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Der Immaterialgüterschutz virtueller Ladengeschäfte

Ein Vorschlag für die rechtliche Erfassung virtueller Güter

von Sylvia Lorenz (Autor:in)
©2014 Dissertation 290 Seiten

Zusammenfassung

Sind Sachverhalte, die auf Grund ihrer Verortung im Internet einzig die Besonderheit einer digitalen oder virtuellen Natur aufweisen, im Ergebnis rechtlich anders zu beurteilen als vergleichbare Sachverhalte in der realen Welt? Und wenn ja, inwieweit? Die Arbeit konzentriert sich bei der Beantwortung dieser Fragen insbesondere auf sogenannte virtuelle Geschäftsmodelle. Zunächst wird beleuchtet, wie virtuelle Sachverhalte von der Rechtsordnung bisher erfasst werden und die Lücken aufgezeigt. Anschließend werden Probleme aufgezeigt, die mit der Lückenhaftigkeit der Erfassung virtueller Sachverhalte in Verbindung stehen. Abschließend wird ein eigener Lösungsvorschlag dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Kapitel 1 – Einleitung
  • A. Die Rechtsordnung ist auf ihrem digitalen Auge blind
  • B. Verfassungsrechtlich aufgegebener Handlungsbedarf
  • C. Eingrenzung der behandelten Aspekte
  • D. Zielsetzung und Gang der Darstellung
  • E. Thesen der Arbeit
  • Kapitel 2 – Beschreibung virtuelle Geschäftsmodelle und deren Beeinträchtigungen
  • A. Virtuelle Geschäftsmodelle
  • I. Dienstleistungen 1. und 2. Stufe
  • II. Rein- und gemischt-virtuelle Geschäftsmodelle
  • 1. Rein-virtuelle Geschäftsmodelle
  • a) Klassische Geschäftsmodelle – Vermittlungsdienste
  • b) Internet-spezifische Geschäftskonzepte
  • 2. Gemischt-virtuelle Geschäftsmodelle
  • III. Wirtschaftliche Beweggründe für das Betreiben und die Finanzierung virtueller Geschäftsmodelle
  • IV. Bedeutung virtueller Geschäftsmodelle
  • B. Beeinträchtigungen virtueller Geschäftsmodelle
  • I. Virtuell-spezifische Beeinträchtigungen
  • 1. Screen Scraping
  • 2. Einmischen in die Kommunikation mit dem Kunden beim Direktvertrieb von Waren oder Dienstleistungen (2. Stufe)
  • 3. Reduzierung der Kommunikation mit dem Kunden auf ein Minimum durch den Einsatz von sog. Umgehungssoftware bei Internet-Börsen oder Internet-Handelsplattformen
  • 4. Unterbindung der Kommunikation mit dem Kunden in Gänze durch Kopieren von Internet-Datenbanken
  • II. Nicht-virtuell-spezifische Beeinträchtigungen
  • Kapitel 3 – Gesetzliche Unterlassungsansprüche gegen Beeinträchtigungen virtueller Geschäftsmodelle
  • A. Gang der nachfolgenden Darstellungen
  • B. Sachenrechtlicher Unterlassungsanspruch – § 1004 Abs. 1 BGB (analog)
  • I. Virtualität versus Sacheigenschaft
  • 1. Diskussion zur Sacheigenschaft von Computerprogrammen
  • a) Befürworter einer Sachqualität von Computerprogrammen
  • b) Gegner einer Sachqualität von Computerprogrammen
  • 2. Stellungnahme
  • a) Orientierung am Ergebnis
  • b) Keine überzeugende Begründung einer Sachqualität vonComputerprogrammen
  • aa) Vermischung Rechte am körperlichen Datenträger und dem darauf gespeicherten unkörperlichen Computerprogramm
  • bb) Unvereinbarkeit mit technologischem Fortschritt
  • cc) Verweis auf § 453 Abs. 1 BGB (n.F.)
  • c) Zwischenergebnis – Aussicht
  • 3. Übertragung der Diskussion betreffend die Sacheigenschaft von Computerprogrammen auf virtuelle Geschäftsmodelle – Auswertung
  • II. Virtuelles Hausrecht
  • 1. Betreiber der Internetpräsenz ist Eigentümer des Servers
  • 2. Betreiber der Internetpräsenz ist nicht Eigentümer des Servers
  • a) Besitz des Betreibers der Internetseite an den auf dem Server gespeicherten Daten
  • b) Abstrahierung des Verletzungsschutzes vom Rechtssubjekt
  • III. Analoge Anwendung von §1004 Abs. 1 BGB (analog) i.V.m. § 903 bzw. §1004 Abs. 1 BGB (analog) i.V.m. § 903 bzw. § 858 BGB – doppelte Analogie
  • 1. Planwidrige Regelungslücke
  • 2. Vergleichbarkeit der Sachverhalte
  • a) Vergleichbarkeit Sache – Internetpräsenz
  • b) Vergleichbarkeit Verhältnis Besitzer – Sache mit Verhältnis Betreiber – Internetpräsenz
  • IV. Zwischenergebnis
  • C. Deliktische Unterlassungsansprüche
  • I. Rahmenrecht des virtuellen Hausrechts
  • II. Rahmenrecht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
  • III. Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 202a Abs. 1 StGB
  • IV. Zwischenergebnis
  • D. Sondergesetzliche Unterlassungsansprüche
  • I. Rechte des Datenbankherstellers – § 87b Abs. 1 UrhG
  • 1. Geschützte Datenbank
  • a) Datenbank
  • b) Schutzfähigkeit der Datenbank
  • c) Datenbankhersteller
  • 2. Verletzung der Rechte des Datenbankherstellers – § 87b Abs. 1 UrhG
  • a) Auslegung der Begriffe Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe
  • b) Handlungen der Entnahme und Weiterverwendung betreffend die relevanten Fallgruppen
  • c) Entnahme bzw. Weiterverwendung der Datenbank insgesamt oder eines wesentlichen Teils – § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG
  • aa) Wesentlichkeit in quantitativer Hinsicht
  • bb) Wesentlichkeit in qualitativer Hinsicht
  • (1) Qualitative Wesentlichkeit von Einzeldatensätzen
  • (2) Qualitative Wesentlichkeit wegen Auslesens aktualisierter Daten
  • d) Entnahme bzw. Weiterverwendung eines unwesentlichen Teils der Datenbank – § 87b Abs. 1 Satz 2 UrhG
  • aa) Zuwiderlaufen einer normalen Auswertung
  • bb) Unzumutbare Beeinträchtigung berechtigter Interessen
  • e) Zwischenergebnis
  • II. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
  • 1. Prüfungsumfang – Beschränkung auf die Fallgruppe „Einmischen in die Kommunikation zwischen Inhaber des virtuellen Geschäftsmodelles und dessen Kunden im Zusammenhang mit dem Direktvertrieb von Waren oder Dienstleistungen (2. Stufe)“
  • 2. Gezielte Mitbewerberbehinderung – §§ 8 Abs. 1 Satz 1; 3 Abs. 1; 4 Nr. 10 UWG
  • a) Geschäftliche Handlung und Mitbewerber
  • b) Gezielte Behinderung
  • aa) Einschaltung in den Direktvertrieb
  • bb) Vertriebsbezogende Behinderung – unlauterer Schleichbezug
  • (1) Täuschung über Wiederverkaufsabsicht
  • (2) Übertragung auf Vermittlungstätigkeiten
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Ergänzender lautkeitsrechtlicher Leistungsschutz
  • a) Mittelbarer Leistungsschutz – §§ 8 Abs. 1 Satz 1; 3 Abs. 1; 4 Nr. 9 UWG
  • b) Unmittelbarer Leistungsschutz – §§ 8 Abs. 1 Satz 1; 3 Abs. 1 UWG
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Unterlassungsanspruch gemäß §§ 97 Abs. 1; 69c Nr. 1 UrhG – Urheberrecht an Computerprogrammen
  • IV. Zwischenergebnis
  • E. Übertragung der Ergebnisse auf die in dieser Arbeit zu prüfenden Beeinträchtigungen virtueller Geschäftsmodelle
  • Kapitel 4 – Dimension der Nichterfassung virtueller Sachverhalte durch die Rechtsordnung und Wertungswiderspruch
  • A. Dimension der Problematik einer Nichterfassung virtueller Sachverhalte
  • I. Rechtliche Einordnung von Computerprogrammen
  • II. Rechtliche Einordnung virtueller Gegenstände
  • 1. Erfassung durch die bestehenden Immaterialgüterrechte
  • 2. Sonstiger Gegenstand im Sinne von § 453 Abs. 1 BGB
  • 3. Ungeschriebenes Immaterialgüterrecht sui generis
  • a) Individualisierbarkeit und Verkehrsfähigkeit virtueller Gegenstände
  • b) Belohnung der individuellen Leistung
  • c) Absolute Rechtsposition
  • d) Reichweite ungeschriebenes Immaterialgüterrecht sui generis
  • 4. Sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB
  • a) Abgrenzung zum Immaterialgüterrecht
  • aa) Abstellen auf Herrschaftsobjekt
  • bb) Abstellen auf Schutzzweck mit Blick auf die abzuwehrenden Nutzungen – rivalisierende und nicht-rivalisierende Nutzungen
  • cc) Keine hinreichende Erfassung durch die klassischen Immaterialgüterrechte
  • b) Keine Konstruktion einer rechtlichen Erfassung über Sacheigentum und Sachbesitz
  • c) Teilweise: Einschränkung auf Grund teil-absoluten Charakters
  • d) Reichweite des sonstigen Rechts an virtuellen Gegenständen im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB
  • aa) Vertikalverhältnis zwischen Betreiber und Nutzer
  • (1) Vertragliche Überformung
  • (2) Regelungsautonomie virtueller Räume
  • (3) Interessen- und Konfliktlage im Vertikalverhältnis
  • bb) Horizontalverhältnis zwischen Nutzern
  • (1) Einschränkung durch konsensual-autonom gesetztes Innenrecht
  • (2) Einschränkung durch informale Verhaltensnormen und Verkehrsgewohnheiten
  • (3) Einschränkung auf Grund der technischen Architektur des virtuellen Raums
  • cc) Art der abzuwehrenden Nutzung
  • 5. Numerus Clausus der Immaterialgüterrechte
  • III. Rechtliche Einordnung von Internet-Domains
  • 1. Zwangsvollstreckungsrecht
  • 2. Störungen der Nutzung von Internet-Domains
  • IV. Weitere Fälle
  • 1. Versandhandel von Motorenölen im Internet
  • 2. Strafrecht
  • 3. Nutzung im Internet zugänglich gemachter Werke
  • 4. Urheberrechtliche Erschöpfung von im Internet vertriebenen Computer-programmen oder anderer Güter wie z.B. E-Books
  • B. Wertungswiderspruch zu vergleichbaren Sachverhalten in der realen Welt
  • I. Nutzung im Internet zugänglich gemachter Werke
  • II. Virtuelle Gegenstände in Online-Spielen
  • III. Computerprogramme und E-Books
  • IV. Internet-Domains
  • V. Virtuelle Geschäftsmodelle
  • C. Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG
  • I. Virtuelle Vermögenspositionen
  • II. Funktion der Eigentumsgarantie
  • 1. Bestandsgarantie
  • 2. Institutsgarantie
  • III. Dynamik des Eigentumsbegriffs
  • IV. Pflicht des Gesetzgebers - Handlungsbedarf
  • Kapitel 5 – Lösungsvorschlag
  • A. Bereits diskutierte Lösungsansätze – Stellungnahme
  • I. Sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB 222
  • 1. Konflikt mit numerus clausus des Immaterialgüterrechts
  • a) Anerkennung des numerus clausus der Immaterialgüterrechte
  • b) Verstoß gegen den numerus clausus der Immaterialgüterrechte
  • aa) Rechtsfortbildung versus numerus clausus
  • bb) Rechtsfortbildung versus numerus clausus der Immaterialgüterrechte
  • c) Zwischenergebnis
  • 2. Fehlende absolute Rechtsposition
  • a) Rein faktische Ausschließlichkeitsstellung
  • b) Zwischenergebnis
  • 3. Vorzug des Sacheigentums gegenüber Immaterialgüterrechten
  • a) Virtuelle Gegenstände im Rahmen von Online-Spielen
  • aa) Abstellen auf Herrschaftsobjekte
  • bb) Abstellen auf Schutzzweck
  • b) Keine Anwendbarkeit auf den Großteil virtueller Güter
  • c) Zwischenergebnis
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Erfassung durch die bestehenden Immaterialgüterrechte
  • III. Ungeschriebenes Immaterialgüterrecht sui generis
  • IV. Sonstiger Gegenstand im Sinne von § 453 Abs. 1 BGB
  • B. Eigener Lösungsvorschlag
  • I. Recht sui generis an Datenbanken
  • II. Neu zu schaffendes Immaterialgüterrecht sui generis
  • 1. Vorreiterstellung des Rechts sui generis an Datenbanken
  • 2. Erforderliches Allgemeininteresse
  • a) Nicht relevante Faktoren
  • b) Relevante Faktoren
  • 3. Weite des Schutzes
  • 4. EU-Rechtliche Verankerung
  • 5. Umsetzung in deutsches Recht
  • III. Ausblick – Virtuelle Gegenstände in sog. Online-Spielen (zum Beispiel Avatare) und Internet-Domains
  • 1. Virtuelle Gegenstände in sog. Online-Spielen (zum Beispiel Avatare)
  • 2. Internet-Domains
  • Kapitel 6 – Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis

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Kapitel 1 – Einleitung

A. Die Rechtsordnung ist auf ihrem digitalen Auge blind

Keine Neuentwicklung der letzten 20 Jahre hat einen solch starken Einfluss auf die moderne Gesellschaft ausgeübt wie das Internet. Es existiert kaum ein Bereich, der hiervon nicht erfasst ist. Der Siegeszug des Internets hat zu einer Digitalisierung von Lebens- und Arbeitsprozessen geführt. Diese hat ein Ausmaß erreicht, dass – ohne zu übertreiben – von einer virtuellen Parallelwelt gesprochen werden kann. Lebens- und Arbeitsprozesse, die zuvor in der realen Welt vollzogen wurden, werden – mit weiterhin steigender Tendenz – in die virtuelle Welt des Internets verlagert. So sollen 85 Prozent aller Internetnutzer in Deutschland schon einmal im Internet eingekauft haben1. In der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen soll dies sogar auf 91 Prozent der Internetnutzer in Deutschland zutreffen2. So vielfältig die hierdurch neu geschaffenen Möglichkeiten geschäftlicher Tätigkeit und privater Unternehmungen sind, das Bedürfnis nach Spielregeln für ein funktionierendes Miteinander aller Marktteilnehmer ist in der virtuellen Welt des Internets nicht geringer als in der realen Welt. Abgesehen von technisch bedingten Grenzen, die dem Agieren im Internet entweder bewusst oder notgedrungen auf Grund des technischen Entwicklungsstandes gesetzt werden, kommt der Rechtsordnung hierbei eine entscheidende Rolle zu.

Der Rechtsordnung liegt jedoch eine physikalisch-naturwissenschaftliche Vorstellungswelt des historischen Gesetzgebers zu Grunde3, dem insbesondere die Möglichkeit vollständig virtualisierter Lebens- und Arbeitsprozesse im Internet unbekannt war4. Je weiter die Digitalisierung des Alltags voranschreitet, desto offenkundiger wird, dass die Rechtsordnung auf ihrem digitalen Auge blind ist. Die Anwendung bekannter Rechtsfiguren versagt dort, wo Sachverhalte mit Internetbezug rechtlich zu ← 17 | 18 → bewerten sind. Rechtsschutzlücken sind die Folge, die im Vergleich mit entsprechenden Sachverhalten in der realen Welt zu anderen Ergebnissen und, hiermit verbunden, zu Wertungswidersprüchen führen5.

Dies wird z.B. im Zusammenhang mit Internetseiten deutlich, die von Gewerbetreibenden oder Unternehmen unterhalten werden, um Waren oder Dienstleistungen zu vertreiben. Solche Internetseiten fungieren als virtuelle Ladengeschäfte6, indem sie, wie ihr Pendant in der realen Welt, dazu dienen, Waren und Dienstleistungen zu präsentieren, zu bewerben und anzubieten. Wie auch Ladengeschäfte in der realen Welt, haben virtuelle Ladengeschäfte die Aufgabe, eine Kommunikation des Betreibers mit seinen Kunden oder Abnehmern sowie die Abwicklung von Geschäften zu ermöglichen.

Im Gegensatz zu ihrem Pendant in der realen Welt stehen diese nach der derzeitigen Rechtslage Dritten überwiegend schutzlos zur Verfügung, ohne dass vom Inhaber (Betreiber) effektive Abwehrrechte geltend gemacht werden könnten7. Denn bei näherer Betrachtung gestaltet sich die rechtliche Herleitung entsprechender Abwehrrechte gerade auf Grund der Virtualität des Ladengeschäfts als schwierig. Rechte zur Abwehr von Beeinträchtigungen von Ladengeschäften resultieren in der Regel aus einer mit den Beeinträchtigungen verbundenen Besitz-/Eigentumsstörung. Diese wiederum knüpft an die Sachqualität des Beeinträchtigungsobjektes an. An der Sachqualität fehlt es bei virtuellen Ladengeschäften jedoch8. Versteht man die Internetpräsenz als virtuelles Ladenlokal, stellt sich die Frage, ob dem Betreiber in einem solchen Maß Abwehrrechte gegen Beeinträchtigungen zuzugestehen sind, wie sie Betreibern nicht-virtueller Ladengeschäfte gewährt werden. Denn sollte allein die Virtualität des Geschäftsbetriebes dazu führen, dass man in Rechtsschutzfragen zu anderen Ergebnissen kommt?

Diese mit der Digitalisierung bzw. Virtualisierung von Arbeits- und Lebensprozessen verbundene Problematik von Rechtsschutzlücken besteht nicht nur bei virtuellen Ladengeschäften, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Bereiche, in denen die Informationstechnologie entsprechende Möglichkeiten geschaffen hat.

Zuvorderst sei insoweit an die seit mehr als 20 Jahren heiß diskutierte Problematik der Sacheigenschaft von Computerprogrammen erinnert. Als Computerprogramme in Form von Kaufgegenständen ihren Einzug in das Wirtschaftsleben hielten, sah man ← 18 | 19 → sich mit der Frage des rechtlichen Umgangs mit mangelhaften Computerprogrammen konfrontiert9. In Ermangelung gesetzlicher Regelungen wird zur Vermeidung von nicht hinnehmbaren Rechtsschutzlücken – ergebnisorientiert und dogmatisch kaum widerspruchsfrei begründbar10 – die Anwendbarkeit der an die Sacheigenschaft anknüpfenden Vorschriften zur Mängelhaftung von der herrschenden Meinung bejaht11. Ein aufschlussreiches Indiz im Zusammenhang mit Rechtsschutzfragen betreffend virtueller Güter liefert die Diskussion um die Sacheigenschaft von Computerprogrammen unabhängig davon, ob man die Argumente, mit denen die Sacheigenschaft bejaht wird, oder die hieran geäußerte Kritik12 als überzeugend erachtet13. Denn alle Ansichten kommen zu dem Ergebnis, dass Rechtsschutzmöglichkeiten gegeben sein müssen. Somit scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass der unkörperliche Charakter von Computerprogrammen nicht zu Rechtsschutzlücken führen darf.

Im Zusammenhang mit sog. Online-Spielen, die von einer Vielzahl von Teilnehmern im Internet gespielt werden14, findet sich ein weiteres Beispiel für das Entstehen von ungewollten Rechtsschutzlücken bei digitalen bzw. virtuellen Sachverhalten. Durch den Handel mit Gegenständen, die in den Online-Spielen virtuell geschaffen werden (sog. virtuelle Gegenstände), ist ein gewinnträchtiger Markt entstanden15. Kontrovers wird daher die Frage der rechtlichen Einordnung ← 19 | 20 → virtueller Gegenstände diskutiert16. Denn nur wer Rechte an den virtuellen Gegenständen hat, kann von deren wirtschaftlichem Wert profitieren. Die Positionen, die betreffend die rechtliche Einordnung virtueller Gegenstände eingenommen werden, könnten unterschiedlicher nicht sein. Dies geht bis hin zur Anerkennung eines „virtuellen Eigentums“17. Die Diskussion um die rechtliche Einordnung virtueller Gegenstände zeigt besonders deutlich, dass die Rechtsordnung und bekannten Rechtsfiguren bei digitalen bzw. virtuellen Sachverhalten an ihre Grenzen stoßen.

Ebenso wird die Frage der Lösung bestehender Rechtsschutzlücken auf Grund der Unkörperlichkeit des immense wirtschaftliche Werte repräsentierenden Herrschaftsgegenstandes „Internet-Domain“ diskutiert. Die Internet-Domain reiht sich ein in die Gruppe tatsächlich existierender digitaler und in ihrem Kontext technisch vermittelt wahrnehmbarer Ressourcen, die wegen ihrer fehlenden Körperlichkeit dem Rechtsschutz entzogen sind18.

Die Kernfrage, die in dieser Arbeit behandelt wird, ist, ob bzw. inwieweit Sachverhalte, die auf Grund ihrer Verortung im Internet einzig die Besonderheit einer digitalen bzw. virtuellen Natur aufweisen, im Ergebnis anders zu beurteilen sind, als vergleichbare Sachverhalte in der realen Welt. Diese Problematik ist insofern nicht neu. Der aufmerksame Beobachter der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur stößt ununterbrochen hierauf19. Die Fälle sind zahlreich, in denen ein eigentlicher Standardsachverhalt auf Grund dessen Verortung in der virtuellen Welt des Internets rechtlich unlösbar scheint. Die rechtliche Diskussion und Lösungssuche finden vorwiegend bezogen auf das tangierte Rechtsgebiet punktuell statt. Geprüft wird stets, ob und inwieweit die Rechtsnormen, die betreffend den vergleichbaren Sachverhalt ← 20 | 21 → in der realen Welt anwendbar sind, auf den virtuellen Sachverhalt übertragen werden können20. Oftmals wird der Wortlaut der angewandten Rechtsnormen hierbei überdehnt oder Rechtsschutz schlicht verneint21. Vereinzelt wird der Vorstoß einer Rechtsfortbildung zwar gewagt, um entstandene Rechtsschutzlücken zu schließen. So wird zum Beispiel im Zusammenhang mit virtuellen Gegenständen für die Anerkennung eines virtuellen Eigentums als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bzw. als Immaterialgüterrecht sui generis plädiert22. Es entsteht dennoch der Eindruck, dass das grundlegende Problem nicht erkannt wird: Die Rechtsordnung erfasst digitale bzw. virtuelle Sachverhalte nur punktuell und unzureichend.

Dieser Zustand konnte bis zu einem bestimmten Punkt hingenommen werden, da die Digitalisierung bzw. Virtualisierung noch nicht weit fortgeschritten war. So konnten rechtliche Behelfslösungen oftmals damit begründet werden, dass der Sachverhalt neben dem digitalen bzw. virtuellen Aspekt stets einen Bezug zur realen Welt aufwies. Auf diesen Bezugspunkt abstellend, konnte auf vorhandene Rechtsfiguren zurückgegriffen werden. Die Sacheigenschaft von Computerprogrammen konnte z.B. mit dem Verweis auf den körperlichen Datenträger begründet werden23. Akuter wurde die Frage bestehender Rechtsschutzlücken bei Sachverhalten mit Internetbezug erst mit zunehmendem Einfluss des Internets auf den geschäftlichen und privaten Alltag. Die hiermit verbundene Verlagerung geschäftlicher und privater Tätigkeiten ins Internet ist mittlerweile so weit voran geschritten, dass die Frage des Bestehens von Abwehrrechten virulent ist. So hat z.B. die Eröffnung virtueller Ladengeschäfte den wirtschaftlichen Anreiz für Dritte geschaffen, durch Eingriffe von diesen zu profitieren. Für die Betreiber virtueller Ladengeschäfte stellt sich die Frage nach Abwehrrechten gegen solche Eingriffe mehr denn je24.

B. Verfassungsrechtlich aufgegebener Handlungsbedarf

Diese neuen auf der Weiterentwicklung der Informationstechnologie basierenden Sachverhalte, die von der Rechtsordnung nicht erfasst werden, machen ein Handeln des Gesetzgebers erforderlich. Dies findet seine verfassungsrechtliche ← 21 | 22 → Rechtfertigung darin, dass Gesetze einem Alterungsprozess unterworfen sind25. Ein verfassungsrechtlicher Handlungsbedarf ergibt sich aus der Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG)26.

Art. 14 Abs. 1 GG erlegt dem Staat die Schutzpflicht auf, im Rahmen der verfassungsrechtlich statuierten Eigentumsgarantie dem Eigentümer die Möglichkeit der faktischen Inanspruchnahme von Eigentumspositionen sowie eine Privatrechtsordnung27 und angemessene Verfahren zur Rechtsdurchsetzung28 bereitzustellen. Dies folgt aus der Funktion der Eigentumsgarantie, nämlich der Ermöglichung und Sicherung eines vermögensrechtlichen Freiheitsraums des Einzelnen (Bestandsgarantie) sowie der Schaffung einer Möglichkeit der Nutzung privater Rechtspositionen (Institutsgarantie)29. Die Dynamik des Eigentumsbegriffs im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG erlaubt und gebietet es, in der virtuellen Welt des Internets geschaffene Vermögenswerte als Eigentum dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG zu unterstellen30. Unschädlich ist hierbei, dass die in der virtuellen Welt des Internets geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen gegebenenfalls erst durch das Gesetz hervorzubringen sind. Neben den natürlich abgegrenzten Gütern (z.B. Sacheigentum) und den wesentlich abgrenzungsbedürftigen Gütern (z.B. Grundeigentum), umfasst Eigentum auch solche, erst hervorzubringenden Güter31. Diese sind genuine Schöpfungen der Rechtsordnung, die ihre Existenz, ihren Vermögenswert und ihre Verkehrsfähigkeit erst der rechtsschöpfenden Begründung durch den Gesetzgeber verdanken32.

C. Eingrenzung der behandelten Aspekte

Die Kernproblematik, mit der sich diese Arbeit befasst, ist die rechtliche Behandlung virtueller Sachverhalte im Vergleich zu entsprechenden Sachverhalten der realen Welt. Eine Auseinandersetzung hiermit ist sinnvoll einzig an Hand eines ← 22 | 23 → ausgewählten Teilaspektes der Gesamtproblematik möglich. Denn die Fallgestaltungen sind weit gefächert und entwickeln sich mit dem technischen Fortschritt stetig weiter. Für diese Arbeit wurde als zu bearbeitender Teilaspekt die Frage des Bestehens von gesetzlichen Unterlassungsansprüchen zur Abwehr von Beeinträchtigungen sog. virtueller Ladengeschäfte (Internetpräsenzen) gewählt. Hierbei ist zu prüfen, ob dem Betreiber die faktische Inanspruchnahme seiner im Zusammenhang mit dem virtuellen Ladengeschäft geschaffenen Vermögenspositionen ermöglicht sowie Privatrechtsinstrumentarien und angemessene Verfahren zur Rechtsdurchsetzung bereit gestellt werden.

Dieser ausgewählte Teilaspekt erfasst – sowohl hinsichtlich seiner Eingrenzung auf virtuelle Ladengeschäfte als auch auf gesetzliche Unterlassungsansprüche – eine Vielzahl von Fallgestaltungen und ist besonders gut geeignet, die Lückenhaftigkeit der derzeit bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten und hiermit verbundene Wertungswidersprüche zu vergleichbaren Sachverhalten in der realen Welt aufzuzeigen.

Um die Dimension der Problematik einer unzureichenden Erfassung virtueller bzw. digitaler Sachverhalte durch die Rechtsordnung nicht aus den Augen zu verlieren und insbesondere nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass eine Lösung einzig in Bezug auf virtuelle Ladengeschäfte erforderlich ist, werden weitere Aspekte der Gesamtproblematik in dieser Arbeit angerissen. So zum Beispiel die rechtliche Einordnung von Computerprogrammen33, virtuellen Gegenständen34 und Internet-Domains35.

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht somit die Frage, ob Betreibern sog. virtueller Geschäftsmodelle36 Abwehrrechte gegen Beeinträchtigungen ihrer als virtuelles Ladengeschäft fungierenden Internetseite (Internetpräsenz) durch Dritte in einem den Anforderungen gemäß Art. 14 Abs. 1 GG entsprechendem Maß zur Verfügung stehen. Da der auf die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch bei der Abwehr von Beeinträchtigungen unter dem Aspekt einer zügigen und effektiven Abwehr das schärfste Schwert darstellt, beschränken sich die Darstellungen in dieser Arbeit auf Unterlassungsansprüche. Denn diese ermöglichen eine in die Zukunft gerichtete und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbare, mithin zeitnahe Beendigung der Störung.

Ein Unterlassungsanspruch kann sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben.

← 23 | 24 →

Der auf Vertragsverletzung gründende Unterlassungsanspruch soll im Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert werden. Denn ein solcher kommt nur in Betracht, solange die Verletzungshandlung im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses noch andauert bzw. der daraus resultierende Schaden noch nicht irreparabel ist37. Ein Vertragsverhältnis zwischen dem Betreiber eines virtuellen Geschäftsmodells und dem beeinträchtigenden Dritten existiert jedoch – wenn überhaupt – nur während des jeweils aktuellen Besuches der Internetpräsenz durch den Dritten. Vertragliche Abwehransprüche könnten somit einzig bezogen auf diesen jeweiligen Besuch der Internetpräsenz und im Rahmen dessen geltend gemacht werden. Das Abwehrinteresse des Betreibers bezieht sich jedoch vor allem außervertraglich darauf, dass der Dritte vergleichbare Nutzungshandlungen in Zukunft unterlässt. Etwaigen vertraglichen Unterlassungsansprüchen kommt bei der Beeinträchtigung virtueller Ladengeschäfte somit in der Praxis eine untergeordnete Rolle zu38.

Die im Rahmen dieser Arbeit behandelten Beeinträchtigungen virtueller Geschäftsmodelle39 wurden gezielt auf Grund der Tatsache ausgewählt, dass es bei diesen in der Regel an einem bestehenden Vertragsverhältnis zwischen dem Betreiber des virtuellen Geschäftsmodells und dem beeinträchtigenden Dritten fehlt. Auch sind die ausgewählten Beeinträchtigungen derzeit sehr weit verbreitet und haben eine erhebliche wirtschaftliche Relevanz40.

D. Zielsetzung und Gang der Darstellung

Ziel dieser Arbeit ist es, die derzeitige rechtliche Situation virtueller Geschäftsmodelle eingehend daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit gesetzliche Abwehransprüche gegen Beeinträchtigungen des für diese so überlebenswichtigen virtuellen Ladengeschäftes bestehen und – für den Fall, dass ein hinreichender Schutz nicht gegeben ist – einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten, der die in dieser Arbeit behandelte Gesamtproblematik berücksichtigt: Die auf dem technologischen Fortschritt beruhende Digitalisierung bzw. Virtualisierung von Arbeits- und Lebensprozessen und damit verbundene Rechtsschutzlücken, die auf einer der Rechtsordnung zu Grunde liegenden physikalisch-naturwissenschaftlichen Vorstellungswelt des Gesetzgebers basieren.

← 24 | 25 →

Zunächst wird in Kapitel 2 der Ausgangspunkt für diese Arbeit geschaffen, in dem virtuelle Geschäftsmodelle beschrieben und kategorisiert, Begrifflichkeiten sowie die Beweggründe für ein Betreiben virtueller Geschäftsmodelle und deren wirtschaftliche Bedeutung erläutert werden. Ausgehend von derzeit gängigen Beeinträchtigungsformen werden Fallgruppen herausgearbeitet, an Hand derer die anschließende Prüfung des Umfangs des derzeit bestehenden rechtlichen Schutzes virtueller Ladengeschäfte in Kapitel 3 erfolgt.

Um die Gesamtproblematik der Nichterfassung virtueller Sachverhalte durch die Rechtsordnung, die weit über virtuelle Ladengeschäfte hinausreicht, zu veranschaulichen, werden in Kapitel 4 sodann weitere Fallgruppen beschrieben. Die Erfassung der Gesamtproblematik bietet zum einen Gelegenheit, sich mit Lösungsvorschlägen auseinander zu setzen, die bereits im Zusammenhang mit anderen neuartigen virtuellen Produkten unterbreitet wurden. Zum Anderen können hierdurch die mit der Nichterfassung digitaler bzw. virtueller Sachverhalte verbundenen Wertungswidersprüche in Bezug auf vergleichbare nicht-virtuelle Sachverhalte besonders anschaulich gemacht werden, die einen Handlungsbedarf letztlich erforderlich machen.

In Kapitel 5 wird ein eigener Lösungsvorschlag unterbreitet, dem eine kritische Auseinandersetzung mit bereits unterbreiteten Lösungsvorschlägen vorangestellt ist.

Kapitel 6 widmet sich abschließend den Schlussbetrachtungen und gefundenen Erkenntnissen.

E. Thesen der Arbeit

1. Die Entwicklung der Informationstechnologie schafft stetig und fortlaufend neuartige Immaterialgüter. Hierzu gehören z.B. virtuelle Ladengeschäfte, die für virtuelle Geschäftsmodelle lebensnotwendig sind, sowie virtuelle Gegenstände in Online-Spielen und Internet-Domains. Diese Immaterialgüter sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in Ermangelung einer geistigen Schöpfung eine Nähe weniger zu den klassischen Immaterialgütern und mehr zum Sachenrecht aufweisen. So steht z.B. im Gegensatz zum klassischen Urheberrecht nicht der Autorenschutz, sondern der Schutz der die neuartigen Immaterialgüter repräsentierenden Investitionen im Vordergrund.

2. Virtuelle Ladengeschäfte sind schützenswerte Rechtsgüter. Ein adäquater Rechtsschutz existiert derzeit nicht, was insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass das Regelungsregime des Sachenrechts auf Grund Fehlens einer körperlichen Sache im Sinne von § 90 BGB nicht anwendbar ist.

← 25 | 26 →

3. Der fehlende Rechtsschutz hinsichtlich virtueller Ladengeschäfte ist insbesondere vor dem Hintergrund der Gesamtproblematik einer Nichterfassung neuartiger virtueller Produkte zu beurteilen und führt zu nicht hinnehmbaren Widersprüchen mit vergleichbaren Sachverhalten in der realen Welt. Dies folgt daraus, dass solche neuartigen virtuellen Produkte das Pendant zu realen Sachen darstellen. Sie erfahren trotz vergleichbarer Interessenlagen einzig auf Grund einer fehlenden Körperlichkeit ein anderes rechtliches Schicksal. Auf diesen einzigen Unterschied kann insoweit jedoch nicht wesentlich abgestellt werden, da dies im Widerspruch zu der in der Gesellschaft bereits vollzogenen Entwicklung steht, in der geschäftliche und private Aktivitäten mit steigender Tendenz ins Internet verlagert werden und als Substitut zu deren Pendant in der realen Welt stattfinden. Der Alltag wird zunehmend virtueller und verzichtet auf einen körperlichen Bezugspunkt. Auch wird die Rolle des Sachbezugs im Sinne von § 90 BGB dadurch relativiert, dass der Grad seiner Bedeutung wesentlich von der überholten physikalisch-naturwissenschaftlichen Vorstellungswelt des historischen Gesetzgebers geprägt ist, dem insbesondere die Möglichkeit vollständig virtualisierter Arbeits- und Lebensprozesse unbekannt war. Die Rechtsordnung muss diese in der Gesellschaft bereits vollzogene Entwicklung und Anerkennung virtueller Produkte nachbilden, die als Pendant zu realen Sachen fungieren.

4. Für eine rechtliche Erfassung des neuartigen, vom technologischen Fortschritt hervorgebrachten virtuellen Immaterialguts „virtuelles Ladengeschäft“ sowie für andere vergleichbare Immaterialgüter bietet ein Immaterialgüterrecht sui generis de lege ferenda die dogmatisch sauberste Lösung. Dogmatische Brüche und Kunstgriffe, die andere Lösungsvorschläge in Kauf nehmen, werden vermieden. Diese neu zu schaffenden Immaterialgüterrechte sui generis sind rechtliche Nova, die jedoch kein Betreten legislatorischen Neulands bedeuten. Vielmehr kann das Recht sui generis an Datenbanken gemäß Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz von Datenbanken vom 11.03.1996 (sog. Datenbankrichtlinie) vergleichend herangezogen werden, das insoweit eine Vorreiterstellung einnimmt.

1 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) Studie, abrufbar auf www.esales4u.de/2011/studie-internetnutzung-deutschland.php (besucht am 18.01.2012).

2 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) Studie, abrufbar auf www.esales4u.de/2011/studie-internetnutzung-deutschland.php (besucht am 18.01.2012).

3 Kort „Software – eine Sache?“, DB 1994, 1505 ff., 1507.

4 Maume „Bestehen und Grenzen des virtuellen Hausrechts“, MMR 2007, 620, 623.

5 Kapitel 4 Ziffer B., Seiten 187 ff.

6 OLG Stuttgart Urt. v. 17.01.2008, 2 U 12/07, GRUR-RR 2009, 31; LG Aachen Urt. v. 08.05.2009, 6 S 226/08, MMR 2010, 258.

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Seiten
290
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653034714
ISBN (ePUB)
9783653995640
ISBN (MOBI)
9783653995633
ISBN (Hardcover)
9783631643792
DOI
10.3726/978-3-653-03471-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2013 (Dezember)
Schlagworte
Rechtliche Erfassung von Internetseiten Intellectual Property virtuelle Geschäftsmodelle
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 290 S.

Biographische Angaben

Sylvia Lorenz (Autor:in)

Sylvia Lorenz, Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt Universität zu Berlin; 2005 Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages «Kultur in Deutschland»; seit 2008 zugelassene Rechtsanwältin; 2010 Promotion.

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Titel: Der Immaterialgüterschutz virtueller Ladengeschäfte
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290 Seiten