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Die paritätisch mitbestimmte GmbH

von Karl Schindeldecker (Autor:in)
©2014 Dissertation XVIII, 314 Seiten

Zusammenfassung

Durch die Einführung des Mitbestimmungsgesetzes im Jahr 1976 fanden die mitbestimmungsrechtlichen Bemühungen des Gesetzgebers in der – zumindest formell – paritätischen Mitbestimmung ihren bisherigen Höhepunkt. Trotz ihrer herausragenden wirtschaftlichen und somit tatsächlichen Bedeutung steht die paritätisch mitbestimmte GmbH in der rechtswissenschaftlichen Literatur allgemein und in der mitbestimmungsrechtlichen Literatur im Schatten der Aktiengesellschaft, die als Leit- und Idealbild des MitbestG im Zentrum der meisten Bearbeitungen steht. Für die GmbH folgt aus dem MitbestG eine strukturelle Angleichung an die AG durch die zwingende Bildung eines Aufsichtsrates. Im Kompetenzgefüge der GmbH kommt es durch diese zwingende Einfügung eines AR zum Konflikt mit der Gesellschafterversammlung, die der GmbH als oberstes Organ vorsteht. Ziel dieser Bearbeitung ist es, insbesondere den Konflikt zwischen der Personalkompetenz des Aufsichtsrates und der Sachkompetenz der Gesellschafterversammlung in der paritätisch mitbestimmten GmbH offenzulegen und einen Ausgleich zu finden, der den Besonderheiten der paritätisch mitbestimmten GmbH gerecht wird.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • VORWORT
  • Inhaltsverzeichnis
  • ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
  • A. EINFÜHRUNG
  • I. BEDEUTUNG DER MITBESTIMMTEN GMBH
  • II. ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES MITBESTIMMUNGSGESETZES
  • 1. Vorangegangene Gesetzgebung nach dem Zweiten Weltkrieg
  • a) Das Kontrollratsgesetz Nr. 22
  • b) Die Montanmitbestimmung
  • c) Das Betriebsverfassungsgesetz
  • 2. Entstehung des Mitbestimmungsgesetzes
  • a) Die Große Koalition 1966–1969
  • b) Die sozialliberale Koalition 1969–1972
  • c) Die sozialliberale Koalition 1972–1976
  • d) Zusammenfassung
  • 3. Vereinbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes mit der Verfassung
  • III. AUSLEGUNGSGRUNDSÄTZE DES MITBESTIMMUNGSGESETZES
  • 1. Technik des Mitbestimmungsgesetzes
  • a) Vorrang des Gesellschaftsrechts
  • b) Vorrang des sog. „Mitbestimmungstelos“
  • c) Vermittelnde Interpretationslinie
  • d) Stellungnahme
  • e) Zusammenfassung
  • 2. Ziel des Mitbestimmungsgesetzes
  • a) Sozialethische und sozial- sowie gesellschaftspolitische Ziele
  • b) Wirkung des Mitbestimmungsgesetzes
  • c) Bindung der Gesellschaftsorgane an das Unternehmensinteresse
  • aa) Bindung des Aufsichtsrats und der Aufsichtsratsmitglieder an das Unternehmensinteresse
  • bb) Bindung der Gesellschafterversammlung und der Gesellschafter an das Unternehmensinteresse
  • d) Zusammenfassung und Ergebnis
  • IV. STRUKTURELLE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN GMBH UND AG
  • 1. Satzungsstrenge und Regelungsdichte
  • 2. Verhältnis der verschiedenen Gesellschaftsorgane in den nicht mitbestimmten Gesellschaften
  • 3. Auseinanderfallen von Personal- und Sachkompetenz in der paritätisch mitbestimmten GmbH
  • a) Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung
  • aa) Eingeschränktes Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung
  • bb) Umfassendes Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung
  • cc) Stellungnahme
  • b) Delegation des Weisungsrechts durch die Gesellschafterversammlung
  • c) Verhältnis des Weisungsrechts der Gesellschafterversammlung zu den Kontrollrechten des Aufsichtsrats
  • d) Geschäftsordnungs- und Verteilungskompetenz der Gesellschafterversammlung
  • e) Zusammenfassung
  • V. ZUSAMMENFASSUNG UND THESEN
  • B. BESTELLUNG UND ABBERUFUNG DES GESCHÄFTSFÜHRERS
  • I. ZUSTÄNDIGKEIT
  • 1. Wahlfreiheit
  • 2. Umfassende Personalkompetenz
  • 3. Bestellungsverfahren
  • a) Möglichkeit geheimer Abstimmung im Aufsichtsratsplenum
  • b) Ermittlung der jeweils erforderlichen Mehrheit
  • c) Die unterschiedlichen Wahlgänge
  • aa) Erster Wahlgang
  • bb) Zweiter Wahlgang
  • (1) Vermittlungsausschuss
  • (2) Abstimmung im Aufsichtsratsplenum
  • cc) Dritter Wahlgang
  • 4. Der Personalausschuss
  • a) Besetzung des Personalausschusses
  • aa) Größe des Ausschusses
  • bb) Zusammensetzung des Ausschusses
  • (1) Aufsichtsratsausschüsse allgemein
  • (2) Der Personalausschuss im Besonderen
  • b) Reichweite übertragbarer Befugnisse
  • c) Zusammenfassung
  • II. BESONDERE ORGANSCHAFTLICHE FUNKTIONEN DES GMBH- GESCHÄFTSFÜHRERS
  • 1. Der Vorsitzende der Geschäftsführung
  • a) Zuständigkeit für die Ernennung
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Streitentscheid
  • (1) Wortlautauslegung
  • (2) Historische Auslegung
  • (3) Gesetzessystematik
  • (4) Teleologische Auslegung
  • cc) Ergebnis
  • b) Aufgaben des Vorsitzenden der Geschäftsführung
  • aa) Aufgaben mit organisatorisch-technischem Charakter
  • bb) Einräumung weitergehender Rechte
  • 2. Der Arbeitsdirektor
  • a) Historische Entwicklung
  • aa) Der Arbeitsdirektor nach dem MontanMitbestG und dem MitbestErgG
  • bb) Der Arbeitsdirektor nach dem MitbestG
  • b) Aufgaben des Arbeitsdirektors
  • c) Gesetzeszweck
  • d) Diskriminierungsverbot
  • aa) Der Arbeitsdirektor als stellvertretender Geschäftsführer
  • bb) Mögliche Sonderrechte des Vorsitzenden der Geschäftsführung in Beziehung zum Arbeitsdirektor
  • (1) Wortlautauslegung
  • (2) Historische Auslegung
  • (3) Gesetzessystematik
  • (4) Teleologische Auslegung
  • e) Der Arbeitsdirektor der Konzernobergesellschaft
  • f) Der Verzicht auf ein mehrköpfiges Geschäftsführungsgremium
  • aa) Streitentscheid
  • (1) Wortlautauslegung
  • (2) Historische Auslegung
  • (3) Gesetzessystematik
  • (4) Teleologische Auslegung
  • bb) Ergebnis
  • 3. Das entsandte Aufsichtsratsmitglied
  • a) Anwendbarkeit des § 31 MitbestG
  • b) Zuständigkeit für die Entsendung
  • aa) Regelung im MitbestG
  • bb) Regelung im GmbHG
  • cc) Regelung in der Satzung der Gesellschaft
  • c) Entscheidung durch einen Ausschuss
  • d) Ende der Entsendung
  • e) Ergebnis
  • 4. Zusammenfassung
  • III. BEENDIGUNG DES GESCHÄFTSFÜHRERAMTES
  • 1. Bestellungsdauer
  • a) Höchstdauer
  • b) Mindestdauer
  • 2. Widerruf der Bestellung durch die Gesellschaft
  • a) Der wichtige Grund
  • aa) Voraussetzungen des wichtigen Grundes
  • bb) Der Vertrauensentzug der Gesellschafterversammlung
  • (1) Vertrauensentzug in der paritätisch mitbestimmten GmbH
  • (2) Vertrauensentzug aus unsachlichen Gründen
  • cc) Vertrauensentzug der Arbeitnehmer
  • b) Entscheidung des Aufsichtsrats
  • c) Verfahren
  • d) Erklärung
  • 3. Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer
  • 4. Einvernehmliche Amtsniederlegung
  • C. DER ANSTELLUNGSVERTRAG DES GESCHÄFTSFÜHRERS
  • I. ABSCHLUSS DES ANSTELLUNGSVERTRAGES
  • 1. Zuständigkeit
  • a) Meinungsstand in der rechtswissenschaftlichen Literatur
  • aa) Zwingende Zuständigkeit des Aufsichtsrats
  • (1) Verweisung auf aktienrechtliche Vorschriften im MitbestG
  • (2) Annexkompetenz
  • bb) Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung
  • b) Rechtsprechung
  • c) Stellungnahme
  • 2. Statuarische Vergütungsrichtlinien
  • 3. Verfahren
  • a) Beschluss über den Abschluss des Anstellungsvertrages
  • b) Abschluss des Anstellungsvertrages
  • c) Auswirkungen des VorstAG auf das Anstellungsverfahren
  • aa) Meinungsstand
  • bb) Stellungnahme
  • (1) Anwendbarkeit des § 87 AktG
  • (2) Zwingende Zuständigkeit des Aufsichtsratsplenums nach § 107 Abs. 3 S. 3 AktG
  • cc) Ergebnis
  • d) Abschluss des Anstellungsvertrages durch einen Ausschuss
  • II. BEENDIGUNG DES ANSTELLUNGSVERTRAGES
  • 1. Vertragsdauer
  • a) Höchstdauer
  • b) Gleichlauf von Bestellung und Anstellung
  • 2. Kündigung des Anstellungsvertrages durch die GmbH
  • a) Ordentliche Kündigung
  • b) Außerordentliche Kündigung
  • aa) Der wichtige Grund
  • bb) Die Kündigungserklärungsfrist
  • 3. Kündigung durch den Geschäftsführer und einvernehmliche Beendigung
  • D. MÖGLICHKEITEN DER EINFLUSSNAHME DER GESELLSCHAFTERVERSAMMLUNG
  • I. MITBESTIMMUNGSRECHTLICHER RAUM FÜR EINE MITWIRKUNG
  • II. MITWIRKUNG NACH BEGINN DES BESETZUNGSVERFAHRENS
  • 1. Vorschlagsrechte der Gesellschafterversammlung
  • 2. Anhörungsrechte der Gesellschafterversammlung
  • 3. Zustimmungsrechte der Gesellschafterversammlung
  • a) Meinungsstand
  • b) Stellungnahme
  • aa) Wortlautauslegung
  • bb) Historische Auslegung
  • cc) Gesetzessystematik
  • dd) Teleologische Auslegung
  • c) Ergebnis
  • 4. Zusammenfassung
  • III. MITWIRKUNG VOR BEGINN DES BESETZUNGSVERFAHRENS
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Streitentscheid
  • IV. ZUSAMMENFASSUNG
  • E. ERGEBNIS
  • Reihenübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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A. Einführung

Im Zentrum der vorliegenden Bearbeitung steht die nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 paritätisch mitbestimmte GmbH.

Durch die Einführung des Mitbestimmungsgesetzes im Jahr 1976 fanden die mitbestimmungsrechtlichen Bemühungen des Gesetzgebers in der – zumindest formell – paritätischen Mitbestimmung ihren bisherigen Höhepunkt. Das Gesetz ist das Ergebnis einer intensiv geführten und lang andauernden gesellschaftlichen und politischen Diskussion. Die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung um das MitbestG begann bereits im Gesetzgebungsverfahren und nahm nach Erlass des Gesetzes noch einmal erheblich zu.

Trotz ihrer herausragenden wirtschaftlichen und somit tatsächlichen Bedeutung steht die paritätisch mitbestimmte GmbH in der rechtswissenschaftlichen Literatur allgemein und in der mitbestimmungsrechtlichen Literatur im Schatten der Aktiengesellschaft. Dies mag zum einen daran liegen, dass das Leitbild des MitbestG die Aktiengesellschaft ist und der dort vorhandene Aufsichtsrat als Träger genutzt wird, um die Mitbestimmung im Unternehmen zu verwirklichen. Die Aktiengesellschaft ist damit Leit- und Idealbild des MitbestG. Hinzu kommt, dass, obwohl die GmbH zwar zahlenmäßig unter den paritätisch mitbestimmten Gesellschaften nie weit hinter der Aktiengesellschaft zurücklag und es seit dem Jahr 2007 sogar mehr paritätisch mitbestimmte Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH gibt als in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, die rein wirtschaftliche Bedeutung der Aktiengesellschaft weit größer ist als die der GmbH. Es genügt ein Blick auf die Liste der Unternehmen des DAX 30, um zu erkennen, dass dort die größten und bedeutendsten Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland vertreten sind und mithin in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder SE organisiert sind. Darüber hinaus stehen diese als sog. Publikumsgesellschaften, deren weiter Anteilseignerkreis sich durch alle Schichten der Gesellschaft erstreckt, weit mehr im Fokus der Öffentlichkeit.

Da aus diesen Gründen die meisten Autoren die Aktiengesellschaft in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stellen und durch das MitbestG eine strukturelle Angleichung der GmbH an die Aktiengesellschaft vorgenommen wird, werden die im Rahmen dieser Untersuchungen gefundenen Ergebnisse häufig auf die GmbH übertragen, ohne dass hierbei die erheblichen strukturellen Unterschiede ausreichend beachtet werden.

Die strukturelle Angleichung an die Aktiengesellschaft, die durch die zwingende Bildung eines Aufsichtsrates herbeigeführt wird, geht nur so weit, ← 1 | 2 → wie es die mitbestimmungsrechtlichen Zielsetzungen in den Augen des Gesetzgebers erfordern. Der Gesetzgeber verzichtete bei Konzeption und Ausgestaltung des MitbestG auf eine umfassende Revision des Unternehmensrechts und einen Rechtsformzwang für mitbestimmte Unternehmen. Vielmehr entschied er sich dafür, die paritätische Mitbestimmung in den vorhandenen Gesellschaftsformen zu verwirklichen. Hierzu versuchte er das MitbestG in die bestehenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen einzufügen und diese nur so weit zurückzudrängen, wie es für die Verwirklichung des MitbestG erforderlich schien. Während dies in der Aktiengesellschaft vergleichsweise reibungslos möglich war, da das MitbestG die hier bestehende Organisation und Kompetenzverteilung einfach übernahm, kam es bei diesem Einpassungsprozess in der GmbH zwangsläufig zu Konflikten zwischen dem zu bildenden Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung, die als oberstes Gesellschaftsorgan der GmbH vorsteht.

Der hierdurch hervorgerufene Kompetenzkonflikt wird besonders deutlich, wenn man beachtet, dass das MitbestG die Personalkompetenz auf den paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat überträgt. Diesem obliegt es, die Geschäftsführer der Gesellschaft auszusuchen und zu bestellen. Gleichzeitig liegt aber die Sachkompetenz in der GmbH bei der Gesellschafterversammlung, die als oberstes Gesellschaftsorgan sämtliche Sachentscheidungen in der Gesellschaft treffen und durch verbindliche Weisungen an die Gesellschafter durchsetzen kann. Offensichtlich wird aber die Wirkung des MitbestG deutlich eingeschränkt, wenn die Geschäftsführer zwar vom paritätisch besetzten Aufsichtsrat bestellt werden, jedoch nach ihrer Bestellung doch nur das tun dürfen, was ihnen die Gesellschafterversammlung aufträgt.

In der rechtswissenschaftlichen Literatur wurde und wird noch heute vielfach versucht, diesen Konflikt zulasten der Sachkompetenz der Gesellschafterversammlung aufzulösen. So wird beispielsweise das Weisungsrecht, das der Gesellschafterversammlung gegenüber den Geschäftsführern grundsätzlich zukommt, dieser gänzlich entzogen oder zumindest eingeschränkt oder dem Aufsichtsrat das Recht eingeräumt, auch solche Geschäftsführungshandlungen zu untersagen, die von der Gesellschafterversammlung angewiesen wurden. Weiter werden zum Teil der Gesellschafterversammlung solche Weisungen untersagt, mit denen diese eigene Interessen auf Kosten der Arbeitnehmer verfolgt.

Diese Versuche, den geschilderten Konflikt einseitig zulasten der Sachkompetenz der Gesellschafterversammlung aufzulösen, konnten sich aber, soweit ersichtlich, nicht entscheidend durchsetzen. In der jüngeren Literatur wird daher vereinzelt und in Ansätzen der Versuch unternommen, den Konflikt zwischen der Personalkompetenz des Aufsichtsrats und der Sachkompetenz der Gesellschafterversammlung dadurch aufzulösen, dass der Gesellschafterversammlung in Bezug auf Personalentscheidungen weitergehende Rechte eingeräumt ← 2 | 3 → werden. Was auf den ersten Blick als ein Versuch erscheint, die Wirkung des MitbestG zurückzudrängen, zeigt sich bei näherer Betrachtung als Möglichkeit, das MitbestG zu stärken, denn wenn die Bestellung der Geschäftsführer dem paritätisch besetzten Aufsichtsrat obliegt und gleichzeitig sichergestellt wird, dass diese Geschäftsführer das Vertrauen der Gesellschafterversammlung haben, ist zu erwarten, dass die Gesellschafterversammlung diesen Geschäftsführern weit größere Handlungsfreiräume einräumen wird, als sie es tun würde, wenn die Geschäftsführer vom Aufsichtsrat gegen ihren Willen bestellt würden.

In den meisten Fällen wird diese Zustimmung der Gesellschafterversammlung schon durch das MitbestG ausreichend abgesichert, da es im Ergebnis den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat möglich ist, bei einheitlicher Abstimmung die Geschäftsführer auch gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter zu bestellen. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Gründen, aus denen eine einheitliche Entscheidung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat nicht zustande kommt. Die Gesellschafterversammlung ist zwar in ihren Interessen nicht so gegensätzlich zusammengesetzt wie der Aufsichtsrat, aber dass stets alle Gesellschafter einer Meinung sind, ist reine Theorie. Damit kann es auch im Aufsichtsrat zu Situationen kommen, in denen sich eine Mehrheit aus den Stimmen der Arbeitnehmervertreter und einzelnen Vertretern der Anteilseigner zusammensetzt. Wird in solchen Situationen ein Geschäftsführer gegen den Willen der Mehrheit der Gesellschafterversammlung bestellt, kommt es auch praktisch zu dem aufgezeigten Konflikt.

Ziel dieser Bearbeitung ist es, den Konflikt zwischen Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung in der paritätisch mitbestimmten GmbH offenzulegen und einen Ausgleich zu finden, der den Besonderheiten der paritätisch mitbestimmten GmbH gerecht wird. Die An- und Bestellung des Geschäftsführers der paritätisch mitbestimmten GmbH bietet sich für dieses Vorhaben zuvorderst an, da die Kompetenzverlagerung bezüglich der Bestellung der Geschäftsführer von der Gesellschafterversammlung auf den Aufsichtsrat gem. § 31 Abs. 1 MitbestG im Zentrum des mitbestimmungsrechtlichen Regelungskomplexes steht. Auch wird in diesem Zusammenhang der Konflikt zwischen der Personalkompetenz des Aufsichtsrats und der Sachkompetenz der Gesellschafterversammlung besonders deutlich.

Bevor die Fragen der Bestellung und Anstellung der Geschäftsführung im Einzelnen bearbeitet werden, sollen zunächst das MitbestG in seinen historischen Kontext eingeordnet sowie die für das MitbestG anwendbaren Auslegungsgrundsätze dargelegt werden. Die hier ermittelten Ergebnisse werden im Rahmen der sich stellenden Rechtsfragen immer wieder heranzuziehen sein. Gleiches gilt für die sich anschließende Betrachtung der strukturellen Unterschiede ← 3 | 4 → in Aktiengesellschaft und GmbH, was es rechtfertigt, diese Themenkomplexe vorab und losgelöst von den einzelnen Problemen zu behandeln.

I. Bedeutung der mitbestimmten GmbH

Die GmbH ist die erfolgreichste und zumindest zahlenmäßig bedeutendste Rechtsform deutscher Unternehmen. Daher verwundert es nicht, dass die GmbH auch unter den paritätisch mitbestimmten Unternehmen seit dem Jahr 2007 zahlenmäßig am stärksten vertreten ist.1

2004 gab es in Deutschland noch insgesamt 746 mitbestimmte Unternehmen. Hiervon waren 343 in der Rechtsform der GmbH und 353 als Aktiengesellschaft organisiert.2 Die Datenkarte der Hans-Böckler-Stiftung weist – bei absteigender Tendenz der vorangegangenen Jahre – für das Jahr 2009 insgesamt 694 Unternehmen aus, die dem Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes unterfallen.3 Von diesen 694 paritätisch mitbestimmten Unternehmen sind 347 in der Rechtsform der GmbH und nur 294 als Aktiengesellschaft organisiert.4 Damit ist die GmbH unter den paritätisch mitbestimmten Unternehmen in Deutschland die zahlenmäßig deutlich am stärksten vertretene Gesellschaftsform. Im Vergleich zu den paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaften, deren Zahl nach dem Jahr 2004 um fast 17% zurückgegangen ist, ist die Zahl der paritätisch mitbestimmten GmbHs seit diesem Zeitpunkt annähernd unverändert.

Die vielfach befürchtete Flucht von Unternehmen in ausländische Rechtsformen scheint sich jedenfalls auf die GmbH nicht negativ auszuwirken.5 Darüber hinaus ist die Anzahl der Unternehmen mit ausländischer Rechtsform, die aufgrund ihrer Größe zumindest unter das DrittelbG fallen würden, sich durch die ausländische Rechtsform aber der Mitbestimmung entziehen, in absoluten Zahlen relativ klein, auch wenn ein deutlicher Anstieg in den letzten Jahren zu verzeichnen ist. So fielen insgesamt im Januar 2006 noch 17 Unternehmen ← 4 | 5 → in diese Gruppe, im November 2009 schon 37 und im Oktober 2010 bereits 43.6

II. Entstehungsgeschichte des Mitbestimmungsgesetzes

Details

Seiten
XVIII, 314
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653037968
ISBN (ePUB)
9783653996265
ISBN (MOBI)
9783653996258
ISBN (Hardcover)
9783631642467
DOI
10.3726/978-3-653-03796-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
Mitbestimmungsgesetz 1976 MitbestG Geschäftsführung Organstellung Aufsichtsrat Gesellschafterversammlung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. XVIII, 314 S.

Biographische Angaben

Karl Schindeldecker (Autor:in)

Karl Schindeldecker studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und war Rechtsanwalt in Köln. Zurzeit ist er als Notarassessor bei der rheinischen Notarkammer tätig.

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