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Panoramafreiheit und Eigentumsrecht

von Theresa Uhlenhut (Autor:in)
©2015 Dissertation 246 Seiten

Zusammenfassung

Ist die Panoramafreiheit in Gefahr? Diese Frage stellt sich etlichen Künstlern, Bildjournalisten, Fotografen und Filmemachern seit der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am 17. Dezember 2010 in den viel beachteten Parallelentscheidungen «Preußische Schlösser und Gärten» entschieden hat, dass das ausschließliche Recht zur gewerblichen Anfertigung und Verwertung von Filmen und Fotografien von Bauwerken und Gartenanlagen dem Grundstückseigentümer zusteht, soweit diese Abbildungen von seinem Grundstück aus angefertigt werden. Die Autorin legt dar, warum diese Rechtsprechung nicht aufrechterhalten werden kann. Sie zeigt die Grenzen des Eigentumsrechts auf und weist nach, warum dem Sacheigentümer kein Immaterialgüterrecht an seinen Eigentumsgegenständen zusteht.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Problemstellung
  • B. Forschungsfrage und Ziel der Arbeit
  • C. Gang der Untersuchung
  • Teil 1: Die Unterscheidung zwischen Urheberrecht und Sacheigentum
  • A. Die historische Trennung von Urheberrecht und Sacheigentum
  • I. Das Mäzenatentum
  • II. Das Privilegienwesen
  • III. Die Theorie des Verlagseigentums
  • IV. Die Theorie des geistigen Eigentums
  • V. Das kodifizierte Urheberrecht
  • B. Originäre Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Urheberrecht und Sacheigentum
  • I. Originäre Unterschiede
  • 1. Persönlichkeitsverbundenheit
  • 2. Vertretbarkeit
  • 3. Körperbezug
  • 4. Beherrschbarkeit
  • 5. Nutzung
  • 6. Schutzfrist?
  • II. Originäre Gemeinsamkeiten
  • 1. Ausschließliche Zuordnungsmöglichkeit
  • 2. Abstrakte Verfügungsfähigkeit
  • 3. Vermögenswert
  • III. Konsequenzen für Rechtsetzung und Rechtsanwendung
  • C. Die Unterscheidung zwischen Urheberrecht und Sacheigentum in der Rechtsordnung
  • I. Urheberrecht und Sacheigentum im Völkerrecht
  • II. Urheberrecht und Sacheigentum im Unionsrecht
  • III. Urheberrecht und Sacheigentum im nationalen Verfassungsrecht
  • IV. Urheberrecht und Sacheigentum im nationalen Zivilrecht
  • 1. Grundgedanken des Sacheigentums
  • 2. Grundgedanken des Urheberrechts
  • 3. Wesentlicher Inhalt der Rechtsinstitute
  • a) Schutzentstehung
  • aa) Sacheigentum
  • bb) Urheberrecht
  • (1) Das urheberrechtliche Werk
  • (2) Die Urheberschaft
  • b) Die Befugnisse des Inhabers
  • aa) Sacheigentum
  • bb) Urheberrecht
  • (1) Verwertungsrechte
  • (2) Persönlichkeitsrechtliche Befugnisse
  • (3) Sonstige Rechte
  • c) Inhaltliche Schranken
  • aa) Sacheigentum
  • bb) Urheberrecht
  • d) Ansprüche
  • aa) Sacheigentum
  • bb) Urheberrecht
  • e) Erlöschen
  • aa) Sacheigentum
  • bb) Urheberrecht
  • V. Zusammenfassung
  • D. „Kollisionen“ zwischen Urheberrecht am Werk und Sacheigentum am Werkstück
  • I. Auseinanderfallen von Urheberrecht und Sacheigentum
  • II. Das Innenverhältnis
  • 1. „Kollisionsfall“: Doppelte Betroffenheit
  • 2. Interessenausgleich
  • a) Gesetzlicher Interessenausgleich
  • b) Einzelfallbezogene Interessenabwägung
  • III. Zusammenfassung
  • E. Urheberrecht als „geistiges Eigentum“?
  • I. Bedeutungsverlust
  • 1. Verfassungskodifikationen
  • 2. Zivilrechtskodifikationen
  • II. Wiederbelebung
  • III. Eigene Stellungnahme
  • 1. Beurteilung der Gegenargumente
  • a) Widerspruch zu moderner Urheberrechtskonzeption
  • b) Unterschiedliche Regelungsmaterien
  • c) Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff
  • d) Unterschiede zwischen Sacheigentum und geistigem Eigentum
  • 2. Vorzüge
  • 3. Ergebnis
  • Teil 2: Die Panoramafreiheit gem. § 59 UrhG
  • A. Begriff „Panoramafreiheit“
  • B. Die Entwicklung der Panoramafreiheit
  • C. Die Schrankenbestimmung gem. § 59 UrhG
  • I. Enge Auslegung urheberrechtlicher Schrankenbestimmungen?
  • II. Tatbestand
  • 1. Werkarten
  • a) Werke der bildenden Künste
  • b) Weitere Werkarten
  • 2. An öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen gelegen
  • a) Öffentliche Wege Straßen und Plätze
  • b) An einem öffentlichen Ort gelegen
  • 3. Bleibend
  • a) Öffentliche Aufstellung bis Ablauf der natürlichen Lebensdauer
  • b) Öffentliche Aufstellung endet vor Ablauf der natürlichen Lebensdauer
  • aa) Befristete Ausstellung
  • bb) „Aufgedrängte Kunst“
  • c) Mobile Werke
  • III. Rechtsfolge
  • 1. Zulässige Nutzungshandlungen
  • a) Zulässige Vervielfältigungshandlungen
  • aa) Die Vervielfältigung gem. § 16 UrhG
  • bb) Zulässige Vervielfältigungsarten
  • cc) Keine Vervielfältigung an einem Bauwerk
  • dd) Neue Vervielfältigungsarten?
  • ee) Abgrenzung zur Bearbeitung und freien Benutzung
  • (1) Die freie Benutzung im Rahmen von § 59 UrhG?
  • (2) Die Bearbeitung im Rahmen von § 59 UrhG?
  • b) Zulässige Verbreitungshandlungen
  • c) Zulässige öffentliche Wiedergabe
  • d) Zulässige Werkdarstellungen
  • e) Zulässige Änderungen
  • aa) Änderungen durch Reproduktion
  • bb) Keine Reproduktion eines veränderten Werks
  • f) Notwendige Quellenangabe
  • 2. Zulässige Verwertungszwecke
  • 3. Eigentumsrechtliche Zulässigkeit?
  • D. Die Bedeutung der Panoramafreiheit
  • I. Legitimationsgrund der Panoramafreiheit als Schranke des Urheberrechts
  • 1. Panoramafreiheit durch urheberrechtliche Widmung?
  • 2. Panoramafreiheit durch Wandlung zum Gemeingut?
  • 3. Panoramafreiheit als Ausprägung des „urheberrechtlichen Interessensausgleichs“
  • a) Schützenswerte Interessen im Anwendungsbereich der Panoramafreiheit
  • aa) Die Interessen des Urhebers
  • (1) Ideelle Interessen
  • (2) Wirtschaftliche Interessen
  • bb) Keine Einbeziehung von Erstverwertern
  • cc) Die Interessen der Werknutzer und der Allgemeinheit
  • (1) Die Interessen der Werknutzer
  • (2) Die Interessen der Allgemeinheit
  • b) Panoramafreiheit als Ausdruck der Interessenverschiebung
  • II. Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Panoramafreiheit
  • 1. Panoramafreiheit und Eigentumsgarantie
  • a) Die Eigentumsgarantie als Maßstab der Panoramafreiheit
  • b) Der Gesetzgeberische Ausgestaltungsauftrag
  • c) Gemeininteresse i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG
  • aa) Die Interessen der Allgemeinheit
  • bb) Die Interessen der Nutzer
  • d) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
  • aa) Legitimer Zweck
  • bb) Eignung zur Zweckerreichung
  • cc) Erforderlichkeit
  • dd) Angemessenheit
  • ee) Stellungnahme zur Kritik der Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“
  • e) Institutsgarantie
  • 2. Ergebnis
  • III. Die Bedeutung der Panoramafreiheit für das Sacheigentum am Werkstück
  • 1. Panoramafreiheit und Sozialbindung des Sacheigentums
  • a) Die unterschiedlichen sozialen Funktionen von Sacheigentum und Urheberrecht
  • aa) Die soziale Funktion des Sacheigentums
  • bb) Die soziale Funktion des Urheberrechts
  • cc) Zwischenergebnis
  • b) Keine Berücksichtigung der Interessen des Sacheigentümers
  • 2. Keine Duldungspflicht des Sacheigentümers gem. § 1004 Abs. 2 BGB
  • 3. Sacheigentum im Konflikt mit der gesetzlichen Wertung der Panoramafreiheit
  • Teil 3: Eigentum als „Schranke der Panoramafreiheit“?
  • A. Rechtsprechung
  • I. Unmittelbare Abwehrrechte des Sacheigentümers und § 59 UrhG
  • 1. Innerhalb des Geltungsbereichs von § 59 UrhG
  • 2. Außerhalb des Geltungsbereichs von § 59 UrhG
  • 3. Ergebnis
  • II. Voraussetzungen unmittelbarer Abwehrrechte
  • 1. Rechtsprechungsanalyse
  • a) KG, Urt. v. 25.11.1909
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidung
  • b) KG, Urt. v. 10.10.1969 – 5 U 558/69 – Fotos in zoologischen Gärten
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidung
  • c) BGH, Urt. v. 13.10.1965 Ib ZR 111/63 – Apfel-Madonna
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidung
  • d) BGH, Urt. v. 20.9.1974 I ZR 99/73 – Schloss Tegel
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidung
  • e BGH, Urt. v. 09.03.1989 I ZR 54/87 – Friesenhaus
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidung
  • f) BGH, Urt. v. 17.12.2010 – V ZR 44/10; V ZR 45/10; V ZR 46/10 - Preußische Schlösser und Gärten
  • aa) Sachverhalt
  • bb) Entscheidung
  • g) Instanzgerichte
  • 2. Zusammenfassung
  • a) Voraussetzung 1: Vervielfältigungshandlung unter Betreten des Grundstücks
  • b) Voraussetzung 2: Gewerbliche Verwertungsabsicht
  • c) Sozialbindung des Eigentums
  • d) Unklarheiten
  • aa) Relevanz des Eigentums an Grundstück und Vervielfältigungsobjekt
  • (1) Verletzung des Sacheigentums am Vervielfältigungsobjekt
  • (2) Verletzung des Hausrechts am betretenen Grundstück
  • (3) Verletzung des „grundstücksinternen Bildes der eigenen Sache“
  • bb) Relevanz der (Un-)Beweglichkeit des Vervielfältigungsobjekts
  • (1) LG Hamburg, Urt. v. 30.04.1993 – 324 O 77/93
  • (2) OLG Köln, Urt. v. 25.02.2003 – 15 U 138/02 - Wayangfiguren
  • (3) LG Berlin, Urt. v. 10.05.2012 – 16 O 199/11
  • (4) AG Hamburg, Urt. v. 30.08.2012 – 35a C 332/11
  • (5) Stellungnahme
  • cc) Relevanz des Vervielfältigungsmittels
  • III. Stellungnahme
  • B. Literatur
  • I. Ablehnende Ansichten
  • 1. Fehlender Zuweisungsgehalt des Sacheigentums
  • a) Funktion des Sacheigentums
  • b) Äußeres Erscheinungsbild einer Sache ausschließlich Urheber zugeordnet
  • c) Rivalisierende Sachnutzung als Grenze des Zuweisungsgehalts
  • 2. Keine Verletzung/ Beeinträchtigung des Eigentums
  • a) Keine „unmittelbare körperliche Fühlungsnahme“ mit der Sache
  • b) Keine körperliche Beeinträchtigung i. S. d. § 1004 BGB
  • c) Kein schützenswertes Interesse gem. § 242 i. V. m. § 59 UrhG
  • 3. Widerspruch zur Panorama- und Gemeinfreiheit
  • 4. Rechtsfolgenorientierte Kritik
  • II. Bestätigende Ansichten
  • 1. Umfassender Zuweisungsgehalt des Sacheigentums
  • a) Das Verwertungsinteresse des Sacheigentümers
  • b) Anpassung an neue Technologien
  • 2. Die „zweigleisige Rechtswidrigkeitsprüfung“
  • 3. Grundstücksansichten als Gebrauchsvorteile gem. § 100 Hs. 2 BGB181
  • 4. Kein Wertungswiderspruch zum Urheberrecht
  • III. Differenzierende Ansichten
  • 1. Ausgleichsansprüche ohne Abwehrrechte
  • 2. Abwehrrechte ohne Wertersatz
  • C. Entwicklung eines eigenen Lösungsansatzes
  • I. Der Zuweisungsgehalt des Sacheigentums als dogmatischer Ausgangspunkt
  • 1. Dogmatische Ebene der befürwortenden Ansichten
  • 2. Dogmatische Ebene der ablehnenden Ansichten
  • 3. Dogmatische Ebene der differenzierenden Ansichten
  • 4. Ergebnis
  • II. Stellungnahme zum Meinungsbild hinsichtlich des eigentumsrechtlichen Zuweisungsgehalts
  • 1. Befürworter
  • a) Rechtsprechung
  • b) Literatur
  • 2. Kritiker
  • a) Funktion des Sacheigentums
  • b) Äußeres Erscheinungsbild einer Sache ausschließlich Urheber zugeordnet
  • c) Rivalisierende Sachnutzung als Grenze des Zuweisungsgehalts
  • d) Widerspruch zur Panorama- und Gemeinfreiheit
  • 3. Zusammenfassung
  • III. Eigene Theorie zur Normkonkretisierung des § 903 Satz 1 BGB
  • 1. Der begrenzte Zuweisungsgehalt des Sacheigentums
  • 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben der Gesetzesauslegung
  • 3. Die Auslegung des § 903 Satz 1 BGB
  • a) § 903 Satz 1 BGB als Gegenstand der Auslegung
  • b) Grammatikalische Auslegung
  • c) Systematische Auslegung
  • aa) Die gesetzliche Wertung der Panorama- und Gemeinfreiheit
  • bb) § 906 BGB
  • cc) Zwischenergebnis
  • d) Historische Auslegung
  • aa) Vervielfältigungs- und Verwertungstechniken im Zeitalter der BGB-Gesetzgebung
  • (1) Die künstlerische Zeichnung
  • (2) Die Fototechnik
  • (3) Die Filmtechnik
  • (4) Zusammenfassung
  • bb) Wille des historischen BGB-Gesetzgebers
  • (1) Der Vorentwurf Johows
  • (2) Erste Kommission
  • (3) Zweite Kommission
  • (4) Bundesrat und Reichstag
  • cc) Zusammenfassung
  • e) Ratio legis
  • aa) Konkretisierung der Eigentumsfreiheit
  • bb) Interessenlage
  • f) Stellungnahme und Zwischenergebnis
  • g) Die Wahrnehmbarkeitstheorie
  • aa) Erläuterung
  • (1) Materielle Nutzungshandlungen
  • (2) Immaterielle Nutzungshandlungen
  • (3) Zusammenfassung
  • bb) Subsumtion der schlichten Vervielfältigung und Verwertung des äußeren Erscheinungsbildes einer Sache unter die Wahrnehmbarkeitstheorie
  • cc) Konsequenzen für das Urheberrecht am Werk
  • dd) Konsequenzen für die Rechtsprechung
  • 4. Zusammenfassung
  • D. Ergebnis: Sacheigentum keine „Schranke der Panoramafreiheit“
  • I. Sacheigentum am Abbildungsobjekt keine „Schranke der Panoramafreiheit“
  • II. Sacheigentum am Grundstück keine „Schranke der Panoramafreiheit“
  • III. Eigentum an öffentlichen Sachen keine „Schranke der Panoramafreiheit“
  • IV. Erträge aus Abbildern keine Früchte der Sache gem. § 99 Abs. 3 BGB219
  • V. Abbilder selbst keine Früchte der Sache gem. § 99 Abs. 1 BGB
  • VI. Ablehnung der Rechtsfolgendifferenzierung und der „zweigleisigen Rechtswidrigkeitsprüfung“
  • 1. Keine Ausgleichsansprüche ohne Abwehrrechte
  • 2. Keine „zweigleisige Rechtswidrigkeitsprüfung“
  • Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick
  • A. Zusammenfassung
  • B. Ausblick
  • I. Vervielfältiger und Verwerter
  • II. Eigentümer
  • 1. Sacheigentum
  • 2. Hausrecht
  • 3. Vertragsrecht
  • 4. Kein Widerspruch zu der gesetzlichen Wertung der Panoramafreiheit
  • Literaturverzeichnis

← 18 | 19 → Einleitung

A.Problemstellung

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – dieses altbekannte Sprichwort wurde erstmals am 08. Dezember 1921 von Frederick R. Barnard in der Printers‘ Ink, einer Fachzeitschrift für Werbung, veröffentlicht1. Was er damals schon wusste, ist heute wissenschaftlich belegt: „Bilder sind schnelle Schüsse ins Gehirn“2 und sprachlichen Informationen in vielen Bereichen deutlich überlegen: Um das Grundthema eines Bildes zu erfassen, benötigt das menschliche Gehirn gerade einmal 1/100 Sekunde, in ein bis zwei Sekunden hat es ein Bild mittlerer Komplexität bereits so aufgenommen, dass es später wiedererkannt werden kann3 - in derselben Zeit schafft ein schneller Leser gerade einmal die ersten 10 Worte meines Einleitungssatzes4.

Der Grund dafür ist, dass das menschliche Gehirn Bilder im Gegensatz zu sprachlichen Informationen weitgehend automatisch und mit geringem gedanklichen Aufwand aufnehmen und verarbeiten kann5. Da sie auch wesentlich besser behalten und erinnert werden6, verknüpfen auch Gedächtnissportler Informationen mit Bildern. Fotos sind wegen ihres Detailreichtums dabei regelmäßig einprägsamer als Zeichnungen; am besten werden aber bewegte Bilder, also Filme behalten7.

Auf diesen Erkenntnissen basieren die modernen Marketingstrategien der Werbeindustrie, die uns mit Bildern nur so überflutet. Daneben macht sich auch der Fernseh- und Bildjournalismus dieses Wissen tagtäglich zunutze - und natürlich kommt der Name BILD-Zeitung auch nicht von ungefähr; Axel Springer wollte „die gedruckte Antwort auf das Fernsehen“ sein8. Aber auch im privaten ← 19 | 20 → Sektor haben vor allem die „Smartphones“9, die „Immer-dabei-Kameras unserer Zeit“10 einen unvergleichlichen Bilderrausch ausgelöst. Experten gehen aktuell davon aus, dass in Deutschland pro Sekunde 2000 Fotos geschossen werden11; in der Ferienzeit sind es noch mehr, durchschnittlich nimmt jeder Einzelne im Urlaub mindestens 500 Bilder auf12. Ferner werden Privatfotos heute auch nicht mehr bloß ins Fotoalbum geklebt – sie werden zum großen Teil mit der Internetgemeinde in sozialen Medien geteilt. Der Internet-Riese facebook13 gab 2012 bekannt, dass Nutzer täglich 300 Millionen neue Fotos auf seine Plattform hochladen14, Instagram15 zählt aktuell durchschnittlich 60 Millionen neu hochgeladene Bilder pro Tag16, und bei YouTube17 wird nach eigenen Angaben pro Stunde 100 Minuten Videomaterial eingestellt18 - um nur einige Zahlen zu nennen.

Das Interesse an der Herstellung und Verbreitung von Abbildern der Wirklichkeit ist also vielfältig, es kann kommerzieller, künstlerischer, oder auch rein privater Natur sein. Dabei kann es auch in Konflikt mit anderen schützenswerten ← 20 | 21 → Belangen geraten; handelt es sich um Objektabbildungen, allem voran mit dem Urheberrecht. Denn das Urheberrechtsgesetz19 gewährt dem Schöpfer eines urheberrechtlichen Werks i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG das ausschließliche Recht daran; gem. §§ 15 ff. UrhG unterliegt jede Werknutzung der Zustimmung des Urhebers. Erst, wenn das Werk gem. § 64 UrhG 70 Jahre post mortem auctoris gemeinfrei wird, darf es zustimmungsfrei genutzt werden.

Da das Urheberrecht aber auch der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG unterliegt, schränken zahlreiche Schrankenbestimmungen in den §§ 44a ff. UrhG das Ausschließlichkeitsrecht des Schöpfers im überwiegenden öffentlichen Interesse ein20. Zu ihnen gehört die Panoramafreiheit gem. § 59 UrhG, die bestimmt: „Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.“ Sie ist das Ergebnis eines dezidierten gesetzlichen Interessenausgleichs zwischen den Interessen des Urhebers und denen der Nutzer und der Allgemeinheit; im Fall dauerhaft öffentlich errichteter Werke hat der Gesetzgeber den Nutzungsinteressen der Allgemeinheit Vorrang von dem Monopolinteresse des Urhebers gewährt. Die Panoramafreiheit gewährleistet somit die künstlerische, private und auch berufliche freie Entfaltung im öffentlichen Raum21 und ist auch von großer Bedeutung für praktisch jeden Medienbereich, von Presse und Rundfunk über Filmwirtschaft bis hin zu Bildagenturen und Verlagen, insbesondere Kalender-, Sachbuch-, Kunst- und Bildbandverlagen22, die auch zur Meinungsbildung der Allgemeinheit beitragen.

In der jüngsten Vergangenheit brachte nun der BGH diesen Interessenausgleich ins Wanken. In den viel beachteten Parallelurteilen „Preußische Schlösser und Gärten“ vom 17. Dezember 201023 entschied der BGH, dass das ausschließliche Recht zur gewerblichen Anfertigung und Verwertung von Fotografien und Filmen von Bauwerken und Gartenanlagen dem Grundstückseigentümer zusteht, soweit ← 21 | 22 → sein Grundstück zur Herstellung der Abbilder betreten wird24. Der BGH möchte damit kein „Recht am Bild der eigenen Sache“ schaffen; zu einem ausschließlichen Recht werde diese Befugnis nach Ansicht des V. Zivilsenats nur, wenn „Lage und Nutzung seines Grundstücks rein tatsächlich dazu führen, dass verwertungsfähige Bilder nur von seinem eigenen Grundstück, nicht von öffentlichen Plätzen oder anderen Grundstücken aus angefertigt werden können“25. Damit festigte der BGH seine im Jahre 1974 mit der Entscheidung „Schloss Tegel“ begonnene Rechtsprechungslinie26 endgültig. Bereits darin stellte er fest, dass es zum „natürlichen Vorrecht“ des Eigentümers gehöre, den gewerblichen Nutzen aus seinem nur gegen Entgelt zugänglichen Eigentum zu ziehen27. Mit der neuen Entscheidung geht er aber noch weiter: Zum einen stellt er nun auch bereits das Anfertigen von Foto- und Filmaufnahmen zu gewerblichen Zwecken vom eigenen Grundstück aus unter Eigentumsschutz, und zum anderen wurde dem Eigentümer erstmals das ausschließliche Recht an Abbildern, die von seinem öffentlich-zugänglichen Grundstück aus angefertigt wurden, zugesprochen, denn die Parkanlagen der Klägerin, der öffentlich-rechtlichen Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, sind entsprechend ihrer Zweckbestimmung der Allgemeinheit frei zugänglich28.

Wie bereits die Entscheidung „Schloss Tegel“, ist auch das neue BGH-Urteil auf breite Kritik in der rechtswissenschaftlichen Literatur gestoßen. Stieper ist der Ansicht, der V. Zivilsenat kreiere ein neues Immaterialgüterrecht29, „der BGH hat ohne tiefergehende sachliche Begründung an der Schraube der Propertisierung gedreht“, meint Dreier30 und Schack findet, die Entscheidung sei ein Fehlurteil, das einen erheblichen Flurschaden angerichtet habe31.

← 22 | 23 → Aber auch über die Rechtwissenschaft hinaus hat das neue Urteil weite Wellen geschlagen. „Der Schlösserstiftung (…) scheint es um das Überbrücken knapper Kassen zu gehen, freilich auf dem Rücken von Bildjournalisten“ schreibt die FAZ unter dem Titel „Du sollst dir kein Bildnis machen“32, der Deutsche Journalistenverband (DJV) nahm die Entscheidung zum Anlass, den online-Appell „Pro-Panoramafreiheit“ zu gründen33. Die Gewerkschaft verdi unterstützte schließlich gemeinsam mit der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju), dem DJV, dem Berufsverband Freelens deutscher Fotojournalisten und Berufsfotografen sowie dem Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Bildarchive (BVPA) sogar eine Verfassungsbeschwerde der beklagten Fotoagentur gegen das 2. Parallelurteil, die mit Beschluss vom 28. August 2014 aber nicht zur Entscheidung angenommen wurde34.

B.Forschungsfrage und Ziel der Arbeit

Die Bestätigung der Entscheidung durch das zweite Revisionsurteil vom 01. März 201335, der nicht abflauenden breiten Kritik zum Trotz, gibt Anlass zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit der Fragestellung, ob, über die konkrete Konstellation des Falles „Preußische Schlösser und Gärten“ hinaus, das Sacheigentum eine „Schranke der Panoramafreiheit“ darstellt.

Es gilt mithin die Frage zu beantworten, ob dem Sacheigentümer tatsächlich ein mit der Panoramafreiheit konfligierendes ausschließliches Recht zusteht, die äußere Ansicht seiner körperlichen Gegenstände zu vervielfältigen und (gewerblich36) zu verwerten37.

Die Debatte um den Fall „Preußische Schlösser und Gärten“ zeugt vor allem von den Unsicherheiten bezüglich der Grenze des sacheigentumsrechtlichen Schutzbereichs in der Rechtsanwendung. In Ermangelung einer allgemeingültigen ← 23 | 24 → abstrakten Definition tatsächlicher Nutzungshandlungen, die zum Zuweisungsgehalt des Sacheigentums gem. § 903 BGB zählen, herrscht Kasuistik anstelle von Rechtssicherheit. Gehört das Recht, die äußere Ansicht einer Sache zu vervielfältigen, noch zum Ausschließlichkeitsrecht des Sacheigentümers? Was ist mit der anschließenden Verwertung von Vervielfältigungsstücken? Kann es wirklich darauf ankommen, ob das Grundstück des Sacheigentümers zu Abbildungszwecken betreten wird? Was ist, wenn das Grundstückseigentum und das Sacheigentum am Vervielfältigungsobjekt auseinanderfallen? Verbietet vielleicht bereits die bloße Existenz des Urheberrechts „immaterielle Sacheigentumsrechte“? Was geschieht dann nach Ablauf der Schutzfrist? Und wie lassen sich immaterielle und materielle Rechte überhaupt voneinander abgrenzen?

Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht daher darin, zunächst den Wertungswiderspruch zwischen dem Eigentumsrecht des Sacheigentümers und der urheberrechtlichen Panoramafreiheit in der Rechtsanwendung aufzudecken und diesen, sowie die damit einhergehenden Rechtsunsicherheiten, sodann durch die Entwicklung einer abstrakten Definition von tatsächlichen Nutzungshandlungen, die zum Zuweisungsgehalt des Sacheigentumsrechts gem. § 903 Satz 1 BGB zählen, zu lösen.

Dabei wird sich zeigen, dass § 903 Satz 1 BGB dem Sacheigentümer nur solche tatsächlichen Nutzungshandlungen zuweist, deren Ausführung oder Folgen durch menschliche Sinne oder technische Hilfsmittel an der Sache wahrnehmbar sind. Die judikative Zuweisung von „Eigentumsrechten“ jenseits dieser Grenze ist verfassungswidrig, als das Grundgesetz gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausschließlich den parlamentarischen Gesetzgeber ermächtigt, Inhalt und Grenzen des Eigentums zu bestimmen.

C.Gang der Untersuchung

Da die Forschungsfrage nur unter Berücksichtigung der durch die Rechtsordnung anerkannten Trennung zwischen Sacheigentum und Urheberrecht einer Lösung zugeführt werden kann, ist zuerst die Bedeutung und Tragweite der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen dem Urheberrecht am Werk und dem Sacheigentum am Werkstück darzustellen (Teil 1).

Sodann ist eine umfassende Analyse der Entwicklung, der Gewährleistung und der Bedeutung der Panoramafreiheit gem. § 59 UrhG vorzunehmen, um herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen das Sacheigentumsrecht überhaupt in Konflikt mit ihr geraten kann (Teil 2).

← 24 | 25 → Auf Grundlage der zuvor gewonnen Ergebnisse kann sodann überprüft werden, ob § 903 Satz 1 BGB dem Sacheigentümer unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich ein mit der Panoramafreiheit konfligierendes Vervielfältigungs- und Verwertungsrecht an der äußeren Ansicht seiner Eigentumsobjekte zuweist. Dafür wird nach einer umfassenden Analyse der Rechtsprechungs- und Literaturansicht eine eigene Definition tatsächlicher Nutzungshandlungen i. S. d. § 903 Satz 1 BGB entwickelt, aus der sich die Forschungsfrage beantworten lässt. Schließlich werden die daraus resultierenden Konsequenzen, insbesondere für die BGH-Rechtsprechung, dargestellt (Teil 3).

Abschließend werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit noch einmal zusammengefasst und die dem Eigentümer nach hier vertretener Ansicht tatsächlich zustehenden Abwehrrechte gegen die Vervielfältigung und Verwertung des Erscheinungsbildes seiner Sache durch Dritte aufgezeigt (Teil 4).← 25 | 26 →

_________

1 Schwaiger/ Meyer, Theorien und Methoden, S. 341.

2 Kroeber-Riel, Bildkommunikation, S. 53.

3 Kroeber-Riel, Bildkommunikation, S. 53.

4 In ein bis zwei Sekunden kann ein Mensch je nach Lesegeschwindigkeit fünf bis zehn Worte aufnehmen, s. Kroeber-Riel, Bildkommunikation, S. 53.

5 Kroeber-Riel, Bildkommunikation, S. 54.

6 Kroeber-Riel, Bildkommunikation, S. 73 ff.

7 Kroeber-Riel, Bildkommunikation, S. 76.

8 Die erste Ausgabe vom 24. Juni 1952 bestand somit auch lediglich aus vier Seiten von denen zwei fast ausschließlich aktuelle Fotos des Weltgeschehens zeigten, s. Jacobi, https://web.archive.org/web/20070202053709/http://www.axelspringer.de/inhalte/pressese/inhalte/fotolounge/texte_bild/jacobi.htm (12.12.2014).

9 Moderne Mobiltelefone mit Computerfunktionen, die auch über integrierte hochauflösende Foto- und Videokameras verfügen.

10 Vgl. Photoindustrie-Verband e. V., http://www.photoindustrie-verband.de/_files/data/presse/213/Foto-und-Imagingmarkt-2014-in-Deutschland-auf-stabilem-Niveau-mit-erwarteten-20-Milliarden-Euro-Umsatz.pdf (12.12.2014); vgl. ausführlich zur Geschichte der Foto- und Filmtechnik Teil 3 C. III. 2. d) aa).

11 Photoindustrie-Verband e. V., http://www.photoindustrie-verband.de/artikel/175-Jahre-Fotografie-Jubilaeum (12.12.2014); das sind im Übrigen doppelt so viele wie noch 2009, vgl. dazu Castendyk/ Silies/ Silies, FotoR, Rn. 62.

12 Photoindustrie-Verband e. V., http://www.press1.de/wrapper.cgi/www.press1.de/files/km_kmpk1337_1347452998.pdf (12.12.2014).

13 facebook ist das mit Abstand am meisten genutzte soziale Netzwerk in Deutschland; laut einer Studie der BITKOM (Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.) verwenden 56% der Internetnutzer „facebook“, vgl. BITKOM, http://www.bitkom.org/files/documents/SozialeNetzwerke_2013.pdf, S. 11 (Abrufdatum: 12.12.2014).

14 Constine, http://techcrunch.com/2012/08/22/how-big-is-facebooks-data-2-5-billion-pieces-of-content-and-500-terabytes-ingested-every-day/ (12.12.2014).

15 Instagram ist eine kostenlose Software für Smartphones und Tablet-Computer, die es dem Nutzer ermöglicht, Fotos und Videos aufzunehmen, diese zu bearbeiten und schließlich über soziale Netzwerke anderen zugänglich zu machen, vgl. http://instagram.com/# (12.12.2014).

Details

Seiten
246
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653059120
ISBN (ePUB)
9783653965629
ISBN (MOBI)
9783653965612
ISBN (Hardcover)
9783631663950
DOI
10.3726/978-3-653-05912-0
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Juli)
Schlagworte
Sacheigentumsrecht Werkstück Urheberrecht
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 246 S.

Biographische Angaben

Theresa Uhlenhut (Autor:in)

Theresa Uhlenhut studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie nach Ablegung ihrer ersten juristischen Prüfung im Jahre 2012 auch promovierte. Derzeit ist sie als Referendarin am Kammergericht Berlin tätig.

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Titel: Panoramafreiheit und Eigentumsrecht
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