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Häusliche Gewalt und Polizeirecht

von Gabriele Gorn (Autor:in)
©2015 Dissertation XV, 172 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin erarbeitet eine für den juristischen Sprachgebrauch einheitliche Definition häuslicher Gewalt. Neben rechtsgeschichtlichen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen untersucht sie dazu auch Kriterien aus wissenschaftstheoretischer Perspektive. Die verschiedenen polizeilichen Verweisungsmaßnahmen werden von ihr voneinander abgegrenzt und unter dem Aspekt der Normenkonkurrenzen qualifiziert. Vor dem Hintergrund der Grundrechte erörtert die Autorin Anforderungen an die genannten Spezialermächtigungen. Als rechtspolitische Konsequenz regt sie die Ergänzung der polizeilichen Schutzgüter um Gesundheit, sexuelle Selbstbestimmung und bedeutende Sach- und Vermögenswerte sowie eine parallele Erweiterung des zivilrechtlichen Gewaltschutzes an.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Teil: Gewalt und Recht
  • A. Allgemeine Definitionen
  • I. Etymologie
  • II. Sozialwissenschaften
  • 1. Strukturelle Gewalt
  • 2. Personale Gewalt und ihre Formen
  • a) Typologie personaler Gewalt nach Galtung
  • b) Kontextbezogenheit und Subjektorientiertheit des Gewaltbegriffs
  • c) Zwischenergebnis
  • B. Rechtswissenschaftliche Definitionen
  • I. Strafrecht: Diskussion zu §§ 177, 240 StGB
  • II. Zivilrecht: „Elterliche Gewalt“ und Gewaltschutz
  • III. Öffentliches Recht
  • 1. Staatsrecht
  • 2. Allgemeines Verwaltungsrecht (Besonderes Gewaltverhältnis)
  • 3. Polizeirecht
  • a) Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin (UZwGBln)
  • b) Bezüge des Polizeirechts i. e. S. zum Gewaltbegriff: Gefahrenabwehr als Staatsaufgabe, Schutzgüter und private Rechte
  • IV. Zusammenfassung
  • 2. Teil: Häusliche Gewalt
  • A. (Rechts-) Geschichtliche Aspekte
  • I. Römisches Recht (Die Hausgewalt des pater familias)
  • II. Moderne Staatstheorien (Gesellschaftsvertrag)
  • III. Züchtigungsrechte des Ehemannes und elterliches Züchtigungsrecht
  • IV. Entwicklungen und Initiativen auf internationaler wie nationaler Ebene
  • 1. Internationale Konventionen und Standards
  • a) CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen
  • b) Europarat, insbesondere Istanbuler Konvention
  • 2. „Modell Österreich“
  • 3. Maßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt auf nationaler Ebene
  • 4. Zusammenfassung
  • B. Kriminologische und sozialwissenschaftliche Aspekte häuslicher Gewalt
  • I. Begriffliche Erfassung des Phänomens durch Polizei und Justiz sowie Datenerhebung
  • II. Sozialwissenschaftliche Definitionsansätze häuslicher Gewalt
  • 1. Sozialer Kontext / Soziale Nähe
  • 2. Erscheinungsformen häuslicher Gewalt
  • III. Sozialwissenschaftliche Erklärungsmodelle häuslicher Gewalt
  • IV. Häusliche Gewalt als „Männergewalt“?
  • C. Kriterien für eine rechtswissenschaftliche Definition
  • I. Häusliche Gewalt als Rechtsbegriff
  • II. Definition, Definierbarkeit und Nützlichkeit einer Definition
  • 1. Definition(en)
  • 2. Definierbarkeit
  • 3. Nützlichkeit einer Definition
  • 4. Zusammenfassung
  • III. Zivilrechtlicher Gewaltschutz und die „Tatbestandsmerkmale“ häuslicher Gewalt
  • 1. Rechtsgrundlagen des zivilrechtlichen Schutzes vor häuslicher Gewalt
  • 2. § 1 GewSchG i.V.m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog
  • 3. § 2 GewSchG
  • 4. Zusammenschau für den Bereich zivilrechtlichen Gewaltschutzes
  • IV. Polizeirecht und „Tatbestandsmerkmale“ häuslicher Gewalt
  • 1. Überblick
  • 2. Tatbestandsmerkmale von Wohnungsverweis und Rückkehrverbot
  • 3. Vergleich der einschlägigen zivil- und polizeirechtlichen Vorschriften
  • V. Definitionskriterien der juristischen Literatur
  • 1. Sozialer Nahraum / Häuslichkeit
  • 2. Erscheinungsformen häuslicher Gewalt
  • VI. Europaratskonvention von Istanbul („Istanbuler Konvention“)
  • VII. Zusammenfassung und eigener Ansatz
  • 3. Teil: Polizeirechtlicher Schutz vor häuslicher Gewalt
  • A. Die Polizeigesetze der Länder
  • I. Überblick
  • II. Verweisungsmaßnahmen zum Schutz vor häuslicher Gewalt
  • 1. Insbesondere Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot
  • 2. Fragestellungen, die sich aus den unterschiedlichen gesetzlichen Ausgangslagen in den einzelnen Ländern ergeben
  • III. Qualifizierung und Abgrenzung der Verweisungsmaßnahmen untereinander – Zum Verhältnis von Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot sowie Umfeldverweis zu Platzverweis und Aufenthaltsverbot
  • 1. Der (klassische) Platzverweis
  • 2. Das Aufenthaltsverbot
  • 3. Die Wohnungsverweisung und das Rückkehrverbot
  • 4. Der „erweiterte“ Umfeldverweis
  • 5. Streitstand zur Abgrenzung der Verweisungsmaßnahmen untereinander
  • a) Allgemeines zur Abgrenzung von Standardmaßnahmen untereinander und zur polizeilichen Generalklausel – Zur Erheblichkeit von Tatbestand und Rechtsfolge einer Eingriffsnorm
  • aa) Tatbestand als Bezugspunkt der Charakterisierung einer Maßnahme
  • bb) Aspekte der Normenkonkurrenzlehre im Einzelnen
  • cc) Zur Bedeutung der Eingriffsintensität in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen
  • b) Die Wohnungsverweisung (als spezieller Platzverweis)
  • c) Der Umfeldverweis (als spezieller Platzverweis)
  • d) Ergebnis
  • IV. Mögliche Rechtsgrundlagen für eine Wohnungsverweisung
  • 1. Generalklausel als mögliche Rechtsgrundlage für eine Wohnungsverweisung
  • 2. Platzverweis als mögliche Rechtsgrundlage für eine Wohnungsverweisung
  • V. Grundrechtsbeeinträchtigungen durch eine Wohnungsverweisung
  • 1. Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie)
  • 2. Art. 12 GG (Berufsfreiheit)
  • 3. Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung)
  • 4. Art. 11 GG (Freizügigkeit)
  • 5. Art. 6 Abs. 1 GG (Ehe und Familie)
  • a) Ehe
  • b) Familie
  • c) Zusammenfassung
  • 6. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG (Elternrecht)
  • 7. Zwischenergebnis zu den Grundrechtsbeeinträchtigungen aufgrund einer Wohnungsverweisung
  • VI. Gesetzgebungskompetenz (der Länder)
  • 1. Art. 73 Nr. 3 Var. 1 GG (Freizügigkeit)
  • 2. Art. 70 GG (Recht der Gefahrenabwehr)
  • 3. Zusammenfassende Stellungnahme und Konsequenzen
  • VII. Anforderungen an die Spezialermächtigung zur Wohnungsverweisung und Vergleich der landesrechtlichen Regelungen
  • 1. Schutz privater Rechte versus Subsidiarität des Polizeirechts
  • 2. Richtervorbehalt
  • 3. Der Gefahrentatbestand der Standardbefugnis Wohnungsverweisung
  • a) Qualifizierte Anforderungen an die Schutzgüter
  • aa) Die Anforderungen an die Schutzgüter nach Art. 11 Abs. 2 GG
  • bb) Die Anforderungen an die Schutzgüter nach Art. 12 und 14 GG
  • cc) Die Anforderungen an die Schutzgüter nach Art. 6 Abs. 1 GG
  • dd) Die Anforderungen an die Schutzgüter nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG
  • ee) Zwischenergebnis
  • b) Qualifizierte Anforderungen an die Schutzgutbeeinträchtigung
  • aa) Qualifizierte Gefahrbegriffe: Nähe und Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
  • bb) Qualifizierter Gefahrbegriff und Kriminalvorbehalt
  • cc) Gefahrenprognose
  • dd) Aufklärungspflichten
  • c) Selbstgefährdung versus staatliche Schutzpflichten
  • d) Störereigenschaft und Verantwortlichkeit
  • e) Zwischenergebnis
  • 4. Rechtsfolgenseite der Standardbefugnis Wohnungsverweisung
  • a) Ermessensausübung und Übermaßverbot
  • b) Entschließungs- und Auswahlermessen (bei Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot)
  • c) Störerauswahl
  • d) Räumlicher Geltungsbereich: Wohnung und unmittelbare Umgebung
  • e) Teilweise Zutrittsrechte bei auch beruflich genutzter Wohnung
  • f) Befristung und Verlängerung des Rückkehrverbots
  • g) Vorzeitige Aufhebung eines Rückkehr- bzw. Betretungsverbotes
  • h) Gegenstände des täglichen Bedarfs
  • i) Unfreiwillige Obdachlosigkeit
  • j) Hinweise auf Beratung an die gefährdete Person und den Störer
  • k) Angabe einer Anschrift oder einer zustellungsbevollmächtigten Person durch den Störer
  • VIII. Ergänzende Maßnahmen wie Näherungs- und Kontaktverbot sowie Vollstreckung von Verweisungsmaßnahmen
  • 1. Ergänzende Maßnahmen
  • 2. Vollstreckung von Wohnungsverweis und Rückkehrverbot
  • B. Zusammenfassung: Präventives polizeiliches Handeln im Kontext häuslicher Gewalt
  • 4. Teil: Thesen
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang: Die Befugnisnormen zu Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot in den Landespolizeigesetzen – Stand: Dezember

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Abkürzungsverzeichnis

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Einleitung

Häusliche Gewalt ist in der Bundesrepublik Deutschland und europaweit zu einem Thema avanciert, das mit ständig steigender Intensität von Juristen und Juristinnen in unterschiedlichen Fachrichtungen und Berufsfeldern diskutiert wird. Ausdruck dessen war und ist in der Bundesrepublik Deutschland vor allem die gesetzgeberische Tätigkeit in Bund und Ländern in den Bereichen Zivil-, Straf- und Polizeirecht, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung häuslicher Gewalt steht.

Kristallisationspunkt dieser Entwicklung war das zum 01.01.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung (kurz: Gewaltschutzgesetz / GewSchG).1 Dieses Gesetz regelt neben vorrangig zivilprozessualen Fragen im Kontext von Gewaltschutz und Überlassung der Ehewohnung auch flankierende Straftatbestände.

Dem Gewaltschutzgesetz folgten – teils unmittelbar, teils mit größerem zeitlichen Abstand – Novellierungen der Polizeigesetze der Länder, die das Bundesrecht durch ordnungsrechtliche Maßnahmen ergänzen. Mit Ausnahme des Freistaates Bayern enthalten heute alle Landespolizeigesetze auf die Fallgestaltungen von häuslicher Gewalt abgestimmte spezifische Eingriffsbefugnisse der Polizei. In diesem Kontext steht auch die Einführung des Straftatbestandes der Nachstellung, § 238 Strafgesetzbuch (StGB), durch das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen vom 22.03.2007.2

In Anbetracht der hier knapp skizzierten normativen Entwicklung erstaunt es, dass es nach wie vor keine verbindliche bzw. einheitliche Begriffsbestimmung häuslicher Gewalt im juristischen Sprachgebrauch gibt. Anliegen dieser Arbeit ist deshalb in den ersten beiden Teilen, eine interdisziplinäre Annäherung an eine juristische Definition vorzunehmen und als Ergebnis einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten, der nicht nur für das Polizeirecht Verbindlichkeit beanspruchen könnte. Dieser Ansatz erscheint auch bzw. gerade vor dem Hintergrund bereits ergangener Regelungen keinesfalls überholt. Denn jeder Subsumtion eines Lebenssachverhaltes unter eine Rechtsnorm gehen in einem nur schwer quantifizierbaren Maß Beurteilungen der einzelnen Komponenten des Sachverhaltes ← 1 | 2 → voraus, die häufig auf sozialer Erfahrung beruhen.3 Diese Feststellung macht es notwendig, sich – gerade in gesellschaftlich sensiblen Bereichen – herrschender sozialer Erfahrungen und Bewertungen, verstanden auch als sprachliches Phänomen, bewusst zu werden, zumal „Juristen unausweichlich nicht nur mit, sondern in Sprache arbeiten“.4

Auf der Basis dieser Überlegungen wird die Arbeit im 3. Teil die unterschiedlichen landespolizeigesetzlichen Regelungen der zentralen ordnungsrechtlichen Maßnahmen Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot vergleichend gegenüberstellen und insbesondere den Fragen nach Verfassungs- und Grundrechtskonformität nachgehen. In diesem Zusammenhang soll ein Beitrag zur polizeirechtlichen Diskussion um das Konkurrenzverhältnis von Standardmaßnahmen und Generalklausel und die grundsätzliche Notwendigkeit von Spezialermächtigungen geleistet werden.

Abschließend wird sich die vorliegende Untersuchung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Themenkomplex des polizeirechtlichen Schutzes vor häuslicher Gewalt sowie mit ausgewählten Fragestellungen zu begleitenden Maßnahmen und Vollstreckung befassen.

1 BGBl 2001 I, 3513.

2 BGBl 2007 I, 354.

3 Larenz, Methodenlehre, S. 283, 295 f; Hoffmann-Riem in: Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften im Öffentlichen Recht, S. 12 f.

4 Müller/Christensen/Sokolowski, Textarbeit, S. 10; Wetzels, Gewalterfahrungen in der Kindheit, 56 ff.

Details

Seiten
XV, 172
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653055627
ISBN (ePUB)
9783653970463
ISBN (MOBI)
9783653970456
ISBN (Paperback)
9783631661055
DOI
10.3726/978-3-653-05562-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
Gewaltschutzgesetz Wohnungsverweisung Rückkehrverbot Qualifizierter Platzverweis
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XV, 172 S.

Biographische Angaben

Gabriele Gorn (Autor:in)

Gabriele Gorn ist Volljuristin. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach den juristischen Staatsexamina trat sie in das Richteramt ein und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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