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Parteiwechsel im Schiedsverfahren

von Ilona Respondek (Autor:in)
©2016 Dissertation 196 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin untersucht den Parteiwechsel im Schiedsverfahren, der im deutschen Schiedsverfahrensrecht nicht geregelt ist. Anhand gesetzlicher Vorschriften und allgemeiner Rechtsgrundsätze leitet sie die Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Regeln für die Durchführung des Parteiwechsels her. Behandelt werden der Parteiwechsel aufgrund des Todes einer Partei bzw. einer sonstigen Gesamtrechtsnachfolge auf Parteiseite, der allgemeine gewillkürte Parteiwechsel und der Parteiwechsel bei Veräußerung oder Abtretung der Streitsache.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • § 1. Einleitung
  • I. Einführung in das Thema
  • II. Konkretisierung der Untersuchung
  • Erster Teil Grundlagen
  • § 2. Überblick über die private Schiedsgerichtsbarkeit
  • I. Rechtliche Einordnung der privaten Schiedsgerichtsbarkeit
  • II. Anwendbarkeit des deutschen Schiedsverfahrensrechts
  • III. Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht
  • IV. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit
  • V. Durchführung des Schiedsverfahrens
  • 1. Ad-hoc-Schiedsverfahren und administriertes Schiedsverfahren
  • 2. Beginn des Schiedsverfahrens
  • 3. Durchführungsregelungen und anwendbares materielles Recht
  • 4. Beendigung des Schiedsverfahrens und Kontrolle des Schiedsspruchs
  • § 3. Die besonderen rechtlichen Beziehungen der Beteiligten im Schiedsverfahren
  • I. Schiedsvereinbarung und Verfahrensvereinbarungen
  • II. Rechtliche Beziehung zu den Schiedsrichtern
  • 1. Prozessuales Amt und Innenverhältnis
  • 2. Der Schiedsrichtervertrag im Einzelnen
  • a. Vertragstypus und anwendbare Vorschriften
  • b. Inhalt des Schiedsrichtervertrags
  • c. Abschluss der Schiedsrichterverträge
  • d. Beendigung der Schiedsrichterverträge
  • III. Besonderheiten im administrierten Schiedsverfahren
  • § 4. Überblick über die verschiedenen Arten des Parteiwechsels im staatlichen Zivilverfahren
  • I. Parteiwechsel kraft Gesetzes
  • II. Gesetzlich geregelter gewillkürter Parteiwechsel
  • III. Allgemeiner gewillkürter Parteiwechsel
  • 1. Ansicht der Rechtsprechung
  • 2. Ansichten in der Literatur
  • Zweiter Teil Parteiwechsel kraft Gesetzes bei Gesamtrechtsnachfolge
  • § 5. Eintritt und Folgen des Parteiwechsels
  • I. Eintritt des Rechtsnachfolgers in das Schiedsverfahren
  • II. Vorliegen der Prozessvoraussetzungen nach dem Parteiwechsel
  • 1. Fortdauernde Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • a. Perpetuatio fori im Schiedsverfahren?
  • b. Neue Beurteilung der Zuständigkeit nach Parteiwechsel
  • aa. Rechtsnachfolge in die Schiedsvereinbarung
  • bb. Neuabschluss einer Schiedsvereinbarung
  • cc. Rügelose Einlassung
  • c. Prüfung der Zuständigkeit durch das Schiedsgericht
  • d. Konsequenzen bei fehlender Zuständigkeit
  • aa. Beendigung des Verfahrens
  • bb. Kostenentscheidung
  • 2. Ordnungsgemäße Besetzung des Schiedsgerichts und Fortbestehen der Schiedsrichterämter
  • 3. Parteibezogene Prozessvoraussetzungen
  • III. Fortsetzung des Verfahrens mit dem Rechtsnachfolger
  • 1. Bindung der Parteien an die erreichte Prozesslage
  • 2. Geltendmachung eigener Gegenrechte der neuen Partei
  • 3. Konsequenzen einer Erledigung der Hauptsache durch die Rechtsnachfolge
  • § 6. Durchführung des Parteiwechsels
  • I. Aussetzung und Wiederaufnahme des Schiedsverfahrens
  • II. Säumnis nach dem Parteiwechsel
  • 1. Säumnis im Schiedsverfahren im Allgemeinen
  • 2. Säumnis des Rechtsnachfolgers nach Aussetzung des Schiedsverfahrens
  • 3. Säumnis bei nicht ausgesetztem Schiedsverfahren
  • III. Besonderheit bei mehreren Erben
  • 1. Erfordernis der Einzelprozessführungsbefugnis
  • 2. Konsequenzen fehlender Einzelprozessführungsbefugnis
  • IV. Prüfung der Rechtsnachfolge
  • 1. Streitige Rechtsnachfolge
  • 2. Unstreitige Rechtsnachfolge
  • V. Erneute Überprüfung der Unbefangenheit der Schiedsrichter
  • 1. Offenbarungspflicht der Schiedsrichter
  • 2. Ablehnung eines Schiedsrichters wegen Besorgnis der Befangenheit
  • VI. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • § 7. Verpflichtung der Schiedsrichter zur Fortsetzung des Verfahrens
  • I. Im Zweifel kein Erlöschen der Schiedsrichterverträge
  • II. Erlöschen der Schiedsrichterverträge im Ausnahmefall
  • 1. Bestellung von Ersatzschiedsrichtern
  • 2. Abschluss neuer Schiedsrichterverträge
  • a. Fortbestand der Vollmachten nach erstmaligem Gebrauch
  • b. Fortbestand der Vollmachten nach Rechtsnachfolge
  • III. Besonderheiten in administrierten Schiedsverfahren
  • Dritter Teil Allgemeiner gewillkürter Parteiwechsel im Schiedsverfahren
  • § 8. Zulässigkeit des gewillkürten Parteiwechsels
  • I. Anerkennung eines allgemeinen gewillkürten Parteiwechsels
  • II. Anwendbare Vorschriften
  • III. Voraussetzungen des gewillkürten Parteiwechsels
  • 1. Zustimmung der Parteien
  • a. Beklagtenwechsel
  • aa. Zustimmung des Klägers
  • bb. Zustimmung des bisherigen Beklagten
  • (1) Vergleichbarkeit mit der Klagerücknahme i.S.v. § 1056 Abs. 2 Nr. 1 lit. b ZPO
  • (2) Ermittlung des berechtigten Interesses
  • (a) Keine Maßgeblichkeit des Zeitpunkts
  • (b) Keine Maßgeblichkeit des Kosteninteresses
  • (c) Maßgeblichkeit von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden
  • cc. Zustimmung des neuen Beklagten
  • b. Klägerwechsel
  • aa. Zustimmung des bisherigen Klägers
  • bb. Zustimmung des neuen Klägers
  • cc. Zustimmung des Beklagten
  • (1) Hinsichtlich des Ausscheidens des bisherigen Klägers
  • (2) Hinsichtlich des Eintritts des neuen Klägers
  • 2. Zustimmung der Schiedsrichter
  • 3. Mögliche objektive Zulässigkeitsvoraussetzungen
  • a. Bindung der neuen Partei an die Schiedsvereinbarung
  • b. Erforderlichkeit der (Teil-) Identität des Streitgegenstandes
  • c. Voraussetzungen der objektiven Klageänderung
  • IV. Einschränkung aufgrund der Vertraulichkeit im Schiedsverfahren
  • 1. Rechtsgrundlagen und Umfang der Vertraulichkeit im Schiedsverfahren
  • a. Nichtöffentlichkeit des Verfahrens
  • b. Geheimhaltungspflichten der Beteiligten
  • aa. Geheimhaltungspflicht der Schiedsrichter
  • bb. Geheimhaltungspflicht der Parteien
  • 2. Konsequenzen für den gewillkürten Parteiwechsel
  • V. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • § 9. Die Folgen des gewillkürten Parteiwechsels
  • I. Schiedshängigkeit der Klage der neuen bzw. gegen die neue Partei und deren Wirkungen
  • II. Prozessvoraussetzungen im Verhältnis zur neuen Partei
  • 1. Zuständigkeit des Schiedsgerichts
  • a. Zuständigkeit durch Bindung an die Schiedsvereinbarung
  • aa. Bindung als Vertragspartei der Schiedsvereinbarung
  • bb. Einbeziehung Dritter in die Schiedsvereinbarung
  • (1) Forderungsabtretung
  • (2) Schuldübernahme, Vertragsübernahme, Bürgschaft o.ä.
  • (3) Gesamtschuld
  • (4) Vertreter ohne Vertretungsmacht
  • (5) Drittwirkung in gesellschaftsrechtlichen Haftungsfällen
  • b. Abschluss einer Schiedsvereinbarung oder rügelose Einlassung
  • 2. Ordnungsgemäße Besetzung des Spruchkörpers und Fortbestehen der Schiedsrichterämter
  • a. Fortbestehen der Schiedsrichterämter
  • b. Problem der vorschriftswidrigen Besetzung nach dem Parteiwechsel
  • c. Voraussetzungen für eine vorschriftsmäßige Besetzung nach dem Parteiwechsel
  • aa. Unterwerfung unter ein ständiges Schiedsgericht
  • bb. Benennung der Schiedsrichter in der Schiedsvereinbarung
  • cc. Auswahl der Schiedsrichter durch Dritte
  • dd. Anderweitige Verbindlichkeit der Konstituierung des Schiedsgerichts für die neue Partei
  • ee. Nachträgliche Anerkennung des Spruchkörpers und rügelose Einlassung
  • 3. Parteibezogene Prozessvoraussetzungen
  • III. Bindung an die erreichte Prozesslage
  • 1. Dogmatische Konstruktion einer Bindung
  • 2. Meinungsstand im staatlichen Zivilverfahren
  • 3. Rechtfertigung einer Bindung
  • a. Spannungsfeld zwischen Prozessökonomie und rechtlichem Gehör der Parteien
  • b. Ausgleich zwischen Prozessökonomie und rechtlichem Gehör der Parteien
  • IV. Verfahrensregelungen bei Fortsetzung des Verfahrens
  • 1. Bindung der neuen Partei an Verfahrensvereinbarungen der bisherigen Parteien
  • 2. Verfahrensregelungen nach dem Parteiwechsel im Einzelnen
  • a. Verfahrensort
  • b. Verfahrenssprache
  • c. Verfahrensdurchführungsregeln
  • V. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • § 10. Durchführung des Parteiwechsels und Fortsetzung des Verfahrens
  • I. Parteiwechsel- und Zustimmungserklärungen
  • 1. Beklagtenwechsel
  • 2. Klägerwechsel
  • II. Entscheidung des Schiedsgerichts über die Zulässigkeit des Parteiwechsels
  • III. Fortsetzung des Verfahrens
  • IV. Überprüfung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach dem Parteiwechsel
  • V. Erneute Überprüfung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter
  • § 11. Vertragliches Innenverhältnis zwischen Schiedsrichtern und Parteien beim gewillkürten Parteiwechsel
  • I. Bisheriges vertragliches Innenverhältnis
  • II. Neues vertragliches Innenverhältnis
  • 1. Erforderlichkeit neuer Schiedsrichterverträge
  • 2. Abschluss neuer Schiedsrichterverträge
  • III. Besonderheiten in administrierten Schiedsverfahren
  • § 12. Kostenentscheidung nach einem gewillkürten Parteiwechsel
  • I. Allgemeine Grundsätze der Kostenentscheidung im Schiedsverfahren
  • 1. Die einzelnen Kosten des Schiedsverfahrens
  • 2. Verteilung der Kosten
  • 3. Festsetzung der Kosten
  • II. Besonderheiten beim gewillkürten Parteiwechsel
  • 1. Kostenentscheidung beim Beklagtenwechsel
  • a. Kostenentscheidung zwischen dem Kläger und dem bisherigen Beklagten
  • b. Kostenentscheidung zwischen dem Kläger und dem neuen Beklagten
  • 2. Kostenentscheidung beim Klägerwechsel
  • III. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • Vierter Teil Parteiwechsel nach Veräußerung oder Abtretung der Streitsache
  • § 13. Unmittelbare Folgen der Veräußerung oder Abtretung der Streitsache im Schiedsverfahren
  • I. Unmittelbare Folgen der Veräußerung oder Abtretung der Streitsache im staatlichen Zivilverfahren
  • II. Meinungsstand im Schiedsverfahren
  • III. Eingeschränkte analoge Anwendung von § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Schiedsverfahren
  • 1. Analoge Anwendung von Vorschriften zum staatlichen Zivilverfahren im Allgemeinen
  • 2. Vorliegen der Voraussetzungen für eine eingeschränkte analoge Anwendung von § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Schiedsverfahren
  • a. Regelungszweck von § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO
  • b. Vergleichbarkeit der Sachverhalte
  • c. Regelungslücke
  • d. Geltung des Schiedsspruchs gegenüber dem Rechtsnachfolger
  • aa. Meinungsstand
  • bb. Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Wortlauts in § 1055 ZPO
  • cc. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Grundlage für eine Rechtskrafterstreckung auf Dritte
  • dd. Eingeschränkte Anwendbarkeit des § 325 ZPO
  • (1) Verweis des § 1055 ZPO auf § 325 ZPO
  • (2) Einschränkungen
  • (a) Bindung des Rechtsnachfolgers an die Schiedsvereinbarung
  • (b) Keine sonstigen Einschränkungen
  • 3. Zwischenergebnis
  • IV. Anwendungsfälle von § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Schiedsverfahren
  • 1. Drittwirkung der Schiedsvereinbarung
  • a. Anwendbare Vorschriften
  • b. Drittwirkung der Schiedsvereinbarung bei den verschiedenen Erwerbstatbeständen
  • aa. Forderungsabtretung
  • bb. Sonstiger Forderungserwerb
  • cc. Erwerb dinglicher Rechte
  • dd. Besitzwechsel
  • 2. Nachträglicher Abschluss einer Schiedsvereinbarung
  • V. Fazit
  • 1. Bindung des Erwerbers an die Schiedsvereinbarung
  • 2. Fehlende Bindung des Erwerbers an die Schiedsvereinbarung
  • § 14. Besonderheiten beim gewillkürten Parteiwechsel gemäß § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO
  • I. Voraussetzungen des Parteiwechsels
  • 1. Zustimmung des Verfahrensgegners des Veräußerers
  • 2. Zustimmung des Veräußerers
  • 3. Zustimmung des Rechtsnachfolgers
  • 4. Keine Zustimmung der Schiedsrichter
  • 5. Besonderheiten gemäß § 266 ZPO
  • 6. Keine objektiven Zulässigkeitsvoraussetzungen
  • II. Folgen des gewillkürten Parteiwechsels
  • 1. Zulässigkeit der Schiedsklage
  • 2. Bindung an die erreichte Prozesslage
  • 3. Schiedsgerichtliche Entscheidung
  • III. Schiedsrichterverträge nach dem Parteiwechsel
  • IV. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • § 15. Zusammenfassung der Untersuchung
  • Literaturverzeichnis

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§ 1.  Einleitung

I.  Einführung in das Thema

Schiedsgerichte i.S.d. §§ 1025 ff. Zivilprozessordnung1 sind private Gerichte, die einen zivilrechtlichen Rechtsstreit anstelle von staatlichen Gerichten entscheiden. Während der Durchführung eines Schiedsverfahrens kann wie im staatlichen Zivilverfahren sowohl ein automatischer Parteiwechsel eintreten als auch ein gewillkürter Parteiwechsel notwendig oder sinnvoll werden, insbesondere wenn sich die Rechtslage durch Rechtsnachfolge ändert, wenn von vornherein von der „falschen“ oder gegen die „falsche“ Partei geklagt wurde oder wenn sich die Fortsetzung des Verfahrens mit einer anderen Partei aus sonstigen Gründen, etwa wegen Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit der verklagten Partei als zweckmäßig herausstellt. Anders als im staatlichen Zivilprozess, bei dem der Parteiwechsel durch Gesetz bzw. durch eine gefestigte Rechtsprechung Regelungen erfahren hat,2 fehlen Vorgaben für den Parteiwechsel im Schiedsverfahren. Die Regelungen zum staatlichen Zivilprozess können aufgrund der Unterschiede zwischen dem staatlichen Zivilverfahren und dem Schiedsverfahren nicht unbesehen übernommen werden:3 So ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auf vertraglicher Vereinbarung der Parteien (§ 1029 ZPO) oder seltener auf einer einseitigen Verfügung (§ 1066 ZPO) beruht. Des Weiteren unterliegt das Schiedsverfahren eigenen und vom staatlichen Zivilverfahren vielfach abweichenden Verfahrensvorschriften (§§ 1042 ff. ZPO). Zudem können die Schiedsparteien die Verfahrensdurchführung im Rahmen der zwingenden gesetzlichen Vorschriften selbst regeln und so ihren Bedürfnissen anpassen; bei fehlender gesetzlicher und vertraglicher Regelung steht die Verfahrensdurchführung im Ermessen des Schiedsgerichts (§ 1042 Abs. 3 und 4 ZPO). Darüber hinaus sind die Parteien eines Schiedsverfahrens anders als die Parteien eines staatlichen Zivilverfahrens durch Verträge mit den Schiedsrichtern und ggf. auch mit einer das Verfahren verwaltenden Schiedsorganisation verbunden.4 Bei der Untersuchung des Parteiwechsels im Schiedsverfahren müssen deswegen neben den prozessualen Besonderheiten eines Schiedsverfahrens auch die Vertragsverhältnisse zwischen den Beteiligten berücksichtigt werden. ← 17 | 18 →

II.  Konkretisierung der Untersuchung

Die vorliegende Untersuchung des Parteiwechsels im Schiedsverfahren orientiert sich an drei aus dem staatlichen Zivilverfahren bekannten wesentlichen Fällen eines Parteiwechsels: Es werden der Parteiwechsel aufgrund des Todes einer Partei bzw. aufgrund einer sonstigen Gesamtrechtsnachfolge auf Parteiseite, der allgemeine gewillkürte Parteiwechsel und der Parteiwechsel im Fall der Veräußerung bzw. Abtretung der Streitsache im Rahmen des Schiedsverfahrens untersucht. Untersuchungsgegenstand ist dabei das vertraglich vereinbarte Ad-hoc-Schiedsverfahren ohne Instanzenzug unter Zugrundelegung der Vorschriften des 10. Buches der ZPO (§§ 1025 ff. ZPO). In zeitlicher Hinsicht bezieht sich die Untersuchung auf das Schiedsverfahren im engeren Sinn. Darunter sind die Verfahrensabschnitte vor dem bereits konstituierten Schiedsgericht zu verstehen, und zwar von der Klageeinreichung i.S.v. § 1046 Abs. 1 Satz 1 ZPO an bis zum Erlass eines förmlichen Schiedsspruchs. Das Schiedsverfahren im weiteren Sinn beginnt hingegen bereits mit dem Antrag des Klägers an den Beklagten, den Rechtsstreit einem Schiedsgericht vorzulegen (§ 1044 ZPO), sowie der Konstituierung des Schiedsgerichts gemäß §§ 1034 ff. ZPO und endet mit dem sich an den Erlass eines Schiedsspruchs ggf. anschließenden Verfahren zur Vollstreckbarerklärung bzw. Aufhebung des Schiedsspruchs vor dem zuständigen staatlichen Gericht. Die Vorschriften hierüber spielen jedoch auch im Rahmen dieser Untersuchung eine Rolle. Denn das Schiedsgericht muss auch nach einem Parteiwechsel in Hinblick auf die neu eingetretene Partei ordnungsgemäß zusammengesetzt sein, und Verfahrensfehler, worunter auch ein unzulässiger oder fehlerhaft durchgeführter Parteiwechsel fällt, können zur Aufhebung des Schiedsspruchs im Rahmen des Vollstreckbarerklärungs- bzw. Aufhebungsverfahren führen.


1 Im Folgenden: ZPO.

2 Siehe hierzu unten § 4, S. 41 ff.

3 Siehe zu den wesentlichen Unterschieden unten, § 2, S. 21 ff.

4 Siehe zu den vertraglichen Beziehungen unten § 3, S. 29 ff.

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Erster Teil
Grundlagen

Das private Schiedsverfahren unterscheidet sich vielfach vom staatlichen Zivilverfahren, weswegen für die Durchführung des Schiedsverfahrens und damit auch für einen Parteiwechsel im Schiedsverfahren in erster Linie die besonderen gesetzlichen Vorschriften in den §§ 1025 ff. ZPO und die allgemeinen Grundsätze des Schiedsverfahrensrechts maßgeblich sind. Ferner sind die vertraglichen Verhältnisse zwischen den Beteiligten zu berücksichtigen, da sie durch den Austausch einer Partei ebenfalls betroffen sind. Da das Schiedsverfahren als geordnetes Verfahren zur Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten durch ein Gericht gleichwohl ein dem staatlichen Zivilverfahren verwandtes Verfahren ist, ist bei Lücken im Schiedsverfahrensrecht zu prüfen, ob und inwieweit trotz der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit auch eine entsprechende Anwendung gesetzlicher Vorschriften und allgemeiner Grundsätze aus dem staatlichen Zivilverfahren möglich ist.

Als Grundlage für die vorliegende Untersuchung sollen deswegen ein zusammenfassender Überblick über die private Schiedsgerichtsbarkeit (§ 2), eine Analyse der von einem Parteiwechsel betroffenen besonderen Rechtsbeziehungen im Schiedsverfahren (§ 3) und eine Skizzierung der im staatlichen Zivilverfahren bekannten Arten des Parteiwechsels (§ 4) dienen. ← 19 | 20 →

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§ 2.  Überblick über die private Schiedsgerichtsbarkeit

I.  Rechtliche Einordnung der privaten Schiedsgerichtsbarkeit

Private Schiedsgerichte sind auf privater Willensentscheidung beruhende Privatgerichte, die anstelle der staatlichen Gerichte über bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten entscheiden.5 Die rechtliche Einordnung der Tätigkeit dieser Schiedsgerichte war lange umstritten. Ursprünglich wurde die Schiedsgerichtsbarkeit vom Reichsgericht6 und lange Zeit auch von der Rechtslehre7 als materielle Institution angesehen mit der Folge, dass auch der Schiedsspruch materiellrechtlich qualifiziert wurde. Bereits im Jahr 1887 legte allerdings Joseph Kohler8 im Rahmen seiner grundlegenden Abhandlung über Prozessverträge der Untersuchung der Schiedsvereinbarung eine prozessuale Einordnung der Schiedsgerichtsbarkeit zugrunde, die sich schließlich durchsetzte und heute gängige Auffassung ist.9 Es ist anerkannt, dass Schiedsgerichte an die Stelle der staatlichen Gerichte treten und materielle Rechtsprechung leisten.10 Dem entspricht auch die gesetzliche Ausgestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit11: Der Schiedsspruch entscheidet den Rechtsstreit gemäß § 1055 ZPO mit materieller Rechtskraftwirkung12 und kann nach Vollstreckbarerklärung gemäß §§ 1060 f. ZPO im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Mindeststandards wird insbesondere durch die Normierung ← 21 | 22 → rechtsstaatlicher Grundsätze in § 1042 Abs. 1 ZPO und durch die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruchs bei Verstößen gegen Verfahrensvorschriften oder der Verletzung des ordre public (§ 1059 Abs. 2 ZPO) garantiert. Ferner entsprechen das Gebot der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter (§ 1036 ZPO), die jedenfalls vorläufige Kompetenz des Schiedsgerichts zur Feststellung der eigenen Zuständigkeit (§ 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für Eilmaßnahmen (§ 1041 ZPO) einer prozessualen Einordnung der Schiedsgerichtsbarkeit. Schließlich spricht für eine prozessuale Einordnung der Schiedsgerichtsbarkeit, dass die Schiedsvereinbarung gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO eine prozessuale Einrede darstellt, die ein Verfahren vor den staatlichen Gerichten sperrt.

II.  Anwendbarkeit des deutschen Schiedsverfahrensrechts

Das deutsche Schiedsverfahrensrecht wurde 1998 reformiert,13 wobei die Regelungen des Modellgesetzes der United Nations Commission on International Trade (UNCITRAL) über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.6.1985 weitgehend übernommen wurden.14 Die Vorschrift des § 1025 Abs. 1 ZPO bestimmt nunmehr, dass das deutsche Schiedsverfahrensrecht anwendbar ist, wenn der Ort des Schiedsverfahrens i.S.v. § 1043 Abs. 1 ZPO in Deutschland liegt (inländisches Schiedsverfahren), und folgt insoweit Art. 1 Abs. 2 des UNCITRAL-Modellgesetzes.15 Lediglich einzelne Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn der Ort des Schiedsverfahrens außerhalb Deutschlands liegt (ausländisches Schiedsverfahren) bzw. noch nicht bestimmt ist (§ 1025 Abs. 2 – 4 ZPO). Der Verfahrensort wird gemäß § 1043 Abs. 1 ZPO von den Parteien vereinbart oder vom Schiedsgericht bestimmt. Allerdings können gemäß § 1043 Abs. 2 ZPO Teile des Schiedsverfahrens oder auch das gesamte Schiedsverfahren tatsächlich an einem anderen als dem gewählten oder vom Schiedsgericht bestimmten Verfahrensort stattfinden, so dass der Verfahrensort letztlich nur formal-rechtliche Bedeutung für die Qualifizierung eines Schiedsverfahrens als ← 22 | 23 → inländisch oder ausländisch und damit für die Anwendbarkeit des deutschen Schiedsverfahrensrechts hat.16

Neben der im deutschen Schiedsverfahrensrecht bedeutsamen Abgrenzung zwischen inländischen und ausländischen Schiedsverfahren kann zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren unterschieden werden. Um ein internationales Schiedsverfahren handelt es sich dann, wenn das Verfahren bestimmte Bezüge zu mehr als einem Staat aufweist. Nach dem UNCITRAL-Modellgesetz ist dafür etwa maßgeblich, dass entweder die Schiedsparteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, dass der Ort des Schiedsverfahrens oder ein Ort, an dem ein wesentlicher Teil der Pflichten aus der Handelsbeziehung zu erfüllen ist, oder der Ort, mit dem der Gegenstand des Streites die engste Verbindung aufweist, außerhalb des Staates liegt, in dem die Parteien ihre Niederlassung haben, oder dass die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass der Gegenstand der Schiedsvereinbarung Beziehungen zu mehr als einem Land aufweist (Art. 1 Abs. 3). Das deutsche Schiedsverfahrensrecht differenziert anders als das UNCITRAL-Modellgesetz aber nicht zwischen nationalen und internationalen Schiedsverfahren. Es findet deswegen auf alle Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland Anwendung, unabhängig davon, ob das Verfahren Bezüge zu einem oder zu mehreren Staaten aufweist.17

III.  Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht

Details

Seiten
196
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653058543
ISBN (ePUB)
9783653963489
ISBN (MOBI)
9783653963472
ISBN (Hardcover)
9783631665275
DOI
10.3726/978-3-653-05854-3
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Dezember)
Schlagworte
Schiedsvereinbarung Schiedsrichtervertrag Veräußerung der Streitsache Abtretung der Streitsache
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 196 S.

Biographische Angaben

Ilona Respondek (Autor:in)

Ilona Respondek studierte Rechtswissenschaft in Berlin und Paris. Sie war Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin und ist als Richterin in Berlin tätig. Sie hat an der Freien Universität Berlin promoviert und war Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.

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