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Mobilitätspartnerschaften und zirkuläre Migration zwischen der EU und Afrika

Politische und rechtliche Rahmenbedingungen

von Cornelia Heinzmann (Autor:in)
©2015 Dissertation 268 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch stellt das von der EU entwickelte multilaterale Instrument der Mobilitätspartnerschaft auf den Prüfstand. Der Migrationsdrang afrikanischer Arbeitsmigranten ist groß. Viele riskieren ihr Leben, um nach Europa zu gelangen. Die Mobilitätspartnerschaft, welche in Zusammenarbeit mit afrikanischen Herkunftsländern zirkuläre Migration mit Maßnahmen gegen irreguläre Migration und positiven Entwicklungseffekten verknüpfen will, verspricht hier eine gewisse Öffnung. Aufgrund kompetenzrechtlicher Schranken der EU sowie dem strikten Beharren auf einer Sine-qua-non-Politik, die legale Migration vom Abschluss von Rückübernahmeabkommen abhängig macht, muss das Konzept aber als gescheitert betrachtet werden. Seine konstruktiven Elemente sollten im Rahmen der «neuen Generation» bilateraler Migrationsabkommen mit Afrika aufgegriffen und weiterentwickelt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Kapitel I: Arbeitsmigration aus Afrika
  • A. Arbeitsmigration weltweit: ein Überblick
  • B. Arbeitsmigration innerhalb Afrikas
  • C. Arbeitsmigration aus Afrika in die Europäische Union
  • 1. Reguläre Migration
  • a) Allgemeine Zahlen
  • b) Zuwanderung aus den Maghreb-Staaten Nordafrikas
  • c) Zuwanderung aus Subsahara-Afrika
  • 2. Irreguläre Migration
  • a) Umfang und Charakteristik
  • b) Das Phänomen der afrikanischen „Bootsflüchtlinge“
  • D. Migrationsmotive
  • E. Rückkehrmigration
  • F. Internationale Migration aus afrikanischer Perspektive
  • Kapitel II: Interne Dimension der EU-Arbeitsmigrationspolitik
  • A. Regelungskompetenzen der Europäischen Union
  • 1. Zusammenarbeit der Gemeinschaft vor Amsterdam
  • 2. Übertragung weitreichender Befugnisse durch den Amsterdamer Vertrag
  • a) Kompetenznorm
  • b) Kompetenzstreit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten
  • 3. Regelungskompetenzen nach dem Vertrag von Lissabon
  • B. Entwicklung einer gemeinsamen EU-Arbeitsmigrationspolitik
  • 1. Fehlender politischer Wille bei den Mitgliedstaaten
  • a) Politische Vorgaben durch das Tampere-Programm
  • b) Vorstöße der Kommission zur Harmonisierung der Wirtschaftsmigration
  • c) Ablehnung der Kommissionsvorschläge durch die Mitgliedstaaten
  • 2. Erste Schritte hin zu einer gemeinsamen Arbeitsmigrationspolitik
  • a) Politische Vorgaben durch das Haager Programm
  • b) Strategischer Plan zur legalen Zuwanderung
  • 3. Abkehr von der Hypothese der Nullzuwanderung
  • a) Europäischer Pakt zu Einwanderung und Asyl
  • b) Politische Vorgaben durch das Stockholmer Programm
  • C. Interne Regelungsinstrumente der Arbeitsmigration
  • 1. Zuwanderung von Hochqualifizierten
  • a) Richtlinienziele, Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen
  • b) Berücksichtigung entwicklungspolitischer Aspekte
  • 2. Zuwanderung von Saisonarbeitnehmern
  • a) Richtlinienziele, Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen
  • b) Berücksichtigung entwicklungspolitischer Aspekte
  • D. Zusammenfassende Betrachtung
  • Kapitel III: Externalisierung der EU-Migrationspolitik
  • A. Sicherheitspolitische Interessen als Motor der Externalisierung der EU-Migrationspolitik
  • 1. Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern
  • 2. Rückübernahmeabkommen als Conditio sine qua non für die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern
  • 3. Verlagerung des geographischen Schwerpunkts auf Subsahara-Afrika
  • 4. Gesamtansatz zur Migrationsfrage: Vorrangige Maßnahmen mit Schwerpunkt Afrika und Mittelmeerraum
  • B. Einbeziehung der Wirtschaftsmigration in die externe Dimension der EU-Migrationspolitik
  • 1. Die deutsch-französische Initiative
  • 2. Entwicklung des Konzepts der Mobilitätspartnerschaften im Rahmen des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage
  • 3. Europäischer Pakt zu Einwanderung und Asyl
  • C. Neuausrichtung nach dem Arabischen Frühling
  • 1. Verstärkung restriktiver Maßnahmen
  • a) Überwachung der Außengrenzen
  • b) EU-Rückübernahmepolitik
  • 2. Neuer Gesamtansatz für Migration und Mobilität
  • a) Die vier Säulen des GAMM
  • b) Geographische Ausrichtung des neuen Gesamtansatzes
  • c) Gemeinsame Agenda für Migration und Entwicklung (CAMM)
  • D. Zusammenfassende Betrachtung
  • Kapitel IV: Dialog und Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika in Migrationsfragen
  • A. Zusammenarbeit auf kontinentaler Ebene
  • 1. Rechtlicher Rahmen: Das Cotonou-Abkommen
  • 2. Die EU-Strategie für Afrika
  • 3. Erklärung von Tripolis zu Migration und Entwicklung
  • 4. Afrika-EU-Partnerschaft für Migration, Mobilität und Beschäftigung
  • B. Zusammenarbeit auf regionaler Ebene
  • 1. Der Rabat-Prozess
  • 2. Gemeinsame afrikanische Erklärung zu Migration und Entwicklung
  • 3. Zusammenarbeit zwischen der EU und ECOWAS
  • C. Zusammenfassende Betrachtung
  • Kapitel V: Mobilitätspartnerschaften als Instrument zur Regelung der Arbeitsmigration aus Afrika
  • A. Inhalt von Mobilitätspartnerschaften
  • B. Rechtliche Rahmenbedingungen für den Abschluss von Mobilitätspartnerschaften
  • 1. Vertragsschlusskompetenzen der Europäische Union
  • 2. Rechtsnatur der Mobilitätspartnerschaft
  • a) Die zwei Ebenen der Mobilitätspartnerschaft
  • b) Die Mobilitätspartnerschaft als politischer Rahmen
  • c) Die im Rahmen der Mobilitätspartnerschaft eingebrachten Initiativen
  • C. Umsetzung des Konzepts der Mobilitätspartnerschaften
  • 1. Bestehende Mobilitätspartnerschaften
  • 2. Die Mobilitätspartnerschaft mit Kap Verde
  • a) Politischer Hintergrund und Interessen
  • b) Politische Erklärung zur Begründung der Mobilitätspartnerschaft
  • c) Im Rahmen der Mobilitätspartnerschaft eingebrachte Initiativen
  • d) Umsetzung der EU-Initiativen in den Bereichen Visa und Rückübernahme
  • e) Umsetzung der Initiativen im Bereich der Arbeitsmigration
  • 3. Die Mobilitätspartnerschaft mit Marokko
  • a) Politischer Hintergrund und Interessen
  • b) Politische Erklärung zur Begründung der Mobilitätspartnerschaft
  • c) Im Rahmen der Mobilitätspartnerschaft eingebrachte Initiativen
  • 4. Verhandlungen mit weiteren afrikanischen Staaten
  • a) Die Verhandlungen mit Senegal
  • b) Die Verhandlungen mit Ghana
  • D. Mobilitätspartnerschaften und bilaterale Migrationsabkommen
  • 1. Die „neue Generation“ bilateraler Migrationsabkommen
  • 2. Frankreichs Politik der « gestion concerteé des flux migratoires »
  • 3. Die bilateralen Migrationsabkommen Spaniens mit Afrika
  • E. Zusammenfassende Betrachtung
  • Kapitel VI: Zirkuläre Migration: politisches Konzept und rechtlicher Rahmen
  • A. Das EU-Konzept der zirkulären Migration
  • 1. Die unterschiedlichen Zielrichtungen des Konzepts
  • a) Entwicklungspolitischer Ansatz
  • b) Arbeitsmarktpolitischer Ansatz
  • c) Sicherheitspolitischer Ansatz
  • d) Zirkuläre Migration als Triple-Win-Situation
  • 2. Definitionen und Modelle zirkulärer Migration
  • a) Zirkuläre Migration in der migrationswissenschaftlichen und entwicklungspolitischen Diskussion
  • b) Definitionen und Modelle des EU-Konzepts
  • 3. Die Förderung zirkulärer Migration durch das Sekundärrecht
  • a) Die Saisonarbeitnehmerrichtlinie
  • b) Die Hochqualifiziertenrichtlinie
  • B. Die Rückkehr als zentraler Bestandteil des EU-Konzepts der zirkulären Migration
  • 1. Rechtliche Grenzen einwanderungspolitischer Gestaltungsfreiheit
  • 2. Menschenrechtliche Vorgaben durch die EuGRCH und die EMRK
  • a) Artikel 7 EuGRCH und Artikel 8 EMRK
  • b) Aufenthaltsrechtliche Relevanz des Grundrechts auf Achtung des Familienlebens
  • aa) Schutzbereich und Eingriff
  • bb) Rechtfertigung
  • c) Aufenthaltsrechtliche Relevanz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens
  • aa) Schutzbereich und Eingriff
  • bb) Rechtfertigung
  • 3. Aufenthaltsrechtlich relevante EU-Richtlinien
  • a) Familienbedingte Aufenthaltsrechte
  • b) Die Daueraufenthaltsrichtlinie
  • c) Sektorale Regelungen für Hochqualifizierte und Saisonarbeiter
  • C. Die sich aus dem befristeten (zirkulären) Aufenthalt ergebenden Rechte
  • 1. Arbeits- und sozialrechtliche Stellung zirkulärer Migranten
  • a) Die Rahmenrichtlinie
  • b) Die Saisonarbeitnehmerrichtlinie
  • 2. Befristete (zirkuläre) Migration und Familiennachzug
  • a) Menschenrechtliche Vorgaben durch die EuGRCH und die EMRK
  • b) EU-rechtliche Ansprüche auf Familiennachzug
  • D. Zusammenfassende Betrachtung
  • Resümee
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

Migration aus Afrika nach Europa beherrscht in regelmäßigen Abständen die Schlagzeilen. Zwar spielt die Süd-Nord-Wanderung, also die Migration von ärmeren außereuropäischen Regionen nach Europa, zahlenmäßig eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle, doch birgt gerade die Zuwanderung aus Afrika ein besonders hohes Maß an politischem wie gesellschaftlichem Zündstoff. Umfragen zufolge sehen die europäischen Bürgerinnen und Bürger das Thema Migration als eines ihrer Hauptprobleme an.1 Die dramatischen Ereignisse vor den Toren Europas im August 2005, als rund 4000 mehrheitlich aus Westafrika stammende Menschen versuchten, die Grenzzäune der spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu überwinden,2 haben die Migration von Afrika nach Europa erstmals in die Schlagzeilen und ganz oben auf die politische Agenda der Europäischen Union gebracht. Seitdem reißen Meldungen über afrikanische „Bootsflüchtlinge“, die den Versuch unternehmen, mit teilweise seeuntauglichen Booten nach Europa zu gelangen, nicht ab. Nach Schätzungen spanischer Behörden kommt jeder sechste Migrant bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, ums Leben.3 Die Dunkelziffer ist hoch. Vor dem Hintergrund der politischen Umwälzungen in Nordafrika Anfang 2011 ist die Zahl der Bootsmigranten nochmals angestiegen. Der Tod von über 300 afrikanischen Migrantinnen und Migranten, deren Boot Anfang Oktober 2013 vor der Küste Lampedusas gekentert ist, sorgte kurzzeitig für große Betroffenheit. Im August 2014 sank vor der Küste Libyens ein Boot mit mindestens 170 afrikanischen Migrantinnen und Migranten an Bord, von denen die Mehrzahl ertrunken ist.4 Im September 2014 kenterte ein Boot vor der libyschen Küste mit mehr als 200 Menschen aus verschiedenen afrikanischen Ländern an Bord, von denen mindestens 160 ertrunken sind.5 Diese nur beispielhafte Aufzählung ist ein ← 11 | 12 → trauriger Beweis dafür, dass die Problematik nicht an Aktualität verloren hat. Auch die seit den Ereignissen in 2005 streng überwachten Grenzzäune zwischen den spanischen Exklaven und Marokko, die um mehrere Meter erhöht worden sind, schrecken viele Migrantinnen und Migranten nicht ab. Die Anzahl der Menschen, die den riskanten Grenzübertritt wagen, hat in den letzten Monaten abermals neue Höhepunkte erreicht. So versuchten im Februar 2014 mehrere Hundert Afrikaner im marokkanischen Ceuta über die Grenze nach Europa zu gelangen. Auf der Flucht vor den spanischen Sicherheitskräften, die mit Gummigeschossen bewaffnet waren, sprangen mehrere Migranten ins Meer; die Zahl der Ertrunkenen wird auf mindestens 13 geschätzt.6 Wenige Tage später versuchten mehrere Hundert, mehrheitlich aus Kamerun stammende Migranten die Grenzanlage von Melilla zu überwinden, wobei rund 150 Menschen auf spanisches Hoheitsgebiet gelangten.7 Anfang März scheiterten erneut über 1.600 Migranten bei ihrem Versuch, die Grenzzäune von Ceuta zu überwinden.8

Die Situation an den südlichen Außengrenzen der Europäischen Union wirft dringende menschenrechtliche aber auch moralische Fragen über den Umgang mit Menschen auf, die ihr Leben riskieren, um nach Europa zu gelangen.9 Einen ersten Erfolg zum besseren Schutz der „Bootsflüchtlinge“ stellt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg vom Februar 2012 dar.10 Der Gerichtshof hat das Abfangen von afrikanischen Bootsmigranten auf hoher See und deren Rücktransport nach Libyen für menschenrechtswidrig erklärt. Im Oktober 2013 bekundete der Europäische Rat „seine tiefe Trauer angesichts der jüngsten tragischen Ereignisse im Mittelmeer, die Hunderte von Menschen das Leben gekostet haben“, und beschloss, Maßnahmen der Union zu verstärken, „damit derartige Tragödien sich nicht mehr wiederholen“.11 Auf der anderen Seite rufen diese Geschehnisse in der Bevölkerung aber auch Befürchtungen vor einem Massenzustrom afrikanischer „Armutsflüchtlinge“ ← 12 | 13 → hervor. Ängste, die nicht zuletzt durch Politik und Medien12 geschürt werden und das mit Vorurteilen behaftete Bild über den afrikanischen Kontinent verfestigen.13 Das auf diese Weise geförderte Bedrohungsszenario von Massenzuwanderungen aus Afrika, das zu Recht als „Mythos der Invasion“14 bezeichnet werden kann, steht nicht nur der Suche nach effektiven Lösungen entgegen. Dringend notwendig ist es auch deshalb, dieser irrigen Vorstellung entgegenzuwirken, da gerade Migrantinnen und Migranten aus Subsahara-Afrika einer massiven Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt sind.15

Zwischen einer Politik der Abschottung einerseits und der dringenden und berechtigten Forderung nach einer menschenwürdigeren Flüchtlingspolitik auf der anderen Seite,16 gerät die notwendige Debatte über die Schaffung legaler Einreisemöglichkeiten für afrikanische Arbeitsmigranten oftmals allzu sehr in den Hintergrund.17 Aus dem Blickfeld gerät dabei insbesondere die Vielschichtigkeit der Migration aus Afrika, die nicht auf das Phänomen „Lampedusa“ reduziert werden kann. Denn tatsächlich ist der Migrationsdrang gen Europa gerade in denjenigen Ländern Afrikas am größten, die in puncto politische Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und Armutsverringerung positive Ergebnisse zu verzeichnen haben. Die Europäische Union antwortet auf die Migration aus Afrika in erster Linie mit restriktiven Maßnahmen und einer Sicherung der Außengrenzen. Doch setzt sich langsam das Bewusstsein durch, dass Migration eine Realität ist, der nicht allein durch Abschottung entgegen getreten werden ← 13 | 14 → kann.18 Vieles spricht dafür, dass die Konflikte ohne eine Öffnung für legale Zuwanderung nicht abnehmen werden. Nicht zuletzt der demographische Faktor und ein akuter Arbeitskräftemangel lassen Europa über eine gesteuerte Zuwanderung nachdenken. Schließlich fließen seit einigen Jahren verstärkt entwicklungspolitische Aspekte in die Migrationsdebatte mit ein, da von einer positiven Wechselwirkung zwischen Migration und Entwicklung in den Herkunftsländern ausgegangen wird. Dabei ist die Haltung der meisten afrikanischen Herkunftsländer gegenüber der internationalen Migration ambivalent: Einerseits ist man sich des immensen Entwicklungspotentials durch die getätigten Auslandsüberweisungen bewusst. Andererseits wird ein großes Problem in der Abwanderung von Qualifizierten und Hochqualifizierten, dem sog. „Brain-Drain“, gesehen, von dem besonders stark der Gesundheitssektor betroffen ist.

Vor diesem Hintergrund steht die Europäische Union heute vor der Herausforderung, den Zuzug nach Europa und insbesondere die Wirtschaftsmigration neu zu organisieren. Die Frage sollte deshalb längst nicht mehr lauten, wie vermeiden wir Migration, sondern wie nutzen wir sie am gewinnbringendsten für alle Beteiligten.19 Die Europäische Union setzt im Bereich der Migration aus Afrika zunehmend auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern. So sieht der Europäische Pakt zu Einwanderung und Asyl in seinen Leitlinien die Gestaltung der legalen Migration im Rahmen von Abkommen mit den Herkunftsländern vor, welche Bestimmungen zu den Möglichkeiten der legalen Migration, zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und zur Rückübernahme sowie zur Entwicklung der Herkunfts- und der Transitländer verknüpfen sollen.20 Den großen Rahmen für die Steuerung der Wanderungsbewegungen aus Drittländern sollen sogenannte Mobilitätspakete bilden, die die von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union gebotenen Möglichkeiten miteinander verbinden.21 Die Kommission hat hierfür das externe Instrument der ← 14 | 15 → Mobilitätspartnerschaften entwickelt, in dessen Rahmen legale Migration – insbesondere in Form der zirkulären Migration – ermöglicht werden soll. Die EU-Konzepte der zirkulären Migration und der Mobilitätspartnerschaften nehmen für sich in Anspruch, eine Triple-Win-Situation für alle Beteiligten zu schaffen, die Migrantinnen und Migranten, die afrikanischen Herkunftsländer sowie die europäischen Zielländer.22 Doch sind die Vorbehalte gegen beide Konzepte groß. Befürworter einer restriktiven Arbeitsmigrationspolitik lehnen zirkuläre Migration schon deshalb ab, weil sie davon ausgehen und befürchten, dass Migranten aus afrikanischen Ländern, und insbesondere aus Subsahara-Afrika, nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren wollen, ist ihnen einmal die Einreise in die Europäische Union gelungen. Teilweise wird auf das angebliche Scheitern der früheren Gastarbeiterprogramme hingewiesen und den Umstand, dass viele Migranten auf Dauer geblieben sind, obwohl dies von den Aufnahmestaaten nicht erwünscht gewesen sei. Dieser Vergleich hinkt aber schon deshalb, weil die Rückkehr, anders als im Rahmen des neuen Konzepts der zirkulären Migration, nicht als zentraler Punkt der Migrationsvereinbarungen angesehen wurde. So wurde die von den Anwerbestaaten beabsichtigte Rückkehrpolitik aus politischen und wirtschaftlichen Gründen ohnehin nicht mit Nachdruck verfolgt.23 Während die Europäische Union die Rückkehr mithin als essentiellen Bestandteil des Konzepts der zirkulären Migration betrachtet,24 stößt gerade der (zwingend) befristete Charakter von zirkulärer Migration auf vielfache Kritik. Diese wird sozialethisch damit begründet, dass Arbeitsmigranten auf ihre Arbeitskraft reduziert würden, wenn sie im Zielland in ihren jungen und leistungsfähigen Lebensjahren ihren Beitrag zum Aufbau des Gemeinwesens erbrächten, die Gesellschaft ihrerseits aber der zunehmenden Verbundenheit der Arbeitsmigranten nicht durch das Angebot von Integration und Einbürgerung entsprechen würde.25 In der christlichen Sozialethik wird das Rotationsprinzip aus eben diesen ← 15 | 16 → Gründen eindeutig abgelehnt, da es den menschlichen Bedürfnissen nicht gerecht werde, den Aufenthalt bewusst zu begrenzen, um ein „heimisch werden” in Europa zu unterbinden.26 Darüber hinaus fänden die Belange und Rechte der Migrantinnen und Migranten keine ausreichende Berücksichtigung.27 Aufgrund des temporären und selektiven Charakters von Migrationsvereinbarungen wird gar von einem „Management der Entrechtung“ gesprochen.28

Handelt es sich bei der Mobilitätspartnerschaft also um ein Instrument, das unter dem Deckmantel der Partnerschaft einseitig die Sicherheitsinteressen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten verfolgt, in Bezug auf die Belange der Migrantinnen und Migranten selbst aber eher eine „Insecurity Partnership29 darstellt? Oder könnte mit dem Instrument nicht etwa die Chance verbunden sein, afrikanischen Arbeitsmigranten legale und somit auch menschengerechtere Zugangsmöglichkeiten zum europäischen Arbeitsmarkt zu verschaffen? Ausgehend von der These, dass aufgrund des starken Migrationsdrangs ein Regelungsbedürfnis in Bezug auf die Arbeitsmigration aus Afrika besteht, wird im Folgenden die Frage untersucht, ob die von der Europäischen Union konzipierten Mobilitätspartnerschaften in Verbindung mit dem Konzept der zirkulären Migration geeignet sind, legale Wege der Arbeitsmigration aus Afrika nach Europa zu eröffnen und – im Sinne einer Triple-Win-Lösung – effektiv zu steuern. Gegenstand der Untersuchung sind politische und rechtliche Faktoren, die auf die erfolgreiche Umsetzung von Mobilitätspartnerschaften mit afrikanischen Ländern Einfluss nehmen. ← 16 | 17 →

                                                   

1      Mitteilung der Kommission vom 5.12.2007, KOM (2007) 780, „Schritte zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik“, S. 2.

2      Etwa 2000 Menschen gelang die Einreise auf spanisches Territorium, hunderte von Migranten trugen Verletzungen davon; 14 Menschen kamen ums Leben. Vgl. Newsletter „Migration und Bevölkerung“, Ausgabe 9/2005, http://www.migration-info.de/archiv/ausgaben.

3      Vgl. Newsletter „ Migration und Bevölkerung, „EU: Illegale Migration per Boot hält an“, Ausgabe 1/2007, ebenda.

4      Spiegel Online vom 15.9.2014, http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fluechtlingsdrama-dutzende-fluechtlinge-sterben-vor-kueste-libyens-a-991623.html.

5      Ebenda.

6      Spiegel Online vom 7.2.2014, http://www.spiegel.de/politik/ausland/zahl-der-todeso pfer-nach-massenansturm-steigt-auf-13-a-952156.html.

7      Spiegel Online vom 17.2.2014, http://www.spiegel.de/politik/ausland/melilla-30-000-fluechtlinge-wollen-ueber-spanische-exklave-in-die-eu-a-954012.html.

8      Spiegel Online vom 4.3.2014, http://www.spiegel.de/politik/ausland/tausende-fluechtlinge-scheitern-mit-ansturm-auf-ceuta-a-956937.html.

9      Vgl. etwa das Positionspapier „Menschenrechte auf Hoher See“ der AG Innen des Forum Menschenrechte, 2008, abrufbar unter http://www.forum-menschenrechte.de/1/publikationen/.

10    EGMR, Hirsi Jamaa and others/Italy, Urteil vom 23.2.2012, Nr. 27765/09.

11    Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24./25.10.2013, S. 1.

12    Beispielhaft für viele andere der Artikel „Sturm auf Europa“ in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.10.2005, in dem u. a. von „Vorboten der Völkerwanderung“ gesprochen wird.

13    Vgl. zur „Macht der Worte“ den in diesem Zusammenhang erschienen Artikel in der Wochenzeitung Freitag vom 10.10.2013: „Das Unglück der Sprache“ von Felix Werdermann.

14    Hein de Haas, The Myth of Invasion: The inconvenient realities of African migration to Europe, Third World Quarterly 2008, 29 (7), S. 1305–1322.

15    Hein de Haas, Länderprofil Marokko, Februar 2009, S. 6, http://www.focus-migration.de/.

16    Vgl. etwa der aktuelle Beitrag von Walter Frenz, EU-Recht gegen das Flüchtlingselend – Einordnungen und Folgerungen aus Lampedusa, in: ZAR 1/2014, S. 1–5.

17    Eine seltene Ausnahme in der öffentlichen Debatte macht der Artikel von Stefan Kaiser, „Katastrophe vor Lampedusa: Befristete Arbeitsvisa können Flüchtlingsproblem lindern“ aus: Spiegel-Online vom 9.10.2013, wenngleich schon der Titel eine falsche Verknüpfung von Flüchtlingsfragen und der Regelung von Arbeitsmigration herstellt, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lampedusa-arbeitsvisa-koennten-das-fluechtlingsproblem-mildern-a-926718.html.

18    Der Europäische Pakt zu Einwanderung und Asyl vom 24.9.2008 anerkennt internationale Migration als eine Realität, die entscheidend zum wirtschaftlichen Wachstum der Europäischen Union beitragen kann; im Übrigen sei „die Hypothese einer Nullzuwanderung unrealistisch und gefährlich zugleich“.

19    Rita Süssmuth, Migration und Integration: Testfall für unsere Gesellschaft, 2006, S. 17. Die Autorin war Mitglied der Weltkommission für Migration, die 2005 ihren Bericht UNO-Generalsekretär Kofi Annan übergab.

20    Europäischer Pakt zu Einwanderung und Asyl vom 24.9.2008.

Details

Seiten
268
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653057829
ISBN (ePUB)
9783653963762
ISBN (MOBI)
9783653963755
ISBN (Paperback)
9783631665107
DOI
10.3726/978-3-653-05782-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (August)
Schlagworte
Migration aus Afrika Europäisches Migrationsrecht Rückübernahmabkommen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 268 S., 1 farb. Abb.

Biographische Angaben

Cornelia Heinzmann (Autor:in)

Cornelia Heinzmann studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg und promovierte an der Universität Osnabrück. Sie ist als Rechtsanwältin im Ausländer- und Asylrecht tätig.

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