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Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG

von Kerstin Rohwetter (Autor:in)
©2015 Dissertation 235 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin untersucht, ob § 31d WpHG zur Vermeidung von Interessenkonflikten beiträgt. Dazu legt sie zunächst die aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen, europarechtliche Bezüge und mögliche Auslegungen der Norm dar und prüft, ob ein absolutes Zuwendungsverbot zu einem Marktversagen führen würde und welche Vor- und Nachteile eine Honoraranlageberatung für den Anleger haben kann. Außerdem beleuchtet sie die zivilrechtlichen Auswirkungen des § 31d WpHG, die Beziehungen zwischen Aufsichtsrecht und Zivilrecht und den Einfluss der europarechtlichen Vorgaben auf das deutsche Zivilrecht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Frage, ob ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch für Zuwendungen existiert und ob dieser gegebenenfalls abbedungen werden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • § 1 Einleitung
  • A. Einführung in die Problematik
  • I. Die aufsichtsrechtliche Rechtslage vor Einführung des § 31d
  • II. Die zivilrechtliche Rechtslage vor Entwicklung der Kick-back-Rechtsprechung
  • III. Die Änderung der Rechtslage in Bezug auf die Zuwendungsproblematik
  • B. Fragestellungen und Gang der Untersuchung
  • 1. Kapitel: Aufsichtsrechtliche Behandlung der Zuwendungsproblematik
  • § 2 Anwendungsbereich des § 31d
  • A. Persönlicher Anwendungsbereich
  • I. Normadressat
  • II. Dritter
  • III. Geschützter Personenkreis
  • B. Sachlicher Anwendungsbereich
  • I. Zuwendungsbegriff
  • 1. Die Zuwendung in Form von Provisionen
  • 2. Die Zuwendung in Form von Gebühren
  • 3. Die Zuwendung in Form von geldwerten Vorteilen
  • 4. Bagatellgrenze
  • II. Zuwendungen im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung
  • III. Das beratungsfreie Wertpapiergeschäft im Anwendungsbereich des § 31d?
  • § 3 Voraussetzungen für aufsichtsrechtlich zulässige Zuwendungen
  • A. Die Offenlegungspflicht des § 31d
  • I. Voraussetzungen
  • 1. Inhalt der Offenlegung
  • 2. Zeitpunkt der Offenlegung
  • a) Möglichkeit einer antizipierten Offenlegung
  • b) Zeitliche Gültigkeit der antizipierten Offenlegung
  • II. Vermeidung von Interessenkonflikten durch Aufklärung?
  • 1. Argumente contra Offenlegung
  • 2. Argumente pro Offenlegung
  • 3. Stellungnahme
  • B. Notwendigkeit der Qualitätsverbesserung für die Zulässigkeit einer Zuwendung
  • I. Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzung „ausgelegt sein auf Qualitätsverbesserung“
  • 1. Wann ist die Zuwendung ausgelegt auf Qualitätsverbesserung?
  • 2. Bedeutung der objektiven Eignung
  • a) Konkretisierung des § 14 II Nr. 5 WpDVerOV
  • b) Beurteilung der Konkretisierung des § 14 II Nr. 5 WpDVerOV
  • 3. Notwendigkeit eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen konkreter Zuwendung und konkreter Wertpapierdienstleistung gegenüber bestimmten Kunden
  • 4. Zusammenfassung
  • II. Die gesetzliche Vermutung des § 31d IV a.F.
  • III. Das Verhältnis zwischen Zuwendungsart und Qualitätsverbesserung
  • 1. Die Wertpapierdienstleistung der Anlageberatung
  • a) Vertriebsprovisionen
  • b) Vertriebsfolge- und Bestandsprovisionen
  • c) Soft commissions
  • 2. Die Wertpapierdienstleistung der Vermögensverwaltung
  • a) Vertriebsprovisionen
  • b) Vertriebsfolge- und Bestandsprovisionen
  • c) Soft commissions
  • 3. Das beratungsfreie Wertpapiergeschäft
  • a) Vertriebsprovisionen
  • b) Vertriebsfolge- und Bestandsprovisionen
  • c) Soft commissions
  • IV. Die Beweislastverteilung
  • C. Ordnungsgemäße Erbringung im Interesse des Kunden
  • I. Regelungsgehalt der Zulässigkeitsvoraussetzung in § 31d I 1 Nr. 1 HS 2
  • 1. Verneinung des eigenständigen Regelungsgehaltes
  • 2. Bejahung des eigenständigen Regelungsgehaltes
  • 3. Eingeschränkte Bejahung des eigenständigen Regelungsgehaltes
  • 4. Stellungnahme
  • II. Inhalt der ordnungsgemäßen Erbringung im Interesse des Kunden
  • III. Auswirkung auf die Zulässigkeit von Zuwendungen
  • § 4 Die Honorarberatung als Alternative zur zuwendungsgestützten Anlageberatung
  • A. Einführung eines vollständigen Zuwendungsverbotes unter europarechtlichen Gesichtspunkten am Beispiel Englands
  • B. Konfliktpotenzial der honorargestützten Anlageberatung
  • I. Marktversagen
  • II. Besondere Risiken der Honorarberatung
  • III. Ergebnis
  • § 5 Zusammenfassende Bewertung des 1. Kapitels
  • 2. Kapitel: Interaktion des § 31d mit dem Zivilrecht
  • § 6 Das zivilrechtliche Pflichtenprogramm in Bezug auf Zuwendungen
  • A. Rechtsnatur des § 31d
  • I. Argumente für eine Doppelnatur
  • II. Argumente gegen eine Doppelnatur
  • III. Stellungnahme
  • B. Zivilrechtliche Interpretation der Zuwendungsproblematik
  • I. Analyse der Rechtsprechung zur Zuwendungsproblematik
  • II. Allgemeine zivilrechtliche Pflichten
  • § 7 Verhältnis zwischen Aufsichtsrecht und Zivilrecht im Allgemeinen und im Besonderen
  • A. Wechselwirkungen zwischen den Teilrechtsordnungen Aufsichtsrecht und Zivilrecht
  • I. Kann das Zivilrecht strengere rechtliche Anforderungen stellen als das Aufsichtsrecht?
  • 1. Für Verdrängung zivilrechtlicher Beschränkungen durch die MiFID
  • 2. Gegen Verdrängung zivilrechtlicher Beschränkungen durch die MiFID
  • 3. Stellungnahme
  • II. Dürfen zivilrechtliche Bestimmungen hinter den aufsichtsrechtlichen zurückbleiben?
  • III. Zwischenergebnis
  • B. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen § 31d und dem zivilrechtlichen Pflichtenprogramm
  • C. Zivilrechtliche Wirkung des § 31d
  • § 8 Zivilrechtliche Konsequenzen aus Sicht der Anleger
  • A. bei Erhalt einer aufsichtsrechtlich verbotenen Zuwendung
  • I. Konsequenzen aus § 134 BGB?
  • II. Bestehen eines zivilrechtlichen Herausgabeanspruches
  • 1. Vollständige Verneinung der Herausgabepflicht
  • 2. Bejahung des Herausgabeanspruches bei Verstoß gegen die zivilrechtliche Aufklärungspflicht
  • 3. Vollständige Bejahung einer Herausgabepflicht
  • 4. Stellungnahme
  • 5. Auswirkungen eines Verstoßes gegen § 31d für den zivilrechtlichen Herausgabeanspruch
  • III. Schadensersatzansprüche
  • 1. aus Vertrag
  • 2. aus Delikt
  • a) Argumente gegen die Schutzgesetzqualität des § 31d
  • b) Argumente für die Schutzgesetzeigenschaft des § 31d
  • c) Stellungnahme
  • B. bei Erhalt einer aufsichtsrechtlich erlaubten Zuwendung
  • I. Konsequenzen aus § 134 BGB
  • II. Bestehen eines zivilrechtlichen Herausgabeanspruches
  • 1. schriftliche Abbedingung
  • a) § 307 II Nr. 1 BGB
  • (1) Die Herausgabepflicht als wesentlicher Grundgedanke
  • (2) Die Unvereinbarkeit der Abweichung mit der gesetzlichen Regelung
  • b) 307 II Nr. 2 BGB
  • c) § 307 I 1 BGB
  • (1) Benachteiligung
  • (2) Unangemessenheit
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. stillschweigende Abbedingung
  • III. Schadensersatzansprüche
  • C. Zwischenergebnis
  • 3. Kapitel: Abschließende Stellungnahme
  • Literaturverzeichnis

§ 1  Einleitung

A. Einführung in die Problematik

Die dieser Arbeit zugrunde liegende Thematik, nämlich die aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Behandlung von Zuwendungen, ist zwar erst vor wenigen Jahren in das breite Licht der juristischen und nicht-juristischen Öffentlichkeit getreten. Die aus der Gewährung von Zuwendungen resultierenden rechtlichen Fragestellungen sind jedoch von grundlegender Bedeutung für den Handel und den Vertrieb von Wertpapier- und sonstigen Anlageprodukten. Um dies zu verstehen, bedarf es eines tieferen Blickes auf die Bedeutung und den Stellenwert von Zuwendungen.

Dem Kunden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens (WpDU), der eine Anlage auf dem Kapitalmarkt tätigen möchte, bieten sich zwei Möglichkeiten. Entweder er entscheidet sich völlig eigenständig und auf Grund eigener Recherchen für eine bestimmte Anlage. Oder aber er nimmt bei seinem WpDU eine Anlageberatung in Anspruch. Bei einer solchen Anlageberatung werden dem Kunden nach Abfrage seiner Anlageziele und -wünsche und unter Berücksichtigung dieser Ziele eine oder mehrere Kapital- bzw. Wertpapieranlagemöglichkeiten vorgestellt und erläutert.1 Dies geschieht zumeist anhand von Unterlagen, zum Beispiel in Form von Wertpapieranlageprospekten. Über diese allgemeinen Informationen über die beliebigen Wertpapieranlagen hinaus, spricht das WpDU gegenüber dem Kunden aufgrund seiner Informationen zudem konkrete Anlageempfehlungen aus.2 Der Kunde erhält also eine spezifische Aussage darüber, welche Anlage am besten zu ihm und seinen Zielen passt bzw. welche Anlage er tätigen soll.

Die soeben beschriebene Anlageberatung erbringen die WpDU gegenüber ihren Kunden in der Regel, ohne diesen dafür ein Entgelt in Rechnung zu stellen. Wenn aber der Kunde eine für ihn erbrachte Dienstleistung, wie hier die Anlageberatung, nicht bezahlt, stellt sich die Frage, wie die WpDU dann die mit der ← 13 | 14 → Anlageberatung verbundenen Kosten, wie zum Beispiel das Vorhalten und die Qualifizierung der Anlageberater, finanzieren.

In diese Finanzierungslücke treten die sogenannten Zuwendungen. Dabei handelt es sich um Zahlungen Dritter, die sich außerhalb der Beziehung zwischen WpDU und Kunden bewegen. Kommt es infolge der Anlageberatung zum Abschluss einer Wertpapieranlage durch den Kunden und somit zu einem Vertrag zwischen dem Kunden und dem Produktemittenten, erhält das WpDU eine finanzielle Zuwendung von dem Produktemittenten bzw. der Kapitalanlagegesellschaft. In der Regel wird dem WpDU dabei ein Teil des Ausgabeaufschlages, den der Kunde für den Vertragsabschluss an die Emittenten zahlt, rückvergütet. Die für den Kunden entgeltlos erbrachte Dienstleistung der Anlageberatung wird somit hauptsächlich durch Zuwendungen finanziert. Durch diese Finanzierungsfunktion sind die Zuwendungen fester und alltäglicher Bestandteil des Wertpapieranlagegeschäfts der WpDU. Auch im Rahmen weiterer Dienstleistungen wie der Vermögensverwaltung erhält das WpDU solche Zuwendungen.

Vordergründig wirkt die Konzeption der Zuwendungen als Finanzierung der Anlageberatung vorteilhaft. Der Anleger bekommt eine kostenlose Dienstleistung, gleichzeitig arbeitet das WpDU nicht umsonst, sondern refinanziert seine Anlageberatungsleistungen über die Zuwendungen. Allerdings hat die Entgegennahme von Zuwendungen zur Folge, dass sich der Charakter der Wertpapierdienstleistungen als Zwei-Parteien-Verhältnis verändert. Schließlich wird durch die Finanzierung von Dienstleistungen durch Zuwendungen die eigentlich auf zwei Parteien begrenzte WpDU-Kunden-Beziehung um eine dritte Partei, nämlich den Zuwendungsgeber, erweitert. Diese Hinzufügung einer dritten Partei ändert das Wesen der Wertpapierdienstleistungen gravierend. Können in einer auf zwei Parteien begrenzten WpDU-Kunden-Beziehung allein die Interessen und Ziele des Kunden ausschlaggebend sein, finden durch die Beteiligung des Zuwendungsgebers auch dessen Interessen Eingang in die Beziehung zwischen dem WpDU und seinen Kunden. Neben das Kundeninteresse treten dann also sowohl die Interessen des Zuwendungsgebers als auch die Interessen des WpDU.

Durch den Empfang von Zuwendungen Dritter nimmt das WpDU eine Doppelrolle ein.3 Dies wird deutlich bei Zuwendungen, die ein WpDU anlassbezogen und unmittelbar im Zusammenhang mit einer Dienstleistung wie z. B. der Anlageberatung, erhält. Einerseits stellt die Anlageberatung eine Dienstleistung gegenüber dem Wertpapierdienstleistungskunden dar, der eine Wertpapierdienstleistung erwartet, die seinen Bedürfnissen entspricht. Andererseits zahlen ← 14 | 15 → die Produktemittenten im Falle des Absatzes ihrer Produkte eine Vergütung an das WpDU, so dass sich die Anlageberatung durch die Entgegennahme von Zuwendungen zugleich zu einer konkreten Vermittlungsleistung für den Dritten als Zuwendungsgeber entwickelt.4 Diese Doppelrolle führt dazu, dass das WpDU die zukünftige Anlageentscheidung des Kunden zu seinen Gunsten beeinflussen kann: Empfiehlt das WpDU dem Kunden eine Anlage des Zuwendungsgebers, die der Kunde auf die Empfehlung hin erwirbt, steigert sich nicht nur der Umsatz des Zuwendungsgebers, sondern dasWpDU wird für seine Vermittlungstätigkeit in Form der Anlageberatung mit einer Zuwendung entlohnt. Folglich wird durch die Zuwendungen das Absatzinteresse des Zuwendungsgebers mittelbar zum Interesse des WpDU als Zuwendungsempfänger.

Die Situation, dass das WpDU mit seinen Entscheidungen bezüglich der Anlageberatung für den Kunden sowohl die Interessen des Kunden als auch seine eigenen bedienen kann, wird dann problematisch, wenn die Interessen des WpDU gegenläufig zum Interesse des Kunden sind, also die Ziele des Kunden nicht mit dem mittelbaren Absatzinteresse des WpDU übereinstimmen. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn einzelne Produkte oder bestimmte Produktgruppen, welche höhere Zuwendungen nach sich ziehen als andere Produkte oder Produktgruppen, den Bedürfnissen des Kunden nicht entsprechen. Lässt das WpDU unter dem Eindruck der für ein bestimmtes Produkt zu erwartenden Zuwendung die Bedürfnisse des Kunden unberücksichtigt oder setzt es sich darüber hinweg, führt die vom Kunden in Anspruch genommene Anlageberatung nicht zu dem gewünschten Ergebnis einer anleger- und anlagegerechten Beratung5. Dem zufolge kann der Anleger durch den Empfang von Zuwendungen dem Risiko eines opportunistischen Verhaltens von Seiten des WpDU ausgesetzt sein. Passenderweise werden Zuwendungen in der englischen Sprache als „Inducements“, also als Anreize bezeichnet: Die von Dritten gewährten Geldzahlungen sind ein Anreiz für das WpDU, nicht wie von § 31 I Nr. 1 WpHG6 gefordert, allein im Kundeninteresse zu handeln, sondern sein eigenes Interesse an einer größtmöglichen Zuwendung zu berücksichtigen.7

Die Folge solch gegenläufiger Interessen zwischen dem WpDU und dem Kunden ist schließlich die Entstehung eines Interessenkonflikts zwischen dem Kundeninteresse und dem Absatz- bzw. Zuwendungsinteresse des WpDU, welcher ← 15 | 16 → demnach das sach- und pflichtgemäße Handeln des WpDU in Frage stellt. Ist dem Kunden dieser Interessenkonflikt bekannt, besteht für ihn zumindest die Möglichkeit, seine Anlageentscheidung unter Berücksichtigung dieses Konflikts zu treffen. Der Interessenkonflikt wird hingegen verschärft, wenn für den Kunden nicht erkennbar ist, dass das Verhalten des WpDU von Interessen gelenkt wird, welche seinen eigenen Interessen widersprechen.8 Dann ist es dem Kunden nicht möglich, die Anlageempfehlung des WpDU kritisch zu hinterfragen und er tätigt in diesem Unwissen eventuell eine für ihn ungünstige Anlageentscheidung.

Ein Interessenkonflikt kann sich demnach negativ auf die von den Kunden getätigte Anlageentscheidung auswirken und somit Nachteile für den einzelnen Anleger – zum Beispiel in Form des (Teil-)Verlusts der investierten Anlagesumme – entfalten. Neben dieser auf einzelne Anlagen bzw. Anleger bezogene Konsequenz eines Interessenkonflikts kommt jedoch noch eine weitergehende Auswirkung eines solchen Konflikts zum Tragen. Denn Interessenkonflikte ziehen direkte Negativwirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes nach sich. Sie erschüttern das Vertrauen der Anleger in die Markintegrität und gefährden dadurch die Funktionsfähigkeit des gesamten Kapitalmarktes.9 Zusätzlich ist die Steuerungsfunktion des Kapitalmarktes, das vorhandene Kapital bestmöglich zu verteilen, beeinträchtigt, wenn die Anleger aufgrund erlittener Verluste ihr Kapital aus dem Kapitalmarkt abziehen oder ihren Kapitaleinsatz verringern.10 Demnach kommt es sowohl dem Einzelnen als auch dem öffentlichen Wohlfahrtsinteresse zugute, Interessenkonflikte einzudämmen. Aus diesen verschiedenen schutzbedürftigen Interessen ergeben sich zwei unterschiedliche rechtliche Richtungen zur Regulierung der dem Interessenkonflikt zugrunde liegenden Zuwendungsproblematik.

Die individuellen Rechte und der Schutz des Einzelnen stehen im Mittelpunkt der Teilrechtsordnung des Zivilrechts. Ausgehend von einer vertraglichen Gestaltung zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten trägt das Zivilrecht dem Recht der freien Entscheidung des Einzelnen Rechnung,11 so dass der ← 16 | 17 → rechtsgestaltende Wille des jeweiligen Rechtssubjektes hier vorherrschend ist12. Um das Vertrauen des jeweiligen Vertragspartners in die vertragliche Grundlage zu schützen, bietet das Zivilrecht dabei einen dispositiven Rechtsrahmen, innerhalb dessen die Parteien eigenständig ihre individuellen Interessen durchsetzen können.13 Interessenkonflikten innerhalb eines Vertrages wird durch den Schutz der individuellen Rechte und Pflichten begegnet, wobei die Rechtspositionen der Parteien bei Verstößen gegen eine vertragliche Pflicht mit Hilfe von Schadensersatzansprüchen durchgesetzt werden können.14 Das Zivilrecht nimmt also Einfluss auf die vertraglichen Beziehungen zwischen einzelnen Rechtssubjekten und gewährt diesen Ausgleichsmöglichkeiten für den Fall, dass eine Vertragspartei ihre vertraglichen Pflichten verletzt. Ihm kommt somit weniger die Funktion zu, einer Interessenverletzung vorzubeugen, als auf der Grundlage von Vertragsbindung und Haftung die bereits durch eine Verletzung der vertraglichen Pflicht entstandenen Schäden auszugleichen.15

Neben dem Zivilrecht, welches Vorgaben für die zwischen einem WpDU und seinen einzelnen Kunden geschlossenen Verträge statuiert, werden Zuwendungen im Speziellen und Interessenkonflikte im Allgemeinen auch von einer anderen Teilrechtsordnung umfasst. Für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen, zu denen gem. § 2 III Nr. 9 auch die Anlageberatung zählt, enthält das Wertpapierhandelsgesetz in seinem 6. Abschnitt gem. §§ 31ff. diverse Verhaltensregeln. Die Einhaltung dieser Normen überlässt das Gesetz jedoch nicht jedem Einzelnen bzw. den Adressaten des WpHG. Aus § 4 wird deutlich, dass die Einhaltung der sich aus dem WpHG ergebenen Regelungen, Ge- und Verbote der Aufsicht einer staatlichen Behörde, nämlich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegt. Gem. § 4 IV FinDAG nimmt die BaFin ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr. Aufgabe der BaFin ist es gem. § 4 I, solchen Missständen entgegenzuwirken, die die ordnungsgemäße Durchführung des Handels mit Finanzinstrumenten oder von Wertpapierdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken können. Zur Durchsetzung ihrer in § 4 gewährten ← 17 | 18 → Eingriffsrechte kann die BaFin Verwaltungsakte erlassen, welche auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können.16 Das WpHG stellt demnach Aufsichtsrecht und somit öffentliches Recht dar.17

Im Gegensatz zum Zivilrecht überlässt das öffentliche Recht die Lösung von Interessenkonflikten nicht allein der situativ-konsensualen Regelung der von dem Konflikt betroffenen Parteien.18 Wegen der Durchsetzung der öffentlich-rechtlichen Normen mit Hilfe von staatlicher Gewalt kann es sich nicht am Willen einzelner ausrichten, sondern hat sich aufgrund der Notwendigkeit der Einhaltung des Demokratieprinzips gem. Art. 20 II GG am Gemeinwohl und an den Entscheidungen der Gesamtheit zu orientieren.19 Hier geht es also weniger um Einzelfallgerechtigkeit, als um die Förderung des allgemeinen Wohlfahrtsinteresses. Dies geschieht durch Anwendung einheitlicher Maßstäbe sowie der Anwendung von Instrumenten der direkten Verhaltenssteuerung, die vermehrt auf eine präventive Steuerung abzielen.20 Das Aufsichtsrecht schließlich, als ein spezielles Rechtsgebiet innerhalb des öffentlichen Rechts, dient dem allgemeinen Wohlfahrtsinteresse durch die Verhinderung/Beseitigung von auf dem Kapitalmarkt unerwünschten bzw. für den Kapitalmarkt schädlichen Verhaltensweisen,21 um so das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes zu gewährleisten22.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Zivilrecht bei der Behandlung der Zuwendungsproblematik den Blick vorrangig auf die einzelnen Verträge und somit den Individualrechtsschutz richtet, während das Aufsichtsrecht versucht, ← 18 | 19 → Zuwendungen auf eine Weise zu regeln, die dem öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Kapitalmarkt Rechnung trägt. Das Zivilrecht kann somit als Feinsteuerung einzelner Vertragsbeziehungen verstanden werden, während das Aufsichtsrecht der Grobsteuerung des Gesamtmarktes dient und Grundentscheidungen des Gesetzgebers enthält.23 Dabei entfaltet das Zivilrecht durch den Eintritt von Haftungsansprüchen nach vertraglichen Pflichtverletzungen grundsätzlich eine sanktionierende bzw. schadensersetzende Wirkung, während das Aufsichtsrecht durch die Statuierung von Verhaltensregeln bzw. Ge- und Verboten grundsätzlich präventiv und abstrakt wirkt.24 Dies hat zur Folge, dass die beiden Teilrechtsordnungen bei der Regelung von Interessenkonflikten – hervorgerufen durch den Empfang von Zuwendungen – auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen des Interessenkonflikts ansetzen.

Das WpHG enthält seit dem 01.11.2007 in § 31d das grundsätzliche Verbot von Zuwendungen für WpDU. Nach § 31d dürfen WpDU somit keine Zuwendungen mehr von Dritten annehmen oder an Dritte gewähren. Indem § 31d Zuwendungen verbietet, soll es opportunistischen Entscheidungen der WpDU bei ihren Dienstleistungen auf Grund von Zuwendungen vorbeugen. Es ist für das Aufsichtsrecht unerheblich, ob der Erhalt von Zuwendungen das WpDU in der konkreten Vertragsbeziehung zum Kunden tatsächlich dazu veranlasst, ein für den Anleger nachtteiliges, opportunistisches Verhalten zu tätigen. Die WpDU sollen durch das Verbot von Zuwendungen schon gar keine Gelegenheit bekommen, in eine Doppelrolle zu treten, die ihnen eigene opportunistische Entscheidungen zu Lasten des Anlegers erlauben. Die Regelung des § 31d setzt somit an, bevor tatsächlich ein Konflikt ent- bzw. besteht. Das Verbot des § 31d bezieht sich daher nicht auf einen realen Interessenkonflikt, sondern allein auf die theoretische Möglichkeit, dass sich die WpDU durch die Entgegennahme von Zuwendungen Dritter zu Handlungen bewogen sehen, die dem Interesse ihrer Kunden widersprechen.25 Im Mittelpunkt des § 31d ← 19 | 20 → steht somit ein abstrakter Interessenkonflikt26; schon die Entstehung eines tatsächlichen, konkreten Interessenkonflikts soll vermieden werden.

Das Zivilrecht kennt jedoch kein generelles, gesetzlich statuiertes Verbot von Zuwendungen. Aufgrund der Eigenschaft des Zivilrechts, die durch eine Vertragspartei begangene Pflichtverletzung mit einer Haftungspflicht zu versehen, setzt es zu einem späteren Zeitpunkt an als das Aufsichtsrecht. Im zivilrechtlichen Rahmen ist davon auszugehen, dass ein WpDU bei dem Verkauf einer Kapitalanlage an seine Kunden Zuwendungen von dritter Seite erhält, dadurch tatsächlich mit den daraus resultierenden widerstreitenden Interessen konfrontiert wird und eine konkrete Entscheidung zu seinen eigenen Gunsten fällt. Hier bleibt es folglich nicht bei der rein abstrakten Möglichkeit eines Interessenkonflikts. Für die Kunden realisiert sich konkret die Gefahr, einer fehlerhaft motivierten Dienstleistung ausgesetzt zu sein. Aus der rein theoretischen Möglichkeit eines Interessenkonflikts ist bei Eingreifen des Zivilrechts folglich ein konkreter Konflikt geworden.27

Auch wenn sich Ziele und Wirkungsweisen des Aufsichtsrechts und des Zivilrechts unterscheiden, stehen die beiden Teilrechtsordnungen nicht isoliert zueinander. Dies resultiert zum einen aus dem gemeinsamen Anknüpfungspunkt von Aufsichtsrecht und Zivilrecht. Beide regeln Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen den WpDU und deren Kunden.28 Zum anderen folgt dies aus der Tatsache, dass Regelungen der einen Teilrechtsordnung zugleich Auswirkungen auf das Schutzobjekt der anderen Teilrechtsordnung haben. So verbleibt der Nutzen bzw. der Gewinn einer anleger- und anlagegerechten – also insofern erfolgreichen – Anlageberatung nicht allein in der zivilrechtlichen, vertraglichen Beziehung eines Anlegers zu seinem beratenden WpDU.29 Jede einzelne Anlageberatung, aus der eine Anlage resultiert, beeinflusst die Investitionsentscheidungen am Kapitalmarkt30 und das aus allen Einzelentscheidungen bestehende Vertrauen der Anlegergesamtheit ist Voraussetzung für einen funktionsfähigen Kapitalmarkt31. Zugleich wirkt sich eine aufsichtsrechtliche Verhaltensregel auch ← 20 | 21 → positiv auf den einzelnen Anleger aus, wenn sie dem Anleger dabei behilflich ist, dass seine Interessen in der vertraglichen Beziehung hinreichend Berücksichtigung finden und die für ihn notwendigen Informationen zu beschaffen.32 Letztlich bedarf es also für einen funktionierenden Kapitalmarkt des Anlegerschutzes und für einen wirkungsvollen Anlegerschutz eines funktionsfähigen Kapitalmarktes.33 Daraus ergibt sich eine Wechselwirkung zwischen dem zivilrechtlichen Individualschutz und dem aufsichtsrechtlichen Funktionsschutz für den Kapitalmarkt.34

Welche Bedeutung im Einzelnen diese Wechselwirkung zwischen Zivilrecht und Aufsichtsrecht für die Zuwendungsproblematik aufweist, wird im Verlauf dieser Arbeit noch genauer betrachtet.35 Auf Grund der immer weiter fortschreitenden aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Regelungen bezüglich Zuwendungen ist auch das Verhältnis der Teilrechtsordnungen zunehmend komplexer geworden. Vor dem Ende des Jahres 2006 bzw. dem Jahr 2007 war die auf die Zuwendungsproblematik bezogene Rechtslage sowohl im Aufsichtsrecht als auch im Zivilrecht noch deutlich weniger ausdifferenziert.

I. Die aufsichtsrechtliche Rechtslage vor Einführung des § 31d

Vor Einführung des § 31d war die aufsichtsrechtliche Handhabung der auf Zuwendungen basierenden Interessenkonflikte weder ausdrücklich noch eigenständig geregelt. Sie war eingebettet in die oben schon erwähnten Verhaltensregeln des WpHG. Die Entstehung dieser Verhaltenspflichten basiert, wie die meisten grundlegenden Wertungen im Bereich des Kapitalmarktrechts, auf einer europäischen Weiterentwicklung des Kapitalmarktrechts. Sie sind eine Vorgabe der europäischen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (WpDRiL)36, mit der neben einer Harmonisierung der Anforderungen auf den europäischen Wertpapiermärkten sowohl die Verbesserung des Anlegerschutzes als auch die Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens der Wertpapiermärkte erreicht werden sollte37. ← 21 | 22 → Mit Art. 11 WpDRiL wurden erstmalig so genannte Wohlverhaltenspflichten statuiert. Hiernach waren Wertpapierfirmen unter anderem dazu verpflichtet, ihre Dienstleistungen im bestmöglichen Interesse des Kunden zu erbringen38 und bei Verhandlungen mit den Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen39. Zudem hatten sie sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen, und, wenn sich diese nicht vermeiden ließen, dafür zu sorgen, dass ihre Kunden nach Recht und Billigkeit behandelt wurden40.

Eingang in das deutsche Recht fanden die Wohlverhaltenspflichten mit dem zweiten Finanzmarktförderungsgesetz41, durch das diese Pflichten mit den §§ 31ff. a.F. in den damals 5. Abschnitt des WpHG aufgenommen wurden. In der Folge sahen sich alle von § 2 IV a.F. erfassten Unternehmen veranlasst, bei allen von § 3 III, IIIa a.F. erfassten Dienstleistungen die Wohlverhaltensregeln gem. §§ 31ff. a.F. anzuwenden bzw. einzuhalten. Dadurch, dass ein WpDU im Umgang mit seinen Kunden, also innerhalb einer vertraglich vereinbarten Wertpapierdienstleistung, die Pflichten aus §§ 31ff. a.F. zu beachten hatte, knüpften die Wohlverhaltenspflichten an das zivilrechtliche Verhältnis zwischen den Parteien an und gestalteten die vertragliche Beziehung zwischen den WpDU und ihren Kunden.42 Auf Grund ihrer Bezugnahme auf die Anbahnung und Durchführung von Kapitalanlagegeschäften stellen die Wohlverhaltenspflichten transaktionsbezogene Sorgfaltspflichten dar.43 Des Weiteren stellen die Wohlverhaltenspflichten einen aufsichtsrechtlichen Mindeststandard für Wertpapierdienstleistungen auf.44 Dies ergibt sich zum einen daraus, dass durch die Wohlverhaltensregeln den Vertragsparteien die inhaltlich freie Gestaltung des vertraglichen Pflichtenkanons teilweise entzogen wird. Zum anderen gewährleistet die staatliche Überwachung eine Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten unabhängig vom ← 22 | 23 → Tätigwerden des Einzelnen.45 Diese beiden Punkte führen wiederum zu einer Eingrenzung des opportunistischen Verhaltens der von den Wohlverhaltensregeln betroffenen Partei.46 Da dies ausschließlich die WpDU sind, stellen die Wohlverhaltensregeln berufliche Verhaltens- bzw. Sorgfaltspflichten der WpDU dar, die bei der Ausführung von Wertpapierdienstleistungen einzuhalten sind.47

Die in Art. 11 WpDRiL aufgeführten und durch § 31 a.F. in das deutsche Recht übernommenen generalklauselartig ausgestalteten Wohlverhaltenspflichten hatten somit bis zur Einführung des § 31d die Aufgabe, neben allgemeinen opportunistischen Verhaltensweisen auch die spezielle Problematik der Zuwendungen einzugrenzen und zu kontrollieren. Dabei wurden die auf Zuwendungen basierenden Interessenkonflikte weder in Art. 11 WpDRiL noch in § 31 a.F. eigenständig erwähnt. Erwähnt wurde in den §§ 31ff. a.F. nur die Notwendigkeit der Vermeidung von Interessenkonflikten im Allgemeinen. § 31 I Nr. 2 a.F. enthielt die Verpflichtung der WpDU, sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und bei unvermeidbaren Interessenkonflikten dafür Sorge zu tragen, dass die Kundeninteressen gewahrt wurden. Weiter statuierte § 31 I Nr. 1 a.F., dass das WpDU Wertpapierdienstleistungen im Interesse seiner Kunden erbringen musste. Neben diesen allgemeinen Verhaltenspflichten verbot der § 32 I Nr. 1 a.F. den WpDU, ihren Kunden den Ankauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten zu empfehlen, wenn und soweit die Empfehlung nicht im Interesse des Kunden war. Zusätzlich war die Organisation innerhalb der WpDU gem. § 33 I Nr. 2 a. F. so zu gestalten, dass möglichst wenige Interessenkonflikte zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden bei Erbringung von Wertpapierdienstleistungen auftraten.

Diese allgemeine Erwähnung von Interessenkonflikten war dabei behilflich, die Zuwendungsproblematik den Wohlverhaltensregeln zu unterwerfen. Wie es die fehlende Spezifizierung des Begriffes des Interessenkonflikts in den §§ 31ff a.F. nahe legt, können Interessenkonflikte auf vielfältige Art und Weise und vollständig losgelöst von der Zuwendungsproblematik entstehen48. Grundsätzlich zeichnen sich Interessenkonflikte durch eine Situation aus, in der mehrere Personen an der Realisierung von Geschäftschancen interessiert sind und einer dieser Personen eine Doppelrolle zukommt, bei der die Gefahr besteht, ← 23 | 24 → dass Kundeninteressen vernachlässigt werden.49 Ein solcher Konflikt kann zwischen einem WpDU und seinen Kunden als vertikaler Interessenkonflikt oder zwischen einzelnen Bankkunden als horizontaler Interessenkonflikt entstehen.50 Entsprechend der soeben genannten Definition erzeugen die durch die Gewährung von Zuwendungen hervorgerufenen Probleme und Gefahren nicht einen Interessenkonflikt sui generis. Die Zuwendungsproblematik ist lediglich als eine spezielle Ausformung der Interessenkonflikte einzuordnen.51 Folglich bezogen sich alle in den §§ 31ff a.F. erfassten Regelungen für Interessenkonflikte auch auf die Zuwendungsproblematik.52

Demnach hatten sich die WpDU gem. § 31 Nr. 2 a.F. um die Vermeidung von Interessenkonflikten, die aus dem Empfang von Zuwendungen resultieren, zu bemühen. Was die Vermeidung von Interessenkonflikten jedoch konkret bedeutete, z. B. ob Zuwendungen noch empfangen werden durften oder wie der Interessenkonflikt bei einem Empfang von Zuwendungen vermieden werden konnte, ließ § 31 a.F. offen. Überhaupt zeichneten sich die Wohlverhaltenspflichten in § 31 a.F. dadurch aus, dass sie lediglich generelle Grundsätze und nicht etwa konkrete Verhaltenspflichten darstellten.53 Auch die Verpflichtung der WpDU in § 31 II Nr. 2 a.F., ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, enthielt keine Definition des zentralen Begriffes der zweckdienlichen Informationen. Abhilfe sollte hier die von dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe)54 gem. der Ermächtigungsgrundlage in § 35 VI a.F. erlassene Wohlverhaltensrichtlinie55 schaffen. Diese enthielt unter B. 1.2 dritter Absatz eine Aufklärungspflicht für Zuwendungen in Form von Rückvergütungen, wobei diese sich auch auf die Aufklärung über die kommissionsrechtliche Verpflichtung zur Herausgabe der Rückvergütungen56 bezog. Sonstige Zuwendungen wie ← 24 | 25 → „vereinbarte Geldzahlungen oder andere geldwerte Vorteile (z. B. Research-Ergebnisse etc.)“ unterlagen einer Hinweispflicht und waren auf Nachfrage zu erläutern. Diese Regelungen hatten jedoch auf Grund der Eigenschaft der Wohlverhaltensrichtlinie als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung.57 Auf Grund des Zwecks einer Verwaltungsvorschrift zur einheitlichen Gestaltung der Auslegung von Rechtsnormen,58 war ihre Wirkung insofern beschränkt, als dass sie (nur) ausführte, wie die BAWe bzw. die BaFin die §§ 31, 32 a.F. in der Regel anzuwenden bzw. auszulegen pflegte.59 Verbindliche Ge- oder Verbote für die WpDU stellte die Wohlverhaltensrichtlinie somit nicht auf.

II. Die zivilrechtliche Rechtslage vor Entwicklung der Kick-back-Rechtsprechung

Die eher geringe Beachtung, die den Zuwendungen im Aufsichtsrecht durch die uneigenständige Regelung der zuwendungsbasierten Interessenkonflikten geschenkt wurde, kam diesen auch im zivilrechtlichen Rahmen zuteil. Bevor der BGH mit seinem Urteil vom 06.12.2006 den Startschuss zu einer ganzen Reihe von Urteilen zur selbstständigen Regelung der Zuwendungsproblematik gab, war der Umgang mit Zuwendungen keinen eigenständigen vertraglichen Pflichten unterworfen, sondern einfach Teil der allgemeinen zivilgesetzlichen Pflichten und der allgemeinen Rechtsprechung zur Wertpapieranlage. Vor der Konkretisierung der auf Zuwendungen bezogenen vertraglichen Pflichten stellte sich die Rechtslage folgendermaßen dar.

Bankgeschäfte sind dem Inhalt nach Geschäfte zur Besorgung fremder Angelegenheiten.60 Speziell die Wertpapierdienstleistungen gem. § 2 III Nr. 1, 2, 6 a.F. wurden als Geschäftsbesorgungsverträge nach den §§ 675 BGB, 383ff. HGB qualifiziert.61 Als Geschäftsbesorgung wird dabei jede selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verstanden.62 Aus der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen ergab sich grundsätzlich ← 25 | 26 → eine allgemeine zivilrechtliche Interessenwahrungspflicht für Verträge über Wertpapierdienstleistungen.63 Der weitere zivilrechtliche Umgang mit Zuwendungen eröffnete sich dann noch aus den Pflichten der jeweiligen Rechtsgeschäfte zwischen WpDU und Anleger.

Kam es vor dem eigentlichen Anlageerwerb durch den Anleger zu einem Gespräch zwischen WpDU und Anleger, bzw. zu einer Beratung des Anlegers durch das WpDU, konnten sich hieraus zivilrechtliche Pflichten des WpDU gegenüber ihrem Kunden ergeben. Unter Beratung ist dabei „die vertraglich gewollte und aufgrund besonderer Sachkunde erteilte informierende Aufklärung und bewertende Beurteilung bestimmter Anlageformen, die sich bezieht auf eine konkret ins Auge gefasste oder zunächst unbestimmt gewollte Anlage wie auch auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dessen, der die Beratung in Anspruch nimmt,“64 zu verstehen. Die haftungsbegründenden Beratungs- und Auskunftspflichten traten nicht nur als Nebenpflichten aus dem Erwerbsgeschäft auf, sondern konnten eigenständige vertragliche Hauptpflichten sein. Rechtsgrundlage dafür war der gesetzlich nicht eigenständig normierte, aber von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung65 anerkannte Beratungsvertrag. Dieser Beratungsvertrag musste nicht ausdrücklich und schriftlich vereinbart werden, sondern konnte auch stillschweigend zwischen WpDU und Anleger geschlossen werden.66 Für einen solchen stillschweigenden Vertragsschluss war es ausreichend, dass der Anleger an das WpDU oder der Anlageberater an den Anleger herantrat und der Anleger deutlich machte, dass er auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des WpDU in Anspruch nehmen wollte. Das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages wurde durch die Aufnahme des Beratungsgespräches stillschweigend angenommen, eine Entgeltvereinbarung oder eine bereits bestehende Geschäftsbeziehung war nicht erforderlich.67 Aus dem ausdrücklich oder stillschweigend geschlossenen Beratungsvertrag ergab sich für das WpDU die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung.68 Eine solche war gegeben, wenn sie die persönlichen Verhältnisse des Anlegers angemessen berücksichtigte und dem Anleger die Informationen vermittelte, die er für eine ← 26 | 27 → eigenverantwortliche Anlageentscheidung bedurfte.69 Auch wenn die Pflichten der Parteien des Beratungsvertrages vollständig durch die Rechtsprechung fortgebildet wurden, wurde der Beratungsvertrag rechtlich dem Auftrag bei unentgeltlicher Beratung, der Geschäftsbesorgung gem. § 675 BGB bei entgeltlicher Beratung70 oder dem Dienstleistungsvertrag71 gem. § 611ff. BGB zugeordnet.

Der vom Beratungsvertrag zu unterscheidende Auskunftsvertrag72 umfasste demgegenüber die reine, nicht wertende Information über die Tatsachen, die für die Anlageentscheidung des Anlegers wesentlich sind.73 Die Pflichten der WpDU aus diesem – zumeist im Bereich der Anlagevermittlung zu findenden74– Auskunftsvertrag waren dabei nicht so weitreichend wie bei einem Beratungsvertrag.75 Trotzdem war vollständig über die Eigenschaften und Risiken der zu vermittelnden Anlage aufzuklären.76

Dem auf die Beratung folgenden eigentlichen Erwerb der jeweiligen Anlage konnten zwei verschiedene Vertragstypen zugrunde liegen, nämlich zum einen das Kommissionsgeschäft, welches in der Praxis am bedeutsamsten war und noch immer ist77, und zum anderen das Festpreisgeschäft.

Im Rahmen des Kommissionsgeschäfts erwarb das WpDU das jeweilige Produkt dann in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Anlegers, welcher die wirtschaftlichen Folgen und das vollständige Geschäftsrisiko trug.78 Dieses Erwerbsgeschäft, auch als Ausführungsgeschäft bezeichnet, diente der Durchführung des Kommissionsgeschäfts und war in der Regel ein eigenständiger Kaufvertrag des Kommissionärs mit einem Dritten.79 Die vertraglichen ← 27 | 28 → Rechte und Pflichten der Vertragsparteien des Kommissionsgeschäftes ergaben sich hauptsächlich aus den kommissionsrechtlichen Vorschriften der §§ 383ff. HGB. Da der Kommissionsvertrag eine Geschäftsbesorgung mit dienst- oder werkvertraglichem Charakter darstellte, kamen subsidiär der § 675 BGB80, welcher auf die Vorschriften des Auftrags Bezug nimmt, und entweder die §§ 611ff BGB oder die §§ 631ff. BGB zum Tragen.81 Folglich gehörten die Ausführung der Kommission und die Wahrung des Kundeninteresses nach § 384 I HGB zu den Pflichten des WpDU. Des Weiteren war das WpDU gem. § 384 1 HS 2 Fall 2 HGB an die Weisungen des Anlegers gebunden und hatte ihm gegenüber gem. § 384 II HGB eine Mitteilungs- und Benachrichtigungspflicht. Demnach musste es dem Anleger die erforderlichen, also alle wichtigen, das Geschäft betreffenden Auskünfte zukommen lassen, insbesondere solche, die den Anleger zu Anordnungen bezüglich des Geschäfts veranlassen konnten.82 Aus § 384 II HS 2 Alt. 2 HGB (i.V.m. §§ 675 I, 667 Alt.2 BGB) ergab sich grundsätzlich die Pflicht des Kommissionärs, dasjenige, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hatte, an den Kommittenten herauszugeben. Ob der kommissionsrechtliche bzw. auftragsrechtliche (§§ 675 I, 667 Fall 2 BGB) Herausgabeanspruch auch bei Provisionen im Rahmen von Wertpapiergeschäften Anwendung finden sollte, war zwar Gegenstand ausführlicher Diskussionen, wurde jedoch überwiegend bejaht.83 Ohne vertragliche Abbedingung war folglich davon auszugehen, dass das WpDU eine erlangte Rückvergütung grundsätzlich an den Kunden herauszugeben hatte. ← 28 | 29 →

Details

Seiten
235
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653058857
ISBN (ePUB)
9783653963144
ISBN (MOBI)
9783653963137
ISBN (Paperback)
9783631665480
DOI
10.3726/978-3-653-05885-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (September)
Schlagworte
Kick-backs Honoraranlageberatung Aufsichtsrecht Provisionen
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 235 S.

Biographische Angaben

Kerstin Rohwetter (Autor:in)

Kerstin Rohwetter studierte Rechtswissenschaften in Osnabrück, wo sie auch promoviert wurde. Sie arbeitet als Rechtsanwältin im Bereich Compliance.

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Titel: Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG
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