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Poetologie der Erinnerung

«Lisbon Story» von Wim Wenders

von Lena Wetenkamp (Autor:in)
©2014 Dissertation 131 Seiten
Reihe: LiteraturFilm, Band 7

Zusammenfassung

Im Zentrum des Buches steht der Film Lisbon Story (1994) des Regisseurs Wim Wenders. Der Film wird als eine Darstellung des Gedächtnisdiskurses gelesen und in den Zusammenhang von Intertextualität und Gedächtnis gebracht. Das Thema Erinnerung wird in Lisbon Story über Zitate, durch Farbgestaltung, Geräusche und Medialität motivisch und thematisch in den Vordergrund gestellt. Die Studie weist die in den Film eingelagerten Referenzen an die Filmgeschichte – insbesondere die Regisseure Dziga Vertov und Manoel de Oliveira – und die intertextuellen Bezüge auf das Werk des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa nach. Zusätzlich zeigt sie, dass in Lisbon Story die Stadt Lissabon als Erinnerungsraum inszeniert wird, der seine Geschichte erzählen will.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Dank
  • Vorwort
  • 1. Film und Erinnerung
  • 1.1. Der Regisseur Wim Wenders
  • 1.2. Der Film Lisbon Story
  • 2. Das Gedächtnis der Orte – Lissabon als Gedächtnisraum
  • 2.1. Pierre Noras Erinnerungsorte
  • 2.2. Aleida Assmanns Erinnerungsräume
  • 2.3. Wenders und die Theorie der Erinnerungsorte
  • 3. Intertextuelle Verfahren – Zitate als Gedächtnisraum
  • 3.1. Renate Lachmann
  • 3.2. Lisbon Story als Geschichte des Kinos
  • 3.3. „The Man with the Movie Camera“
  • 3.4. Manoel de Oliveira
  • 3.5. Fernando Pessoa als Quelle der Inspiration
  • 4. Medien im Mittelpunkt
  • 4.1. Das Museum der Medien
  • 4.2. Medien als Träger des Gedächtnisses
  • 4.3. Wahrnehmen und Sehen
  • 4.4. Bibliothek und Archiv als Hüter des Gedächtnisses
  • 5. Nostalgie, Romantik und Erinnerung
  • 5.1. Wenders als romantischer Dokumentarist
  • 5.2. Sehnsucht nach dem auratischen Bild
  • 5.3. Töne als Bedeutungsträger und Geschichtenerzähler
  • 5.4. Die Bedeutung der Farben – Lissabon als blaue Stadt
  • 6. Schlussbetrachtung
  • 7. Literatur
  • 8. Filmographie

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: „Kurbelkamera“ Screenshot aus The Man with the Movie Camera (00:10:19)

Abbildung 2: „Projektor“ Screenshot aus The Man with the Movie Camera (00:02:20)

Abbildung 3: „Kameramann und Kamera“ Screenshot aus The Man with the Movie Camera (00:01:36)

Abbildung 4: „The Man with the Movie Camera“ Screenshot aus The Man with the Movie Camera (00:39:46)

Abbildung 5: „Straßenbahnen“ Screenshot aus The Man with the Movie Camera (00:42:15)

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Dank

Diese Studie1 wäre ohne die Unterstützung anderer nicht möglich gewesen. Ein ganz besonders herzlicher Dank gilt Frau Univ.-Prof. Dr. Dagmar von Hoff für Ratschläge und Unterstützung nicht nur beim Verfassen dieser Arbeit und für Aufnahme des Bandes in die Reihe LiteraturFilm. Für Hilfestellungen und Korrekturen danke ich Susanne Fejer und Steffen Bußer. Meiner Familie danke ich für immerwährende Unterstützung in allen Lebenslagen und nicht nachlassendem Interesse an meiner Arbeit. Gespräche im Examens- und Doktoranden-Kolloquium von Frau Univ.-Prof. Dr. von Hoff haben immer wieder für neue Anregungen gesorgt. Allen Teilnehmern sei für den produktiven Austausch herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt auch dem Forschungsschwerpunkt Medienkonvergenz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der das Erscheinen dieser Studie durch Gewährung eines Druckkostenzuschusses großzügig gefördert hat.

1 Die vorliegende Studie beruht auf Ergebnissen meiner Magisterarbeit, die im Februar 2010 vom Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Prüfungsleistung angenommen wurde. Für die Drucklegung wurde die Arbeit grundlegend überarbeitet und erweitert.

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Vorwort

Dem Regisseur Wim Wenders (*1945) ist wie kaum einem anderen deutschen Filmemacher die Gabe gegeben, „die Geschichten, die Orte uns erzählen kön­nen, zu dechiffrieren, offenzulegen und weiterzugeben“.2 Dies sieht er auch als Hauptantrieb für sein Filmschaffen an – wie in dem Motto, welches dieser Studie vorangestellt ist, deutlich wird. Doch es ist nicht nur die Geschichte der Orte, der er sich in seinen Filmen, Fotoarbeiten und Essays nähert. Auch die Geschichte der Medien und insbesondere die des Kinos rücken immer wieder in seinen Blickpunkt. Wenders’ Werk zeichnet sich durch eine besondere kinematografische Schreibweise aus, die einen reflexiven Umgang mit unterschiedlichen Medien umfasst. In seinen Filmen tauchen immer wieder Künstler und Medienschaffende auf: Fotografen, Tontechniker, Regisseure, Tänzer und Schriftsteller sind die Protagonisten seiner Filme. Dass über diese Hauptfiguren auch die je eigene Medialität in das Blickfeld gerät, ist evident. Auf die besondere Intermedialität von Wenders’ Filmschaffen wurde in der Forschung bereits hingewiesen.3 Und auch die Frage nach dem Zusammenhang von Medien und Gedächtnis wurde aus kulturwissenschaftlicher Sicht immer wieder gestellt. Wie dieser Zusammenhang aber auch medial inszeniert wird, wurde bis heute nur marginal untersucht. Dabei kann der Film Lisbon Story, den Wenders im Auftrag der Stadt Lissabon anlässlich der Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt 1994 drehte,4 als eine eben solche Auseinandersetzung gelesen werden.

In diesem Film geht es nicht allein um die Geschichte des Toningenieurs Phillip Winter, der sich auf die Reise nach Lissabon begibt, um seinem Freund, dem Regisseur Friedrich Monroe, bei der Fertigstellung eines Films über die Stadt zu helfen. Vielmehr steht der Film in enger Verbindung zur medienwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, die sich mit Fragen nach der Medialität von Erinnerung, den Voraussetzungen des Erinnerns und Vergessens und auch der Verankerung der Erinnerung an bestimmten Orten und in Kulturen auseinandersetzt. Beispielsweise ← 13 | 14 → findet sich im Film die Darstellung eines Gedächtnisses für Bilder, oder auch Gedächtnis der Bilder, wenn der Regisseur Monroe seine ‚Library of the Unseen Images‘ präsentiert. Es handelt sich um ein Archiv von Videobändern, auf denen die Bilder der Stadt Lissabon eingefangen sind. Zu einem späteren Zeitpunkt können diese gespeicherten Bilder und Töne im Vorgang der Projektion erneut vergegenwärtigt werden und zwar mit einer Genauigkeit, die unbestechlicher ist, als es jede Aussage eines Zeitzeugen sein kann. Es handelt sich hier um eine intersubjektive Darstellung der Vergangenheit, die nicht wie individuelle Erinnerung auf die Vermittlung durch Sprache angewiesen ist.5

Bei der Analyse von Filmen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Vergangenheit darzustellen, ist zu berücksichtigen, dass jede filmische Arbeit nur eine bestimmte Perspektive – sei es die des Filmemachers oder des Kameramanns – einnehmen kann und Filme nie einen objektiven Blick auf die Vergangenheit bieten können, selbst wenn es sich um reine Dokumentarfilme handelt. Genau um die Erkenntnis der Schwierigkeit, dass jede bildliche Darstellung immer schon die Perspektive sowohl des Regisseurs als auch des Betrachters enthält, geht es der Figur des Friedrich Monroes, dem Filmregisseur in Lisbon Story. Er möchte Filmbilder erstellen, die sich jeder Einflussnahme durch den Regisseur oder den Kameramann verweigern. Sie sollen nur ihre eigene Sicht der Dinge widerspiegeln. Dieses Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt. Aber es wird deutlich, dass in jeder Form filmischen Schaffens, sei es im fiktionalen Spielfilm, in einer Dokumentation oder einem Doku-Drama, wirkmächtige Bilder von der Vergangenheit entworfen und reproduziert werden. Wie diese Vergangenheitsbilder in Lisbon Story entstehen, wird die Studie zeigen.

Somit stellt der Band eine Reflektion der gedächtnisstützenden und Erinnerung erzeugenden Fähigkeit des Kinos dar. Es zeigt sich, dass Wim Wenders in diesem Film eine eigene filmspezifische Darstellung der Gedächtnisproblematik entwirft; dass er eine Poetologie der Erinnerung ausarbeitet, die eng an die Medien geknüpft ist. Die Besonderheit von Wenders’ Verfahren ist es, andere Kunstwelten und Medien in seinen Film einzulagern und so ein intermediales Zusammenspiel zu erzeugen. Somit thematisiert er die erinnerungsspeichernden Verfahren unterschiedlicher Medien und nähert die verschiedenen Medien aneinander an; nicht zuletzt indem er ihre eigene Medialität herausstellt. Es zeigt sich, dass gerade das Erinnern nicht an ein spezifisches Medium gebunden ist, sondern dass die Medien ← 14 | 15 → hier eine Konvergenz eingehen. Der Erinnerungsdiskurs entsteht erst durch das intermediale Zusammenspiel.

Dass der Filmemacher Wim Wenders durch die Einlagerung intertextueller Verweise in seinen Filmen oft ein Zitationsverfahren anwendet, wird in der Analyse verschiedener Filmszenen nachgewiesen und der Film so auf seine intertextuelle Struktur hin befragt. Dabei werden sowohl die Anspielungen auf die Filmgeschichte in den Blick genommen, wobei dem Film The Man with the Movie Camera (1929) von Dziga Vertov und dem portugiesischen Regisseur Manoel de Oliveira besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, als auch die Referenzen an die technische Seite der Mediengeschichte und die intertextuellen Bezüge auf das Werk des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa. Durch die Zitate, die den Film wie ein feingesponnenes Netz durchziehen, entwirft Wenders einen Gedächtnisraum, in dem die Geschichte des Films und der Medien selbstreflexiv aufgedeckt wird.

Details

Seiten
131
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653039542
ISBN (ePUB)
9783653993950
ISBN (MOBI)
9783653993943
ISBN (Hardcover)
9783631646199
DOI
10.3726/978-3-653-03954-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Januar)
Schlagworte
Intertextualität Lissabon Film Gedächtnisraum Pessoa, Fernando Erinnerungstheorie
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 131 S., 5 s/w Abb.

Biographische Angaben

Lena Wetenkamp (Autor:in)

Lena Wetenkamp studierte Germanistik, Publizistik und Kulturanthropologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Universidade de Lisboa. Sie arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut der Universität Mainz.

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