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Die Unschuld

Der Mensch im Zwielicht der Willensfreiheit

von Hellmuth Kiowsky (Autor:in)
©2014 Monographie 182 Seiten

Zusammenfassung

Ist der Mensch für seinen Willen verantwortlich? Diese im philosophischen Diskurs so zentrale Frage konnte bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet werden, obwohl es an Ansätzen und Behauptungen nicht mangelt. Die Standpunkte zur Frage nach dem freien Willen sind jedoch so unterschiedlich, dass eine Antwort ausgeschlossen scheint. Das Ziel dieses Buches ist es, die Thematik kritisch zu beleuchten und Schwierigkeiten aufzuzeigen. So widmet sich der Autor unter anderem der Frage nach Verantwortung und Schuldfähigkeit: um für eine Entscheidung zur Verantwortung gezogen werden zu können, bedarf es der Freiheit, Entscheidungen aus freiem Willen treffen zu können.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Vorwort
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • I.
  • 1. Der Wille als Ding an sich
  • 2. Der Wille zur Macht
  • 3. Wille als Welterlebnis
  • 4. Der unbewußte Wille
  • 5. Leben und Bewusstsein
  • 6. Bewusstsein und Freiheit
  • II.
  • 7. Willensfreiheit gesteuert durch das Unbewusste
  • 8. Was heißt „frei“?
  • 9. Transzendentale Freiheit
  • 10. Kants Zweiwelten-Aspekt
  • 11. Theorie der Freiheit und der Kreislauf der Wiedergeburten
  • 12. Eine Scheinwelt durch Ideen
  • III.
  • 13. Die Möglichkeit der freien Willensentscheidung
  • 14. Die Annahme zweier Welten als Erklärungsgrund für die Wahl
  • 15. Moralische Verantwortlichkeit
  • 16. Ist der Mensch für seinen Charakter verantwortlich?
  • IV.
  • 17. Schuld und Verantwortung
  • 18. Die menschliche Knechtschaft
  • 19. Versuch einer Standortbestimmung innerhalb der Sonderstellung des Menschen
  • 20. Ethische Willensfreiheit, umgangen durch Moral als Vereinbarung
  • 21. Der freie Wille – ein Unding
  • Anmerkungen
  • Literatur
  • Abkürzungen

← 8 | 9 → I.

1. Der Wille als Ding an sich

Kant hat nach der Ansicht Schopenhauers den Begriff des Dinges an sich nie richtig erklärt, sondern ihn von Locke übernommen „als etwas, an dessen Daseyn nicht zu Zweifelns sei, indem es an sich eigentlich von selbst verstehe“. (P, I/1; §13, S. 105)

Diese Selbstverständlichkeit des Dinges an sich sei Kant gewissermaßen zugestanden, denn

„nach Kants Entdeckungen nämlich enthält unsere empirische Erkenntniß ein Element, welches nachweisbar subjektiven Ursprungs ist, und ein anderes, von dem dieses nicht gilt: dieses letztere bleibt also objektiv, weil kein Grund ist, es für subjektiv zu halten“ (Ebd.)

Kant leugne, so Schopenhauer, die von unserer Auffassung unabhängige Realität der Dinge nur soweit, „als das Apriori in unserer Erkenntniß sich erstreckt“. (P, I/1, 106)

Die allgemeine Form der Erscheinung, Raum, Zeit und Kausalität, ist dasjenige, was uns an der Körperwelt bestimmbar erscheint, dagegen ist

„das durch alle jene a priori vorhandenen Formen unbestimmt Gelassene, also das hinsichtlich auf sie Zufällige, (ist) eben die Manifestation des Dinges an sich selbst“. (106)

Der Stoff der Erscheinungswelt ist das, was a posteriori erkennbar ist, welches in das „Apriori gleichsam eingehüllt, auftritt, aber doch jedem Wesen seinen speciellen und individuellen Charakter ertheilt“.

Da der Stoff nicht aus der Apriorität der Formen abzuleiten ist,

← 9 | 10 → „so nahm Kant keinen Anstand, diesen Stoff der Erscheinung dem Dinge an sich selbst zu lassen, mithin als ganz von außen kommend anzusehen“. (106)

Die a posteriori erkennbaren Eigenschaften werden aber nicht als von den a-priori erkannten getrennt aufgefaßt, sie sind in diese „gehüllt“, darum

„lehrt Kant, dass wir zwar das Daseyn der Dinge an sich, aber nichts darüber hinaus erkennen, also nur wissen, dass sie sind, aber nicht was sie sind; daher denn das Wesen der Dinge an sich bei ihm als eine unbekannte Größe, ein x, stehn bleibt“. (P I/1, 107)

Indem die apriorischen Formen von unserem Intellekt ausgehen, „die Dinge dabei aber doch sehr bedeutende Unterschiede aufweisen; so ist Das, was diese Unterschiede, also die specifische Verschiedenheit der Dinge, bestimmt, das Ding an sich selbst“.

Wenn man aber den empirischen Gehalt in allen Erscheinungen genau prüft, entgegnet Schopenhauer, dann erweist sich Kants „Annahme und Voraussetzung der Dinge an sich, ungeachtet der Subjektivität aller unserer Erkenntnißformen“, als unhaltbar. Schopenhauer stellt zunächst die Frage, ob der Stoff objektiven oder subjektiven Ursprungs sei, „weil er nur im ersten Falle das Ding an sich verbürgen kann“. Der Stoff kann nirgends anders gegeben sein, als in unserer Sinnesempfindung“. Die äußere Wahrnehmung leitet die anschauliche Vorstellung ein, zu der die in uns liegenden Apriori-Erkenntnisse das Fundament bilden. Die Verstandesfunktion schließt nach dem Gesetz der Kausalität auf eine Ursache der Veränderung in den Sinnesorganen, nämlich deren Irritation, auf ein äußeres Objekt. Die Sinnesempfindung liefert „unstreitig den ganzen Stoff zur empirischen Anschauung“, und daher sind „sowohl Stoff als Form der anschaulichen Vorstellung etwas, das aus dem Subjekt entspringt. Die empirische Erkenntnis, nämlich Sinnesempfindung und die in der a priori gegebenen Funktion des Intellekts gelegenen Formen, liefert „keine Data zu Schlüssen auf Dinge an sich“, und „Kant war, nach seinen Principien, nicht befugt, solche anzunehmen“.

← 10 | 11 → So ist das Ding an sich weder auf dem anschaulichen Wege nach dem Gesetz der Kausalität, noch auf dem der rein objektiven Erkenntnis, die als Vorstellung im Subjekt selbst ist, zu erkennen. Nur durch die Änderung des Standpunktes, wie Schopenhauer erklärt, dass man „nämlich statt wie bisher immer nur von Dem auszugehn, was vorstellt, ein Mal ausgeht von Dem was vorgestellt wird“ (P I/1, 109), kann zum Ding an sich gelangt werden. Der eigene Leib ist dazu als Ausgang am besten geeignet, denn er ist als Vorstellung im Raum und zugleich dem Selbstbewußtsein als Wille gegeben. Dieser Leib ist

„auf zwei ganz verschiedene Weisen gegeben: ein Mal als Vorstellung in verständiger Anschauung, als Objekt unter Objekten, und den Gesetzen dieser unterworfen, sodann aber auch zugleich auf eine ganz andere Weise, nämlich als jenes unmittelbar Bekannte, welches das Wort Wille bezeichnet“. (W, I/2, 143)

Die Thematisierung des Leibes liefert den Schlüssel zum Ding an sich. Zur Kenntnis des inneren Wesens der Dinge gelangt man nicht durch eine objektive Erkenntnis, die stets bloße Vorstellung bleibt, sondern „indem man nämlich das Selbstbewußtseyn des immer nur als animalisches Individuum auftretenden Subjekts der Erkenntniß zu Hülfe nimmt und es zum Ausleger des Bewußtseyns anderer Dinge, d. i. des anschauenden Intellekts macht“. (P I/1, 109)

Das Wesen der eigenen Erscheinung, die dem Bewusstsein unmittelbar gegeben und nicht vollständig in die Form der Vorstellung eingegangen ist (d.h. die Subjekt-Objekt–Unterscheidung ist nicht rein ausgeprägt), ist nach Schopenhauer der Wille. Die eigene Erscheinung als Vorstellung, zusammengesetzt aus den aus ihr resultierenden Handlungen und dem Leib, wird zum Mittel für die Erkenntnis des Wesens.

Der Wille wird zwar nicht unmittelbar im Ganzen erkannt, aber doch in den einzelnen Handlungen des Menschen. Der Wille in der eigenen Existenz hat nun ein Analogon im Gesamten. Die Erkenntnis des eigenen Wesens kann durch einen Analogieschluß zur Erkenntnis des innersten Wesens der ganzen Natur werden. Nicht im Menschen und Tier ← 11 | 12 → allein wird der Wille als Wesen erkannt, sondern sogar in den Pflanzen und im Anorganischen, wo er sich als Naturkraft äußert.

Die Aktionen des Individuums erscheinen als Willensakt und Bewegung. Sie stehen aber nicht in einem Kausalverhältnis, so dass Ursache und Wirkung maßgebend wären, sondern sind das auf zwei verschiedene Weisen gegebene Eine.

Details

Seiten
182
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653043662
ISBN (ePUB)
9783653981124
ISBN (MOBI)
9783653981117
ISBN (Hardcover)
9783631652657
DOI
10.3726/978-3-653-04366-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Juni)
Schlagworte
Zweiwelten-Aspekt Kant, Immanuel Willensfreiheit Unschuld Entscheidungsfreiheit
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 182 S., 1 Tab.

Biographische Angaben

Hellmuth Kiowsky (Autor:in)

Hellmuth Kiowsky war Realschullehrer in Weil am Rhein. Neben dem Beruf studierte er Philosophie, Indologie, Pädagogik und Urgeschichte und promovierte an der Universität Basel. Er ist Autor zahlreicher philosophischer Werke und Aufsätze.

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