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Die Witwen in der frühen Kirche

von Christian Back (Autor:in)
©2015 Dissertation 333 Seiten

Zusammenfassung

Die Studie behandelt die Stellung der Witwe in der frühen Kirche vom ersten bis zum fünften Jahrhundert. Auf der Grundlage ausgewählter Quellen wird die Witwenthematik sowohl im Kontext der profanen Umwelt als auch vor dem Hintergrund der biblischen Tradition problematisiert. Der Autor arbeitet den Zusammenhang der Institutionalisierung der Witwenversorgung und der Ämterentwicklung heraus. Witwen können jedoch nicht auf Versorgungsempfängerinnen christlicher Gemeinden reduziert werden, weshalb das Buch auch die Aufgaben der Witwen innerhalb der christlichen Gemeinden eingehend thematisiert. In diesem Zusammenhang wird die Entwicklung des kirchlichen Witwenstandes von seinen Anfängen bis hin zu seiner Etablierung aufgezeigt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 2. Die Witwe — Eine Begriffsklärung
  • 3. Witwen im Alten Testament und im Römischen Reich
  • 3.1 Witwen im Alten Testament
  • 3.1.1 Die Situation der Witwe im Alten Testament
  • 3.1.2 Maßnahmen zum Schutz der Witwe im Alten Testament
  • 3.1.3 Abschließende Bewertung zur Lage der Witwe im Alten Testament
  • 3.2 Witwen im Römischen Reich
  • 3.2.1 Die soziale Situation der Frauen und speziell der Witwen im Römischen Reich
  • 3.2.2 Individuelle Möglichkeiten und Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Witwen
  • 3.2.3 Abschließende Bewertung zur Lage der Witwen im Römischen Reich
  • 4. Witwen in der frühen Kirche
  • 4.1 Witwen im Neuen Testament
  • 4.1.1 Paulus und die Wiederheirat von Witwen (1 Kor 7,8f.39f.)
  • 4.1.2 Vom „Auffressen der Witwenhäuser“ (Mk 12,40 par Lk 20,47) und dem „Scherflein der Witwe“ (Mk 12,41–44 par Lk 21,1–4)
  • 4.1.3 Witwen im lukanischen Sondergut und in der Apostelgeschichte
  • 4.1.3.1 Hanna — Witwe und Prophetin (Lk 2,36–38)
  • 4.1.3.2 Die Witwe von Sarepta (Lk 4,25f.) — eine Botschaft Jesu an die Armen
  • 4.1.3.3 Die Witwe von Naïn und das Mitleid Jesu (Lk 7,11–17)
  • 4.1.3.4 Die hartnäckige Witwe (Lk 18,1–8)
  • 4.1.3.5 Der sogenannte Witwenstreit in der Jerusalemer Urgemeinde (Apg 6,1–7)
  • 4.1.3.6 Tabita’s Wohltätigkeiten gegenüber den Witwen (Apg 9,36–43)
  • 4.1.3.7 Abschließendes Fazit zur Witwenthematik im lukanischen Doppelwerk
  • 4.1.4 Die Witwenliste in 1 Tim 5,3–16
  • 4.1.5 Die vielfältigen Zeugnisse über Witwen im Neuen Testament
  • 4.2 Witwen außerhalb des Neuen Testaments
  • 4.2.1 Die Versorgung von bedürftigen Witwen in der frühen Kirche
  • 4.2.1.1 Die Sorge um die Witwen bei den Apostolischen Vätern
  • 4.2.1.2 Weitere Textzeugnisse aus dem zweiten und dritten Jahrhundert
  • 4.2.1.3 Die Versorgungslage der Witwen im vierten Jahrhundert
  • 4.2.1.4 Fazit zur Witwenversorgung in der frühen Kirche
  • 4.2.2 Witwenstand und Witwenamt
  • 4.2.2.1 Die Anfänge des Witwenstandes bis zu seiner Etablierung
  • 4.2.2.2 Aussagen zur Wiederheirat von Witwen
  • 4.2.2.3 Die Aufgaben des Witwenstandes/-amtes in der Gemeinde
  • 4.2.2.4 Die Witwe als Diakonin und Asketin — ein Ausblick
  • 4.2.2.5 Fazit zur Frage des kirchlichen Witwenstandes bzw. Witwenamtes
  • 5. Witwen in der frühen Kirche — eine Schlussbetrachtung
  • 6. Literaturverzeichnis
  • 6.1 Primärliteratur
  • 6.2 Sekundärliteratur
  • 6.3 Hilfsmittel

1.  Einleitung

Im Filmdrama „Water“ der Regisseurin Deepa Metha aus dem Jahre 2006 wird eindrucksvoll das Schicksal einer indischen Witwe namens Chuya gezeigt, die im Jahr 1938 mit acht Jahren zur Kinderwitwe wurde.1 Ohne ihr Wissen verheiratet, musste sie nach dem Tod ihres weitaus älteren Ehemannes dessen Verbrennung mit ansehen und wurde schließlich von ihrem Vater in einem Ashram abgeliefert, in dem sie die Sünden ihres bisherigen Lebens sühnen sollte, die letztlich mitverantwortlich für den Tod ihres Mannes gewesen wären. Deepa Metha schildert das Leben der Witwen in diesem Ashram, in dem beispielsweise die zweitjüngste Witwe sich der Prostitution hingeben muss, um den Lebensunterhalt des kläglichen Hauses zu sichern.2 Der Film zeigt in eindrucksvoller Weise wie Religion und Tradition das Leben der indischen Witwen bestimmen, ohne dass diese ihr Schicksal hinterfragen. Erst durch den Aufstieg des Mahatma Gandhi wird dieser fundamentalistisch-hinduistischen Tradition der Kampf angesagt und das Heiratsalter auf achtzehn Jahre festgesetzt, so dass es eine solche Praxis in diesem Ausmaß heutzutage nicht mehr gibt.3 Bis zum heutigen Tag aber kommen Witwen in die Stadt Vrindavan, um durch die Verehrung der Gottheit Krishna Lebenssinn und Erlösung zu finden. Das Schicksal dieser dort lebenden Witwen — unter denen sich häufig auch junge Witwen befinden — ist meist geprägt von Einsamkeit, dem Betteln um Geld bzw. der Suche nach alternativen Einkommensquellen, wie beispielsweise eine Anstellung als Dienstmädchen oder aber auch die Prostitution.4 ← 13 | 14 → Zwar können im heutigen Indien Witwen ohne Probleme wieder heiraten, um sich derartige Probleme zu ersparen, doch für über 90 % der Frauen ist letztlich aus traditionellen Gründen eine erneute Eheschließung undenkbar.5 Zudem gilt selbst im 21. Jahrhundert der Schattenwurf einer Witwe als unheilvoll, wenn er einen anderen Menschen trifft, was die Witwen wiederum veranlasst auf Abstand zu den Menschen zu gehen bzw. sich so zu verhalten, dass sie keinen Schatten auf andere Menschen werfen.6

Stellt der Film das Schicksal von Witwen zu Beginn des 20. Jahrhunderts dar, so zeigt ein aus dem Jahre 2010 stammender Bericht über eine 35jährige afghanische Witwe exemplarisch, welche Stellung eine Frau — im Konkreten eine Witwe — auch heute noch in Afghanistan hat. Im konkreten Fall wurde eine Witwe von den radikalislamischen Taliban des „Ehebruchs“ bezichtigt, in einem öffentlichen Prozess zu 200 Peitschenhieben verurteilt und anschließend erschossen, während der beteiligte Mann hingegen ungestraft blieb.7 An diesem Beispiel wird deutlich, dass geschlechterabhängig mit unterschiedlichem Maß gerichtet wird und es den dortigen Witwen an einer durchsetzbaren Rechtsbasis zum Schutz ihrer selbst mangelt, was letztlich darauf zurückzuführen ist, dass die Zukunft der Frauen in Afghanistan einzig und allein von ihrem Ehemann abhängt. Verstirbt dieser, ist die Frau einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt und wird letztlich zum Spielball der Gesellschaft.8 Zwar ist es in Afghanistan Brauch, dass die Witwe an ihren etwaigen Schwager verheiratet wird, eine Garantie für ein würdiges Leben ist dies allerdings nicht. Beispielsweise berichtet eine Witwe aus einem afghanischen Frauenhaus, dass sie als Witwe sowohl von ihrem Vater als auch von ihrem Schwager misshandelt ← 14 | 15 → und vergewaltigt wurde.9 Die Zukunft für die etwa 2,5 Millionen Witwen in Afghanistan — dies entspricht mehr als 8 % der Gesamtbevölkerung —, von denen die Mehrzahl jung ist und weder lesen noch schreiben kann, ist von Hoffnungslosigkeit geprägt.10 Letztlich bleibt festzustellen, dass sowohl die Witwen in Indien zu Beginn des 20. Jahrhunderts als auch die Witwen in Afghanistan zu Beginn des 21. Jahrhunderts sich in einer patriarchal-geprägten Gesellschaft befinden, die ihre Handlungen meist religiös legitimiert.

Wie die obigen Beispiele zeigen, ist das Leben zahlreicher Witwen von Schutzlosigkeit, Armut und Missachtung geprägt. Ähnlich wie in den patriarchalen Gesellschaften Indiens und Afghanistans waren die Witwen auch in der antiken Welt Teil einer solchen Gesellschaft. Die vorliegende Dissertation „Witwen in der frühen Kirche“ behandelt diese Frauengruppe — die Witwen — vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen patriarchalen Gesellschaft, in der sie leben, und stellt insbesondere das Verhalten der Christen gegenüber den Witwen in den Mittelpunkt. Zu Beginn der Arbeit wird ein Überblick darüber gegeben, wie der Begriff „Witwe“ im Hebräischen, Griechischen und Lateinischen gebraucht wird. Damit schließlich die Situation bzw. auch der Handlungsspielraum von Witwen in der frühen Kirche bewertet werden kann, ist es unverzichtbar einen Überblick über die Situation der Witwen im Alten Testament bzw. im Römischen Reich zu geben, um beginnend mit dem Neuen Testament (vgl. 4.1 Witwen im Neuen Testament) auf Veränderungen oder etwaige Entwicklungen der Stellung der Witwe unter dem Einfluß des Christentums eingehen zu können. Schließlich wird in einem eigenen Kapitel die Stellung der Witwe in der frühen Kirche untersucht. Dabei werden die Witwen als Versorgungsempfängerinnen der Gemeinde und die kirchlichen Witwen mit ihren Aufgaben in den christlichen Gemeinden inklusive ihrer damit verbundenen Stellung in den Fokus genommen. Grundsätzlich liegen dieser Arbeit sowohl entsprechende Aussagen zu den Witwen, die im christlichen Kontext getätigt wurden, als auch Aussagen aus der paganen Umwelt als Belegstellen zugrunde. Dabei werden auch Aussagen der antiken „Belletristik“ verwendet. Diese stellen zwar keine Ereignisberichte dar und sind fiktiv, ← 15 | 16 → besitzen aber dennoch einen gewissen Realitätsgehalt, weil die beschriebenen Verhältnisse auf das Publikum nicht unglaubwürdig wirken sollten. Um das Ziel der Arbeit — einen umfassenden Einblick in die Witwenthematik der frühen Kirche zu geben — zu erreichen, werden die Stellung der Witwe, ihre Aufgaben und ein mögliches Witwenamt thematisiert, aber auch ihre Bedürftigkeit und der Umgang ihres Umfeldes mit ihrer sozialen und wirtschaftlichen Not. Dabei konnte auf wichtige Werke, die die Witwenthematik zum Inhalt haben, zurückgegriffen werden. Besonders hilfreich waren die Bände I, II (jeweils aus dem Jahr 1994) und IV (aus dem Jahr 1995) des vierbändigen Werkes Witwen und Waisen im Römischen Reich von J.-U. Krause mit ihrem jeweiligen umfassenden Quellenregister, die Belegstellen zu den Witwen sowohl im profanen als auch im christlichen Kontext aufweisen. Band I hat die Verwitwung und Wiederverheiratung von Witwen im Römischen Reich zum Inhalt, Band II deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung und Band IV die Witwen und Waisen im frühen Christentum.11 Zu beachten ist jedoch, dass Krause in Bezug auf die Witwen im frühen Christentum keinerlei neutestamentliche Kommentare hinzugezogen hat und auch die klassische Monographie zu dieser Thematik — The widows. A Women’s Ministry in the Early Church von B. B. Thurston von 1989 — keine Berücksichtigung fand12, so dass folglich das oben genannte Werk von J.-U. Krause zwar eine Vielzahl von Quellen zur Witwenthematik beinhaltet, diese jedoch vom Verfasser nur selten in ihrem Kontext dargestellt und behandelt werden. Außerdem wird meist die Gattung des Textes — wie beispielsweise Predigt, Kirchenordnung oder apologetische Schrift — nicht berücksichtigt, was für eine abschließende Wertung der entsprechenden Inhalte jedoch unabdingbar ist. Somit erschließt sich für den Autor auch nicht die geschichtliche Linie eines christlichen Witwenamtes und es bleiben Fragen, wodurch sich beispielsweise ← 16 | 17 → Witwen im kirchlichen Witwenstand von den übrigen christlichen Witwen unterscheiden, offen. Hilfreich im Zusammenhang mit den Witwen in der frühen Kirche war die Monographie The widows. A Women’s Ministry in the Early Church von B. B. Thurston, die die Thematik der Witwen im Neuen Testament sowie in der nachapostolischen Zeit bis zum Beginn des vierten Jahrhunderts zum Inhalt hat. In diesem Werk wird u. a. die sozioökonomische Situation der Witwen im Neuen Testament aufgezeigt, wobei sich die Autorin schwerpunktmäßig auf 1 Tim 3,3–16 stützt. Des Weiteren nimmt Thurston die Apostolischen Väter, Tertullian und die syrische Didaskalie unter dem Gesichtspunkt des Witwenamtes in den Fokus. Die diesbezüglich wichtigen Quellen des vierten Jahrhunderts wie Testamentum Domini oder die Apostolischen Konstitutionen werden lediglich im Schlusswort kurz angesprochen. Des Weiteren war für die Thematik der Witwen in 1 Tim 5,3–16 insbesondere die Monographie Die Ordnung des „Hauses Gottes“ aus dem Jahr 1994 von U. Wagener hilfreich, da sie neben der exegetischen Untersuchung von 1 Tim 2,9–3,1a in großer Ausführlichkeit eine Exegese von 1 Tim 5,3–1613 darlegt. Außerdem ist das aus dem Jahr 1978 stammende Werk Le ministère des femmes dans l’église ancienne von R. Gryson hervorzuheben, welches ins Englische übersetzt wurde (The ministry of women in the early church) und dessen zweite Auflage bereits 1980 erschien. Gryson untersucht darin Frauenämter beginnend bei den Anfängen des Christentums bis ins sechste Jahrhundert. Neben dem Witwenamt werden insbesondere Prophetinnen und Diakonissen behandelt. Darüber hinaus ist für die vorliegende Arbeit über die Witwen in der frühen Kirche das Werk Die Anfänge der Professionalisierung des Klerus und das kirchliche Amt in der syrischen Didaskalie von G. Schöllgen aus dem Jahr 1998 außerordentlich hilfreich gewesen. Schöllgen zeigt dabei u. a. die grundlegenden Veränderungen des Verhältnisses von Laien und Amtsträgern anhand der Kirchenordnung auf, in der der Klerus letztlich die wichtigen Aufgaben in der Gemeinde kontrolliert bzw. diese sich vorbehält und dabei den Einfluss anderer Stände — etwa der Witwen14 — zurückdrängen will. ← 17 | 18 →

Ziel der hier vorliegenden Arbeit ist es, die Stellung der Witwen in der frühen Kirche im Kontext der profanen Umwelt (vgl. 3.2 Witwen im Römischen Reich) sowie vor dem Hintergrund einer etwaigen biblischen Tradition (vgl. 3.1 Witwen im Alten Testament und 4.1 Witwen im Neuen Testament) zu beleuchten. Hierbei wird v. a. der Frage nachgegangen, welche Rolle die christlichen Witwen in den Gemeinden der frühen Kirche spielten, wie mit bedürftigen Witwen umgegangen wurde und inwieweit es konkrete Veränderungen bezüglich der Versorgung von Witwen in der frühen Kirche gab. Im Zusammenhang mit dem letztgenannten Aspekt ist insbesondere von Bedeutung, dass im zweiten Jahrhundert der Monepiskopat entsteht, was u. a. auch Auswirkungen auf die Institutionalisierung der Witwenversorgung hat. Da jedoch die Witwen nicht auf Versorgungsempfängerinnen christlicher Gemeinden reduziert werden können, werden in 4.2.2 Witwenstand und Witwenamt u. a. deren Aufgaben innerhalb der Gemeinde problematisiert. Weil in der Forschung bezüglich der Thematik des kirchlichen Witwenstandes bzw. –amtes Klärungsbedarf besteht, ist der Witwenstand von seinen Anfängen bis hin zu seiner Etablierung Gegenstand der Arbeit (vgl. 4.2.2.1 Die Anfänge des Witwenstandes bis zu seiner Etablierung). In diesem Kontext stellt sich die Frage nach dem Witwenamt, die u. a. mit den folgenden Fragestellungen verbunden ist: Können Kriterien gefunden werden, die es rechtfertigen von einem Witwenamt zu sprechen und in welchen Verhältnis stehen die entsprechenden Frauen zu den übrigen Gemeindemitgliedern bzw. zum Klerus?

Grundsätzlich soll unter Einbezug der neueren Forschung insbesondere zum Neuen Testament und zur Kirchengeschichte mit dieser Arbeit eine wissenschaftliche Lücke geschlossen werden. Somit wird auf der Grundlage ausgewählter Quellen die Witwenthematik in der frühen Kirche im Kontext der profanen Umwelt und vor dem Hintergrund der biblischen Tradition behandelt, eine geschichtliche Linie für die Entwicklung des Witwenstandes und das Verhältnis der kirchlichen Witwen zum Klerus und zur Gemeinde aufgezeigt. Zeitlich gesehen wird dabei in Kapitel 4 (Witwen in der frühen Kirche) der Abschnitt beginnend mit den Anfängen des Christentums bis zum Ende des fünften Jahrhunderts behandelt. ← 18 | 19 →

                                                   

  1  Vgl. Dieckmann, C., „Water“. Kinderwitwen in Indien. In: Stern. (07.09.2006). Stand: 11.10.2013. — URL: http://www.stern.de/kultur/film/water-kinderwitwen-in-indien-569457.html.

  2  Vgl. Müller, M. M., Die Stadt der Witwen. In: Die Welt. (17.01.2008). Stand: 11.10.2013. — URL: http://www.welt.de/welt_print/article1579564/Die-Stadt-der-Witwen.html.

  3  Vgl. ebd.

  4  Vgl. ebd.

  5  Vgl. ebd.

  6  Vgl. Verstoßene Witwen brechen ein Tabu. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (10.10.2013). Stand: 11.10.2013. — URL: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/indien-verstossene-witwen-brechen-ein-tabu-12611884.html.

  7  Vgl. Nachrichtenagentur AFP/SV, Taliban peitschen und erschießen schwangere Witwe. In: Die Welt (09.08.10). Stand: 11.10.2013. — URL: http://www.welt.de/vermischtes/article8907187/Taliban-peitschen-und-erschiessen-schwangere-Witwe.html.

  8  Vgl. Waslat, H.-N., Keine Zukunft für Witwen in Afghanistan. Deutsche Welle (01.02.2013). Stand: 11.10.13. — URL: http://www.dw.de/keine-zukunft-für-witwen-in-afghanistan/a-16564303.

  9  Vgl. ebd.

10  Vgl. ebd.

11  Band III aus dem Jahr 1995 des vierbändigen Werkes Witwen und Waisen im Römischen Reich behandelt eigens die rechtliche und soziale Stellung von Waisen und hat für die Arbeit, deren Fokus auf den Witwen in der frühen Kirche liegt, keine Rolle gespielt.

12  Diese Kritik äußerte bereits Schöllgen, G. in seiner Rezension zu Jens-Uwe Krause, Witwen und Waisen im frühen Christentum, Witwen und Waisen im Römischen Reich 4, HABES 19, Stuttgart (Steiner) 1995, 154 S., ISBN 3-515-06403-6, 138.

13  Vgl. Wagener, U., Die Ordnung des „Hauses Gottes“, 115–233.

14  Vgl. Schöllgen, G., Die Anfänge der Professionalisierung des Klerus und das kirchliche Amt in der syrischen Didaskalie, 147–172.

2.  Die Witwe — Eine Begriffsklärung

Der Begriff „Witwe“ steht im Deutschen gegenwärtig für eine Frau, deren Ehemann verstorben ist, und bezeichnet somit einen Zivilstatus, den diese erst durch ihre Wiederheirat verliert.15 Abgeleitet vom Mittelhochdeutschen „witewe“ und vom Althochdeutschen „wituwa“ handelt es sich hierbei um „die (ihres Mannes) Beraubte“16. Beim Blick auf das Hebräische, Griechische und Lateinische zeigen sich jedoch weitere inhaltliche Nuancen.

hn"m'l.a; (’almānā) — das hebräische Wort für Witwe — wurde laut H. A. Hoffner ursprünglich nicht als Substantiv, sondern als Adjektiv gebraucht, was beispielsweise die Konstruktion hnmla hXa zeigt.17 Diese Eigenschaft hat anscheinend im Laufe der Zeit so stark an Bedeutung gewonnen, dass sie schließlich kennzeichnend für einen ganzen Personenstand wurde — „die Witwen“. Zurückgeht hn"m'l.a; auf ~la (’lm: „nicht sprechen können“, „stumm sein“) und dient als Grundlage für die Abstraktbildungen tWnm'l.a; (Witwenstand), tWnm'l.a; ydeg.Bi (Witwenkleider) und !mol.a; (Witwenschaft).18 Interessanterweise findet sich die Rückbildung !m'l.a; (verwitwet bzw. Witwer) nur in Jer 51,5 in übertragener Bedeutung wieder: „Israel und Juda ist nicht verlassen [!m'l.a] von seinem Gott“.19 Im biblischen Hebräisch bezeichnet hn"m'l.a; eine „Frau, die ihrer männlicher Beschützer (Ehemann, Söhne, oft auch Brüder) beraubt worden ist“20 und somit im Regelfall sowohl den sozialen als auch den wirtschaftlichen Rückhalt verliert.21 Deshalb wird diese ← 19 | 20 → im Alten Testament oft mit anderen benachteiligten Gruppen wie Waisen, Fremden, Tagelöhnern und Leviten erwähnt.22 Laut A. Strotmann wird mit hn"m'l.a; ganz allgemein eine Frau bezeichnet, deren Mann gestorben ist, unabhängig davon, ob sie männliche Angehörige hat, die sie unterstützen, oder nicht.23

Im Griechischen wird die Witwe mit dem Feminin ch,ra wiedergegeben, welches sich von der indogermanischen Wurzel ghē („verlassen“, „leer“, „leer lassen“) ableitet24 und seit Homer belegt ist.25 Ch,ra ist ein Adjektiv zu ch/roj („leer“, „entblößt“, „beraubt“, „verlassen“, „verwaist“, „verwitwet“)26 und gehört mit cw/roj und cw,ra (mit Ablaut) („leerer Raum“, „Gegend“, „Land“) zur selben Wortfamilie.27 Der ursprüngliche Sinn von ch,ra ist daher etwa die „herrenlos Gelassene“28 oder die „Unverheiratete“, so dass sich auch die Wortbedeutungen „die ohne Mann ← 20 | 21 → Lebende“, „die von ihrem Mann getrennte“ oder die laissé seul29 („allein Gelassene“) in der Literatur finden lassen.30 Weitere Bedeutungsnuancen finden sich bei der Betrachtung des zugehörigen Verbs chreu,w („ohne Mann leben“31 — Grundbedeutungen: „leer sein“, „entblößt sein“, „entbehren“, „des Gatten beraubt sein“, „Witwe[r] sein“, „einsam leben“, „leer machen“, „entblößen“, „verwaisen“).32

Im Lateinischen findet man für Witwe das Nomen vidua, welches sich zunächst vom Adjektiv viduus, -a, -um ableitet, was mit „beraubt“, „leer“, „unverheiratet“, „verwitwet“, „geschieden“, „getrennt“33 oder „mangelnd ← 21 | 22 → des Gemahls / der Gemahlin“ übersetzt werden kann.34 Zur selben Wortfamilie gehört außerdem das Verb viduo, -are (zur Witwe machen, berauben, leer machen) und das Substantiv viduitas, -atis (Witwenstand, Beraubung, Mangel). Etymologisch ist vidua nicht dem Griechischen ch,ra, sondern hvi,qeoj (unvermählt) zuzuordnen.35

Um den lateinischen und griechischen Texten gerecht zu werden und sie in allen Dimensionen erfassen zu können, ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass die Begriffe ch,ra, vidua weiter gefasst sind und eine größere Bedeutungsvielfalt aufweisen als der deutsche Begriff „Witwe“, der gegenwärtig eindeutig mit einem fest definierten Zivilstatus in Verbindung gebracht wird und nicht automatisch Aussagen zum sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status impliziert. ← 22 | 23 →

Details

Seiten
333
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653052794
ISBN (ePUB)
9783653972047
ISBN (MOBI)
9783653972030
ISBN (Hardcover)
9783631660133
DOI
10.3726/978-3-653-05279-4
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Schlagworte
Witwe Frühe Kirche Biblische Tradition Stellung der Frau Witwenstand Römisches Reich
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 333 S.

Biographische Angaben

Christian Back (Autor:in)

Christian Back studierte Katholische Theologie und war viele Jahre am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Altertums, christliche Archäologie und Patrologie an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg tätig.

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Titel: Die Witwen in der frühen Kirche
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