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Lernen und Lehren in multilingualen Kontexten

Zum Umgang mit sprachlich-kultureller Diversität im Klassenraum

von Nancy Morys (Band-Herausgeber:in) Claudine Kirsch (Band-Herausgeber:in) Ingrid de Saint-Georges (Band-Herausgeber:in) Gérard Gretsch (Band-Herausgeber:in)
©2014 Konferenzband 253 Seiten

Zusammenfassung

Mehrsprachigkeit ist in Europa ebenso gesellschaftlich erwünschtes Ziel wie Realität in den Klassenräumen aller Schulformen. Sie stellt Lehrende und Lernende vor enorme Herausforderungen, eröffnet aber auch ungeahnte Chancen für einen lebensnahen, funktionalen Sprachenunterricht. Ziel des Sammelbands ist es, bestehende Sichtweisen auf den Umgang mit sprachlich-kultureller Heterogenität in der Schule bewusst zu machen, Handeln und Denken der Akteure in der Praxis zu verstehen und Erfahrungen in diversen Lernumgebungen zu reflektieren. Die Beiträge der 17 Autorinnen und Autoren sind in Unterrichtskontexten verschiedener Länder entstanden und nähern sich dem Forschungsgegenstand mit unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Ansätzen, Methoden und theoretischen Perspektiven.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • <la Schüppe> ou les ressources orthographiques pour écrire le français en tant que langue étrangère
  • Förderung von Sprach(lern)bewusstheit und Sprach(lern)kompetenz durch germanische Interkomprehensionsansätze
  • „Cette entraide et ce tutorat naturel qui s’organise entre eux“: A research framework for two-way bilingual immersion programmes
  • Bilinguale Vorschulerziehung als Chance
  • Multilingualism as a resource for learning and teaching
  • „Dann träume ich manchmal viel Französisch“ – Die Zielsprache Französisch im Kunstunterricht im Kontext schulischer Mehrsprachigkeit
  • Spracheinstellungen von Lehrenden als Ressource und Herausforderung für die Sprachendidaktik
  • „… weil Russisch ganz andere Buchstaben hat“ – Mögliche Gründe für wahrgenommene Sprachdistanz aus der Sicht von Lernenden
  • Creating multilingual teaching settings with graffiti
  • Multilingual Virtual Talking Books – A Multilingual Software to Develop Language Awareness
  • iTEO as a Tool-and-Result in dialogical multilingual language learning
  • Storytelling at home and at the nursery school: A study of bilingual children’s literacy practices
  • Autorenverzeichnis
  • Register

Nancy Morys/Claudine Kirsch/Gérard Gretsch

Einleitung

1.  Perspektiven auf Mehrsprachigkeit

Mehrsprachigkeit ist in Europa ebenso gesellschaftlich und bildungspolitisch erwünschtes Ziel wie Realität in den Klassenräumen aller Schulformen. Längst stellen sprachlich und kulturell heterogene Lerngruppen die Normalität dar. Berufliche Mobilität in einem gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum, Migration und lernbiographische, kulturelle Vielfalt bestimmen die Unterrichts-wirklichkeit. Im (Sprachen-)Unterricht lernen Erst- neben Zweitsprachlern und beginnenden Fremdsprachenlernenden. Nicht selten finden sich an einer Schule unzählige Herkunftssprachen, welche die Identität der Lernenden und den Unterrichtsalltag prägen und bereichern.

Lehrende wie Lernende stellt die Mehrsprachigkeit vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnet sie aber auch ungeahnte Chancen für einen lebensnahen, effizienten und funktionalen Sprachenunterricht. Um diese Chancen zu nutzen, sind pädagogische und didaktische Reflexionen und Konzepte für einen mehrsprachigen und mehrkulturellen Unterricht notwendig (vgl. u.a. Budach/Erfurt et al. 2008; Cichon/Cichon 2009; Fürstenau/Gomolla 2011; Kenner/Hickey 2008; Weber 2009).

Traditionellen sprachendidaktischen Theorien und Unterrichtsvorstellungen eines „Fremdsprachenlernens“ fehlen häufig die Antworten, um der dynamischen multilingualen und multikulturellen Heterogenität heutiger Lerngruppen zu begegnen. Sie bleiben verhaftet in Vorstellungen von Mehrsprachigkeit, die nicht immer den Realitäten und Herausforderungen mehrsprachiger Unterrichtskontexte des 21. Jahrhunderts entsprechen (vgl. Blackledge/Creese 2010; García 2009; García/Skutnabb-Kangas et al. 2006).

Hierzu gehört z.B. die Vorstellung, dass Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit mit einer „perfekten“, „muttersprachlichen“ Beherrschung zweier gleichwertig nebeneinander stehender Sprachen gleichzusetzen ist, welche in jedem Kontext wie die Erstsprache eines monolingualen Sprechers einsetzbar wären. Monolinguale Sichtweisen auf Sprachenlernen wie die Vorstellung, dass sich Sprachen linear und unabhängig voneinander entwickeln oder dass das „Vermischen“ von Sprachen defizitär wäre, prägen das vorprofessionelle Denken über Sprachenlernen und Sprachentwicklung. Auch das Festhalten an starren Begrifflichkeiten wie „Muttersprache“, „Erstsprache“, „Zweitsprache“ oder „Fremdsprache“ wird ← 7 | 8 → häufig weder den vielfältigen Sprachenbiographien mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler noch den heutigen von „Superdiversität“ geprägten (urbanen) Gesellschaften gerecht. (vgl. Creese/Blackledge 2010; García 2009)

Neuere soziolinguistische Ansätze gehen von einer funktionalen, lebensweltlichen Mehrsprachigkeit aus. Mehrsprachigkeit wird nicht mehr ausschließlich aufgrund der Kompetenz in zwei oder mehreren Sprachen definiert, sondern auch aufgrund ihrer Entstehung, Funktionalität und Identifikation mit Sprache und Kultur (vgl. Skutnabb-Kangas 1981). Der Schwerpunkt aktueller Ansätze liegt auf der Dynamik und Authentizität natürlicher Interaktionssituationen in mehrsprachigen Kontexten, welche geprägt sind von Phänomenen wie „Code-Switching“, „language crossing“ „(trans)languaging“ „Heteroglossie“, „Polylingualismus“ und „Hybridität“ (vgl. u.a. Creese/Blackledge 2010; Erfurt 2005; García/Wei 2014; Jørgensen 2008, 2010; Rampton 1995). Der flexible und dynamische Gebrauch mehrerer Sprachen in mehrsprachigen Interaktionssituationen gibt Aufschluss darüber, wie Sprecher ihre sprachlichen und kulturellen Ressourcen produktiv für den Spracherwerb und die Entwicklung von Persönlichkeit und kultureller Identität mobilisieren. Für den Unterricht ergibt sich daraus die Frage, wie sprachlich-kulturelle Diversität ressourcenorientiert und lernproduktiv genutzt werden kann.

Um althergebrachte Denkmuster und Vorstellungen von Mehrsprachigkeit relativieren und Unterrichtsmodelle (weiter)entwickeln zu können, welche der Lebenswirklichkeit aller Schülerinnen und Schüler gerecht werden und deren sprachliche und kulturelle Voraussetzungen als Ressource valorisieren, ist ein disziplin- und länderübergreifender Dialog notwendig.

Ziel der vierten internationalen Tagung „Mehrsprachigkeit als Chance“, welche im Juni 2012 an der Universität Luxemburg stattgefunden hat, war es, den Dialog zwischen unterschiedlichen Forschungstraditionen und Ansätzen zur Erforschung schulischer Mehrsprachigkeit anzuregen und bestehende Sichtweisen auf den Umgang mit sprachlicher und kultureller Heterogenität bewusst zu machen. An der Tagung nahmen 120 Teilnehmer und 40 Referenten aus elf unterschiedlichen Ländern teil. Die Tagungsreihe wurde nach ihren Anfängen an der Universität Kassel (Deutschland) im Jahr 2009, an der Fachhochschule Nysa (Polen) 2010 und der Autonomen Hochschule Eupen (Belgien) 2011 im Jahr 2012 an der Universität Luxemburg sowie anschließend im Jahr 2013 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (Deutschland) fortgesetzt. Zu ihren Charakteristika zählt das Zusammenkommen von Forschenden, Studierenden und Lehrenden aller Schulformen aus unterschiedlichen Mehrsprachigkeitskontexten Europas. ← 8 | 9 →

Der multikulturelle und multilinguale Forschungskontext der Universität Luxemburg ermöglicht es in besonderer Weise, die unterschiedlichen Forschungstraditionen und Zugänge zusammenzuführen, welche die aktuelle wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Phänomenen der Mehrsprachigkeit auszeichnen. Zum einen stellen die historisch gewachsene gesellschaftliche Mehrsprachigkeit Luxemburgs mit den Amtssprachen Luxemburgisch, Deutsch und Französisch sowie das dreisprachige Schulsystem einen Sonderfall in Europa dar. Zum anderen ist die im Jahr 2003 gegründete Universität Luxemburg mit ihren vier offiziellen Sprachen Luxemburgisch, Deutsch, Französisch und Englisch von einem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen und Forschungstraditionen geprägt. Mehrsprachigkeit ist zudem im Forschungsprogramm der Universität zentrale Forschungspriorität. Der luxemburgische Mehrsprachigkeits- und Forschungskontext mit seinen sprachlichen und kulturellen Besonderheiten bildet insofern einen Ausgangspunkt, um Vorstellungen von Mehrsprachigkeit zu hinterfragen, neue Fragen aufzuwerfen und entstehende Konzepte zu diskutieren (Weber/Horner 2012).

Wie die Tagung selbst eröffnet auch der vorliegende Tagungsband ein facettenreiches, auf den ersten Blick kaleidoskopisches Gesamtbild auf den Untersuchungsgegenstand. Die Beiträge sind in diversen Schul- und Unterrichtskontexten unterschiedlicher Länder und Regionen entstanden, verfolgen jeweils eigene Forschungsziele und Fragestellungen und nähern sich dem Phänomen schulischer Mehrsprachigkeit mit unterschiedlichen theoretischen Perspektiven, Forschungsmethoden und Forschungsdesigns. Der Gegenstand wird des Weiteren von den Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen und Arbeitsfeldern beleuchtet: Lehrende aus unterschiedlichen Praxisbereichen, Promovierende, wissenschaftliche Mitarbeitende, Forschende, Professorinnen und emeritierte Professoren widmen sich der Thematik aus pädagogischer, didaktischer, linguistischer, soziolinguistischer, bildungswissenschaftlicher oder erziehungswissenschaftlicher Perspektive. Die Beiträge verdeutlichen nicht nur die Diversität der Phänomene schulischer Mehrsprachigkeit, sondern auch die Notwendigkeit, diese Mehrsprachigkeit in ihrem spezifischen soziokulturellen Kontext zu betrachten, um Sprachgebrauch und Spracherwerb in mehrsprachigen Klassenzimmern verstehen zu können und um die Lernenden in ihrem Spracherwerb besser unterstützen zu können.

2.  Überblick über die Beiträge

Gemeinsames Anliegen der Beiträge in diesem Band ist es, Mehrsprachigkeit als positiven Wert und erstrebenswertes Ziel in einem von Vielfalt und Toleranz geprägten Europa herauszustellen. Die Beiträge explorieren didaktische Konzepte, ← 9 | 10 → Medien und Lernkontexte und suchen nach Wegen, der heutigen kulturellen und sprachlichen Vielfalt in schulischen Lernsettings zu begegnen. Ziel ist es, die mehrsprachigen Bedingungen in unterschiedlichen Lernkontexten zu beschreiben, das Handeln und Denken der Akteure schulischer Praxis zu verstehen, den Forschungsstand zu vorhandenen didaktischen Modellen zu reflektieren und ältere wie neuere didaktische Ansätze weiterzuentwickeln. Die Beiträge decken unterschiedliche thematische Schwerpunktsetzungen ab, z.B. Sprachressourcen, Lernvoraussetzungen und Interaktionsformen von Schülerinnen und Schülern, Einstellungen von Lernenden, Lehrenden und Eltern. Didaktische Ansätze wie Immersion, Interkomprehension oder „Content and Language Integrated Learning”, Medien und Unterrichtsmaterialien sowie Kompetenzen, Fertigkeiten und Strategien wie Sprachlernbewusstheit und Sprachvergleich, Erzählfähigkeit, Sprachlern- und Transferstrategien werden thematisiert.

Die beiden Beiträge von Constanze Weth sowie von Sven Oleschko und Helena Olfert zeigen zunächst, welche sprachlichen Ressourcen Schülerinnen und Schüler beim Lernen einer Fremdsprache bzw. bei der interkomprehensiven Erschließung einer fremden Sprache nutzen. Die Autoren reflektieren, welchen Beitrag Lehrende leisten können, um die Entwicklung von Lernstrategien und Sprachbewusstheit zu fördern:

Constanze Weth (Universität Luxemburg) untersucht die Ressourcen, die zwei Schülerinnen mit Deutsch als Erstsprache beim Schreiben eines Diktates in der Fremdsprache Französisch mobilisieren. Die Analyse der Schriftproduktionen verdeutlicht, wie die Schülerinnen, die nach vier bzw. sieben Jahren Fremdsprachenunterricht bisher nicht an die Schriftsprache Französisch herangeführt wurden, mehr oder weniger systematisch auf ihre schriftsprachlichen Kompetenzen im Deutschen zurückgreifen und eine Art „Lernerschriftsprache“ Französisch ausbilden. Die Autorin plädiert für den Einsatz von Schriftsprache und Sprachvergleichen im Fremdsprachunterricht, da diese es Lernenden ermöglichen, sich die Struktur der Zielsprache anzueignen und metasprachliches Wissen aufzubauen.

Auch die quantitative Studie zu Interkomprehensionsaufgaben von Helena Olfert und Sven Oleschko (Universität Duisburg-Essen) zeigt, dass Lernende über strukturelles Wissen in ihrer Erst- oder Zweitsprache verfügen und dieses auf eine dritte Sprache (Niederländisch) transferieren können. Die Ergebnisse bestätigen zunächst vorhandene Forschungsergebnisse darin, dass Mehrsprachigkeit insbesondere dann kognitive Vorteile bietet, wenn die Lernenden eine weitgehend balancierte Mehrsprachigkeit aufweisen, d.h. auch in ihrer Erstsprache über einen hohen Grad an metasprachlichem Wissen und Sprachbewusstheit verfügen. Die Autoren plädieren für sprachvergleichende Ansätze unter Berücksichtigung der ← 10 | 11 → im Klassenraum vertretenen Herkunftssprachen mit dem Ziel, Sprachbewusstheit und metasprachliches Wissen bei allen Lernern aufzubauen.

Die beiden Beiträge von Gabriela Meier und von Peter Doyé widmen sich den Prinzipien und Praktiken von „Two-way“-Immersionsprogrammen:

Gabriela Meier (University of Exeter) thematisiert die Interaktionen von Lernenden in einer bilingualen Schule in London. Literatur sowie die Ergebnisse ihrer qualitativen Studie mit Lehrenden der Wix Primary School/École de Wix in London zeigen, dass „Two-way“-Immersionsprogramme Gruppenzusammenhalt und Interaktionen zwischen den Lernenden fördern. Die Schülerinnen und Schüler lernen die eigenen sowie die Kompetenzen der Mitschüler kennen und nutzen Strategien, um den Klassenkameraden sprachlich zu helfen. Die Frage, inwiefern man dieses „natürliche Tutorat“ pädagogisch nutzen kann, könnte der Ausgangspunkt für eine neue Studie sein. Die Autorin schlägt vor, die Beziehung zwischen Gruppenzusammenhalt, Schülerinteraktion, Lerneridentität und Pädagogik weiter zu untersuchen.

Peter Doyé (Technische Universität Braunschweig) resümiert Argumente für bilinguale Vorschulerziehung und skizziert die didaktischen Prinzipien von „Two-way“-Immersionsprogrammen, wie sie in der Staatlichen Europaschule Berlin und in der Deutsch-Italienischen Schule Wolfsburg Anwendung finden. Er stellt didaktische Materialien für den Vorschulbereich vor, welche in Zusammenarbeit mit Lehrenden erarbeitet worden sind und bisher in fünf Sprachkombinationen publiziert wurden.

Die Autoren Thomas Somers, Eva De Mesmaeker, Katja Lochtman und Piet Van de Craen (Vrije Universiteit Brussel) sind diesen Programmen gegenüber kritischer eingestellt. „Two-way“-Immersionsprogramme werden in ihrem Beitrag als eines von vier Programmen zur Förderung des Spracherwerbs von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund vorgestellt. Die Autoren weisen auf die Grenzen dieser Methoden hin und führen an, dass Klassen heutzutage heterogen und die meisten Schülerinnen und Schüler mehrsprachig sind. Sie argumentieren außerdem, dass diese Programme zu Segregation und schulischem Misserfolg von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund beitragen können, und fordern flexible mehrsprachige Lernumgebungen, in welchen Sprachen natürlicher gewechselt werden können. Der Gebrauch mehrerer Sprachen im CLIL-Unterricht, der geplante Sprachwechsel der Lehrperson, das „translanguaging“ der Schülerinnen und Schüler und Strategien wie Übersetzen führen ihrer Meinung nach zu effizientem Spracherwerb. Die Rolle, die Lehrende der Sprache in ihrem Unterricht einräumen, hänge jedoch, wie die Autoren anhand ihrer Daten zeigen, von der Ausbildung der Lehrenden ab. ← 11 | 12 →

Die Beiträge von Stéfanie Witzigmann, Nancy Morys und Grit Mehlhorn beleuchten die Bedeutung von Spracheinstellungen der Lernenden und Lehrenden für die Ausbildung mehrsprachiger Kompetenzen und eine konstruktive Unterrichtsarbeit in mehrsprachigen Klassen:

Stéfanie Witzigmann (Pädagogische Hochschule Heidelberg) präsentiert Ergebnisse aus einer Fallstudie zu den Einstellungen von Schülerinnen und Schülern einer fünften Realschulklasse zur französischen Sprache, welche über ein gesamtes Schuljahr hinweg als Ziel- bzw. Arbeitssprache im Kunstunterricht eingesetzt wurde. Die Autorin kommt u.a. zu dem Schluss, dass sich der bilinguale Kunstunterricht aufgrund didaktischer Prinzipien wie Anschaulichkeit, Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit sowie aufgrund des Schwerpunktes, der auf den fachlichen Inhalten und nicht auf der sprachlichen Form liegt, in besonderer Weise für den Einsatz der Zielsprache Französisch eignet. Die Ergebnisse ihrer qualitativen Studie zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler in diesen authentischen Kommunikationssituationen motiviert sind, sich in der Zielsprache auszudrücken. Zudem fördere dieser Unterricht die Sprachbewusstheit und die Sprachreflexion, da Lernende Anlässe zum Übersetzen und Kontrastieren vorfinden.

Nancy Morys (Universität Luxemburg) widmet sich in ihrem Beitrag den Spracheinstellungen von Lehramtsstudierenden im ersten Studienjahr, die an der Universität Luxemburg für eine spätere Tätigkeit an luxemburgischen Schulen ausgebildet werden. Die Autorin zeigt anhand von Analyseergebnissen aus studentischen Sprachenbiographien, welche Ressourcen und Herausforderungen die Spracheinstellungen der Studierenden für den Unterricht in multilingualen und multikulturellen Kontexten sowie für die sprachendidaktische Lehrerausbildung darstellen können. Deutlich wird einerseits der im europäischen Vergleich hohe Grad an individueller Mehrsprachigkeit der luxemburgischen Studierenden, die zum Teil fünf, sechs oder sieben Sprachen gelernt haben. Andererseits zeigen sich in den Sprachenbiographien auch Vorstellungen, Ideologien und Werturteile in Bezug auf Mehrsprachigkeit, die einer konstruktiven Unterrichtsgestaltung in mehrsprachigen Lerngruppen entgegenstehen können.

Grit Mehlhorn (Universität Leipzig) thematisiert am Beispiel des Russischen als dritte Schulfremdsprache, wie die Sprachbewusstheit, das Sprachwissen und die subjektiven Einstellungen von Lernenden das Sprachenlernen und einen erfolgreichen Transfer aus zuvor gelernten Sprachen beeinflussen können. Die Autorin zeigt, dass Russisch – entgegen einer häufig wahrgenommenen Sprachdistanz – in linguistischer Hinsicht nicht als distante Sprache zum Deutschen und somit nicht als „schwere“ Sprache eingestuft wird. Die Befragung der ← 12 | 13 → Schülerinnen und Schüler nach nur drei Monaten Russischunterricht ergab, dass 73% der Schülerinnen und Schüler das Schreiben in kyrillischer Schrift als einfach empfanden und 90% von ihnen Ähnlichkeiten zwischen Russisch, Deutsch und Englisch fanden. 63% der Lernenden gaben an, dass durch zuvor erlernte Sprachen ihr Russischlernen erleichtert werde. Dies deutet auf eine hohe Sprachbewusstheit und Interesse am Sprachenlernen hin. Die Autorin fügt hinzu, dass neuere Russischlehrwerke zum Sprach- und Kulturvergleich anregen und dass viele Lehrpersonen grundsätzlich für diese Vergleiche aufgeschlossen sind.

Henriette Dausend, Almut Küppers und Viviane Lohe, Gérard Gretsch und Claudine Kirsch setzen sich in ihren Beiträgen mit dem Einsatz unterschiedlicher Medienformate und mit dynamischen Methoden in multilingualen Lernkontexten auseinander und zeigen, wie diese das Sprachenlernen fördern können:

Details

Seiten
253
Jahr
2014
ISBN (PDF)
9783653045925
ISBN (ePUB)
9783653982626
ISBN (MOBI)
9783653982619
ISBN (Hardcover)
9783631653746
DOI
10.3726/978-3-653-04592-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (September)
Schlagworte
Mehrsprachigkeit Schule Sprachbewusstheit Sprachpraxis Bilingualer Unterricht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2014. 253 S., 6 farb. Abb.

Biographische Angaben

Nancy Morys (Band-Herausgeber:in) Claudine Kirsch (Band-Herausgeber:in) Ingrid de Saint-Georges (Band-Herausgeber:in) Gérard Gretsch (Band-Herausgeber:in)

Nancy Morys, Claudine Kirsch, Ingrid de Saint-Georges und Gérard Gretsch sind Mitglieder der Forschungseinheit Education, Culture, Cognition and Society der Universität Luxemburg. Sie forschen und lehren in Bereichen des Sprachgebrauchs und der Sprachendidaktik in multilingualen Kontexten.

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Titel: Lernen und Lehren in multilingualen Kontexten
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