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Die Rechtsnatur der Gesellschafterkonten

von Yorck Frese (Autor:in)
©2016 Dissertation XII, 170 Seiten

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt des Buches steht die Bestimmung der handelsrechtlichen Rechtsnatur von Gesellschafterkonten in Personenhandelsgesellschaften. Der Autor untersucht Kriterien aus Rechtsprechung und Literatur auf ihre Bedeutung für die Qualifikation eines Gesellschafterkontos als Kapital- oder Forderungskonto. Die Erkenntnisse werden an typischen Gestaltungen erprobt und auf mittelbare Unternehmensbeteiligungen übertragen. Das Ergebnis ist ein differenzierter Vorschlag für eine gesellschaftsvertragliche Regelung von Gesellschafterkonten.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Kapitel Gesellschafterkonten
  • A. Vorläufiger Befund
  • I. Gesellschafterkonten in der Praxis
  • II. Gesetzliche Regelung
  • 1. Das Gesamthandsprinzip
  • 2. Der Kapitalanteil
  • 3. Das „gesetzliche Modell“ der Gesellschafterkonten
  • III. Gesellschafterkonten in der Rechnungslegung
  • 1. Buchführung
  • 2. Bilanzierung
  • B. Relevanz der Rechtsnatur von Gesellschafterkonten
  • I. Bedeutung eines Guthabens oder Saldos
  • II. Zuordnung eines Geschäftsvorfalls
  • III. Rechtliche Einordnung eines Geschäftsvorfalls
  • C. Funktion und rechtliche Relevanz von Kapital- und Forderungskonten
  • I. Funktion von Kapital- und Forderungskonten
  • II. Rechtliche Relevanz der Unterscheidung
  • 1. Insolvenz
  • 2. Übertragung des Gesellschaftsanteils und einzelner Konten
  • 3. Liquidation der Gesellschaft
  • 4. Ausscheiden des Gesellschafters
  • 5. Haftung des Kommanditisten
  • 6. Steuerrecht
  • III. Unzulässigkeit von Mischkonten
  • D. Feste und bewegliche Kapitalkonten
  • I. Trennung in feste und bewegliche Kapitalkonten
  • II. Keine Notwendigkeit fester Kapitalkonten
  • III. Vertragliche Kontenmodelle
  • 1. Das Zwei-Konten-Modell
  • 2. Das Drei-Konten-Modell
  • 3. Das Vier-Konten-Modell
  • IV. Begriff des „Kapitalanteils“ im System gespaltener Kapitalkonten
  • E. Rechtsnatur der Gesellschafterkonten und Eigenkapital
  • I. Eigenkapitaldefinition
  • II. Auswirkung auf die Bestimmung der Rechtsnatur von Gesellschafterkonten
  • 2. Kapitel Bestimmung der Rechtsnatur von Gesellschafterkonten
  • A. Bezeichnung des Kontos
  • B. Verlustbuchung
  • I. Verluste auf Konten persönlich haftender Gesellschafter
  • II. Verluste auf Konten von Kommanditisten
  • III. Zur Kritik Siekers am Kriterium „Verlustbuchung“
  • C. Nachrangige Haftung
  • I. Verrechnung mit Kapitalkonten bei Ausscheiden aus der Gesellschaft und Einbeziehung in die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens
  • II. Abgrenzung zum Darlehen, dessen Rückzahlung bis zum Ausscheiden gestundet wird
  • III. Kumulatives oder eigenständiges Kriterium?
  • D. Gesellschaftsrechtliche oder schuldrechtliche Veranlassung der auf einem Gesellschafterkonto gebuchten Geschäftsvorfälle
  • E. Verbuchung von Einlagen und Entnahmen
  • I. Handelsrechtlicher Einlage- und Entnahmebegriff
  • II. Steuerrechtlicher Begriff.
  • III. Auswirkung auf die Rechtsnatur eines Gesellschafterkontos
  • F. Entnahme- und Auszahlungsmodalitäten
  • I. Gesetzliche Wertung.
  • II. Gesellschaftsvertragliche Regelungen
  • 1. Entnahmebeschränkung und Kündigungsbeschränkung
  • 2. Entnahmesperre
  • 3. Unbegrenzte Entnahmefähigkeit
  • III. Entnahmen über das Guthaben hinaus
  • G. Modalitäten der Kapitalüberlassung
  • I. Verzinsung
  • II. Weitere Modalitäten der Kapitalüberlassung
  • H. Zweckbestimmung durch die Gesellschafter
  • I. Verbuchung bestimmter Geschäftsvorfälle
  • I. Buchung festgestellter Gewinne
  • 1. Gesetzliche Wertung
  • 2. Bedeutung der Gewinnbuchung
  • 3. Exkurs: Buchung des Gewinns als „neutraler Geschäftsvorfall“
  • II. Verkehrsgeschäfte
  • III. Zulässige/unzulässige Entnahmen
  • J. Zwischenergebnis und Systematisierung der Kriterien
  • 3. Kapitel Erprobung anhand typischer Konstellationen
  • A. Rechtsnatur der Gesellschafterkonten in typischen Kontenmodellen
  • I. Rechtsnatur der Konten des Kommanditisten im gesetzlichen Modell
  • II. Rechtsnatur der Konten im Zwei-Konten-Modell
  • 1. Das positive Konto im Zwei-Konten-Modell
  • 2. Das negative zweite Konto im Zwei-Konten-Modell
  • III. Rechtsnatur der Konten im Drei-Konten-Modell
  • IV. Rechtsnatur der Konten im Vier-Konten-Modell
  • B. Negative Gesellschafterkonten
  • I. Rechtsnatur negativer Forderungskonten im Besonderen
  • 1. Negatives Forderungskonto aufgrund unzulässiger Entnahmen
  • 2. Negatives Kapitalkonto aufgrund zulässiger Entnahmen
  • 3. Gegenansicht: Negatives Forderungskonto aufgrund zulässiger Entnahmen
  • 4. Rechtsprechung zu negativen Forderungskonten
  • 5. Stellungnahme
  • II. Rechtsnatur negativer Gesellschafterkonten im Allgemeinen
  • III. Zwischenergebnis zu negativen Gesellschafterkonten
  • C. Buchung von Liquiditätsausschüttungen
  • I. Grundsatz: Freie Wahl der rechtlichen Einordnung von Liquiditätsausschüttungen
  • II. Bedeutung der Rechtsnatur des Gesellschafterkontos.
  • III. Rechtliche Einordnung von Liquiditätsausschüttungen unabhängig von der Rechtsnatur des Gesellschafterkontos
  • D. Rücklagenkonten
  • I. Gemeinsame Rücklagenkonten oder gemeinsame Darstellung individueller Rücklagenkonten auf einem Kontenblatt
  • II. Rechtsnatur der Rücklagenkonten
  • III. „Gesamthänderisch gebundene Rücklagenkonten“ im Steuerrecht
  • 4. Kapitel Gesellschafterkonten im Steuerrecht
  • A. Steuerrechtliche Gesellschafterkonten
  • I. Das Gesellschafterkonto im Sinne von § 15a EStG
  • 1. Funktion des Kapitalkontos im Sinne von § 15a EStG
  • 2. Bestimmung des Kapitalkontos im Sinne von § 15a EStG
  • II. Weitere Gesellschafterkonten im Steuerrecht
  • B. Grundsätzlich keine Unterschiede bei der Rechtsnatur im Steuer- und Handelsrecht
  • C. Die Auswirkung des Sonderbetriebsvermögens
  • 5. Kapitel Gesellschafterkonten mittelbarer Unternehmensbeteiligungen
  • A. Typische stille Gesellschaft
  • I. Gesellschafterkonten beim Geschäftsinhaber
  • II. Die „Einlage“ des stillen Gesellschafters als Fremdkapital
  • III. Rechtsnatur der Gesellschafterkonten beim Geschäftsinhaber
  • 1. Einlagekonto
  • 2. Das zweite Gesellschafterkonto
  • B. Atypische stille Gesellschaft
  • I. Gesellschafterkonten beim Geschäftsinhaber
  • II. Eigene Gesellschafterkonten der atypischen stillen Gesellschaft
  • 1. Keine handelsrechtliche Buchführungspflicht
  • 2. Gesellschafterkonten der atypischen stillen Gesellschaft als Option
  • C. Genussrechte
  • D. Zwischenergebnis zu Gesellschafterkonten bei mittelbarer Beteiligung
  • 6. Kapitel Schlussfolgerungen für die Gestaltung von Gesellschafterkontenregelungen in Gesellschaftsverträgen
  • A. Rechtsnatur eindeutig regeln
  • B. Sonstige gesellschaftsvertragliche Regelungen anpassen
  • C. Buchführung an der Kontenführung ausrichten
  • D. Formulierungsvorschlag
  • 7. Kapitel Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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1.  Kapitel Gesellschafterkonten

A.  Vorläufiger Befund

I.  Gesellschafterkonten in der Praxis

Die handelsrechtlichen Regelungen über Gesellschafterkonten sind seit Erlass des HGB am 10. Mai 1897 unverändert. Die Praxis der Personengesellschaften hat sich in der gleichen Zeit gewandelt. Während der HGB-Gesetzgeber 1897 noch eine offene Handelsgesellschaft im Blick hatte, in der ein kleiner Gesellschafterkreis vor allem durch persönliche Mitarbeit der Gesellschafter den Geschäftsbetrieb führt,1 gibt es heute Kommanditgesellschaften mit einer Vielzahl gesellschaftsrechtlich beteiligter und schuldrechtlich verbundener Gesellschafter.2 Neben der typischen oHG und KG haben sich sogenannte mittelbare Unternehmensbeteiligungen wie die atypische stille Gesellschaft etabliert, die der Gesetzgeber von 1897 nicht voraussah und der aktuelle Gesetzgeber nicht zu regeln vermag.3 Viele Personengesellschaften sind sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis Kapitalgesellschaften ähnlich geworden.4 ← 1 | 2 →

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich wesentlich verändert. Das Bilanzrecht wurde grundlegend durch die Umsetzung der Europäischen Bilanzrichtlinien reformiert,5 mit der Folge, dass auch für Personenhandelsgesellschaften zwingend ein Bilanzausweis geordnet nach Eigen- und Fremdkapital stattzufinden hat.6 Im Steuerrecht wurden Vorschriften erlassen, die eine Aufschlüsselung der Gesellschafterkonten erfordern.7 Die im Recht der Personengesellschaft erforderlichen Anpassungen wurden nicht vom Gesetzgeber, sondern durch die Vertragspraxis vorgenommen. Verschiedene vertragliche Vereinbarungen, etwa die rechtliche Einordnung sogenannter Liquiditätsausschüttungen,8 haben weitere Fragen aufgeworfen.

Das Verständnis der Gesellschafterkonten hat sich, wenn man den aktuellen Stand der Forschung mit Hubers grundlegender Analyse der Gesellschafterkonten von 19889 vergleicht, nicht wesentlich fortentwickelt. Die vorliegende Arbeit nimmt sich der beschriebenen Entwicklungen in vier Bereichen an, in deren Mittelpunkt jeweils die Frage nach der Rechtsnatur der Gesellschafterkonten steht. Im 2. Kapitel wird zunächst untersucht, wie die Rechtsnatur eines Gesellschafterkontos abstrakt anhand der Regelungen im Gesellschaftsvertrag und im Gesetz bestimmt wird. Die Ergebnisse des 2. Kapitels werden im 3. Kapitel anhand typischer Konstellationen erprobt. Inwieweit die handelsrechtliche Rechtsnatur für die Bestimmung der Rechtsnatur steuerrechtlicher Gesellschafterkonten ausschlaggebend ist, wird im 4. Kapitel untersucht. Dem schließt sich im 5. Kapitel ein weiteres Thema an, das bisher in der Literatur nur wenig Beachtung fand: Die Gesellschafterkonten mittelbarer Unternehmensbeteiligungen. Schließlich werden die Erkenntnisse im 6. Kapitel genutzt, um Schlussfolgerungen für die Vertragsgestaltung zu treffen.

Die Grundlagen für die Untersuchung der Rechtsnatur der Gesellschafterkonten werden im 1. Kapitel gelegt. Ausgangspunkt sind die gesetzliche Regelung ← 2 | 3 → der Gesellschafterkonten und das Gesamthandsprinzip. Dem folgt eine Darstellung von Funktion und rechtlicher Relevanz von Kapital- und Forderungskonten sowie der typischen vertraglichen Gestaltungen. Das erste Kapitel mündet in der Erkenntnis, dass die Abgrenzung von Kapital- und Forderungskonten derjenigen von Eigen- und Fremdkapital der Personengesellschaft entspricht.

II.  Gesetzliche Regelung

1.  Das Gesamthandsprinzip

Das Gesetz schreibt die Führung von Gesellschafterkonten bei Personengesellschaften nicht vor, sondern setzt sie in den §§ 120 ff., 167 ff. HGB voraus. Die gesetzliche Regelung liegt im „Gesamthandsprinzip“ begründet, das sich folgendermaßen ausnimmt: Die Personenhandelsgesellschaften des HGB sind Gesamthandsgesellschaften.10 Sie sind keine juristischen Personen11 und als solche gegenüber ihren Mitgliedern verselbstständigt,12 sondern „Wirkungseinheit der in ihr verbundenen Personen“.13 Dieses Prinzip findet Ausdruck in der Finanzverfassung der Personengesellschaft:

Das Gesellschaftsvermögen der oHG und KG ist nach heutigem Stand der Erkenntnis14 gemäß § 718 BGB, §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB Gesamthandsvermögen und als solches, anders als es die soeben zitierte Beschreibung der Gesamthand vermuten lässt,15 nicht Sondervermögen der Gesellschafter,16 sondern Vermögen der Gesellschaft.17 Sachenrechtlich ist das Gesamthandsvermögen ← 3 | 4 → mithin der Personengesellschaft zugeordnet.18 Dem einzelnen Gesellschafter erwächst aus der gesamthänderischen Beteiligung weder eine dingliche Berechtigung an einzelnen Vermögensgegenständen noch am Gesamthandsvermögen (§ 719 BGB). Mit den Rechtsbeziehungen der Gesamthand hat der Gesellschafter nur mittelbar über seine Mitgliedschaft zu tun.19 Über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen20 oder einen (nicht bestehenden) Anteil an den Gegenständen des Gesellschaftsvermögens kann der Gesellschafter nicht verfügen, sondern nur über den Gesellschaftsanteil im Wege der An- oder Abwachsung in Folge eines Gesellschafterwechsels.21 Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesamthandsgesellschaft aus, verliert er seine Gesamthandsberechtigung und erhält einen schuldrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch, § 738 BGB. Die gesamthänderische Beteiligung ist daher untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden.22 Die Gesamthandsgesellschaft und damit auch das Gesamthandsvermögen bestehen nur, weil ihre Mitglieder sich als Gesamthänder zu einer „Gruppe“ zusammenschließen.23

Ausdruck des Gesamthandsprinzips im Innenverhältnis ist nach diesem Stand von Praxis und Lehre nicht die dingliche, sondern die wertmäßige Aufteilung des Gesamthandsvermögens auf die Gesellschafter. Die wertmäßige Beteiligung eines Gesellschafters wird teilweise auch als Vermögensanteil bezeichnet.24 Dabei gilt, dass nicht jeder Gesellschafter einen Vermögensanteil haben muss,25 aber ein wertmäßiger Anteil am Vermögen eine gesamthänderische Beteiligung ← 4 | 5 → voraussetzt.26 Sowohl die gesamthänderische Beteiligung als auch der Vermögensanteil sind untrennbar mit der Mitgliedschaft verbunden.27 Die wertmäßige Beteiligung des Gesellschafters auf Grundlage der Buchführung wird durch den Kapitalanteil beziffert.

2.  Der Kapitalanteil

Der Kapitalanteil ist das verbindende Element zwischen der wertmäßigen Beteiligung des Gesellschafters und den Gesellschafterkonten. Das HGB kennt ausdrücklich weder den Gesamthandsanteil noch den Vermögensanteil oder die Gesellschafterkonten, sondern spricht vom Kapitalanteil, wenn die wertmäßige Beteiligung eines Gesellschafters von Bedeutung ist.28 Definiert werden kann der Kapitalanteil positiv in Anlehnung an Alfred Hueck29 mit den Worten von Ulrich Huber als „Bilanzziffer, die den gegenwärtigen Stand der Einlage des Gesellschafters angibt, so wie er sich nach den Methoden der kaufmännischen Buchführung errechnet“.30 Der Kapitalanteil gibt weder den absoluten noch den relativen Wert des Anteils am Gesellschaftsvermögen wieder,31 sondern nur den in der Bilanz ermittelten Buchwert.32 Er stellt weder ein dingliches33 oder subjektives Recht34 ← 5 | 6 → noch eine (auf das Ende der Gesellschaft betagte) Forderung35 oder einen bedingten Anspruch dar.36

Der Kapitalanteil als „gegenwärtige[r] Stand der Einlage“ kann aus der Bilanz der Gesellschaft abgeleitet werden.37 Sind die Einlagen einer Gesellschaft eingezahlt und hat die Gesellschaft keine weiteren Geschäfte getätigt, entspricht der Kapitalanteil der ursprünglichen Einlage des Gesellschafters.38 Nimmt die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit auf, wird die gegenwärtige Einlage nach § 120 Abs. 2 HGB bestimmt, indem der ursprünglichen Einlage Gewinne und weitere Einlagen zugeschrieben und Verluste und Entnahmen von ihr abgeschrieben werden.

Der Kapitalanteil dient im HGB als Rechengröße für den gegenwärtigen Stand der Beteiligung.39 Auf Grundlage des Kapitalanteils werden der Vorzugsgewinnanteil des Gesellschafters nach § 121 Abs. 1 HGB, das Kapitalentnahmerecht nach § 122 Abs. 1 Hs. 1 HGB und das Auseinandersetzungsguthaben gemäß § 155 Abs. 1 HGB berechnet. Für den Kommanditisten ist der Kapitalanteil für die Höhe und den Bezug des Gewinnanteils nach §§ 168 Abs. 1, 169 Abs. 1 HGB und das Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB relevant. Wie in der oHG ist der Kapitalanteil des Komplementärs und der Kommanditisten der gegenwärtige Stand der Einlage.40 Jedoch ist der Kapitalanteil des Kommanditisten in seiner Höhe begrenzt, vgl. § 167 Abs. 2 HGB. Dem Kapitalanteil des Kommanditisten werden Einlagen und Gewinne nur so lange gutgeschrieben, bis die Höhe der bedungenen Einlage erreicht ist.

3.  Das „gesetzliche Modell“ der Gesellschafterkonten

Der Kapitalanteil ist Grundlage für die Führung von Gesellschafterkonten. Er wird in der Buchführung auf einem Kapitalkonto wiedergegeben.41 Das HGB setzt in § 120 Abs. 2 voraus, dass für den persönlich haftenden Gesellschafter ein Kapitalkonto geführt wird, auf dem der ihm zukommende Gewinn ← 6 | 7 → gutgeschrieben und von dem der auf ihn entfallende Verlust sowie die Entnahmen abgeschrieben werden.42 Für den oHG-Gesellschafter und den Komplementär der Kommanditgesellschaft ist daher ein Kapitalkonto zu führen, vgl. §§ 161 Abs. 2, 120 Abs. 2 HGB.

Für den Kommanditisten setzt das HGB ebenfalls ein bewegliches Kapitalkonto zur Verbuchung von Einlagen, Entnahmen, Verlusten und Gewinnen voraus, §§ 120 Abs. 2, 167 Abs. 1 HGB. Da dem Kapitalanteil des Kommanditisten Gewinne nach § 167 Abs. 2 HGB nur bis zur Höhe der bedungenen Einlage gutgeschrieben werden,43 sind weitere Gewinne und Einlagen auf einem zweiten Gesellschafterkonto zu buchen. Nach der gesetzlichen Regelung hat der Kommanditist daher zwei Gesellschafterkonten,44 die sich in wesentlichen Punkten unterscheiden. So kann der Gewinn, der dem zweiten Gesellschafterkonto gutgeschrieben wurde, gemäß § 169 HGB dem Kommanditisten nicht mehr entzogen und nicht mehr mit künftigen Verlusten verrechnet werden,45 während das Guthaben auf dem ersten Gesellschafterkonto von Verlusten aufgezehrt46 und grundsätzlich nicht entnommen werden kann.47 Daraus wird gefolgert, dass das zweite Gesellschafterkonto eine andere Rechtsnatur hat:48 Es ist ein Forderungskonto,49 ← 7 | 8 → das nicht wie der Kapitalanteil einen Anteil am Wert des Gesellschaftsvermögens beziffert, sondern im Haben eine Forderung und im Soll50 eine Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft darstellt.51

Das „gesetzliche Modell“ der Gesellschafterkonten sieht daher Folgendes vor: Für den persönlich haftenden Gesellschafter wird ein variables Kapitalkonto und für den Kommanditisten werden ein variables, in der Höhe begrenztes Kapitalkonto sowie ein Forderungskonto geführt.

III.  Gesellschafterkonten in der Rechnungslegung

Die theoretische Grundlage der Gesellschafterkonten liegt im Gesamthandsprinzip begründet. Praktisch kann die Grundlage der Gesellschafterkonten in der Rechnungslegung gesehen werden.

1.  Buchführung

Gesellschafterkonten bilden entweder als Kapitalkonten die „gegenwärtige Einlage“ des Gesellschafters oder als Forderungskonten Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft ab.52 Die Buchung auf einem Gesellschafterkonto hat grundsätzlich keine materielle Bedeutung, ← 8 | 9 → sondern ist lediglich die technische Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen.53 Die Buchung folgt der Rechtslage und nicht die Rechtslage der Buchung.54

Gesellschafterkonten haben über die beschriebene technische Funktion hinaus eine materielle handels- und steuerrechtliche Bedeutung. Beispielswiese kann sich die von den Gesellschaftern bewusst veranlasste Buchung auf einem Konto auf die Haftung des Gesellschafters auswirken:55 Wird die Entnahme eines Kommanditisten auf einem Kapitalkonto gebucht, kann nach § 172 Abs. 4 HGB seine Außenhaftung aufleben. Wird die Entnahme dagegen auf einem Forderungskonto gebucht, so entsteht eine Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft.56 Die bewusste Entscheidung, welche Geschäftsvorfälle auf welchen Konten gebucht werden, wirkt sich damit – von Fehlbuchungen abgesehen – materiell aus und stellt nicht, anders als bei normalen Konten der Buchführung, allein einen formellen Aufzeichnungsakt dar. Die Entnahme hat eine unterschiedliche Bedeutung, je nachdem wie sie in der Buchführung der Gesellschaft ausgewiesen wird. Diese Bedeutung wird dadurch anerkannt, dass Gesellschafterkonten, soweit das gesetzliche Modell abbedungen wird, im Gesellschaftsvertrag geregelt werden müssen. Die formelle und materielle Bedeutung der Gesellschafterkonten kann als „Doppelcharakter der Gesellschafterkonten“ bezeichnet werden.

Details

Seiten
XII, 170
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653065671
ISBN (ePUB)
9783653949490
ISBN (MOBI)
9783653949483
ISBN (Paperback)
9783631665848
DOI
10.3726/978-3-653-06567-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Januar)
Schlagworte
Bilanzierung Buchführung Kommanditgesellschaft Eigen- und Fremdkapital Personengesellschaften
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XII, 170 S.

Biographische Angaben

Yorck Frese (Autor:in)

Yorck Frese studierte Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School, Hamburg, und der Universität Montesquieu Bordeaux IV, Frankreich. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Unternehmensrecht der Bucerius Law School.

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