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Die Zukunft der kollektiven Rechtewahrnehmung im Online-Musikbereich

von Benjamin Wübbelt (Autor:in)
©2015 Dissertation 268 Seiten

Zusammenfassung

Der Online-Musikbereich ist rechtlich wie kein anderer von einer intakten kollektiven Rechtewahrnehmung abhängig, gerade diese befindet sich jedoch in einer schlechten Verfassung. Benjamin Wübbelt zeigt in seinem Buch die Gründe dafür auf. Er untersucht, ob die neue Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt die Lage verbessern kann. Da die Richtlinie (2014/26/EU) letztlich nicht überzeugt, entwirft der Autor eigene Strategien, mit denen die von ihm diagnostizierten Missstände effektiver bekämpft werden können.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einführung
  • Kapitel 1: Musikverwertung und Grundlagen kollektiver Rechtewahrnehmung
  • A. Musikverwertung im Online-Bereich
  • I. Wirtschaftliche Relevanz des Online-Musikbereichs
  • II. Geschäftsmodelle im Online-Musikbereich
  • 1. Download-Angebote
  • 2. Streaming-Angebote
  • 3. Webradio-Angebote
  • 4. Audiovisuelle Angebote
  • III. Einschlägige Verwertungsrechte
  • 1. Recht der Vervielfältigung gem. § 16 Abs. 1 UrhG
  • 2. Senderecht gem. § 20 UrhG
  • 3. Recht der öffentlichen Zugänglichmachung § 19a UrhG
  • IV. Der Weg des Werkes bis zur Online-Nutzung
  • 1. Schöpfung des Werkes
  • 2. Einspielen des Werkes
  • 3. Fixierung des Werkes auf einem Tonträger
  • 4. Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften
  • 5. Rechtewahrnehmung durch Musikverlage
  • 6. Lizensierung des Werkes
  • 7. Konsum des Werkes durch den Endnutzer
  • V. Urhebervertragsrechtliche Aspekte der Verwertung
  • 1. Dogmatische Ausgangslage
  • 2. Die Rechteeinräumung (Lizensierung)
  • a) Rechtsnatur des Nutzungsrechts
  • b) Erscheinungsformen von Nutzungsrechten
  • aa) Ausschließliche und einfache Nutzungsrechte
  • bb) Beschränkte Nutzungsrechte
  • VI. Kollisionsrechtliche Aspekte im Online-Musikbereich
  • 1. Urheberrechtsstatut
  • 2. Vertragsstatut
  • VII. Zusammenfassung
  • B. Rechtsrahmen für die kollektive Rechtewahrnehmung in Deutschland
  • I. Bedeutung von Verwertungsgesellschaften
  • II. Aufgaben von Verwertungsgesellschaften
  • III. Struktur und Funktionsweise von Verwertungsgesellschaften
  • 1. Struktur von Verwertungsgesellschaften
  • 2. Funktionsweise von Verwertungsgesellschaften
  • a) Rechteerwerb
  • aa) Rechteerwerb durch Wahrnehmungsvertrag
  • bb) Rechteerwerb durch Gegenseitigkeitsvertrag
  • b) Lizensierung
  • aa) Grundlagen der Lizensierung
  • bb) Lizensierungsanreize
  • c) Verteilung der Einnahmen
  • IV. Regulierung von Verwertungsgesellschaften nach deutschem Recht
  • 1. Regulierung durch das UrhWahrnG
  • a) Entstehungshintergrund
  • b) Erlaubnispflicht
  • c) Wahrnehmungszwang
  • d) Abschlusszwang
  • e) Hinterlegungspflicht
  • f) Sonstige Pflichten
  • g) Aufsicht und Erledigung von Streitfällen
  • 2. Regulierungen durch andere Gesetze
  • V. Regulierung ausländischer Verwertungsgesellschaften in Deutschland
  • VI. Zusammenfassung
  • C. Rechtsrahmen für die kollektive Rechtewahrnehmung in ausgewählten Mitgliedstaaten
  • I. Mit dem deutschen Rechtsrahmen vergleichbare Regelungen
  • II. Mit dem deutschen Rechtsrahmen nicht vergleichbare Regelungen
  • 1. Rechtsrahmen in Frankreich
  • a) Rechtsform und Erlaubnispflicht
  • b) Einschränkungen der Privatautonomie
  • c) Kontrolle
  • 2. Rechtsrahmen in Großbritannien
  • a) Rechtsform und Erlaubnispflicht
  • b) Einschränkungen der Privatautonomie
  • c) Kontrolle
  • III. Zusammenfassung
  • Kapitel 2: Missstände der kollektiven Rechtewahrnehmung im Online-Musikbereich
  • A. Die Entwicklung der kollektiven Rechtewahrnehmung im Online-Musikbereich
  • I. Ausgangsproblem der kollektiven Rechtewahrnehmung im Online-Musikbereich
  • II. Lösungsansätze der Verwertungsgesellschaften
  • 1. Barcelona- und Santiago Abkommen
  • 2. IFPI-Simulcasting/Webcasting Abkommen
  • III. Regelungsinitiativen der Kommission
  • 1. Kommissionsstudie
  • 2. Kommissionsempfehlung (2005/737/EG)
  • a) Inhalt der Kommissionsempfehlung
  • b) Bedeutung der Kommissionsempfehlung für den Online-Musikbereich
  • c) Reaktionen auf die Kommissionsempfehlung
  • IV. Zusammenfassung
  • B. Lizenzzersplitterung als Missstand des Online-Musikbereichs
  • I. Entstehung neuartiger Lizensierungsorganisationen
  • 1. Hintergrund der Entstehung
  • 2. Neue Lizensierungssituation
  • 3. Neu entstandene Lizensierungsorganisationen
  • a) Lizensierung durch neu gegründete Unternehmen
  • aa) Centralized European Licensing and Administrative Service – CELAS
  • bb) Pan European Collective Licensing – PAECOL
  • cc) Anglo-American Rights European Service Agency – ARESA
  • b) Lizensierung durch eine oder mehrere Verwertungsgesellschaften
  • aa) Direct European Administration and Licensing – DEAL
  • bb) Pan European Digital Licensing – PEDL
  • II. Rechtliche Problemstellungen neuartiger Lizensierungsorganisationen
  • 1. Wahrnehmungsrechtlicher Status neuartiger Lizensierungs-organisationen
  • a) Bisherige Behandlung in Deutschland
  • b) Bewertung anhand von § 1 Abs. 1 UrhWahrnG
  • aa) „Für Rechnung“
  • bb) „Mehrerer“
  • cc) „Urheber oder Inhaber verwandter Schutzrechte“
  • c) Stellungnahme
  • 2. Zulässigkeit der Lizensierungspraxis neuartiger Lizensierungs-organisationen
  • a) Hintergrund
  • b) Verneinung einer eigenständigen Nutzungsart
  • c) Bejahung einer eigenständigen Nutzungsart
  • d) Stellungnahme
  • e) Konsequenzen
  • III. Repertoireübergreifende Lizenzzersplitterung
  • 1. Lizensierung des anglo-amerikanischen Repertoires
  • a) Numerous-Stop-Shop statt One-Stop-Shop
  • b) Probleme bei der Rechteklärung
  • c) Zusätzliche Beschränkung durch Split Copyrights
  • 2. Lizensierung des europäischen Repertoires
  • 3. Lizensierung durch national agierende Online-Verwerter
  • IV. Zusammenfassung
  • C. Wettbewerbsverzerrungen als Missstand des Online-Musikereichs
  • I. Notwendigkeit eines einheitlichen Wettbewerbsrahmens (Level-Playing-Field)
  • II. Bestehen eines einheitlichen Wettbewerbsrahmens
  • 1. Wettbewerbsrahmen zwischen Verwertungsgesellschaften und neuartigen Lizensierungsorganisationen
  • 2. Wettbewerbsrahmen zwischen europäischen Verwertungsgesellschaften
  • a) Bislang für anwendbar gehaltenes Wahrnehmungsrecht bei grenzüberschreitender Tätigkeit
  • aa) Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf die Anwendung deutschen Wahrnehmungsrechts
  • bb) Ausnahmetatbestand erfasst auch kollektive Rechtewahrnehmung
  • cc) Ausnahmetatbestand erfasst keine kollektive Rechtewahrnehmung
  • dd) Stellungnahme
  • ee) Folgen für das anwendbare Recht
  • ff) Folgen für den einheitlichen Wettbewerbsrahmen
  • b) Zukünftig für anwendbar zu haltendes Wahrnehmungsrecht bei grenzüberschreitender Tätigkeit
  • aa) Unanwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie
  • bb) Folgen für das anwendbare Recht und den einheitlichen Wettbewerbsrahmen
  • III. Zusammenfassung
  • Kapitel 3: Auswirkungen der Richtlinie auf die Missstände des Online-Musikbereichs
  • A. Entstehungsgeschichte und maßgebliche Regelungen der Richtlinie (2014/26/EU)
  • I. Entstehungsgeschichte der Richtlinie
  • II. Maßgebliche Regelungen der Richtlinie
  • 1. Regelungen zur einheitlichen kollektiven Rechtewahrnehmung
  • a) Anwendungsbereich der Richtlinie
  • aa) Verwertungsgesellschaften
  • bb) Unabhängige Verwertungseinrichtungen
  • cc) Tochtergesellschaften
  • b) Wahrnehmungszwang
  • c) Lizensierungspflichten
  • d) Streitbeilegung
  • e) Aufsicht
  • 2. Regelungen zur europaweiten Vergabe von Online-Musikrechten
  • a) Qualitätsstandards
  • b) Informationspflichten
  • c) Repräsentationsvereinbarungen
  • d) Ersatzvornahme durch den Rechteinhaber
  • e) Verfahren zur alternativen Streitbeilegung
  • III. Zusammenfassung
  • B. Auswirkungen der Richtlinie auf den Missstand der Lizenzzersplitterung
  • I. Defragmentierungschancen der Qualitätsstandards
  • 1. Auswirkungen im Bereich des anglo-amerikanische Repertoires
  • 2. Auswirkung im Bereich des europäischen Repertoires
  • II. Defragmentierungschancen der Repräsentationsvereinbarungen
  • 1. Auswirkung im Bereich des anglo-amerikanischen Repertoires
  • 2. Auswirkung im Bereich des europäischen Repertoires
  • III. Defragmentierungschancen der Ersatzvornahmen
  • 1. Auswirkung im Bereich des anglo-amerikanischen Repertoires
  • 2. Auswirkung im Bereich des europäischen Repertoires
  • IV. Vereinfachung der Rechteklärung
  • V. Zusammenfassung
  • C. Auswirkungen der Richtline auf den Missstand der Wettbewerbs-verzerrungen
  • I. Wettbewerbsrahmen zwischen Verwertungsgesellschaften und neu-artigen Lizensierungsorganisationen
  • 1. Wettbewerbsrahmen im Verhältnis zu Tochtergesellschaften
  • 2. Wettbewerbsrahmen im Verhältnis zu unabhängigen Verwertungsein-richtungen
  • 3. Einordnung neuartiger Lizensierungsorganisationen
  • a) Einordnung als unabhängige Verwertungseinrichtung
  • b) Einordnung als Tochtergesellschaft
  • c) Stellungnahme
  • 4. Auswirkungen auf den zukünftigen Wettbewerbsrahmen
  • II. Wettbewerbsrahmen zwischen europäischen Verwertungsgesellschaften
  • 1. Anwendbares Wahrnehmungsrecht bei grenzüberschreitendem Bezug
  • a) Aussagen der Richtlinie zur Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie
  • aa) Regelungen zur Anwendbarkeit der Dienstleistungsrichtlinie
  • bb) Auslegung der getroffenen Regelungen
  • b) Aussagen der Richtlinie zum anwendbaren Wahrnehmungsrecht
  • aa) Sitzlandprinzip
  • bb) Überschreitungsmöglichkeiten
  • c) Auswirkungen auf den einheitlichen Wettbewerbsrahmen
  • 2. Erreichtes Harmonisierungsniveau
  • a) Korrespondierende Regelungen des UrhWahrnG
  • b) Überschießende Regelungen des UrhWahrnG
  • aa) Erlaubnispflicht
  • bb) Abschlusszwang
  • cc) Hinterlegungspflicht
  • dd) Soziale und kulturelle Verpflichtungen
  • c) Bewertung des erreichten Harmonisierungsniveaus
  • III. Zusammenfassung
  • D. Abschließende Stellungnahme zum Erfolg der Richtlinie
  • I. Erfolg hinsichtlich des Missstands der Lizenzzersplitterung
  • 1. Erreichte Ziele
  • a) Darlegung von Möglichkeiten zur Defragmentierung
  • b) Erweiterung des Repertoires unionsweit lizensierter Online-Musikrechte
  • 2. Verfehlte Ziele
  • a) Keine Defragmentierung im Bereich des anglo-amerikanischen Repertoires
  • b) Keine hinreichenden Regelungen zur Defragmentierung im Bereich des europäischen Repertoires
  • c) Keine Verbesserung des Rechteklärungsprozesses
  • II. Erfolg hinsichtlich des Missstands Wettbewerbsverzerrungen
  • 1. Erreichte Ziele
  • a) Klärung des anwendbaren Wahrnehmungsrechts
  • b) Erstmaliger Rechtsrahmen für kollektive Rechtewahrnehmung
  • 2. Verfehlte Ziele
  • a) Unklarer Wettbewerbsrahmen zwischen Verwertungsgesellschaften und neuartigen Lizensierungsorganisationen
  • b) Kein hinreichend vereinheitlichter Wettbewerbsrahmen
  • III. Zusammenfassung
  • Kapitel 4: Strategien zur effektiveren Bekämpfung der Missstände im Online-Musikbereich
  • A. Strategien zur effektiveren Bekämpfung der Lizenzzersplitterung
  • I. Alternative Ansätze zur Eindämmung der Lizenzzersplitterung
  • 1. Absehen von einer gesetzlichen Regelung
  • 2. Parallele direkte Lizenzvergabe
  • 3. Erweiterte kollektive Lizenzvergabe in Verbindung mit dem Ursprungs-landprinzip
  • 4. Zentrales Lizensierungsportal
  • II. Bewertung der alternativen Ansätze
  • 1. Absehen von einer gesetzlichen Regelung
  • 2. Parallele direkte Lizenzvergabe
  • 3. Erweiterte kollektive Lizenzvergabe in Verbindung mit dem Ursprungslandprinzip
  • 4. Zentrales Lizensierungsportal
  • III. Bestimmung des vielversprechendsten Ansatzes
  • IV. Unausgeschöpftes Potenzial des Passport-Ansatzes
  • 1. Unausgeschöpftes Potenzial im Bereich des anglo-amerikanischen Repertoires
  • 2. Unausgeschöpftes Potenzial im Bereich des europäischen Repertoires
  • a) Normierung einer Erlaubnispflicht
  • b) Umfassendere Verpflichtung zu Repräsentationsvereinbarungen
  • c) Ermöglichung exklusiver Repräsentationsvereinbarungen
  • 3. Unausgeschöpftes Potential im Bereich der Rechteklärung
  • V. Zusammenfassung
  • B. Strategien zur effektiveren Bekämpfung der Wettbewerbsverzerrungen
  • I. Unausgeschöpftes Potenzial des Harmonisierungsansatzes
  • 1. Eindeutiger Wettbewerbsrahmen für alle Spielarten kollektiver Rechte-wahrnehmung
  • 2. Tiefergehende Harmonisierungsmaßnahmen
  • a) Erforderliche tiefergehende Harmonisierungsmaßnahmen
  • aa) Erlaubnispflicht
  • bb) Abschlusszwang
  • b) Nicht erforderliche Harmonisierungsmaßnahmen
  • aa) Hinterlegungspflicht
  • bb) Soziale und kulturelle Verpflichtungen
  • II. Zusammenfassung
  • C. Zusammenfassung der änderungsbedürftigen Passagen der Richtlinie
  • I. Erwägungsgrund 17
  • II. Artikel 16
  • III. Artikel 24 – 28
  • IV. Artikel 25
  • V. Artikel 29
  • VI. Artikel 30
  • Resümee
  • Literaturverzeichnis

← 14 | 15 → Einführung

Die Bedeutung des Online-Musikbereichs steigt in der Tonträgerindustrie seit Jahren. Zunehmend hat sich der Konsum von Musik ins Internet verlagert. Die Zeiten, in denen digitale Musik in erster Linie mit Urheberrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wurde, sind längst vergangen. Durch Online-Dienste wie iTunes, Spotify oder YouTube ist digitale Musik in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Im Jahr 2013 wurden weltweit bereits 39 % des Gesamtumsatzes der Tonträgerindustrie online erwirtschaftet1. Die Verluste der Tonträgerindustrie im Bereich physischer Tonträger werden damit zunehmend im Online-Bereich kompensiert. Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle, die diese Entwicklung befeuern, sind kaum mehr zu überblicken. Dem Nutzer stehen Download-Angebote, Streaming-Angebote oder Webradios unterschiedlichster Spielart zur Verfügung. Zudem wird Online-Musik auch in audiovisuellen Angeboten wie Computerspielen oder Mediatheken genutzt. Die technische Entwicklung erlaubt es dem Nutzer zudem, musikalische Werke auf immer komfortablere Weise online zu konsumieren. Digitale Musik muss längst nicht mehr am heimischen Computer konsumiert werden, oder zeitintensiv auf andere Endgeräte überspielt werden. Inzwischen haben Endgeräte wie Smartphones, Spielkonsolen, Tablet-Computer oder Fernsehgeräte eigene Internetzugänge und erhöhen damit die Zugänglichkeit von Online-Diensten im Alltag. Auch Automobilhersteller scheinen diesem Trend zu folgen und gehen dazu über, ihre Cockpits zu vernetzen2. Ein Ende dieser Entwicklung ist derzeit nicht absehbar, die Bedeutung digitaler Musik im M-Commerce wird weiter steigen. Damit wird simultan auch die Relevanz des Online-Musikbereichs für die internationale Tonträgerindustrie steigen.

Rechtlich fußt jeder Online-Dienst, unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung, auf der Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke. Prämisse für den rechtmäßigen Betrieb ist mithin die vorherige Einräumung von Lizenzen. ← 15 | 16 → Diese Lizensierung ist die klassische Aufgabe von Verwertungsgesellschaften. Sie fungieren als Bindeglied zwischen schöpferischen Rechteinhabern und Online-Verwertern, womit sie eine moderne massenhafte Werknutzung erst möglich machen3. Nur durch Verwertungsgesellschaften kann der schöpferisch arbeitende Künstler auch im Zeitalter der Massennutzung weiterhin schöpferisch tätig bleiben und muss nicht mit unzähligen Interessenten in Lizensierungsverhandlungen treten. Nur durch Verwertungsgesellschaften kann der Online-Verwerter die erforderlichen Rechte rechtssicher an einer zentralen Anlaufstelle lizensieren und muss nicht mit unzähligen Rechteinhabern in Lizensierungsverhandlungen treten. Ohne ein intaktes System der kollektiven Rechtewahrnehmung wäre eine Lizensierung für beide Parteien derart mühsam, dass mit einer Verringerung legaler Online-Angebote zu rechnen wäre. Der immer wichtiger werdende Online-Musikbereich lebt mithin von einer funktionierenden kollektiven Rechtewahrnehmung.

Eben dieses System der kollektiven Rechtewahrnehmung befindet sich jedoch in der Union, was den Online-Musikbereich betrifft, derzeit in einem mangelhaften Zustand4. Das Potential dieses Bereichs kann daher im Binnenmarkt nicht annähernd ausgeschöpft werden. Das System der kollektiven Rechtewahrnehmung muss Interessen von Rechteinhabern, Verwertungsgesellschaften und Verwertern in einen angemessenen Ausgleich bringen. Im Online-Musikbereich ist dieser Interessensausgleich aus dem Gleichgewicht geraten. Die Arbeit wird darlegen, dass sich dieses Ungleichgewicht primär auf zwei Missstände zurückführen lässt. Ein Missstand betrifft die Online-Verwerter, ein anderer Missstand betrifft die Verwertungsgesellschaften, die Online-Musikrechte lizensieren. Die Interessen dieser Akteure sollen daher besonders gewürdigt werden. Auf die Interessen der Rechteinhaber soll hingegen nicht explizit eingegangen werden. Aufgrund der im Bereich der kollektiven Rechtewahrnehmung bestehenden Wechselwirkungen wird jedoch auch auf ihre Interessen an verschiedenen Stellen eingegangen werden.

Der erste Missstand im Online-Musikbereich besteht darin, dass Online-Verwerter mit einer gravierenden Lizenzzersplitterung konfrontiert sind. Eine unkomplizierte und rechtssichere Lizensierung der für ihren Dienst erforderlichen Online-Rechte an einer zentralen Stelle ist derzeit unmöglich. Das für Online-Dienste wirtschaftlich lebensnotwendige anglo-amerikanische Musikrepertoire ← 16 | 17 → ist aufgrund von Interventionen der Europäischen Kommission und wirtschaftlicher Entscheidungen großer Musikverlage auf viele unterschiedliche Organisationen zergliedert worden, die diese Repertoires unionsweit lizensieren. Teilweise handelt es sich bei diesen Organisationen um Verwertungsgesellschaften, teilweise um Tochtergesellschaften klassischer Verwertungsgesellschaften, deren rechtlicher Status und Wahrnehmungspraxis umstritten sind. Auch das europäische Musikrepertoire lässt sich nicht zentral lizensieren. Hier findet zwar überwiegend noch eine Wahrnehmung durch europäische Verwertungsgesellschaften statt. Allerdings hat auch hier eine Entscheidung der Europäischen Kommission für Turbulenzen gesorgt, welche die flächendeckenden Gegenseitigkeitsverträge der europäischen Verwertungsgesellschaften im Online-Musikbereich für wettbewerbswidrig erklärte5. Teilweise mussten daher neue, individuelle Gegenseitigkeitsverträge geschlossen werden. Teilweise sind europäische Verwertungsgesellschaften aber auch dazu übergegangen, ihr Repertoire unionsweit wahrzunehmen, oder haben ihre Rechte in gemeinsamen, unionsweit lizensierenden Portalen aufgehen lassen6. Für Online-Verwerter, die ein umfassendes Repertoire in einem unionsweit abrufbaren Online-Dienst anbieten wollen, könnte die Situation mithin kaum schlimmer sein. Kosten und Zeitaufwand für Rechteklärung und Lizensierung werden für diese Anbieter zum Alptraum. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist der schwedische Online-Verwerter Spotify, der nicht weniger als 800 Tage für die Klärung der Lizenzlage benötigte, bevor er 2008 an den Markt gehen konnte7. Im audiovisuellen Bereich sind sogar ganze Kapitulationen vor der fragmentierten Lizenzlage zu beobachten. So findet bei älteren Filmwerken, die nunmehr auch online genutzt werden sollen, ← 17 | 18 → nicht selten ein kompletter Austausch der Filmmusik statt, da ein nachträglicher Lizenzerwerb der Originalmusik oft zu teuer und zu kompliziert wäre8.

Der zweite Missstand betrifft die Verwertungsgesellschaften, die zwar in einen immer kompetitiveren Wettbewerb im Binnenmarkt gedrängt werden, dort aber kein harmonisiertes Spielfeld vorfinden9. Wie die Arbeit zeigen wird, wirkt sich dies gravierend auf die Einheitlichkeit des Wettbewerbsrahmens, das sog. Level-Playing-Field, aus. Einerseits konkurrieren Verwertungsgesellschaften inzwischen mit neuartigen Lizensierungsorganisationen, die vollkommen unreguliert außerhalb jeglicher Wahrnehmungsgesetze agieren können. Ein ausgeglichener Wettbewerb ist hier von Beginn an ausgeschlossen10. Andererseits ist auch der Wettbewerb unter den europäischen Verwertungsgesellschaften verzerrt. Wie die Arbeit zeigen wird, liegt dies an den heterogenen europäischen Wahrnehmungsgesetzen, welche Verwertungsgesellschaften vollkommen asymmetrisch reglementieren. Viele Mitgliedstaaten, unter ihnen Deutschland, haben einen strengen Regulierungsansatz für Verwertungsgesellschaften gewählt, der von gesetzlichen Pflichten und behördlicher Kontrolle geprägt ist. Andere Mitgliedstaaten haben sich hingegen für teilweise deutlich liberalere Regulierungsansätze entschieden. Dies führt dazu, dass Verwertungsgesellschaften aus streng regulierenden Mitgliedstaaten krasse Benachteiligungen im europäischen Wettbewerb erfahren.

Diese Missstände der kollektiven Rechtewahrnehmung im Online-Musikbereich und den daraus resultierenden Handlungsbedarf hat inzwischen auch der europäische Gesetzgeber erkannt. Infolgedessen hat das europäische Parlament am 04. Februar 2014 mit großer Mehrheit eine Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt verabschiedet11. Mit dieser Richtlinie soll einerseits ein einheitlicher Rechtsrahmen für die kollektive Rechtewahrnehmung im ← 18 | 19 → Binnenmarkt geschaffen und andererseits die Vergabe von Mehrgebietslizenzen erleichtert werden12.

Die Arbeit erläutert zunächst die Grundzüge der Musikverwertung im Online-Bereich und der kollektiven Rechtewahrnehmung. Anschließend arbeitet sie die derzeit bestehenden Missstände der kollektiven Rechtewahrnehmung im Online-Musikbereich nebst deren Wurzeln heraus. In einem nächsten Schritt untersucht die Arbeit die neue Richtlinie und geht der Frage nach, inwieweit die Richtlinie die zuvor diagnostizierten Missstände tatsächlich wird entschärfen können. Soweit die Richtlinie hierbei nicht zu überzeugen vermag, entwirft die Arbeit in einem weiteren Schritt eigenständige Strategien, mit denen die diagnostizierten Missstände im Online-Musikbereich effektiver bekämpft werden könnten. ← 19 | 20 →

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1IFPI, Digital Music Report 2014, S. 6, abrufbar unter: http://www.ifpi.org/downloads/Digital-Music-Report-2014.pdf; Jahrbuch BVMI 2013, S. 51, abrufbar unter: http://www.musikindustrie.de/fileadmin/piclib/statistik/branchendaten/jahreswirtschaftsbericht-2013/download/140325_BVMI_2013_Jahrbuch_ePaper.pdf, beide zuletzt abgerufen am 31. Oktober 2014.

2Spehr, Internet im Auto – Vernetzt wie nie zuvor, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/technik-motor/iaa/internet-im-auto-vernetzt-wie-nie-zuvor-12565248.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2, zuletzt abgerufen am 31. Oktober 2014.

3Melichar, in: Loewenheim, § 45 Rn. 3; Lerche, in: Kreile/Becker/Riesenhuber, Kap. 3 Rn. 6.

4Ventroni, MMR 2012, 565; Gerlach, ZUM 2013, 174 (175); Grewenig, ZUM 2011, 27 (28).

5Entscheidung der Kommission vom 16. Juli 2008, COMP/C2/38.698– CISAC, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/antitrust/cases/dec_docs/38698/38698_4565_1.pdf, zuletzt abgerufen am 31. Oktober 2014; zu Einzelheiten des Verfahrens siehe Müller, ZUM 2009, 121 (128 ff.).

6So lizensiert die ARMONIA-Initiative seit kurzem unionsweit die Online-Rechte verschiedener europäischer Verwertungsgesellschaften. Weitere Informationen abrufbar unter: http://www.armoniaonline.eu/homeLayout_en, zuletzt abgerufen am 31. Oktober 2014.

7Hirche, Schneller zur Musik: EU Parlament berät neue Regeln für Verwertungsgesellschaften, abrufbar unter: http://irights.info/2013/03/19/schneller-zur-musik-eu-parlament-berat-neue-regeln-fur-verwertungsgesellschaften/13082, zuletzt abgerufen am 31. Oktober 2014.

8Pfennig, Grenzenlos verwertet – angemessen vergütet?, abrufbar unter: www.irights.info/grenzenlos-verwertet-angemessen-vergutet, zuletzt abgerufen am 31. Oktober 2014.

9Krause, ZUM 2011, 21 (26).

10Gerlach, ZUM 2013, 174 (176); Pfennig, in: Erdmann/Leistner/Rüffer/Schulte-Beckhausen, 279 (301).

11Richtlinie (2014/26/EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt vom 26. Februar 2014, ABl. Nr. L 84/72 vom 20. März 2014.

12Holzmüller, ZUM 2013, 168; Peifer, ZUM 2014, 453; Scholz, Medien und Recht 2013, 123.

← 20 | 21 → Kapitel 1 Musikverwertung und Grundlagen kollektiver Rechtewahrnehmung

A. Musikverwertung im Online-Bereich

Die enge Verbindung zwischen digitaler Musik und Recht war vielen Konsumenten lange unbewusst13. Dabei findet auch die Verwertung professionell produzierter Musik im Online-Bereich keinesfalls im rechtsfreien Raum statt. Das Gegenteil ist der Fall. Der Online-Musikbereich ist eine hoch komplexe Materie mit rechtlich eng verwobenen Akteuren, dessen wirtschaftliche Relevanz stetig zunimmt.

I.    Wirtschaftliche Relevanz des Online-Musikbereichs

Die digitale Revolution mit ihren Errungenschaften stürzte die gesamte Musikindustrie zunächst in einen jahrelangen Abwärtstrend14. Im Zuge der Digitalisierung konnte der einzelne Nutzer erstmalig musikalische Werke konsumieren, ohne auf den Kauf physischer Tonträger angewiesen zu sein. Auf Basis dieser Errungenschaft, die zusätzlich noch von mangelndem Unrechtsbewusstsein der einzelnen Nutzer im Bereich des geistigen Eigentums flankiert wurde, erlebten illegale Tauschbörsen und illegale Downloadanbieter einen Boom15. Während diese illegalen Angebote lange Zeit den Online-Musikbereich prägten, ist in den letzten Jahren eine zunehmende Erschließung dieses Bereichs durch rechtmäßig agierende Online-Dienste zu beobachten16. Nach Jahren teilweise existenzbedrohender Umsatzeinbußen scheint die Musikindustrie sich zunehmend an die Gegebenheiten des digitalen Marktes anzupassen. Erstmals seit dem Ende der 1990er Jahre konnte der globale Musikmarkt im Jahr 2012 wieder Gewinne verzeichnen17. Ein Trend, der sich auf globalen Leitmärkten wie den USA, ← 21 | 22 → Großbritannien, Deutschland und Frankreich auch im Jahr 2013 bestätigte18. Dies liegt insbesondere daran, dass die Verluste im Bereich physischer Tonträger zunehmend durch Erfolge im Online-Bereich kompensiert werden konnten. Inzwischen haben die Angebote legaler Online-Dienste aufgrund ihrer Innovationsgeschwindigkeit deutlich an Strahlkraft gewonnen. In den Branchenverbänden der Tonträgerindustrie sieht man sich inzwischen sogar an der Speerspitze der digitalen Innovationskräfte angekommen19.

Diese Entwicklung belegen auch die Geschäftszahlen der Tonträgerindustrie sowohl im internationalen als auch im nationalen Bereich. International ist der Gesamtumsatz des rechtmäßigen Geschäfts mit Online-Musikrechten in den vergangenen Jahren zunehmend gesteigert worden. Inzwischen liegen die Einkünfte im Online-Musikbereich weltweit bei 5,9 Milliarden Dollar und machen 39 % des Gesamtumsatzes der Tonträgerindustrie aus20. Während Online-Dienste im Jahr 2011 ihre Dienste noch in 23 Ländern anboten, waren es im Jahr 2012 bereits über 100 Länder21. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch in Deutschland erkennen. Auch hier nimmt der Einfluss des Online-Bereichs auf den Gesamtumsatz der Tonträgerindustrie zu. So erreichen Einnahmen dieses Sektors im Jahr 2013 einen Anteil von 23 % des Gesamtumsatzes der nationalen Tonträgerindustrie22. Dies bedeutet einen Umsatzanstieg von 11,7 % und stellt den bisherigen Höchstwert dar23.

Details

Seiten
268
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653057102
ISBN (ePUB)
9783653966367
ISBN (MOBI)
9783653966350
ISBN (Hardcover)
9783631661420
DOI
10.3726/978-3-653-05710-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Mai)
Schlagworte
Urheberschutzrecht Verwertungsgesellschaften Online-Musikrechte Lizensierung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 268 S.

Biographische Angaben

Benjamin Wübbelt (Autor:in)

Benjamin Wübbelt studierte Rechtswissenschaften in Konstanz und Münster und ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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Titel: Die Zukunft der kollektiven Rechtewahrnehmung im Online-Musikbereich
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