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Runenschrift in der Black-Metal-Szene

Skripturale Praktiken aus soziolinguistischer Perspektive

von Florian Busch (Autor:in)
©2015 Dissertation 179 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch gewann den Karl H. Ditze Preis 2015
Das Buch befasst sich mit dem modernen Runengebrauch der Black-Metal-Musikszene. Germanische Runen gelten gemeinhin als eine Schrift der Vergangenheit. Dabei wird häufig außer Acht gelassen, dass dieses altertümliche Skript auch heute noch in verschiedenen kulturellen Kontexten verwendet wird. Florian Busch beschreibt, welche sozialen und kommunikativen Motivationen hinter der Verwendung von Runenschrift stehen. Mittels der Integration von Methoden der Soziolinguistik, Diskursanalyse und Sozialsemiotik zeigt er, wie Runen im visuellen Szenestil zur Konstruktion bestimmter sozialer Identitäten inszeniert werden. So ergibt sich ein Verständnis für die Prozesse der soziokulturellen Positionierung durch Schriftgestalt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • 1. Einleitung
  • 2. Forschungsüberblick und theoretische Grundlegung
  • 2.1 Schriftlichkeit als (sozio-)linguistischer Forschungsgegenstand
  • 2.2 Skripturale Variation als soziale Ressource
  • 2.3 Multimodalität von Schrift
  • 2.4 Skripturale Kontextualisierungshinweise und ‚graphisches Wissen‘
  • 2.5 Enregisterment von skripturalen Ressourcen
  • 2.6 Skripturale Variation in Subkulturen
  • 2.6.1 Semiotisches Wissen von Kommunikationsgemeinschaften
  • 2.6.2 Subkultur und Szene-Stil
  • 2.6.3 Kommunikativ-soziale Stile in Subkulturen
  • 2.6.4 Subkulturelle Authentizität und Kommerzialisierung
  • 3. Forschungsfeld und Gegenstand: Moderner Gebrauch von germanischen Runen
  • 3.1 Germanische Runen – Ursprung und System
  • 3.2 Rekontextualisierungen von Runen in diachroner Perspektive
  • 3.3 Black Metal als soziokultureller Gebrauchsbereich moderner Runen
  • 4. Triangulierende Untersuchung von Runen im Black Metal
  • 4.1 Methodologische Ausrichtung
  • 4.2 Das Diskurs-Korpus
  • 4.3 Das Interview-Korpus
  • 4.4 Das Artefakt-Korpus
  • 4.5 Methodische Erschließung der Korpora
  • 5. Metaskripturale Diskurse über Runen
  • 5.1 Identifizierung der Teildiskurse
  • 5.2 Spirituell-magischer Teildiskurs
  • 5.3 Politischer Teildiskurs
  • 5.4 Laienlinguistischer Teildiskurs
  • 5.5 Historizität, Authentizität und Kommerzialisierung
  • 5.6 Von den metaskripturalen Diskursen zu den Artefakten
  • 6. Runen in den Artefakten des Black Metal
  • 6.1 Komposition und syntaktische Dichte
  • 6.2 Schreibprinzipien und Sprache
  • 6.3 Graphemische Kontingente
  • 6.4 Historizität, Authentizität und Kommerzialisierung
  • 7. Ausblick und Schlussbetrachtung
  • 8. Quellenverzeichnis
  • 8.1 Literaturverzeichnis
  • 8.2 Abbildungsverzeichnis
  • 9. Anhang

Vorwort← 8 | 9 →

Es ist in der soziokulturell orientierten Sprachwissenschaft kein Geheimnis, dass persönliche Erfahrungen mit Sprache im sozialen Kontext einen Ausgangspunkt für wissenschaftliche Forschung bilden können. Beispielsweise sind viele Dialektologen auch Sprecher des betreffenden Dialekts, für Mehrsprachigkeitsforscher gehören zwei oder mehrere Sprachen oft auch zum eigenen Alltag, und aus manch eigener Erfahrung mit Sprache in der Jugendclique kann später Inspiration für die Jugendsprachforschung entstehen. Aus der eigenen Spracherfahrung kann sich ein produktiver wissenschaftlicher Raum entwickeln, in dem kreative Forschungsfragen entstehen, neue Erkenntnisse gewonnen werden können.

In der hier vorgelegten Untersuchung von Florian Busch findet diese Synergie von Theorie, Methode und Praxiserfahrung an einem bislang unerforschten Gegenstand statt. Florian Busch ist mit den untersuchten skripturalen Praktiken aus erster Hand, nämlich durch seine Teilnahme an der Musikkultur des Black Metal vertraut. Dieses praktische Wissen bildet den Ausgangspunkt für die Zusammenstellung einer umfangreichen und vielschichtigen Datensammlung. Sie dokumentiert den Gebrauch der Runenschrift in den Textsorten des Black Metal in zeitlicher Tiefe und internationaler Breite, belegt parallele Verwendungen und Diskurse in anderen politischen und spirituellen Teilkulturen und ergänzt die Perspektive des Forschenden durch narrative Interviews mit Experten aus der Musikkultur. Damit sind die Weichen für die methodische Triangulation, die Busch’ Analyse durchgehend kennzeichnet, gestellt.

Diskurs-, Medien- und Soziolinguistik sind die Forschungsgebiete, denen Florian Busch die Bausteine seines eigenen Zugangs entnimmt. Runen im Black Metal, ein auf den ersten Blick exotisch und randständig anmutender Gegenstand, wird in Busch’ Analyse zu einem Fallbeispiel herausgearbeitet für Phänomene und Vorgänge, die in der aktuellen „graphischen Wende“ der internationalen Soziolinguistik einen wichtigen Platz einnehmen. Von einer graphischen Wende kann insofern die Rede sein, als dass geschriebene Sprache (als Modalität des Sprachlichen) und Schriftlichkeit (als soziale Praktik) ihre ehemals marginale Stellung in der Soziolinguistik aufgeben und als relevante Forschungsthemen positioniert werden. Im Zuge dieser Wende zeigt Busch’ Untersuchung, dass und wie Runenschrift heute als Element eines ausdifferenzierten sozialen Stils funktioniert.

Im Kommunikationsraum Black Metal stellt Runenschrift eine skripturale Ressource dar, d.h. eine für Musiker, Designer, Veranstalter und Fans verfügbare ← 9 | 10 → Möglichkeit, um die kulturelle Zugehörigkeit eines Textes durch einen für die Musikszene spezifischen Umgang mit Runenzeichen kenntlich zu machen. Die Details dieses Umgangs liegen im Kern der Untersuchung von Florian Busch. Seine Analyse belegt die Vielfalt der graphischen Praktiken, die mit ein und derselben Ressource – der Runenschrift im Gegensatz zum lateinischen Skript – vollzogen werden können. Die in Runen verfassten Textpartien können die Gesamtheit oder nur einen Teil des Texts ausmachen – nur den Titel oder auch die Lyrics im CD-Booklet, nur den Festivalnamen oder auch die praktische Information auf dem Plakat. Je nach Platzierung im Text dient die Runenschrift teils als Träger sprachlicher Bedeutung und teils als ästhetische Gestalt. Die Stellung der in Runenschrift verfassten Elemente mehr oder weniger im Vorder- bzw. Hintergrund geht mit der Erwartung einher, dass sie eher gelesen oder betrachtet werden. Selbst das Verhältnis zwischen Skript und Sprache ist im Fall der Runen variabel. Mittels Runen kann Deutsch oder Altnordisch verschriftet werden, dabei wird Deutsch teils durch authentische Runen transliteriert, was seine Entzifferung für Nichtkenner wesentlich schwieriger macht, und teils durch bloß „runisierte“ Formen des lateinischen Alphabets geschrieben. Stets sind die Entscheidung für Runenschrift sowie für eine bestimmte Gestaltungsform durch die Orientierung an bestimmten Publika geleitet, so dass die Spielarten der skripturalen Praktiken im Black Metal gleichsam als Index eines subkulturellen audience design lesbar werden.

Durch die Synergie von Theorie, Daten und persönlicher Erfahrung erschließt die Untersuchung von Florian Busch eine bislang noch fast unbekannte skripturale Praktik und liefert eine reichhaltige Fallstudie über die äußere Form von Sprache im sozialen Kontext, die aktuelle Tendenzen einer soziokulturell ausgerichteten Schriftlinguistik exemplarisch aufzeigt.

Hamburg, Mai 2015

Jannis Androutsopoulos

1.Einleitung← 10 | 11 →

Hier finde nun vor die förderlichen,

Verständiges ratenden Runenstäbe,

Stäbe, so herrlich, als stärkend heilsam.

Es reihte sie recht der berühmteste Redner;

Sie wurden gemodelt von mächtigen Göttern

Details

Seiten
179
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653057881
ISBN (ePUB)
9783653962260
ISBN (MOBI)
9783653962253
ISBN (Hardcover)
9783631663585
DOI
10.3726/978-3-653-05788-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juli)
Schlagworte
Runen Schrift Enregisterment Soziolinguistik
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 179 S., 51 s/w Abb., 1 Tab., 7 Graf.

Biographische Angaben

Florian Busch (Autor:in)

Florian Busch ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medien und Kommunikation und am Institut für Germanistik an der Universität Hamburg. Seine Forschungsinteressen liegen insbesondere in der Soziolinguistik, Schriftlinguistik sowie der Mediensemiotik.

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