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Die Rezeption der Schöpfungserzählung nach Gen 1-2,4a bei Grundschülern

Eine fächerübergreifende Interventionsstudie

von Christian Gößinger (Autor:in)
©2014 Dissertation 207 Seiten

Zusammenfassung

Die Rezeption biblischer Schöpfungserzählungen wirkt sich auf die Weltbildentwicklung von Kindern und Jugendlichen aus, besonders bei der Frage nach dem Ursprung der Welt. Die Art und Weise der Vermittlung religiöser und naturwissenschaftlicher Inhalte beeinflusst die Entwicklung eines komplementären Denkens und den Aufbau der Weltsichtsparadigmen. Die fächerübergreifende Interventionsstudie mit einem quasi-experimentellen Pre-Post-Follow-Up-Design mit Fragebogen- und Interviewerhebung zeigt, dass Grundschülern eine gattungsgemäße Rezeption der Schöpfungserzählung nach Gen 1-2,4a gelingt. Wissen zu metaphorischer und bildlich-symbolischer Sprache wurde im Deutschunterricht bei Heiligenlegenden erarbeitet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Zusammenfassung
  • Einleitung
  • A) Fächerübergreifendes und fächerintegrierendes Arbeiten
  • B) Bibelrezeption, Biblizismus und religiöse Sozialisation
  • C) Weltbildentwicklung und SchöPfung Im (Religions-)Unterricht
  • Theoretischer Teil
  • 1. Zur Entwicklung des Weltbildes im Grundschulalter
  • 2. Komplementäres Denken
  • 3. Theorien zur Texterschließung und -Rezeption
  • 4. Sprache in der Bibeldidaktik
  • 4.1 Die Metapher als Stilmittel religiöSen Sprechens
  • 4.2 Religionsunterricht als Sprachbildung – religiöse Sprache (Kennen-)Lernen
  • 5. Biblische Sprachbildung für den schulischen Kontext
  • 5.1 Sprachbildung in religionspädagogischen Konzeptionen
  • 5.1.1 Evangelische Unterweisung und kerygmatischer Religionsunterricht
  • 5.1.2 Die Auslegung des Textes im hermeneutischen Religionsunterricht
  • 5.1.3 Problem- und Humanorientierter Religionsunterricht
  • 5.1.4 Bibel im sozialisationsbegleitenden (therapeutischen) Religionsunterricht
  • 5.1.5 Komplementäre Ergänzungsmodelle
  • 5.1.6 Mehrperspektivische Verbundmodelle
  • 5.1.7 Erfahrung als Grundlage für eine Interaktionale Auslegung
  • 5.1.8 Symboldidaktische Konzepte als Lösung?
  • 5.2 Empirische Untersuchungen zur Rezeption biblischer Texte
  • 5.2.1 ‚Religious thinking from childhood to adolescence’ von Goldman(1964)
  • 5.2.2 ‚Gleichnisse verstehen lernen’ von Bucher (1990)
  • 5.2.3 ‚Religiöse Entwicklung in Kindheit und Jugend’ von Tamminen (1993)
  • 5.2.4 ‚Wie Kinder Metaphern verstehen’ von Pfeifer (2002)
  • 5.2.5 ‚Kindern biblische Geschichten erzählen’ von Melcher (2008)
  • 5.2.6 ‚Religious ideas, feelings and their interrelationship’ von Van Der Zee (2007)
  • 5.2.7 ‚Wie werdet ihr die Gleichnisse verstehen?’ von Hermanns (1990)
  • 5.2.8 ‚Biblische Texte verstehen lernen’ von Theis (2005)
  • 5.2.9 ‚Abschied vom Schöpfergott?’ von Höger (2007)
  • 6. Die SchöPfungserzählung nach Gen 1–2,4A
  • 6.1 Der Begriff ‚Schöpfung’ – Bedeutung und Verwendung
  • 6.2 Wirkungsgeschichte der Schöpfungserzählung nach Gen 1–2,4A
  • 7. Konzeption der vorliegenden Studie
  • 7.1 Kenntnisse sprachlicher Mittel in Texten
  • 7.2 Legenden als Beispieltexte für bildlich-symbolische Sprache
  • 7.3 Erfahrungsbezogenes Lernen an Texten im (Religions-)Unterricht
  • Empirischer Teil – DurchfüHrung und Auswertung der Untersuchung
  • 8. Forschungsfragen
  • 9. Untersuchungsmethoden
  • 9.1 Untersuchungsdesign und Untersuchungsverlauf
  • 9.1.1 Stichprobe
  • 9.1.2 Beschreibung der Interventionen
  • 9.2 Messinstrumente
  • 9.2.1 Quantitative Datenerhebung mit Fragebogen
  • 9.2.2 Qualitative Datenerhebung mit leitfadengestützten Interviews
  • 10. Ergebnisse
  • 10.1 Ergebnisse der Fragebogenerhebung
  • 10.1.1 Sozialstatistische Daten
  • 10.1.2 Wissen um das Konzept Legende
  • 10.1.3 (Vor-)Konzepte zur Weltentstehung
  • 10.1.4 Kenntnis des Begriffs ‚Schöpfung’
  • 10.1.5 Wissen zum Konzept Schöpfungserzählung
  • 10.1.6 Zusammenwirken der Interventionen Legende und Schöpfung
  • 10.2 Ergebnisse Aus den Interviewdaten
  • 10.2.1 Erster thematischer Bezug: Legende
  • 10.2.2 Zweiter thematischer Bezug: Weltentstehungskonzepte
  • 10.2.3 Dritter thematischer Bezug: Kenntnis des Begriffs ‚Schöpfung’ 164
  • 10.2.4 Vierter thematischer Bezug: Konzept von ‚Schöpfung’
  • 10.2.5 Fünfter thematischer Bezug: Schöpfungserzählung
  • 10.2.6 Sechster thematischer Bezug: Gattungsspezifik und Anwendung von Wissen
  • Zusammenfassung – Kritische Gesamtinterpretation
  • 11. Fazit und Diskussion
  • 11.1 Auseinandersetzung mit der Heiligenlegende
  • 11.2 Weltentstehungstheorien bei Grundschülern
  • 11.3 Der Begriff ‚Schöpfung’
  • 11.4 Das Wissen zur Schöpfungserzählung nach Gen 1–2,4A
  • 11.5 Zusammenhang zwischen Legende und Schöpfungserzählung
  • 11.6 Resümee
  • 12. Ausblick
  • Literatur

Zusammenfassung

Wie sich Weltsichtparadigmen bei Kindern und Jugendlichen entwickeln und welche Rolle die Rezeption der Schöpfungserzählung bei der Entwicklung dieser Weltsichtparadigmen spielt, besonders im Hinblick auf die Erklärung des Ursprungs der Welt, haben FETZ, REICH und VALENTIN (2001) untersucht. Diese und weitere Autoren (z. B. ROTHGANGEL, 2012, S. 300ff.; VAN DER ZEE, 2007) nehmen an, dass die Art und Weise der Vermittlung religiöser und naturwissenschaftlicher Inhalte die Konzeptbildung des Kindes im Bereich von Weltsichtparadigmen entscheidend beeinflusst.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Kinder im Grundschulalter biblische Texte rezipieren (vgl. z. B. BALDERMANN, 1980; BUCHER, 1987; HALBFAS, 1997; OBERTHÜR, 1995). Die sprachwissenschaftliche Forschung untersucht, in wie weit Kinder im Grundschulalter grundlegende Fähigkeiten zur Sprach- und Texterschließung aufbauen und anwenden können (vgl. SIEGLER, DELOACHE & EISENBERG, 2011).

Bei Grundschulkindern der dritten und vierten Jahrgangsstufe wurde das Wissen über die biblische Schöpfungserzählung nach Genesis 1-2,4a und die Rezeption des Textes im Hinblick auf die Frage nach dem Ursprung der Welt untersucht. Dazu kamen in einem quasi-experimentellen Drei-Gruppen-Interventionsplan mit zwei Versuchsgruppen und einer Wartegruppe (N=140) Pretest-, Posttest- und Follow-Up-Erhebungen (Fragebögen und leitfadengestützte Interviews) zum Einsatz. In einem ersten Schritt wurden in den beiden Versuchsgruppen gattungsspezifisches Wissen (vgl. BUCHER, 1990b) und Grundkenntnisse metaphorischer bzw. bildlich-symbolischer Sprache (vgl. GANSEN, 2010) im Deutschunterricht (drei Unterrichtseinheiten) modellhaft an zwei Heiligenlegenden vermittelt. Anschließend wurden in zwei methodisch und inhaltlich unterschiedlichen Treatments im Evangelischen Religionsunterricht (jeweils fünf Unterrichtseinheiten) parallel Inhalte, Aussageabsicht und sprachliche Besonderheiten der Schöpfungserzählung nach Gen 1-2,4a erarbeitet. Dabei wurden in einer der Versuchsgruppen die erste Unterrichtseinheit zur Vorwissenserhebung und –Reflexion und eine weitere Unterrichtseinheit für die Beschäftigung mit Elementen naturwissenschaftlicher Ideen zur Entstehung der Welt durchgeführt, während in der anderen ← 11 | 12 → Versuchsgruppe in dieser Zeit eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Schöpfungserzählung erfolgte.

Mit zwei Skalen (Konzept Legende: Kernaussagen und bildlich-symbolische Sprache der Heiligenlegende; Konzept Schöpfungserzählung: Kernaussagen, form- und gattungsspezifische Merkmale der Schöpfungserzählung nach Gen 1-2,4a) wurde das Vorwissen, die Veränderungen des Wissens und die Rezeptionsleistungen erhoben. Geschlecht, religiöse Sozialisation oder Gruppenzugehörigkeit wurden bei der Analyse der Daten als mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt.

Mit annähernd gleichen Werten in der Vorwissenserhebung konnte bei beiden Versuchsgruppen nach den Interventionen ein signifikanter Wissenszuwachs vom Pretest- zum Posttestzeitpunkt sowohl beim Konzept Legende als auch beim Konzept Schöpfungserzählung nachgewiesen werden. Dabei wirkte sich die unterschiedliche Gestaltung der Intervention II statistisch nicht signifikant auf die Ergebnisse aus. Die Veränderungen im Wissen um das Konzept Legende und um das Konzept Schöpfungserzählung blieben nach einem Zeitraum von vier Monaten weitgehend stabil und waren signifikant höher als die Werte der Wartegruppe. Die Analyse der Interviewdaten stützen die Ergebnisse der quantitativen Erhebung. Die Schüler gaben im Fragebogen zum Posttestzeitpunkt z. B. weniger häufig an, dass das Sieben-Tage-Schema der Schöpfungserzählung nach Genesis 1-2,4a wörtlich zu verstehen sei. Vielmehr hoben die Schüler beider Versuchsgruppen nach den Interventionen auf die in der letzten Unterrichtseinheit herausgearbeiteten Aussageabsichten des jeweiligen Textes ab. Dabei wurde sowohl die Legende als auch die Schöpfungserzählung häufiger als Glaubenstext identifiziert. Die Bearbeitung eines Textes in einer der Versuchsgruppen, der den Urknall als Entstehungstheorie der Welt thematisierte, ließ die Nennungen von Elementen naturwissenschaftlicher Weltentstehungstheorien im Vergleich zum Pretestzeitpunkt zum Posttestzeitpunkt ansteigen. Jedoch stieg in der Versuchsgruppe, in der keine gelenkte Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Weltentstehungstheorien stattfand, der Anteil der Schüler an, die sowohl Elemente naturwissenschaftlicher Weltentstehungstheorien als auch biblisch-göttliche Schöpfungsmotive nannten. ← 12 | 13 →

  

Einleitung

Der Frage nach dem Ursprung der Welt als ein elementares Anliegen des Kindes kann sich vom Kontext abhängig aus religiös-theologischer oder aus naturwissenschaftlicher Perspektive angenähert werden. Auch bei Grundschulkindern können bereits Vorstellungen vorhanden sein, die sowohl Elemente naturwissenschaftlicher Theoriebildung aus ihrem Alltagserleben (Fernsehen, Zeitschriften, Kinder- und Jugendbücher) enthalten als auch biblisch-religiöse Grunderfahrungen, die durch die Familie oder den Kindergarten bzw. in der Schule oder in der Kirchgemeinde vermittelt wurden (vgl. BÜTTNER, 2012, S. 219; FETZ et al., 2001). Werden grundlegende Fragen wie die nach dem Ursprung der Welt mit dem Kind nur einseitig erörtert, könnten andere Ansichten vorschnell als ungültig zurückgewiesen werden (s. u. Kapitel 2). Von Bedeutung scheint dabei die Art und Weise der Auseinandersetzung zu sein, z. B. beim Thema Schöpfung im Religionsunterricht. In der vorliegenden Untersuchung wurde mit einem fächerübergreifenden Ansatz untersucht, ob mit gezielter Sprachbildung die Auseinandersetzung mit und die gattungsgemäße Rezeption der Schöpfungserzählung nach Genesis 1-2,4a (Gen 1-2,4a)1 gelingen konnte. Dabei wurden auch im evangelischen Religionsunterricht in einer der Gruppen (Versuchsgruppe VSG) gezielt naturwissenschaftliche Vorstellungen der Schüler bei der Reflektion der Frage nach dem Ursprung der Welt, wie sie in der Grundschule im Bereich des Sachunterrichts zur Sprache kommen können, berücksichtigt und in einer Unterrichtseinheit thematisiert.

A)  Fächerübergreifendes und fächerintegrierendes Arbeiten

Die Grundschule hat den Anspruch, Schule für alle Kinder zu sein und auf ein gelingendes Leben in und als Teil der Gesellschaft vorzubereiten (vgl. ← 13 | 14 → FREUDENBERGER-LÖTZ, 2011; HEMPEL, 2001). Dem Sachunterricht der Grundschule fällt dabei die Aufgabe zu, die Schüler bei der Erschließung ihrer Lebenswelt2 zu unterstützen (vgl. KAHLERT, 2009). Die Schüler sollen bei der Konstruktion von Wissen und Kompetenzen unterstützt werden, um die Welt kognitiv und handelnd erfassen und durchdringen zu können. Ziel soll es sein, die Welt für das Kind verständlich werden zu lassen, um ihm ein zielgeleitetes und absichtsvolles Handeln ermöglichen zu können (vgl. KÖHNLEIN, 1991, S. 107).

Eine gelingende Erschließung der Welt bedarf der Entwicklung der Sprache. Sprachbildung ist Grundlage für eine Entwicklung des Denkens, da Sprache Ausdruck des Denkens ist (vgl. CASSIERER, 2010, S. 249ff.). Sprachbildung ist zwar mit Schwerpunkt im Deutschunterricht zu verorten, sollte aber fächerübergreifend in allen Schulfächern berücksichtigt und gefördert werden. Es sollten den Schülern möglichst viele Gelegenheiten angeboten werden, Sprach- und Handlungskompetenzen aufzubauen und weiterentwickeln zu können und wirksam in herausfordernden und authentischen Situationen zu erproben. Der Lehrplan für die bayerischen Grundschulen führt dazu aus: „Die Entwicklung des Denkens erfolgt im wesentlichen über die Sprache. Ihre Pflege und die Förderung der Kommunikationsfähigkeit sind deshalb bedeutende fächerübergreifende Aufgaben“ (LEHRPLAN, 2007, S. 8). Vor allem die Fähigkeiten zur Dekonstruktion und Konstruktion von Begriffen und begrifflichem Wissen scheinen hierbei von Bedeutung zu sein (vgl. KROPAČ, 2007). Dabei sollen dem Schüler3 grundlegende sprachliche und sachliche Fertigkeiten vermittelt werden, um z. B. in Gesprächen und Diskussionen möglichst umfassend die Erklärungen oder Informationen der Beteiligten verstehen oder wenigstens weitgehend nachvollziehen und in ihrer Bedeutung einschätzen zu können (vgl. LEHRPLAN, 2007, S. 189; OSBURG, 2011, S. 69f.). Hierbei sollte der jeweilige Fachunterricht in der Schule „auf keiner Stufe isoliert gesehen werden, […] also nicht nur im Rahmen der ganzen Schul- und ← 14 | 15 → Ausbildungszeit, sondern im Rahmen der ganzen bisherigen und voraussichtlichen künftigen Lebenszeit der heutigen Schüler“ (GLINZ, 1975, S. 554).

Doch nicht nur bei mündlicher Kommunikation sind Kenntnisse über Sprache und deren kontextuell unterschiedliche Verwendung unabdingbar. Bei der Erschließung und Interpretation von Textquellen bedarf es grundlegenden Wissens nicht nur über die spezielle Art oder Form eines Textes (z. B. Erzählung, Fabel oder Bericht), sondern auch über die unterschiedlichen Verwendungszusammenhänge sprachlicher Mittel und die Einsatzmöglichkeiten mentaler Werkzeuge (vgl. BAURMANN, 2009, S. 24; ROSEBROCK & NIX, 2012, S. 59f.). Dazu zählen z. B. das Wissen um die Doppelbedeutung von Wörtern (z. B.: ‚Ton‘ – Musik und Werkmaterial – oder: ‚Preis‘ – Wettbewerb und Einkauf), die Bedeutungsdimensionen von Begriffen (z. B.: ‚Erschaffen‘ im Rückgriff auf ein Handeln eines göttlichen Wesens in Abgrenzung vom maschinellen oder menschlichen ‚Herstellen‘), das Sprechen in Bildern oder Metaphern (z. B.: ‚himmlisch‘ im Sinne von: ‚nicht mit Sachen aus der Lebensumwelt vergleichbar‘, oder: ‚Kevin, der Löwe‘, wenn ein Schüler durch Mut und Courage glänzt) oder auch Strategien zur Texterschließung. In diesem Zusammenhang kommt neben dem Deutschunterricht dem Religionsunterricht eine entscheidende Aufgabe zu (vgl. dazu den Sammelband von PIRNER und SCHULTE, 2010). Mögliches Missverstehen, wie es (nicht nur) im schulischen Alltag vorkommen kann (vgl. OSBURG, 2011, S. 52), könnte vermieden werden, wenn die im schulischen Alltag benutzten Begriffe den Schülern in ihrer Bedeutung derart bewusst wären, dass sie im jeweiligen Kontext auf die Bedeutung fokussieren könnten, die von der Lehrkraft mit ihrem breiterem enzyklopädischen Wissen erwartet wird (vgl. GANSEN, 2010, S. 53).

Die Begriffsbildung stellt eine „aktive Konstruktionsleistung des Individuums“ (OSBURG, 2001, S. 144) dar, und begriffliches Wissen, welches beim problemlösenden Denken und für erschließende Fähigkeiten im schulischen Kontext eine wichtige Rolle spielt, muss gezielt aufgebaut werden (vgl. NIPKOW, 2011, S. 110f.). Kognitive Vernetzungen, flexibles Denken (im Sinne komplementären und vielperspektivischen Denkens), das Finden von Synonymen oder das verständliche Äußern zu Sachthemen scheinen von einem ausgeprägten begrifflichen Wissen abhängig. Deshalb kann es nach OSBURG bei einer noch unzureichenden Ausbildung des begrifflichen Wissens zu „Schwierigkeiten beim Verstehen von Texten, von Aufgabenstellungen oder beim Verstehen von anderen Unterrichtsinhalten ← 15 | 16 → kommen, insbesondere dann, wenn die Lehrperson ein ‚identisches‘ begriffliches Wissen voraussetzt“ (OSBURG, 2001, S. 146). Die didaktische Herausforderung besteht darin, das begriffliche Wissen und die Vorkonzepte des Schülers aufzudecken und gezielt weiterzuentwickeln. Andernfalls ist ein Verharren in sprachlichen Strukturen zu befürchten, das den Heranwachsenden nicht befähigt, sachliche und individuelle Begriffsbildungen sinnvoll zu vereinen. Diese Überlegungen dürfen im schulischen Kontext aber einerseits nicht nur verengt auf ein Unterrichtsfach (z. B. auf den Deutschunterricht) reduziert werden, sondern sollten vielmehr fächerübergreifend vorgenommen werden (vgl. LANGENHORST & LANGENHORST, 2010, S. 61ff.)5. Andererseits scheint es angezeigt, diesbezügliche Forschungsfragen, wie sie in dieser Untersuchung bearbeitet werden, interdisziplinär auszurichten und Ergebnisse aus der jeweiligen fachdidaktischen Forschung zu verzahnen.

Im Hinblick auf fächerübergreifendes Planen und fächerintegrierendes Arbeiten und Handeln kommt der Grundschule ein hoher Stellenwert zu (vgl. DIETERICH, 2010, S. 36; LEHRPLAN, 2007, Punkt 2.8, S. 11). Für die vorliegende Untersuchung wird festgelegt, dass der Begriff ‚fächerintegrierendes‘ Arbeiten z. B. im Religionsunterricht verwendet wird, wenn die Lehrkraft für die Texterschließung der Schöpfungserzählung nach Gen 1-2,4a auf die im Deutschunterricht erarbeiteten Kenntnisse zu gattungsspezifischen Merkmalen bei der Heiligenlegende zurückgreift. Andererseits kann im vorliegenden Fall auch der Begriff des ‚fächerkoordinierten‘ Lernens Anwendung finden, da eine fächerübergreifende Fähigkeit – die der Texterschließung – „bereits in der Planung (für) eine fächerverknüpfende Vorgehensweise […] vorgesehen ist“ (SCHREINER, 2012, S. 193; vgl. DIETERICH, 2010, S. 36).

Details

Seiten
207
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653041286
ISBN (ePUB)
9783653985313
ISBN (MOBI)
9783653985306
ISBN (Paperback)
9783631649817
DOI
10.3726/978-3-653-04128-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Mai)
Schlagworte
Religionsunterricht Grundschule Unterrichtsplanung Heiligenlegende Weltbildentwicklung biblische Textrezeption Sprachbildung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 207 S., 4 farb. Abb., 2 s/w Abb., 9 Tab., 8 Graf.

Biographische Angaben

Christian Gößinger (Autor:in)

Christian Gößinger absolvierte das Studium für das Lehramt an bayerischen Grundschulen und ein Magisterstudium in den Fächern Pädagogik und Evangelische Theologie.

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