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Ethisch investieren

Chancen und Grenzen moralisch begründeter Geldanlage. 2., überarbeitete Auflage

von Manfred Stüttgen (Autor:in)
©2017 Dissertation XII, 140 Seiten

Zusammenfassung

Ethisches Investieren gewinnt bei Anlegern und Banken an Interesse. Rendite und reduziertes Risiko, sozial-ökologische Verantwortung und gutes Gewissen heißt das Versprechen. An welchen moralischen Kriterien soll sich ein Investor aber orientieren? Welche ethischen Theorien können der praktischen Vernunft dienen? Ökonomische Klugheit und moralische Pflicht stehen zur Debatte. Der Autor antwortet, indem er einen umfassenden Katalog moralischer Investitionskriterien analysiert. So erschließt er Orientierungsregeln und Selektionsstrategien nachhaltiger Vermögensanlage. Schließlich reflektiert er die Chancen und Grenzen ethischer Geldanlage an einer Fallstudie. Die Studie wendet sich an Wissenschaftler und Finanzexperten mit Freude an Fragen der angewandten Kapitalmarktethik.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort zur zweiten Auflage
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • 1. Ethisch investieren. Was heißt das?
  • 1.1 Normative Fragen der Geldanlage. Ein wissenschaftliches Grenzgebiet
  • 1.2 Finanzielle und sozial-ökologische Dimensionen werden verknüpft
  • 1.3 Historische Entwicklung und erste moralische Begründungsansätze
  • 1.3.1 Religiös orientierte Investments für Humanität und faire Verteilung
  • 1.3.2 Politisch motivierte Investments gegen Apartheid und Vietnamkrieg
  • 1.3.3 Soziale und ökologische Investments für Mensch und Umwelt
  • 2. Sachliche Herausforderungen ethischer Investments
  • 2.1 Investoren wollen das Verhalten von Anlageobjekten beeinflussen
  • 2.2 Wirkungszusammenhänge ethischen Investierens
  • 2.2.1 Freiheit des Anlegers in der Wahl von Bank und Investment
  • 2.2.2 Verantwortung durch Sozialbindung des Eigentums
  • 2.2.3 Wirkung auf Kapitalkosten und Image von Unternehmen
  • 2.2.4 Einflussnahme auf das Verhalten von Unternehmen
  • 2.2.5 Einflussbegrenzung durch Informationsasymmetrien und Kontrollprobleme
  • 2.3 Ziele und Zielkonflikte der Geldanlage
  • 2.3.1 Rendite, Risiko, Liquidität und Mittelverwendung
  • 2.3.2 Minderrendite als Testfall moralisch begründeter Geldanlage
  • 2.4 Normative Orientierungshilfen zum ethischen Investieren
  • 2.4.1 Konventionelle Geldratgeber mit Ethik als finanziellem Trendthema
  • 2.4.2 Aufklärende Leitfäden mit normativem moralischen Anspruch
  • 2.4.3 Appelle an praktische Klugheit und moralische Verpflichtung
  • 2.5 Zwischenfazit
  • 3. Begründung moralischer Kriterien für das Investieren
  • 3.1 Normenbegründung in der angewandten Ethik
  • 3.2 Kriterien des Frankfurt-Hohenheimer Leitfadens zur Unternehmensbewertung
  • 3.2.1 Natur-, Sozial- und Kulturverträglichkeit als oberste Kriterien
  • 3.2.2 Rekonstruktion moralischer Kriterien über Diskurs und Konsens
  • 3.2.3 Beurteilung, Gewichtung und Rating von Kriterien durch Investoren
  • 3.3 Begrenzte Verbindlichkeit moralischer Kriterien als Herausforderung
  • 3.3.1 Grenzen theoretischer und methodischer Basisannahmen
  • 3.3.2 Grenzen diskursiver Begründung in Herleitung und Anwendung
  • 3.3.3 Grenzen des Verpflichtungscharakters von Normen
  • 3.4 Normativer Status der Geldanlagehandlung des Privatinvestors
  • 3.4.1 Unterschiede im normativen Status von Spekulieren und Investieren
  • 3.4.2 Ethisch investieren als unvollkommene Pflicht und Wohltätigkeitspflicht
  • 3.4.3 Ethisch investieren als schwache positive Pflicht
  • 3.4.4 Ethisch investieren als supererogatorische Handlung
  • 3.5 Zwischenfazit
  • 4. Abwägung durch den Investor
  • 4.1 Abwägung auf Basis von Prima-facie-Pflichten
  • 4.2 Mittlere Prinzipien als Orientierungshilfen bei Konflikten
  • 4.2.1 Persönliches Vermögen begrenzt und erweitert sittliche Verpflichtung
  • 4.2.2 Schadensminimierung durch Wahl des geringeren Übels
  • 4.2.3 Güterabwägung basierend auf einer begründeten Wertehierarchie
  • 4.2.4 Pragmatisch-iterativer Lernprozess zum Aufbau ethischer Anlagekompetenz
  • 4.3 Zwischenfazit
  • 5. Chancen und Grenzen ethischen Investierens
  • 6. Aktieninvestments der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Eine Fallstudie
  • 6.1 Öffentliche Moralkritik an den Investments der SNB
  • 6.2 Anlagepolitik der SNB und passives Investieren in einen Aktienindex
  • 6.3 Ethische und rechtliche Erwägungen beim Investieren in Streubomben
  • 6.3.1 Streubomben schädigen menschliches Leben und sind international geächtet
  • 6.3.2 Kriegsmaterialgesetz verbietet Finanzierung von Streubombenproduktion
  • 6.3.3 Die indirekte Finanzierung ist rechtlich und moralisch eine Grauzone
  • 6.3.4 Keine Abwägung von moralischen mit ökonomischen Gütern durch die SNB
  • 6.4 Kritik der öffentlichen Moralkritik
  • 6.4.1 Primat der finanziellen Ziele
  • 6.4.2 Primat der Legalität
  • 6.4.3 Primat des Laissez-faire
  • 6.4.4 Plädoyer für eine moralisch reflektierte Praxis
  • 6.4.5 Autonome Selbstbindung von Investoren oder Delegation an Dritte?
  • Literaturverzeichnis
  • Reihenübersicht

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Abbildungsverzeichnis

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1.  Ethisch investieren. Was heißt das?

Ethische Investments liegen im Trend. Beinahe jede Bank und jeder Fondsanbieter offeriert dem anlagesuchenden Investor heute ein breites Spektrum an Anlageformen, die das Etikett „Ethik“ im Produktnamen tragen. Was genau sich hinter dem ungeschützten Begriff verbirgt, ist dabei häufig nicht ganz klar.

Dem kritischen Anleger wird bei näherem Hinsehen allerdings rasch deutlich, dass oft sehr verschiedene Gegenstandsbereiche unter dem Sammelbegriff „Ethik“ vereinigt werden. Meist wird ihm ein nach ethischen Kriterien vollzogener Anlageprozess versprochen, der in einem entsprechenden „ethischen Anlageprodukt“ seinen Ausdruck findet. Dieses Produkt verspricht typischerweise zusätzlich zu einer ansprechenden Rendite einen Beitrag zum guten Gewissen des Anlegers. Von sauberen Renditen, Gewinn mit Sinn, Geldverbesserung, doppelter Dividende, nachhaltiger Kapitalanlage und von gutem Geld, grünem Geld oder lebensdienlichem Geld ist dabei oft die Rede.

Handelt es sich beim „ethischen Investieren“ um einen Modetrend, gar um eine Marketing-Methode der Finanzindustrie, die ihr Image aufpoliert? Oder handelt es sich um ein verantwortungs- und wirkungsvolles Anlegen von Geldern, dessen Ziel darin besteht, Kapital so zu lenken, dass die involvierten Wirtschaftssubjekte tendenziell moralische Güter fördern und moralwidriges Verhalten reduzieren?

Die vorliegende Untersuchung nimmt diese Art von Überlegungen zum Anlass, um die folgenden Leitfragen zu analysieren:

  • An welchen moralischen Prinzipien kann und soll ein Investor sein Anlageverhalten orientieren?
  • Welches sind die Chancen und welches sind die Grenzen der Begründung und Umsetzung moralischer Normen in der Geldanlage?

Die Beantwortung dieser Fragen soll Ansatzpunkte einer theoretischen Fundierung und praktischen Umsetzung ethischen Investierens aufzeigen und bewegt sich dazu im wissenschaftlichen Grenzgebiet der Finanz- und Kapitalmarktethik. Ihren Ausgangs- und auch ihren Zielpunkt findet die Untersuchung in der Praxis der Geldanlage: Die Ausführungen dieser ← 1 | 2 → Untersuchung wollen Hilfestellung und Orientierung leisten bei der praktischen ethischen Frage, wie sich ein Anleger in einer konkreten Handlungssituation verhalten soll.

Die Praxisrelevanz ebenso wie auch die Schwierigkeiten, mit der sich die vorliegende Studie beschäftigt, kann das nachfolgende Beispiel illustrieren.

Fallbeispiel: Mit einem investierten Kapital von 23 Mrd. Euro ist der Versicherungsverein des Bankgewerbes (BVV) die größte Pensionskasse Deutschlands. Im Juni 2013 orientiert der BVV die rund 135’000 Versicherten und Rentner in einem Brief mit Informationen zu seiner Anlagepolitik wie folgt:

„Der BVV hat aufgrund seiner langfristigen Perspektive und der Verpflichtungen gegenüber seinen Mitgliedern schon immer ethische, soziale und ökologische Belange im Rahmen der Kapitalanlage berücksichtigt. Allerdings treten diese hinter den aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen und im Rahmen unseres Auftrages gebotenen Zielen der Rentabilität, Sicherheit und Liquidität zurück.“2

Das vorangestellte Zitat soll zum Einstieg in die vorliegende Untersuchung zweierlei Gedanken beispielhaft illustrieren: Erstens, dass die Frage nach der Form der Geldanlage für einen institutionellen Großinvestor in der Praxis offenbar eine moralische Dimension besitzen kann. Im konkreten Fall fühlt sich der Investor sogar verpflichtet, zu dieser Dimension quasi-öffentlich Stellung zu nehmen. Zweitens illustriert das Beispiel, dass die Verpflichtungsleistung der im konkreten Fall nicht näher erläuterten ethischen Belange gegenüber konventionellen Anlagekriterien gleichwohl nur eine geringe Bindungswirkung entfaltet. Beide Beobachtungen sind im Rahmen der vorliegenden Untersuchung relevant, weil sie – wenn auch nur anekdotisch und vorläufig – mögliche Chancen und Grenzen des ethischen Investierens an einem lebensnahen Beispiel ins Bild setzen.

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die Chancen und Grenzen des sogenannten „ethischen Investierens“ nicht nur anekdotisch zu illustrieren, sondern analytisch zu reflektieren, um sie dem kritischen Urteil der praktischen Vernunft wissenschaftlich zugänglich zu machen.

Trotz seiner hohen praktischen Relevanz wurde das Thema der vorliegenden Untersuchung selten systematisch erschlossen. Neben einem Dutzend eher populärwissenschaftlicher Ratgeber zur ethischen Geldanlage gibt es bisher im deutschsprachigen Raum nur wenige wissenschaftliche Studien, ← 2 | 3 → die das Thema in seiner Ganzheit erfassen. Die vorliegende Untersuchung möchte einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke zu schließen.

1.1  Normative Fragen der Geldanlage. Ein wissenschaftliches Grenzgebiet

Die Geldanlage ist für viele Menschen eine profane Handlung mit hoher praktischer Bedeutung, der zugleich meist ein geringes Interesse entgegengebracht wird. Die Frage, ob durch die Geldanlage moralische Prinzipien berührt sind und wenn ja, welche, wird aus Sicht von Ökonomie und Ethik selten systematisch untersucht:

Die Geld- und Kapitalmarkttheorie als ein Spezialgebiet der Ökonomie stellt sich häufig als eine wertfreie Disziplin dar. Ihre Modellannahmen und Handlungsempfehlungen reflektiert sie selten – wenn überhaupt – aus ethischer Perspektive. Zwar integriert die Behavioral Finance-Theorie in jüngster Zeit verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Modelle und emanzipiert sich vom realitätsfremden Menschenbild des rational den Eigennutz maximierenden Homo Oeconomicus. Gleichwohl gelingt es ihr nicht, ethische Fragen adäquat in ihre Modelle und Diskurse aufzunehmen.3

Die Wirtschafts- und Unternehmensethik als ein Teilgebiet angewandter Ethik reflektiert vernunftbasiert und normativ die Bedingungen und Möglichkeiten moralischen wirtschaftlichen Handelns.4 Als angewandte Ethik sucht sie nach Orientierungshilfen zur Lösung und Bewertung praktischer moralischer Probleme. Auch möchte sie die ethische Reflexionsfähigkeit in komplexeren Handlungszusammenhängen steigern.5

Das Spezialgebiet des normativ begründeten Handelns von Investoren am Geld- und Kapitalmarkt stellt sich dabei jedoch als ein wenig erforschtes Randgebiet von Wirtschafts- und Unternehmensethik dar. Es wird häufig außerakademisch in Form populärwissenschaftlicher Ratgeberliteratur für den Investor behandelt und vermittelt dann praktische Börsentipps, konkrete Produkteempfehlungen, Ansprechpartner und Adressen und dazu ← 3 | 4 → im besseren Fall Hintergrundinformation über den moralisch vertretbaren Verwendungszweck des empfohlenen Investments.

Details

Seiten
XII, 140
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631732977
ISBN (ePUB)
9783631732984
ISBN (MOBI)
9783631732991
ISBN (Hardcover)
9783631651803
DOI
10.3726/b11694
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Mai)
Schlagworte
Geldanlage Primafacie Investitionsobjekte nachhaltige Geldanlage Rendite (bwl.) Sozialverträglichkeit Ethisches Investment Ethikfonds Sozialbindung von Eigentum Güterabwägung
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. XI S., 135 S., 5 s/w Abb.

Biographische Angaben

Manfred Stüttgen (Autor:in)

Dr. Manfred Stüttgen berät Banken, Vermögensverwalter und Stiftungen. Er lehrt an der Universität Luzern und am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ. Vorher war er langjährig in Leitungsfunktionen in der Finanzindustrie tätig, zuletzt als Managing Director einer Schweizer Bank.

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