und deren Bedeutung (signifié) den Sprechern bekannt sein müssen und eine grundlegende (minimale) Übereinstimmung bezüglich ihrer Anwendungs- und Bedeutungsebene vorhanden sein muss.

Nach Erläuterung von Termini und Relationen (Kapitel 2), die für die kognitive Semantik unabdingbar sind, setzt sich die Arbeit aus vier Hauptkapiteln zusammen: Auseinandersetzung mit verschiedenen Theorien zur Metapher und Abgrenzung zu anderen Tropen (Kapitel 3); Erarbeitung der Sichtweisen auf Raum und Zeit in verschiedenen Disziplinen (Kapitel 4); Sprachlicher Ausdruck von Raum und Zeit in der französischen und spanischen Sprache (Kapitel 5); Korpusbasierte, diachrone und synchrone Analyse von Raum-Zeit-Lexemen und Raum-Zeit-Lokutionen unter Berücksichtigung der metaphorischen Fragestellung (Kapitel 6).

In Bezug auf die mögliche metaphorische Verbindung zwischen Raum und Zeit (Kapitel 4 und 6) und die Darstellung der Metapherarten (Kapitel 3) ist zu erwähnen, dass im korpusbasierten Kapitel der Arbeit ausschließlich Lexeme oder lexematische Einheiten behandelt werden, in denen Raum und Zeit eine Rolle spielen (können), im Kapitel 3 jedoch auch Metaphern aus anderen semantischen Feldern untersucht werden. Im Kapitel 5 werden sprachliche Korrelationen von Raum und Zeit herausgestellt. Die Darstellung der sprachlichen Repräsentation des Raumes und der Zeit im Französischen und Spanischen erfolgt im fünften Kapitel z. T. korpusbasiert. Auch im Internet gefundene Beispiele werden als Korpusmaterial in die theoretischen Darstellungen einbezogen. Den größten Teil des Raumes nehmen Raum-Präpositionen und Raum-Adverbien ein. Bewegungsverben und Verben, die statische Raumbeziehungen angeben, werden nicht genauer in die Darstellung des Raumes einbezogen, da der Fokus dieser Arbeit nicht auf diesen liegt; das bedeutet jedoch nicht, dass sie bei den Analysen des Kontextes keine Beachtung finden können. Gleichermaßen wird mit temporalen Konjunktionen wie quand / cuando, alors que / mientras (que) etc. verfahren. Ihnen wird keine nähere Ausführung im Kapitel zur sprachlichen Darstellung von Zeit gewidmet (Kapitel 5). Das Tempus – ebenfalls zur Temporalität gehörend – findet allenfalls bei der Kontextanalyse der jeweiligen zu untersuchenden ← 20 | 21 → Präposition oder des jeweiligen zu untersuchenden Adjektivs Erwähnung.

1.3 Methodologisches Vorgehen in der Korpusanalyse

Details

Seiten
349
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653037944
ISBN (ePUB)
9783653996289
ISBN (MOBI)
9783653996272
ISBN (Hardcover)
9783631642450
DOI
10.3726/978-3-653-03794-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (März)
Schlagworte
Kognition Metaphertheorien Metapherarten Korpusanalyse
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 349 S., 6 farb. Abb.

Biographische Angaben

Kathleen Plötner (Autor:in)

Kathleen Plötner studierte Französisch und Spanisch an der Universität Salzburg und der Universität Potsdam. Nach dem Zusatzstudium Deutsch als Fremdsprache promovierte sie in Romanistik und ist derzeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Linguistik und angewandte Sprachwissenschaft am Institut der Romanistik der Universität Potsdam tätig.

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Titel: Raum und Zeit im Kontext der Metapher
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