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Der Kampf um den öffentlichen Raum

Prozessionen, Wallfahrten, Feierlichkeiten bei Bischofsbesuchen, Papstfeiern und sonstige religiöse Feste im nördlichen Rheinland während des Kulturkampfes

von Volker Speth (Autor:in)
©2015 Monographie 722 Seiten

Zusammenfassung

Das Buch leistet einen Beitrag zur Geschichte des Kulturkampfes im nördlichen Rheinland (Regierungsbezirke Düsseldorf, Aachen und Köln) und zur Geschichte des Grundrechts auf öffentliche kollektive Religionsausübung. Der preußische Staat beschnitt im Kulturkampf (1871–1887) das schon in der preußischen Verfassung von 1850 verbürgte Recht, seinen Glauben und seine Kirchenverbundenheit auch gemeinschaftlich in der Öffentlichkeit zu bekunden, indem er religiöse Kulte und Feiern teils partiell, teils vollständig aus dem öffentlichen Raum zu verbannen suchte. Konkret geht es um die Reglementierung und Einschränkung von Prozessionen und Wallfahrten, von Ehrungsfeierlichkeiten für Bischöfe, von Papstfeiern und von sonstigen religiösen Festen und Großereignissen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Einleitung
  • 2. Der Kulturkampf
  • 3. Prozessionen und Wallfahrten
  • a) Meinungen, Einstellungen und Eingaben
  • b) Rechtsetzung
  • i. Die zentralstaatliche Ebene
  • ii. Die Regierung Düsseldorf
  • iii. Die Regierung Aachen
  • iv. Die Regierung Köln
  • c) Rechtsinterpretation, -anwendung und -umsetzung
  • i. Der Oberpräsident der Rheinprovinz
  • ii. Regierungsbezirk Düsseldorf
  • iii. Regierungsbezirk Aachen
  • iv. Regierungsbezirk Köln
  • d) Zwischenfälle und Tätlichkeiten, Konflikte und Konfrontationen, Rechtsverstöße und Widersetzlichkeiten, Sanktionierungen und Disziplinierungen
  • i. Regierungsbezirk Düsseldorf
  • ii. Regierungsbezirk Aachen
  • iii. Regierungsbezirk Köln
  • e) Die Verzeichnung und die Verzeichnisse der althergebrachten Prozessionen und Wallfahrten
  • f) Fazit
  • 4. Feierlichkeiten anlässlich von Bischofsbesuchen
  • a) Regierungsbezirk Düsseldorf
  • b) Regierungsbezirk Aachen
  • c) Regierungsbezirk Köln
  • d) Fazit
  • 5. Papstfeiern
  • a) Ministerialerlasse
  • b) Regierungsbezirk Düsseldorf
  • c) Regierungsbezirk Aachen
  • d) Regierungsbezirk Köln
  • e) Fazit
  • 6. Besondere religiöse Feste und Großereignisse
  • a) Die Kevelaerer Bittfahrt vom 6. Oktober
  • b) Die Mönchengladbacher Heiligtumsfahrt vom 9. bis 18. August
  • c) Marienerscheinungen in Merzbach bei Rheinbach
  • 7. Gesamtbilanz
  • Quellenverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

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1. Einleitung

Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist der Versuch des Staates, die im öffentlichen Raum stattfindenden katholischen Kollektivkulte und religiösen Feierlichkeiten während des Kulturkampfes im Nordrheinland zu beschränken oder ganz zu unterdrücken.

Der öffentliche Raum ist hier nicht metaphorisch im Sinne einer medial vermittelten politisch-gesellschaftlichen Öffentlichkeit verstanden, sondern hat konkrete räumlich-geographische Bedeutung und bezeichnet den nichtprivaten, außerhalb von Gebäuden, unter freiem Himmel befindlichen Grund und Boden.

Mit den thematisierten Kulten und Feiern sind solche gemeint, welche für die beteiligten Akteure einen genuin religiösen Anlass und Sinn hatten und mit größeren organisierten Menschenansammlungen verbunden waren. Konkret werden Prozessionen und Wallfahrten, Empfangs- und Huldigungsfeierlichkeiten für sich auf Firmungs- und Visitationsreise befindende (Erz-, Weih-)Bischöfe, die neu aufgekommenen Papstfeiern anlässlich von Pontifikatsjubiläen sowie einige besondere religiöse Feste und Großereignisse behandelt.

Das Untersuchungsgebiet ist der nordrheinische Raum, der hier definiert ist als das Gebiet der drei den nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz bildenden Regierungsbezirke Aachen, Köln und Düsseldorf. Kirchlich gehörte dieser Raum größtenteils zum Sprengel des Erzbistums Köln; lediglich einige nördliche Kreise des Regierungsbezirks Düsseldorf, wozu freilich der mit Abstand wichtigste nordrheinische, ja nordwesteuropäische Wallfahrtsort Kevelaer gehörte, unterstanden dem Bischof von Münster.

Die vorliegende Studie will einen Beitrag leisten zur Geschichte des Kulturkampfes im Rheinland und zur Geschichte eines Grundrechts, nämlich des in Art. 4 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland („Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“) garantierten Rechts zur öffentlichen individuellen oder kollektiven Religionsausübung, zum exercitium religionis publicum, welches neben der Glaubens-, Gewissens-, Bekenntnis- und Kirchenfreiheit ein wichtiger Aspekt der allgemeinen Religionsfreiheit ist1 und ← 9 | 10 → gleichzeitig einen Bestandteil des sich aus der Versammlungs-, Demonstrations- und Meinungsfreiheit ergebenden grundsätzlichen Rechts bildet, innerhalb der gesetzlichen Grenzen den öffentlichen Raum zur Bekundung und Propagierung von politischen oder weltanschaulichen Überzeugungen zu nutzen. Es soll untersucht werden, wie der Staat das schon in Art. 12 der revidierten preußischen Verfassung von 1850 verbürgte Recht, seinen Glauben und seine Kirchenbindung auch in der Öffentlichkeit und auch in gemeinschaftlicher Weise äußerlich zu artikulieren,2 im Kulturkampf beschnitt, indem er religiöse Kulte und Feierlichkeiten teils partiell, teils vollständig aus dem öffentlichen Raum zu verbannen suchte. Im Einzelnen werden analysiert die Motive des Staates für die Zurückdrängung gemeinschaftlicher Gottesdienste und religiös motivierter Festveranstaltungen aus der Öffentlichkeit, die diesbezüglichen staatlichen Normsetzungen, die Auslegung und Handhabung der Normen in der polizeilichen Exekutivpraxis, die Durchsetzungsfähigkeit und die Durchsetzungsmittel des Staates, die Befolgungsbereitschaft resp. Widerständigkeit der Normadressaten, die Friktionen und Konflikte innerhalb des Staatsapparats und die Auseinandersetzungen und Zusammenstöße zwischen den Staatsorganen und der katholischen Bevölkerung.

Hauptschaltstelle bei der Reglementierung und Restringierung der Öffentlichkeitspräsenz katholischer Kulte und Feiern waren die sog. ‚Regierungen‘.3 Schon die zu Verwechslungen mit der Staatsregierung einladende Bezeichnung ← 10 | 11 → (die heute übliche und auch in der vorliegenden Studie zwecks Klarheit häufig verwendete Bezeichnung ‚Bezirksregierung‘ war damals ungebräuchlich) verweist auf die Tatsache, dass die Regierungen die zentralen, direkt den Ministerien unterstellten Mittelinstanzen waren, die „sämtliche Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltung, soweit sie nicht besonderen Behörden übertragen waren,“ bearbeiteten.4 Auf den hier thematisierten Feldern gab die Berliner Regierungszentrale zwar mit einigen Erlassen, von denen der Erlass vom 26. August 1874 der mit Abstand wichtigste war, die allgemeinen Richtlinien vor, aber deren Interpretation und Umsetzung lag in den Händen der Bezirksregierungen, und für einige Akte, so z.B. für die Ehrungsfeiern für umreisende Bischöfe, machten die Ministerien keine Exekutivvorgaben. Insgesamt war die Eingriffsintensität des Innen- und des Kultusministeriums und auch des Oberpräsidenten der Rheinprovinz gering; sie gaben an sie adressierte Eingaben durchgängig an die zuständigen Bezirksregierungen zur Bescheidung ab oder verwiesen die Antragsteller an diese und verwarfen alle an sie gerichteten Rekurse gegen Bescheide der Bezirksregierungen. So besaßen die Bezirksregierungen faktisch eine weitgehende Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit, was sich in einer teils bedeutsamen Disparatheit der Rechtslage und der Repressionsintensität zwischen den Regierungsbezirken äußerte. Aus diesen Gründen bilden die Regierungsbezirke das dominante Untergliederungsprinzip innerhalb der den einzelnen Kultformen und Feieranlässen gewidmeten Kapitel.

In der Regierung Düsseldorf wurden, da es um teils komplizierte Rechtsfragen aus dem Bereich des Vereins- und Versammlungsrechts und des Staatskirchenrechts ging, viele Berichte, Anfragen und Eingaben dem Justiziar der Bezirksregierung, Graf Baudissin, zur Begutachtung vorgelegt, die in Form ← 11 | 12 → von kurzen Randkommentaren bis hin zu umfangreichen Stellungnahmen und Darlegungen der Rechtslage erfolgte. Da der Justiziar die Politik der Regierung Düsseldorf in der fraglichen Materie bestimmte und sich die Antwortschreiben der Regierung Düsseldorf bis in den Wortlaut hinein fast durchgängig nach seinen Voten richteten, wird ihnen große Bedeutung beigemessen und werden sie im Zweifelsfall als Position oder Reaktion der Regierung Düsseldorf gewertet.

Die Quellenlage ist auf Regierungsbezirksebene insgesamt als gut zu bezeichnen, da offensichtlich alle wichtigen Akten der Bezirksregierungen zu der behandelten Thematik erhalten sind. Auf Landratsebene dagegen sind empfindliche Überlieferungslücken zu konstatieren. Vor allem in den Regierungsbezirken Köln und Aachen haben sich nur in wenigen Landratsamtsbeständen die einschlägigen Akten erhalten, sodass die Gegenüberlieferung, darunter die Antwortschreiben der Bezirksregierungen auf Eingaben von Bürgermeistern und Landräten‚ sehr lückenhaft ist, was umso bedauerlicher ist, als die Entwurfsschrift des in der Regierung Aachen mit der vorliegenden Materie hauptsächlich betrauten Referenten, des Regierungsrats v. Stralenheim, schwer leserlich ist, sodass viele Lesarten der nur im Konzept vorliegenden Schreiben der Regierung Aachen unsicher sind.

Die Quellendichte für die drei behandelten Regierungsbezirke variiert stark, was wesentlich in der unterschiedlich intensiven Befassung der Bezirksregierungen mit der fraglichen Materie begründet liegt. Das meiste Quellenmaterial entspringt dem Regierungsbezirk Düsseldorf, der deshalb in der Darstellung dominiert; der Regierungsbezirk Aachen folgt mit einigem Abstand und die den Regierungsbezirk Köln betreffende Quellenmenge ist maximal ein Viertel so groß wie diejenige aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf.

Eine wichtige Quellengattung sind Artikel aus der meist ‚ultramontanen‘ Lokal- und Regionalpresse, die leider nur sehr unvollständig überliefert ist.5 Viele der zitierten Zeitungsartikel stammen aus den ausgewerteten Akten, denn vor allem in den Bezirksregierungen wurden entweder ganze Zeitungsausgaben unter Markierung des bzw. der relevanten Artikel zu den Akten genommen oder aber – insbesondere bei kürzeren Artikeln – die relevant erscheinenden Zeitungsartikel wurden ausgeschnitten, auf Papierblätter aufgeklebt, im besseren ← 12 | 13 → Fall, aber leider nicht immer, handschriftlich mit dem Herkunftsvermerk versehen und in dieser Form zu den Akten genommen. Die Angabe einer Aktensignatur beim Nachweis eines Zeitungsartikels verweist darauf, dass dieser einer Akte entnommen wurde.

Die Fußnoten enthalten umfangreiche zusammenhängende Quellenzitate, in der Regel aus dem innerbehördlichen Schriftverkehr. Sie haben einmal Belegfunktion; darüber hinaus liefern sie näher Interessierten weitergehende Detailinformationen und wichtige Einblicke namentlich in den Modus der innerbehördlichen Kommunikation. Außerdem will die umfängliche Quellenwiedergabe einen kleinen Beitrag zur Tradierung des einschlägigen historischen Quellenfundus leisten, denn zentrale Quellenbestände zur Geschichte des Prozessions- und Wallfahrtswesens im 19. Jahrhundert, vor allem des Landesarchivs NRW in Duisburg, des Archivs des Erzbistums Köln und des Landeshauptarchivs Koblenz, sind nicht mehr oder allenfalls noch mit Sondererlaubnis im Original einsehbar und im Prinzip nur noch auf Mikrofilm oder -fiche zugänglich, die freilich, von der umständlichen Handhabung einmal abgesehen, eine deutlich schlechtere Qualität als die Originale bieten und teilweise, insbesondere bei Entwurfsschriften, schlicht unleserlich sind, auf jeden Fall keinen adäquaten Ersatz bilden und keine systematische Aktenauswertung erlauben. Das mit den Textsekundärträgern zu meistern versuchte Problem ist angesichts des physischen Zustandes mancher Akten zwar nur zu offenkundig, aber die Verfilmung und Verfichung erscheinen nicht als akzeptable Lösung des Problems. Da der Autor bei der Erarbeitung der Quellengrundlage für die vorliegende Untersuchung wie überhaupt bei der Erforschung des nordrheinischen Wallfahrtswesens im 19. Jahrhundert6, möglicherweise als Letzter, durchgängig noch die Originale benutzen durfte, was die unabdingbare Voraussetzung für seine Arbeiten war, wollte er dieses Entgegenkommen zur Tradierung von wichtigem Quellenmaterial nutzen.

Die Literatur zum Kulturkampf im Rheinland behandelt die vorliegende Thematik, vielleicht mit Ausnahme des Wallfahrtswesens, eher stiefmütterlich bis gar nicht. Zum allgemeinen Hintergrund der religiösen und politischen ← 13 | 14 → Festkultur sei auf die bedeutsamen Werke von B. Stambolis7 und U. Schneider8 verwiesen. Die Arbeit von L. Krull über ‚Prozessionen in Preußen‘ wurde dem Autor erst nach Fertigstellung des Manuskripts bekannt. Da es in der vorliegenden Untersuchung zu einem wesentlichen Teil um die Amtstätigkeit der rheinischen Behörden geht, sei hier außerdem ein für alle Mal auf das Werk von H. Romeyk über ‚Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz‘ hingewiesen, denn es bietet Biogramme der leitenden Verwaltungsbeamten u.a. mit Angabe ihrer Konfessionszugehörigkeit und Amtszeiten.

Es gilt zum Schluss einen vielfältigen Dank abzustatten, zunächst an die ‚Frontfrauen und -männer‘ des früheren Hauptstaatsarchivs Düsseldorf und jetzigen Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, das nunmehr in Duisburg stationiert ist. Herr Gropp, Frau Lindemann und Herr Rost haben mit ihrer kundenorientierten Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit einem bisweilen anstrengenden Benutzer ein produktives Arbeiten ermöglicht. Auch die Stadt- bzw. Kreisarchive, namentlich diejenigen von Aachen, Bonn, Düren, Düsseldorf, Heinsberg, Kevelaer, Kleve, Krefeld, Mönchengladbach, Rheinbach und Stolberg, erwiesen sich als Stätten und Quellen profunden lokalhistorischen Wissens, an dem sie den Autor zuvorkommend partizipieren ließen, was diesen zu großem Dank verpflichtet.

1 Zum Grundrecht der Religionsfreiheit vgl. E. Stein: Die Religionsfreiheit im Grundgesetz; U. Scheuner: Die Religionsfreiheit im Grundgesetz; J. Listl: Glaubens-, Bekenntnis- und Kirchenfreiheit; A. v. Campenhausen/H. de Wall: Staatskirchenrecht, S. 50–89; B. Jeand’Heur/S. Korioth: Grundzüge des Staatskirchenrechts, S. 69–124; M. Rhonheimer: Christentum und säkularer Staat, S. 195–318.
„Das Bundesverfassungsgericht versteht den Begriff der Religionsausübung so, daß sämtliche Erscheinungsformen der religiösen Betätigung und Zwecke sowohl des einzelnen wie der religiösen Vereinigungen als auch der Kirchen und Religionsgemeinschaften unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Selbstverständnisses vom Grundrecht der Religionsausübung umfaßt werden. Dementsprechend hat es neben den jeweiligen Formen herkömmlicher individueller oder gemeinschaftlicher Religionsausübung auch die Verwirklichung der christlichen Liebestätigkeit mit Einschluß der Krankenpflege zur Religionsfreiheit gerechnet. Geschützt sind also auch die auf Verwirklichung der Religion im praktischen und gesellschaftlichen Leben zielenden Aktivitäten“ (A. v. Campenhausen/H. de Wall: Staatskirchenrecht, S. 56f).

2 § 12 der revidierten preußischen Verfassung vom 31. Januar 1850 lautet: Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religions-Gesellschaften (Art. 30 und 31) und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religions-Übung wird gewährleitet. […]

3 Zur Binnenorganisation sowie zu den Kompetenzen, Zuständigkeiten und Aufgaben der Regierungen vgl. R. Koselleck: Preußen zwischen Reform und Revolution, S. 237–264; M. Bär: Die Behördenverfassung der Rheinprovinz, S. 171–199; T. Ilgen: Organisation der staatlichen Verwaltung und der Selbstverwaltung, S. 99–106; B. Mayweg: Die Behörde des Regierungspräsidenten.

4 B. Mayweg: Die Behörde des Regierungspräsidenten, S. 168. – R. Kosellek (Preußen zwischen Reform und Revolution, S. 238) charakterisiert die Regierungen folgendermaßen: „Die Regierungen waren mehr als bloße Vollzugsorgane staatlicher Gesetze, wenn auch die weitere Entwicklung sie zunehmend auf diese ihre Aufgabe hindrängte. Unmittelbar dem Staatsministerium unterstehend bündelte sich noch einmal die gesamte Exekutive in den Regierungsbehörden. Auf ihnen beruhte die Präsenz und Wirksamkeit des Staates, hier liefen alle Fäden zusammen, die den Staat mit der Gesellschaft in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit verknüpften. Die Befugnisse der Regierungen waren weit genug bemessen, daß immer ein Moment unmittelbarer Herrschaft in ihre Tätigkeit einfloß. Denn die Allgemeinheit der Gesetze reichte nie hin, ohne Modifikationen den örtlichen Sonderheiten angepaßt zu werden. Proportional zur Mannigfaltigkeit ständischer und rechtlicher Herkunft, die in den einzelnen Bezirken obwaltete, war die Regierungsbehörde immer gezwungen, mehr zu sein als bloßes Verwaltungsinstitut. Zu vollem Recht trugen sie den Namen einer ‚Regierung‘ […].“

5 Die UB Bonn besitzt als Pflichtexemplarbibliothek zwar einen umfangreichen Bestand von historischen Zeitungen aus dem 19. Jahrhundert, der jedoch auch schmerzliche Lücken aufweist. Beispielsweise scheinen das ‚Eschweiler Sonntagsblatt‘ und das ‚Katholische Sonntagsblatt für Eschweiler, Stolberg und Umgegend‘ vollständig verloren zu sein, denn auch die in Frage kommenden Stadtarchive konnten keinen Besitznachweis liefern.

6 Speth, Volker: Katholische Aufklärung, Volksfrömmigkeit und ‚Religionspolicey‘. Das rheinische Wallfahrtswesen von 1814 bis 1826. 2., überarb. u. erw. Aufl. Frankfurt/Main 2014. (Europäische Wallfahrtsstudien ; Bd. 5); Ders.: Katholische Aufklärung und Ultramontanismus, Religionspolizey und Kultfreiheit, Volkseigensinn und Volksfrömmigkeitsformierung. Das rheinische Wallfahrtswesen von 1826 bis 1870. Teil 1–3. Frankfurt/Main 2010–12. (Europäische Wallfahrtsstudien ; Bd. 7–9).

7 B. Stambolis: Religiöse Festkultur.

8 U. Schneider: Politische Festkultur im 19. Jahrhundert.

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2. Der Kulturkampf

Um die vorliegende regionalhistorische Untersuchung in einen übergreifenden historischen Rahmen und Interpretationskontext zu stellen, sei im Folgenden in komprimierter essayartiger Form ein Gesamtüberblick über zentrale Aspekte des preußisch-reichsdeutschen Kulturkampfes gegeben. Zunächst sollen die einzelnen Motive und Ziele der Kulturkampfpropagatoren und -initiatoren analytisch herauspräpariert, dann die zentralen Inhalte und Intentionen der Maßnahmegesetze skizziert, der Kulturkampf innerhalb der Wertewelt und Programmatik des (National-)Liberalismus, dessen Perspektive hier im Mittelpunkt steht, verortet und schließlich eine kurze Gesamtinterpretation des Kulturkampfes versucht werden.1 ← 15 | 16 →

Details

Seiten
722
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653056297
ISBN (ePUB)
9783653962840
ISBN (MOBI)
9783653962833
ISBN (Hardcover)
9783631663127
DOI
10.3726/978-3-653-05629-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (April)
Schlagworte
öffentliche Religionsausübung Religionsfreiheit Kirchenverbundenheit Reglementierung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 722 S.

Biographische Angaben

Volker Speth (Autor:in)

Volker Speth ist Bibliothekar und promovierter Historiker.

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Titel: Der Kampf um den öffentlichen Raum
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