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Die verfahrensrechtliche Neuregelung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung in § 157 FamFG

Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung in der familiengerichtlichen Praxis

von Carola Berneiser (Autor:in)
©2015 Dissertation 390 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin befasst sich mit dem öffentlichen Meinungsdiskurs und der praktischen Umsetzung von § 157 FamFG, der als Vorstufe zum Sorgerechtseingriff nach § 1666 BGB dient, um mit justiziellen Mitteln frühzeitig auf Eltern einzuwirken. Doch ist es gelungen, die Kooperation von Jugendamt und Familiengericht zu optimieren und die Eltern stärker in die Pflicht zu nehmen? Findet etwa eine Vorverlagerung der staatlichen Wächteramtsfunktion statt? Die Autorin legt dar, dass die Neuregelung zwar zu einer Qualifizierung der Entscheidungsfindung beigetragen hat, aber dennoch Unklarheiten aufweist und somit Nachbesserungsbedarf besteht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Problemstellung und Erkenntnisinteresse der Bearbeitung
  • B. Gang der Untersuchung und Methodik
  • Kapitel 1: Die Einführung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • A. Die Erörterung bei Gericht zur Klärung der Gefahrensituation unter Hinzuziehung des Jugendamts – Interdependenzen zwischen Jugendhilfe und Justiz
  • I. Das Wechselspiel zwischen Jugendhilfe und Justiz in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB
  • II. Das traditionelle Aufgabenspektrum des Familiengerichts und die Rolle des Familienrichters in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB
  • 1. Familiengericht als Letztentscheidungsinstanz
  • 2. Kenntniserlangung und Verfahrenseinleitungskompetenz
  • 3. Aufklärungsverpflichtung und Amtsermittlungsgrundsatz
  • 4. Der Rückgriff auf außerjuristische Erkenntnisse für die gerichtliche Entscheidungsfindung
  • III. Aufgabe und Rolle des Jugendamtes in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB
  • 1. Das Jugendamt zwischen ‚Hilfe und Kontrolle‘
  • 2. Die Aufgabe der Sicherung des Kindeswohls
  • 3. Die Mitwirkung des Jugendamtes im gerichtlichen Verfahren
  • IV. Die Zusammenarbeit zwischen Familiengericht und Jugendamt in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung
  • B. Die Entstehungsgeschichte des § 157 FamFG (§ 50f FGG a.F.)
  • I. Die Implementierung der Erörterung in § 50f FGG (a.F.)
  • 1. Grund und Anlass für Reformen in zivilrechtlichen Kinderschutzverfahren
  • a. Unzureichende Gefahrenabwendung der Eltern – Jugenddelinquenz und Vernachlässigung als Gefährdungsmerkmale
  • b. Versäumnisse in der interinstitutionellen Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • c. Reaktionen auf die Einführung des § 8a SGB VIII im Wege des KICK (2005)
  • aa. Unsicherheiten infolge des SGB VIII
  • bb. Die wesentlichen Neuregelungen des KICK
  • cc. Die Konkretisierung des Schutzauftrages in § 8a SGB VIII und die neue Schnittstelle zwischen Jugendamt und Familiengericht
  • dd. Kontroversen in der Fachöffentlichkeit zur Konkretisierung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung
  • ee. Die jüngsten Entwicklungen
  • ff. Diskussion und Ergebnis
  • 2. Der Einsatz der Arbeitsgruppe KiWoMaG
  • 3. Ergebnisse und Vorschläge – Vom „richterlichen Erziehungsgespräch“ zur „Erörterung der Kindeswohlgefährdung“
  • a. Unzureichende Erörterung von Gefahrenabwendungsmöglichkeiten in der familiengerichtlichen Praxis
  • b. Unsicherheiten der Familiengerichte bei nicht festgestellter Kindeswohlgefährdung
  • c. Anknüpfung an den Gesetzesantrag von Bayern zur Einführung eines „richterlichen Erziehungsgesprächs“
  • d. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe KiWoMaG
  • e. Überprüfung der Gefährdungssituation nach Absehen von gerichtlichen Maßnahmen
  • 4. Weitere Änderungsvorschläge der Arbeitsgruppe KiWoMaG
  • 5. Konsequenz und Einflussnahme auf das Gesetzgebungsverfahren
  • 6. Die Entwicklungen der statistischen Datenlage zur Anzahl der Sorgerechtsentzüge
  • 7. Erster Erfahrungsbericht der AG KiWoMaG zur Umsetzung der Änderungen
  • II. Die Neuregelung des § 157 FamFG im Wege des FGG-Reformgesetzes (2009)
  • 1. Die wesentlichen Zielsetzungen des FGG-Reformgesetzes
  • 2. Die Auswirkungen der FGG-Reform auf das Verständnis der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • III. Kritik der Fachöffentlichkeit hinsichtlich der Einführung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung, Stellungnahme und Ergebnis
  • 1. Kritische Stimmen der Fachöffentlichkeit
  • 2. Stellungnahme und Ergebnis
  • IV. Die Zielsetzung des Gesetzgebers
  • 1. Frühzeitiges Gespräch bei Gericht über die Gefährdungssituation und die Möglichkeit der Gefahrenabwehr
  • 2. Hinwirken auf Kooperation mit dem Jugendamt
  • 3. Aufzeigen der rechtlichen Konsequenzen bei Nichtannahme der notwendigen Hilfen
  • 4. Gemeinsames Gespräch „an einem Tisch“
  • V. Fazit zu den wesentlichen Neuregelungen des KiWoMaG und Ergebnis zur Einführung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • C. Erörterung der Kindeswohlgefährdung – eine „neue“ Regelung im familiengerichtlichen Verfahren?
  • I. Die bisherige Rechtslage nach dem FGG
  • II. Unterschiede zwischen der Neuregelung des § 157 FamFG und der bisherigen Vorschrift des § 50a Abs. 1 S. 3 FGG (a.F.)
  • III. Konträrpositionen zur „Neuartigkeit“ der Erörterung
  • IV. Stellungnahme und Ergebnis zur Frage der Neuartigkeit der Erörterung
  • Kapitel 2: Wortlaut und Anwendungsbereich des § 157 FamFG – Inhalt, Gegenstand, Beteiligte und mögliche Ergebnisse der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • A. Erörterung „in“ Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB, wie einer „möglichen“ Kindeswohlgefährdung begegnet werden kann
  • I. Problemaufriss – die rechtliche Einordnung des § 157 FamFG in das Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB
  • 1. Tatbestand und Rechtsfolge des § 1666 BGB
  • a. Die Neufassung des § 1666 BGB infolge des KiWoMaG
  • b. Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes
  • c. Die mangelnde Bereitschaft oder Fähigkeit der Eltern zur Gefahrenabwehr
  • d. Rechtsfolgen der §§ 1666, 1666a BGB und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
  • 2. Kritik der Fachöffentlichkeit hinsichtlich der Neuregelungen des § 1666 BGB
  • 3. Stellungnahme zu den Neuregelungen und Auswirkungen auf die Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • a. Diskussion und Stellungnahme zu den Neuregelungen des § 1666 BGB
  • b. Auswirkungen auf die Erörterung der Kindeswohlgefährdung in § 157 FamFG
  • II. Der Begriff der „möglichen Kindeswohlgefährdung“
  • 1. Problemaufriss
  • 2. Auslegung und Verständnis der möglichen Kindeswohlgefährdung in der Fachöffentlichkeit
  • 3. Diskussion, Stellungnahme und Ergebnis
  • III. Erörterung als neuer Interventionsansatz – Vorverlagerung der staatlichen Eingriffsschwelle?
  • 1. Konträrposition: „neue“ Eingriffsschwelle – der Staat als „Miterzieher“
  • 2. Konträrpositionen: Hervorhebung der Verfahrenseinleitungsschwelle
  • 3. Stellungnahme und Ergebnis
  • IV. Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Vorgaben?
  • 1. Problemaufriss
  • 2. Die verfassungsrechtliche Konzeption bei Kindeswohlgefährdung
  • a. Elternrecht und Kindeswohl, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG
  • b. Das staatliche Wächteramt, Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG
  • 3. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin als Eingriff?
  • 4. Einwirkung auf die Eltern, öffentliche Hilfen (verpflichtend) anzunehmen als Eingriff?
  • 5. Diskussion, Stellungnahme und Ergebnis
  • V. Erörterung als „eigener Verfahrensabschnitt“ im Verfahren – Abgrenzung zur „Anhörung“ der Eltern und zum sog. „frühen ersten Termin“
  • 1. Die Abgrenzung zwischen „Erörterung“ und „Anhörung“
  • a. Die Anforderung an die Anhörung der Eltern
  • b. Konträrpositionen der Fachöffentlichkeit
  • c. Wesentliche Kritik an den Abgrenzungsmerkmalen
  • d. Stellungnahme und Ergebnis
  • 2. Die Abgrenzung zum „frühen ersten Termin“ nach § 155 Abs. 2 FamFG
  • a. Die Begründung des Gesetzgebers zu Auslegung und Anwendungsbereich des § 155 Abs. 2 FamFG
  • b. Auslegungskriterien und Stimmen der Fachöffentlichkeit
  • c. Stellungnahme und Ergebnis
  • 3. Ergebnis
  • B. Die Ausgestaltung des § 157 Abs. 1 FamFG als „Soll“-Bestimmung
  • I. Begriffsbestimmung und Anwendungsbereich
  • II. Auslegung und Verständnis der „Soll“-Vorschrift in Rechtsprechung und Schrifttum
  • III. Konsequenz für das Verständnis der Erörterung nach § 157 Abs. 1 S. 1 FamFG
  • IV. Ergebnis
  • C. Die Erörterung mit den Eltern und „in geeigneten Fällen“ mit dem Kind
  • I. Die Beteiligung der Eltern
  • II. Die Beteiligung des Kindes
  • 1. Die Begründung des Gesetzgebers und Kritik der Fachöffentlichkeit
  • 2. Die Anforderungen an die Beteiligung und Anhörung des Kindes
  • 3. Diskussion, Stellungnahme und Ergebnis
  • III. Die Hinzuziehung weiterer Beteiligter
  • 1. „Frühzeitige“ Hinzuziehung des Verfahrensbeistands als Interessensvertreter für das Kind?
  • 2. Obligatorische Vertretung der Eltern durch einen Verfahrensbevollmächtigten?
  • 3. Weitere Beteiligte
  • D. Erörterung der „öffentlichen Hilfen“ trotz fehlender Steuerungskompetenz des Gerichts?
  • I. Problemaufriss – das Fehlen einer gerichtlichen „Anordnungskompetenz“ für öffentliche Hilfen im Rahmen der Erörterung
  • II. Konträrpositionen der Fachöffentlichkeit zur Frage der fehlenden Anordnungsbefugnis des Familiengerichts gegenüber dem Jugendamt
  • III. Stellungnahme und Ergebnis
  • E. Mögliche Ergebnisse der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • F. Die Prüfung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung (§ 157 Abs. 3 FamFG)
  • G. Zusammenfassung zu Wortlaut und Anwendungsbereich des § 157 FamFG
  • Kapitel 3: Die Ergebnisse qualitativer, explorativer Untersuchungen an Amtsgerichten/-Familiengerichten zur Umsetzung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • A. Zur Vorgehensweise und Zielsetzung der Untersuchung
  • I. Bisheriger Forschungsstand und Forschungslücken
  • II. Das Untersuchungsdesign
  • 1. Zur Auswahl des methodischen Instrumentariums und des qualitativen Untersuchungsansatzes
  • 2. Gründe für die Nichtberücksichtigung anderer Forschungsmethoden
  • 3. Die ausgewählte Forschungsmethodik
  • a. Feldforschung – die Durchführung von nicht- teilnehmenden Beobachtungen von „Erörterungen der Kindeswohlgefährdung“ an Familiengerichten
  • aa. Zur Festlegung der Fragestellung
  • bb. Schwierigkeiten bei der Herstellung der Feldkontakte und der Materialsammlung
  • cc. Verwendung eines Beobachtungsbogens und Auswahl der Beobachtungskategorien
  • dd. Örtliche und zeitliche Begrenzung der Beobachtung
  • b. Die Durchführung von offenen, leitfadengestützten Experteninterviews mit Familienrichtern an Amtsgerichten und Fachkräften des Jugendamts
  • aa. Auswahl der Untersuchungsobjekte – Erfassung der Familienrichter und Jugendamtsmitarbeiter und Kontaktaufnahme
  • bb. Die Datenerhebungstechnik des Leitfadeninterviews, Konzeption und Aufbau
  • c. Datenauswertung mithilfe von Gedächtnisprotokollen und Tonbandaufnahmen
  • 4. Das Auswertungsverfahren
  • B. Die Analyse ausgewählter Fallbeobachtungen an Amtsgerichten-Familiengerichten
  • I. Fall 1 – Unterlassene Vorsorgeuntersuchung für ein minderjähriges Kind (U 7a)
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Die Beteiligten
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
  • 3. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • II. Fall 2 – Überprüfung der Einhaltung eines Punkteplans nach Absehen von sorgerechtlichen Maßnahmen
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Die Beteiligten
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
  • 3. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • III. Fall 3 – Fortsetzungstermin nach einstweiliger Anordnung
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Die Beteiligten
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Die Rolle des Jugendamts
  • 3. Die Rolle des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • IV. Fall 4 – Prekäre Wohnsituation bei psychischer Erkrankung der Kindseltern
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Die Beteiligten
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
  • 3. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • V. Fall 5 – Termin nach Inobhutnahme des dritten Kindes
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Die Beteiligten
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
  • 3. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • VI. Fall 6 – Eineinhalb jähriges Kind von Mutter mit intellektuellen Defiziten
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Die Beteiligten
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
  • 3. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • VII. Fall 7 – Wiederholter Suchtmittelgebrauch eines 16-jährigen Mädchens
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Beteiligte
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
  • 3. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • VIII. Fall 8 – Termin nach Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für eineinhalb jähriges Kind
  • 1. Situation bei Gericht: Terminierung und Gang des Verfahrens
  • a. Beteiligte
  • b. Inhalt und Gegenstand der Erörterung
  • c. Gefährdungslage
  • d. Ergebnis der Erörterung und Festlegung des weiteren Vorgehens
  • 2. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts
  • 3. Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Familienrichters
  • 4. Die Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 5. Beobachtbare Effekte auf die Eltern
  • 6. Fazit
  • C. Die Ergebnisse der Experteninterviews mit Familienrichtern sowie Fachkräften des Jugendamts
  • I. Die Ergebnisse der Expertenbefragungen zur Situation bei Gericht
  • 1. Verfahrensrechtlicher Ort für die Durchführung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • 2. Inhalt der Erörterung; der Unterschied zwischen Anhörung und Erörterung
  • 3. Veränderungen zur bisherigen Rechtslage?
  • II. Die Beteiligten an der Erörterung – zur Hinzuziehung des Kindes und des Verfahrensbeistandes
  • III. Die Ergebnisse der Expertengespräche zur Einschätzung der Gefahrenlage, insbesondere zur Annahme einer „möglichen“ Kindeswohlgefährdung
  • IV. Die möglichen Ergebnisse der Erörterung
  • V. Zu Rolle und Aufgabenwahrnehmung des Jugendamts im Erörterungstermin
  • 1. Intention der frühzeitigen Hinzuziehung des Familiengerichts
  • 2. Weiterreichung von Verantwortlichkeiten?
  • 3. Rollenklarheit hinsichtlich des eigenen Aufgabenbereichs?
  • VI. Zur Rolle des Familienrichters im Erörterungstermin
  • 1. Neue Rollenzuweisung durch Erörterung?
  • 2. Zu den Qualifikationsanforderungen an die Richter
  • 3. Mehrbelastung durch das Erörterungsgespräch?
  • VII. Die Ergebnisse der Expertenbefragungen zur Zusammenarbeit von Jugendamt und Familiengericht
  • 1. Zur Verantwortungsverteilung zwischen Familiengericht und Jugendamt
  • 2. Kooperationsvereinbarungen im Gerichtsbezirk und Gestaltungsvorschläge?
  • VIII. Beobachtbare Effekte auf die Kindseltern
  • Kapitel 4: Gesamtergebnis der Untersuchung und Konsequenzen der Erörterung für die Anwendung in der Praxis
  • A. Die Ergebnisse zu Anlass und Einleitung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung nach § 157 FamFG
  • B. Ergebnisse zu Dauer, Ablauf und den örtlichen Begebenheiten der Erörterung der Kindeswohlgefährdung nach § 157 FamFG
  • C. Ergebnisse zu Inhalt und Gegenstand des Verfahrens
  • I. Verfahrensrechtliche Verortung und „Frühzeitigkeit“ der Erörterung der Kindeswohlgefährdung
  • II. Die Abgrenzung zur „Anhörung“ nach den Ergebnissen der Untersuchung
  • D. Ergebnisse zu den Beteiligten an der Erörterung
  • E. Die Ergebnisse zur Gefährdungseinschätzung und zur Bedeutung der „möglichen“ Kindeswohlgefährdung
  • F. Ergebnisse zur möglichen Beendigung der Erörterung nach § 157 FamFG
  • G. Ergebnisse zur Rolle und Aufgabenwahrnehmung durch das Jugendamt
  • H. Ergebnisse zur Rolle und Aufgabenwahrnehmung durch den Familienrichter
  • I. Eine neue Aufgabenzuweisung?
  • II. Fehlende fachliche Befähigung zur Durchführung der Erörterung?
  • I. Ergebnisse zur Zusammenarbeit von Familiengericht und Jugendamt
  • J. Ergebnisse zu den beobachtbaren Effekten der Erörterung auf die Eltern
  • K. Zusammenfassung und Fazit
  • Kapitel 5: Vorschläge und Ausblick
  • A. Vorschläge
  • B. Ausblick – Möglichkeiten und Grenzen der Erörterung der Kindeswohlgefährdung in der familiengerichtlichen Praxis
  • Literaturverzeichnis
  • Internetverzeichnis
  • Anhang
  • A. Anschreiben an die Richter (Anhang 1)
  • B. Vorlage Beobachtungsprotokoll (Anhang 2)
  • C. Fragebogen Richter (Anhang 3)
  • D. Fragebogen Jugendämter (Anhang 4)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: (eigene Graphik, erstellt anhand der Zeitreihe Verhältnis Intention der Anrufung des Gerichts zur Entscheidungspraxis des Gerichts des Statistischen Bundesamtes, Wiesbaden 2012: Zeitreihe (vollständiger oder teilweiser) Entzug der elterlichen Sorge in Deutschland).

Abbildung 2: (Phasenmodell Gefährdungs- und Interventionsstufen, eigene Graphik).

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

Man kann die Nützlichkeit einer Idee anerkennen und doch nicht recht verstehen, sie vollkommen zu nutzen.“1

A. Problemstellung und Erkenntnisinteresse der Bearbeitung

Wie die kindliche Erziehung gestaltet wird, liegt als Bestandteil der elterlichen Erziehungsverantwortung aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG2 grundsätzlich im persönlichen Ermessen der Eltern.3 Die elterliche Vorrangstellung aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG entspricht im Regelfall den kindlichen Interessen und es ist davon auszugehen, dass die natürliche Verbundenheit zwischen Eltern und Kind die entsprechende Grundlage dafür bietet, dass sich die Eltern verantwortungsvoll um ihr Kind kümmern werden, weil sie im Regelfall die Interessen ihres Kindes besser wahrnehmen können als Dritte oder Institutionen.4 Die Pflege und Erziehung des Kindes sind nicht nur das „natürliche Recht der Eltern“5, sondern auch die ihnen obliegende „Pflicht“. Die Pflichtenbindung ist ein wesensbestimmender Bestandteil des Elternrechts, mit dem Auftrag an die Eltern, die Kinder vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen.6 Hierzu ist die überwiegende Zahl der Eltern in Deutschland in der Lage. Nicht nur die Anforderungen, die unsere Gesellschaft an die Familie stellt, sondern auch soziale Probleme und persönliche Belastungen können aber immer wieder zu familiären Krisen führen, die in einer Gefährdung des Kindeswohls münden, wenn dem Familiensystem die Bewältigung der Krise nicht gelingt.7 Kommen die Eltern ihrer Erziehungsverantwortung8 in einer dem Kindeswohl entsprechenden Weise nicht nach, tritt der Staat in die Beziehung zwischen Eltern und Kind mit ein. Es bedarf staatlicher Handlungs- und Eingriffsbefugnisse, um die elterliche Vorrangstellung ← 35 | 36 → zum Schutz der betroffenen Kinder zu begrenzen, weil jene Kinder des besonderen Beistandes bedürfen.9

Im Dreiecksverhältnis zwischen Eltern-Kind und Staat sind Eingriffsbefugnisse, die sich aus dem staatlichen Wächteramt des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG10 begründen, unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darauf gerichtet, Eltern bei der Gefahrenabwehr durch eine Vielzahl von Hilfen zu unterstützen, aber auch, im erforderlichen Falle auf Grundlage der §§ 1666, 1666a BGB in die elterlichen Sorgerechte einzugreifen.11 Ziel ist der Schutz des Kindes vor pflichtwidrigem Eltern- oder Drittverhalten bzw. Elternversagen.12 Dabei muss der Staat dem Elternvorrang Rechnung tragen und entsprechend bestimmen sich Art und Ausmaß des Eingriffs danach, was im Interesse des jeweils betroffenen Kindes geboten ist.13

In Deutschland erfolgen jährlich etwa 15.000 teilweise oder vollständige Sorgerechtsentzüge14 im Kontext familiengerichtlicher Verfahren, die eine Gefährdung des Kindeswohls i.S. des § 1666 BGB betreffen.15 Ein Eingriff in das Sorgerecht setzt eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefährdung des Kindeswohls voraus, wobei die Gefahr in einem solchen Maße vorhanden sein muss, dass sich ohne gerichtlichen Eingriff eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.16 Hinzukommen muss die fehlende Bereitschaft oder Fähigkeit der Erziehungsberechtigten zur Gefahrenabwehr.17 Die Würdigung der Tatbestandsmerkmale des ← 36 | 37 → § 1666 BGB und die Gestaltung des familiengerichtlichen Verfahrens im Einzelfall liegen im Kompetenzbereich des zuständigen Familiengerichts.18 Die Befassung mit den – bekannt gewordenen – Fällen19 vor den Familiengerichten ist im Regelfall das Ergebnis vorangegangener (vergeblicher) Versuche des Jugendamtes, in der Familie sozialpädagogische Hilfen zu installieren oder mit der Familie gemeinsam einen Weg zu finden, Gefährdungen und Fehlentwicklungen des Kindes abzuwenden.20

Ob und inwieweit Eltern ihrer Verantwortung genügen und ab welchem Zeitpunkt und in welcher Art und Weise die staatlichen Akteure – allen voran Familiengericht und Jugendamt –aufgerufen sind, den Schutz des Kindes zu garantieren, hat in den vergangenen Jahren neue rechtspolitische Diskussionen und gesetzgeberische Aktivitäten entfacht.21 Zahlreiche erschütternde Fälle von Kindeswohlgefährdung22 haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Kinderschutzrecht23 gelenkt. Insbesondere werden die zahlreichen bekannt gewordenen Fälle der Kindeswohlgefährdung auf strukturelle Defizite in der Zusammenarbeit zwischen den Institutionen zurückgeführt. Wiederholt konstatiert werden die fehlende Kommunikation und unzureichende Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Familiengericht, die fehlende Qualifizierung der handelnden Akteure24, die unzureichende sachliche und personelle Ausstattung sowie die mangelnde Dienst- und Fachaufsicht ← 37 | 38 → der Jugendämter.25 Vehement ist ein „konsequenter Perspektivenwechsel“ und ein „Rettungspaket im Kinderschutz“26, eine „Kultur des Hinsehens“27 und die stärkere Beachtung der Rechte des Kindes vor denen der Eltern gefordert worden. Es wurden außerdem die verstärkte Einbindung der Justiz in die Kindeswohlverfahren28, die engere Verzahnung von jugendhilferechtlichen und familiengerichtlichen Maßnahmen sowie eine Neubestimmung der Grenzen zwischen der elterlichen und staatlichen Mitverantwortung durch den Ausbau von staatlichen Handlungsmöglichkeiten im Vorfeld einer Kindeswohlgefährdung verlangt.29

Mit dem „Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls“ (KiWoMaG) vom 12.08.200830 hat der Gesetzgeber die „Erörterung der Kindeswohlgefährdung“ in § 50f FGG (a.F.) gesetzlich verankert, welche ein Jahr später überwiegend wortgleich in den § 157 FamFG31 überführt worden ist. Die Implementierung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung, bei der die Familienrichterinnen und Familienrichter32 zur Abwendung von Gefahren für das Wohl des Kindes33 in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB gemeinsam mit dem Jugendamt, den Eltern und in geeigneten Fällen auch mit dem Kind bei Gericht besprechen sollen, wie einer „möglichen“ Gefahr für das Wohl des Kindes sinnvoll begegnet werden kann, zielt auf die frühzeitige Aktivierung familiengerichtlicher Ressourcen zur Herstellung von Verbindlichkeit.34 Neugefasst worden ist mit der Erörterung ein gerichtliches Handlungsinstrumentarium, mit dem in erster Linie auf ← 38 | 39 → die Eltern stärker als bisher eingewirkt werden soll, damit diese die entsprechenden öffentlichen Hilfen in Anspruch nehmen.35

In der Fachöffentlichkeit36 hat die Neuregelung einen kontroversen Diskurs ausgelöst. Mit der gesetzlichen Vorgabe werden differenzierte Erwartungen aufgezeigt und unterschiedliche Befürchtungen geäußert. Ein breites Meinungsspektrum zeigt sich hinsichtlich der Frage, aus welchem Grund und auf welche Weise die Erörterung der Kindeswohlgefährdung bei Gericht zum Einsatz kommt und ob sie eine neue Aufgabenzuweisung an den Familienrichter beschreibt.37 Es stellt sich grundsätzlich die Frage, inwieweit sich die Erörterung in das Aufgabenfeld der Justiz einfügen lässt, die originär eine hoheitlich-entscheidende Funktion erfüllt und sich nicht in Beratungsfunktionen erschöpft. Vermittelt wird ein „neuartiges, anderes“ Richterbild38 und vereinzelt wird sogar die Durchführung der Erörterung, die bei Gericht in der Form eines Gesprächs an einem Tisch erfolgen soll, als ein Versuch des Gesetzgebers deklariert, die bislang vorherrschende kontradiktorische Ausrichtung des Gerichtsverfahrens durch eine „kooperative, kommunikative“ Interaktion mit allen Beteiligten zu ersetzen.39 So liegt das Kernproblem in der Frage, ob sich die „frühzeitig40 bei Gericht zu führende Erörterung als Eingriffsmaßnahme in die elterliche Erziehungsverantwortung und damit als Versuch des Gesetzgebers erweist, die staatliche Eingriffsschwelle in elterliche Sorgerechte zu senken.

Die Forschung hat sich noch wenig mit der Thematik beschäftigt. Die nachfolgende rechtswissenschaftliche Untersuchung soll zur Klärung beitragen, wie die in § 157 FamFG normierte Erörterung der Kindeswohlgefährdung in der familiengerichtlichen Praxis umgesetzt wird, wie hierbei Gerichte und Jugendämter ihre Aufgaben wahrnehmen und wie sich ihre Zusammenarbeit gestaltet. Herausgearbeitet wird, ob sich in der Umsetzung des Erörterungsgesprächs bereits gewisse Handlungsmuster herausgebildet haben und ob die Erörterung in der praktischen Wirklichkeit einen Beitrag dazu leisten kann, den Schutz des Kindes besser zu gewährleisten, indem der Kindeswohlgefährdung frühzeitig begegnet wird. Ziel der ← 39 | 40 → Untersuchung ist es, Gesetzgeber und Rechtsanwendern konkrete Vorschläge zu unterbreiten, die zu einer effektiven Umsetzung der Vorschrift in der Praxis beitragen.

Untersucht werden sowohl die materiellrechtlichen als auch verfahrensrechtlichen Regelungen zum Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung. Der Kontext der Kindeswohlgefährdung erfordert die Auseinandersetzung mit den einschlägigen Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilferechts sowie Verfassungsrechts, nicht zuletzt weil die Norm des § 157 FamFG als Bestandteil des Verfahrens wegen Kindeswohlgefährdung nach §§ 1666, 1666a BGB von Wechselbezüglichkeiten geprägt ist. Die isolierte Betrachtung der Vorschrift des § 157 FamFG reicht nicht aus, um den Umfang des Verfahrens in seiner Komplexität und interdisziplinären Konturierung zu erfassen. Als Erkenntnisquelle dienen außerdem die Ergebnisse einer qualitativen Studie unter Verwendung eines Forschungsansatzes, der aus der Sozialwissenschaft stammt, in der Erörterungstermine nach § 157 FamFG beobachtet und Expertengespräche mit Familienrichtern und Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfesozialdienste geführt wurden.41

B. Gang der Untersuchung und Methodik

Kapitel 1 skizziert zunächst die jeweiligen Aufgabengebiete von Jugendhilfe und Justiz im Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung und geht dann auf die Intention des Gesetzgebers zur Implementierung einer Erörterung der Kindeswohlgefährdung als besondere Aufgabenzuweisung an die Justiz ein. Betrachtet werden die Entwicklungsgeschichte des Erörterungsgesprächs vor dem Hintergrund des Gesetzgebungsverfahrens zum KiWoMaG (2008) und die Neuregelungen durch das FGG-RG (2009)42. Ebenfalls fokussiert wird die im Wege des KICK (2005) erfolgte Konkretisierung des jugendhilferechtlichen Schutzauftrags in § 8a SGB VIII43, womit der Gesetzgeber den Versuch unternommen hat, die staatliche Verantwortung für Kinder in ihrer sozialrechtlichen Komponente mit dem justiziellen Verantwortungsbereich durch eine frühzeitige Verschränkung zu präzisieren.44 Da die überwiegenden Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB auf Anregung der Jugendämter erfolgen, ist es entscheidend, die Anforderungen, die an die Anrufung des Gerichts geknüpft sind, zu betrachten. Das Kapitel endet mit der Frage, inwieweit sich die Erörterung rechtstheoretisch als eine „neue“ Regelung erweist, nachdem bereits nach der bisherigen Rechtslage die Möglichkeit der Gefährdungserörterung nach § 50a Abs. 1 S. 3 FGG a.F. bestand.

Kapitel 2 setzt sich mit den Wortbestandteilen und dem Anwendungsbereich der Vorschrift des § 157 FamFG auseinander. Es erfolgt die kritische Würdigung ← 40 | 41 → der Einbindung der Norm in die Gesetzessystematik der §§ 1666, 1666a BGB und §§ 151 ff. FamFG unter Berücksichtigung der jeweiligen Abgrenzungsfragen. Die nicht vollends verständliche Formulierung des Erörterns einer „möglichen“ Kindeswohlgefährdung „in“ Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB wird einer kritischen Würdigung unterzogen. Die weitere Untersuchung zeigt auf, ob und inwieweit sich die Erörterung von der „Anhörung der Eltern“ nach § 160 FamFG und dem „frühen ersten Termin“ in § 155 Abs. 2 FamFG unterscheidet, gefolgt von der Betrachtung der Ausgestaltung des § 157 FamFG als „Soll-Vorschrift“ und der nur rudimentären Erwähnung des Kindes im Vergleich zu den Eltern.45 Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen für das Kind ein Verfahrensbeistand obligatorisch hinzuzuziehen ist, ebenso wie ein Verfahrensbevollmächtigter für die Eltern.46 Inwieweit das Gericht im Rahmen des Erörterungsgesprächs effektiv auf die Annahme öffentlicher Hilfen hinwirken kann, ohne diese entsprechend anordnen zu können, bildet neben der Frage nach den eigentlichen Ergebnissen der Erörterung und der Bedeutung der einstweiligen Anordnung nach § 157 Abs. 3 FamFG den Abschluss des Kapitels.

Um aufzuzeigen, ob und inwieweit sich die Neuorientierungen des Gesetzgebers in der Rechtspraxis widerspiegeln, stellt Kapitel 3 die Vorgehensweise und Ergebnisse einer hierzu durchgeführten qualitativen Untersuchung dar, die an unterschiedlichen Amtsgerichten/ Familiengerichten durchgeführt wurde und einen exemplarischen Einblick in die Umsetzungspraxis der Erörterungen der Kindeswohlgefährdung geben soll. Mit Hilfe eines aus der empirischen Sozialforschung stammenden Untersuchungsansatzes, der Durchführung explorativer Fallbeobachtungen, wird aufgezeigt, wie Erörterungsgespräche in der familiengerichtlichen Praxis umgesetzt werden. Nachgegangen wird der Frage, wie sich die Situation bei Gericht darstellt, welcher Methodik sich Familienrichter bei der Durchführung der Gespräche bedienen, inwieweit eine Einschätzung der Gefahrenlage erfolgt, wer an der Erörterung beteiligt ist und welche Ergebnisse die Erörterung verzeichnet47. Entsprechend der forschungsleitenden Frage der vorliegenden Untersuchung fokussiert der empirische Teil die Rolle des Familienrichters und des Jugendamts sowie ihre Zusammenarbeit unter Berücksichtigung möglicher Effekte auf die beteiligten Eltern und das Kind.

Mit der Methode der Fallanalyse werden ein multiperspektivisches Vorgehen und ein hermeneutischer48 Zugang gewählt, um sowohl Rahmen als auch Realisationsbedingungen des neuartigen Instruments der Erörterung der Kindeswohlgefährdung zu erfassen. Aus dieser Intention heraus konzentriert sich die Untersuchung zunächst deduktiv theoriegeleitet auf die Beobachtung des Verhaltens der jeweils ← 41 | 42 → handelnden Familienrichter und Mitarbeiter des Jugendamtes im Verfahren vor Gericht, um sodann festzuhalten, wie das Gespräch auf die Beobachterin wirkt, welche Auswirkungen es auf die Beteiligten hat und welche fachliche Interpretation dies auslöst, soweit dies auf dem Weg der Beobachtung zu erkennen ist.49 Damit außerdem die persönliche Sichtweise der zuständigen Richter in Erfahrung gebracht werden kann, erfolgt zusätzlich die Befragung der Familienrichter im Wege von offenen, leitfadenorientierten Experteninterviews.50 Zusätzlich werden leitfadengestützte Experteninterviews mit Fachkräften von Sozialrathäusern aus dem Bereich des Kinder- und Jugendhilfesozialdienstes geführt. Die Verknüpfung der unterschiedlichen Zugänge ermöglicht eine umfassende Auswertung des empirischen Datenmaterials.

Kapitel 4 fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Der abschließenden Gesamtwürdigung liegen die Ergebnisse der Beobachtungen und der Expertenbefragungen zugrunde.

Kapitel 5 schließt die Arbeit mit Vorschlägen und einem Ausblick. ← 42 | 43 →

                                                   

  1  Auswahl von Mario Früh, Lust auf Goethe. Bedenkliches eines Weltbürgers, S. 72.

  2  Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG lautet: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“.

  3  Vgl. BVerfG, Beschluss v. 28.02.2012, 1 BvR 3116/11 = FamRZ 2012, 1127 ff.; Zur „Entscheidungsverantwortlichkeit“ der Eltern vgl. auch Jestaedt, in: Lipp/Schumann/Veit, Kindesschutz, S. 5 (14).

  4  BVerfG v. 29.07.1968, 1 BvL 20/63; BVerfGE 24, 119 ff. (143).

  5  Vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.

  6  Coester, in: Lipp/Schumann/Veit, Kindesschutz, S. 19 (25).

  7  Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) v. 19.12.2007 in Berlin, TOP 1.10 Kinderschutz, www.bmfsfj.de (siehe Internetadresse_1).

  8  Vgl. etwa BVerfG, Beschluss v. 01.04.2008, 1 BvR 1620/04 (juris).

  9  Salgo, ZKJ 2011, 419 (420).

10  Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG lautet: „Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

11  Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, § 8a Rn. 6.

12  Oberloskamp, in: Wiesner, SGB VIII, Anh. 3 Rn. 57: Gem. §§ 1626 Abs. 1 S. 2, 1629 Abs. 1 BGB umfasst die elterliche Sorge die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Sondervorschriften für die Personensorge sind die §§ 1631b, 1631c, 1666 Abs. 4, 1666a und für den Vermögensbereich die §§ 1638 ff., 1666 Abs. 2, 1667 BGB. Hierzu auch: Olzen, in MüKo-BGB (2012), § 1666 Rn. 34 ff.

13  Vgl. BVerfG, Beschluss v. 28.02.2012, 1 BvR 3116/11 = FamRZ 2012, 1127 ff.; Referentenentwurf KiWoMaG v. 18.04.2007, S. 1 (Internetadresse_2).

14  Vgl. zuletzt die Kinder- und Jugendhilfestatistik des Statistischen Bundesamtes 2013 (Pflegschaften, Vormundschaften, Beistandschaften, Pflegeerlaubnis, Sorgerechtsentzug, Sorgeerklärungen): 15.067 teilweise oder vollständige Sorgerechtsentzüge im Jahr 2013, www.destatis.de (Internetadresse_3).

15  Die Anzahl der vorläufigen Schutzmaßnahmen oder Inobhutnahmen wird für das Jahr 2011 mit knapp 38.500 Fällen beziffert und hat sich zwischen den Jahren 2005 und 2011 fast verdoppelt, vgl. Pothmann, in: KomDat, Heft Nr. 2/12, S. 10.

16  So die ständige Rechtsprechung, BGH FamRZ 2005, 344 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 25.05.2009, 5 UF 224/08 (juris), Leitsatz und Rn. 20 („geistiges oder leibliches Wohl“); Olzen, in: MüKo-BGB (2012), § 1666 Rn. 50; Staudinger/Coester, § 1666 Rn. 79; Veit, in: BeckOK-BGB, § 1666 Rn. 5.

17  OLG Karlsruhe, Beschluss v. 25.05.2009, 5 UF 224/08 (juris), Leitsatz und Rn. 20. vgl. auch FamRZ 2009, 1599 f.

18  BVerfG, Beschluss v. 28.02.2012, 1 BvR 3116/11, ZKJ 2012, 186 ff. = FamRZ 2012, 1127 ff. = FF 2012, 250 ff.

19  Die klassische „Dunkelziffer“ in diesem Bereich stellen Familien dar, in denen das Wohl von Kindern gefährdet ist, die aber dem Jugendamt nicht bekannt sind. Hiervon betroffen sind v.a. Säuglinge oder Kleinkinder, die noch keine öffentlichen Einrichtungen besuchen und deshalb durch das Wahrnehmungsregister fallen können, vgl. hierzu: Münder/Mutke, in: Sozialpädagogisches Institut im SOS-Kinderdorf (2001), S. 90 (109).

20  Vgl. nur etwa den Fall Benjamin; zur ausführlichen Falldokumentation Niestroj, Vom Leidensweg des Benjamin-Pascal S., in: KiAP und AGSP (Jahrgang 2007), www.agsp.de, Internetadresse_5.

21  Vgl. etwa Salgo in der Stellungnahme zum Tode des Mädchens Chantal, ZKJ 2013, 150 (151): „Aus Fehlern lernen“ lautet das Motto der Kinderschutzdebatte der vergangenen Jahre.

22  Vgl. beispielhaft die Todesfälle Lea-Sophie aus Schwerin im November 2007 (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 21.11.2007); Kevin K. aus Bremen im Oktober 2006 (hierzu Salgo, Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie, Jahrbuch 2007, www.agsp.de, Internetadresse_4); Benjamin Pascal aus Schlagenthin im Jerichower Land im Jahr 2005 (Niestroj, AGSP, Jahrbuch 2007, Internetadresse_5). Lara Mia aus Hamburg (vgl. Spiegel online vom 10.11.2011, http://www.spiegel.de/panorama/justiz, Internetadresse_6).

23  Zum Begriff Kinderschutz Wiesner, ZKJ 2008, 143 ff.

Details

Seiten
390
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653058048
ISBN (ePUB)
9783653969306
ISBN (MOBI)
9783653969290
ISBN (Hardcover)
9783631661734
DOI
10.3726/978-3-653-05804-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juli)
Schlagworte
Familienverfahrensrecht materielles Familienrecht Kinder- und Jugendhilferecht zivilrechtlicher Kindesschutz
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 390 S., 1 farb. Abb., 1 s/w Abb.

Biographische Angaben

Carola Berneiser (Autor:in)

Carola Berneiser studierte Rechtswissenschaften in Freiburg und Köln sowie Mediation in Hagen. Sie ist als Rechtsanwältin und Mediatorin sowie als Rechtsdozentin an der Frankfurt University of Applied Sciences im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit tätig.

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Titel: Die verfahrensrechtliche Neuregelung der Erörterung der Kindeswohlgefährdung in § 157 FamFG
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