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Prozesse der Europäisierung im erweiterten Europa

Die soziale Eingliederung von Roma und Behinderten in Bulgarien

von Svetlina Koeva (Autor:in)
©2014 Dissertation IX, 169 Seiten

Zusammenfassung

Mit der Offenen Methode der Koordinierung (OMK) im Bereich der sozialen Eingliederung steht im Fokus dieser Arbeit eine zentrale sozial- und gesellschaftspolitische Programmformel der EU. Sie wird anhand eines neuen Falles, des Beitrittslandes Bulgarien, untersucht. Mittels einer Fallstudie und des Vergleichs von zwei Politikfeldern gelingt es vor allem, spezifische Merkmale der OMK-Wirkung zu identifizieren. Ursprünglich als ein Lerninstrument konzipiert, fungiert die OMK in ihrer Einführungsphase als Transferinstrument. Ihre Wirkung zeigt sich als stark feldabhängig. Im schwach besetzten Feld der Roma-Politik ist sie ausgeprägter und die Akteure lernbereiter. Das stark besetzte Feld der Behindertenpolitik ist wirkungsresistenter und weist tendenziell mehr Konfliktpotentiale auf.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1 Einleitung: Die Offene Methode der Koordinierung (OMK) – »ein unidentifiziertes politisches Objekt«?
  • 2 Theoretischer Rahmen
  • 2.1 Europäisierungsforschung
  • 2.1.1 Forschungsgegenstand und zentrale Begriffe
  • 2.1.2 Forschungsansätze zur Europäisierung
  • 2.1.3 Forschungsstand und Forschungslücken
  • 2.2 Politiktransfer und Politisches Lernen
  • 2.3 Leitende Forschungsfragen
  • 3 Das Konzept der sozialen Eingliederung
  • 3.1 Soziale Exklusion
  • 3.2 Soziale Eingliederung
  • 3.2.1 Die soziale Eingliederung in der Behindertenpolitik
  • 3.2.2 Die EU-Minderheitenpolitik
  • 3.3 Zusammenfassung
  • 4 Methodologische Vorgehensweise
  • 4.1 Forschungsdesign
  • 4.2 Methodenwahl
  • 4.3 Datenerhebung
  • 4.4 Datenanalyse
  • 5 Die Behinderten- und die Roma-Politik als Wirkungskontext der OMK
  • 5.1 Die Behindertenpolitik
  • 5.1.1 Die Zeit des Sozialismus
  • 5.1.2 Die Zeit nach der Wende
  • 5.2 Die Roma-Politik
  • 5.2.1 Die Zeit des Sozialismus
  • 5.2.2 Die Zeit nach der Wende
  • 5.3 Zusammenfassung
  • 6 Die OMK als »Kommunikationsarena« zur sozialen Eingliederung
  • 6.1 Die OMK-Wirkungsinstrumente
  • 6.1.1 Das Gemeinsame Memorandum zur Sozialen Eingliederung (JIM)
  • 6.1.2 Der Nationale Aktionsplan zur Sozialen Eingliederung (NAP)
  • 6.1.3 Die Sensibilisierungsprojekte
  • 6.2 Die OMK-Wirkungsformen
  • 6.2.1 Politiktransfer
  • 6.2.2 Politisches Lernen
  • 6.3 Konfliktpotentiale
  • 6.4 Zusammenfassung
  • 7 Fazit: Die Offene Methode der Koordinierung: Politisches Konzept und Wirkungsinstrument
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Liste der Interviewpartner
  • Dokumentenverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

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KAPITEL 1

Einleitung: Die Offene Methode der Koordinierung (OMK) – »ein unidentifiziertes politisches Objekt«?

In der Einführung zum Buch »The Open Method of Coordination in Action. The European Employment and Social Inclusion Strategies« nennt Jonathan Zeitlin die Offene Methode der Koordinierung (OMK) ein »unidentifiziertes politisches Objekt«. Mit dieser provokativen Aussage bringt er ihre Besonderheit, sich einer genauen Definition zu entziehen, auf den Punkt. Dieses hängt, wie er in seinen Ausführungen plausibel begründet, mit der Funktionsvielfalt der OMK, mit der Meinungsvielfalt in den Forschungs- und Expertenkreisen über sie, sowie mit den methodologischen Schwierigkeiten bei ihrer Untersuchung zusammen.

Die OMK wirkt auf mehrere unterschiedliche Politikfelder: Seit ihrer Einführung Ende der90 er Jahre in die Europäische Beschäftigungsstrategie wurde sie ← 1 | 2 → kontinuierlich auf die Bereiche der sozialen Eingliederung der Alterssicherung, der Gesundheit und der Langzeitpflege ausgedehnt. Seitdem ist sie allerdings ein Objekt kontroverser Meinungen: Sie wird entweder als »Hoffnungsträger«, also als eine »new mode of governance« zur Durchsetzung von gesamteuropäischen Standards beim gleichzeitigen Respektieren der nationalen Souveränität angesehen, oder aber als ein »trojanisches Pferd« bezeichnet, das der EU erlaubt, in nationalstaatlich regulierte politische Domänen einzudringen. Das diffuse Bild der OMK wird zusätzlich aufgrund ihrer Komplexität und ihrer legislativen Unverbindlichkeit als Steuerungsinstrument verstärkt. Sie basiert nämlich alleine auf der Zusammenarbeit zwischen der EU und den politischen Akteuren in den Mitgliedstaaten. Dieses führt aber zu erheblichen Problemen, ihre Wirkungen empirisch zu erfassen (vgl. Zeitlin 2005).

Diese Arbeit nimmt die Herausforderung an, die Offene Methode der Koordinierung »empirisch zu identifizieren«. Ihr Ziel ist es, herauszufinden, wie die OMK als Instrument zur Europäisierung der Sozialpolitik im osteuropäischen Kontext und speziell im Beitrittsland Bulgarien funktioniert. Der Bereich der Sozialpolitik gilt in diesem Zusammenhang als klassisches Wirkungsfeld der OMK, da er sich noch weitgehend in der Kompetenz der Mitgliedstaaten befindet und seitens der EU nur anhand von weichen Steuerungsmechanismen zu beeinflussen ist. Der Fall Bulgarien stellt dabei ein »Forschungsneuland« innerhalb der OMK-Forschung dar.

Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Übertragung des Konzeptes der sozialen Eingliederung durch die OMK im Rahmen der Angleichung an die sozialpolitischen Standards der EU während der Beitrittsphase. Der Forschungsfokus richtet sich dabei auf die Transformationswirkungen der OMK auf die Policy- und die Politics-Strukturen in der Roma und in der Behindertenpolitik. Bei der »sozialen Eingliederung« handelt es sich um ein neuartiges politisches Konzept, das auf der Idee der gesellschaftlichen Teilhabe und auf dem Grundsatz der Antidiskriminierung beruht. Im bulgarischen Kontext betrifft dieses Konzept hauptsächlich zwei stark benachteiligte Gruppen – die Roma und die Behinderten, die im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Vor allem die Roma-Problematik weist eine große gesellschaftliche Brisanz auf. Bei dieser ← 2 | 3 → Gruppe handelt es sich um die zweitgrößte ethnische Minderheit in Bulgarien, die offiziell ca. 5% und inoffiziell sogar bis 10% der Bevölkerung ausmacht. Sie ist sowohl einem sehr hohen Armutsrisiko als auch besonders negativen gesellschaftlichen Einstellungen und Diskriminierungspraktiken ausgesetzt.

Aufgrund der beobachteten Zeitspanne, nämlich der Einführungsphase der OMK kurz vor dem EU-Beitritt Bulgariens, ist die Wende 1989 und die mit ihr verbundene Umbruchssituation für diese Arbeit von besonderer Relevanz. Sie ist gekennzeichnet durch den Zerfall der bisher gültigen politischen Ordnung, durch den Zusammenbruch bestehender Strukturen und das Fehlen einer gewachsenen Bürgergesellschaft. Die Phase des Übergangs zur Demokratie erforderte für den Staat tiefgreifende Veränderungen und Reformen in allen politischen Bereichen. Zu diesen Transformationsprozessen gehörten der geplante EU-Beitritt und die damit verbundenen Beitrittsverhandlungen. Dabei stellten die Auflagen der EU eine große Herausforderung sowohl für den Weg von der sozialistischen Planwirtschaft hin zur Marktwirtschaft, als auch für die Harmonisierung mit dem EU-Recht und für die Angleicheichung in der Gesellschaftspolitik dar.

Auch die Roma- und die Behindertenpolitik befanden sich in der Zeit nach der Wende, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, im Umbruch und im Prozess einer Umstrukturierung. Zum einen wurde gerade nach der Wende die Roma- und die Behindertenproblematik besonders akut. Vor allem die Roma zählten zu den größten »Verlierern« der Wende nicht nur im bulgarischen, sondern auch im gesamtosteuropäischen Kontext. Sie waren am härtesten von der Arbeitslosigkeit und von Diskriminierungspraktiken in allen gesellschaftlichen Bereichen betroffen, was zu ihrer dauerhaften Marginalisierung führte (vgl. Fraser 1992, Barany 2002, Ladanyi/Szelenyi 2002). Zum anderen begann nach 1989 die Entstehung einer Bürgergesellschaft, die sich auf die Akteurskonstellation dieser Politikfelder durch Entstehung neuer politischer Akteure und die Stärkung der Positionen von NRO auswirkte. Diese Entwicklung hatte wiederum Einfluss auf die politischen Inhalte in der Roma und in der Behindertenpolitik. Schließlich, und das ist der eigentliche Kern dieser Arbeit, wurden diese Prozesse in der EU-Beitrittsphase mit der Einführung der OMK durch die Entstehung ← 3 | 4 → neuer Diskurse, neuer Agenden, sowie durch die Eröffnung neuer Handlungsmöglichkeiten für die politischen Akteure verstärkt (vgl. Lendvai 2004a).

Die Arbeit gliedert sich in drei große Bereiche, nämlich in einen theoretischen, einen methodologischen und einen empirischen Teil. Im theoretischen Teil werden zunächst in einem Kapitel Begriffe und Konzepte aus der Europäisierungsforschung und dabei besonders aus der OMK-Forschung behandelt, sowie theoretische Ansätze und Modelle herangezogen, die sich auf den Politiktransfer und auf das politische Lernen beziehen. Daraus wird dann ein eigener Forschungsansatz entwickelt, um ein möglichst für den komplexen Forschungsgegenstand adäquates Instrument zur Verfügung zu haben. In einem gesonderten Kapitel wird anschließend, in Abgrenzung zum klassischen Armutsbegriff, das für diese Untersuchung zentrale Konzept der sozialen Eingliederung behandelt. Dabei wird schon ein Bezug zu den Roma und zu den Behinderten hergestellt.

Details

Seiten
IX, 169
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653038439
ISBN (ePUB)
9783653991048
ISBN (MOBI)
9783653991031
ISBN (Paperback)
9783631648544
DOI
10.3726/978-3-653-03843-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
OMK Behindertenpolitik: Minderheitenpolitik EU-Sozialpolitik
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. X, 169 S., 9 Graf.

Biographische Angaben

Svetlina Koeva (Autor:in)

Svetlina Koeva, promovierte Soziologin, studierte an den Universitäten Sofia (Bulgarien) und Bielefeld. Die Autorin ist als Wissenschaftlerin an der Universität Magdeburg tätig.

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