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Der Deutsche Krieg von 1866

Die Feldpostbriefe des Soldaten Louis Ernst

von Ludwig Burwitz (Band-Herausgeber:in) Armin Nassauer (Band-Herausgeber:in) Olaf Wagener (Band-Herausgeber:in)
©2016 Andere 194 Seiten

Zusammenfassung

Der Band legt eine Edition der Briefe vor, die der Soldat Louis Ernst aus dem preußisch-österreichischen Feldzug in Böhmen 1866 in die Heimat geschrieben hat. Ergänzend finden sich eine Auswertung der Briefe sowie eine Biographie des späteren Siegener Reichstagsabgeordneten Louis Ernst.

Inhaltsverzeichnis


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Einleitung

Der so genannte „deutsche Krieg“ zwischen Preußen und seinen Verbündeten auf der einen und Österreich und seinen Bundesgenossen auf der anderen Seite jährt sich 2016 zum 150. Mal.

So groß die Anzahl der Publikationen zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 ist – wenngleich in den meisten Fällen noch im 19. Jahrhundert erschienen – so gering ist die Zahl der Abhandlungen zum „Bruderkrieg“ von 1866. Umso erfreulicher ist es, dass mit dem vorliegenden Band die Feldpostbriefe eines Teilnehmers dieses Krieges vorgelegt werden können. Es handelt sich um die Briefe, die der in preußischem Dienst stehende Louis Ernst, später ein hoch angesehener Bürger und Politiker in seiner Heimatstadt Siegen, während des Feldzugs in Böhmen an seine Angehörigen in der Heimat geschrieben hat.

Neben einer kritischen Edition der Briefe finden sich vorliegend auch eine Biographie von Louis Ernst sowie eine Auswertung der Briefe unter kulturhistorischen Aspekten.

Ein solches Buch kann natürlich nicht ohne die Unterstützung Dritter entstehen. Daher gebührt Johannes Müller-Kissing M.A., Hagen, herzlicher Dank für zur Verfügung gestellte Literatur sowie Herrn Hartmut Ernst, Frechen, für die unkomplizierte Ermöglichung der Einsichtnahme in das Familienarchiv Ernst.

Ein besonderer Dank gebührt der Stadt Siegen, dem Kreisarchiv Siegen, Kreisarchivar Thomas Wolf, und dem Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein e.V. für ihre finanzielle Unterstützung, ohne die dieses Buch nicht hätte realisiert werden können.

Danken möchten wir auch Dr. Hermann Ühlein vom Verlag Peter Lang, der die Entstehung dieses Buches in unkomplizierter und angenehmer Weise begleitet hat.

Siegen, im Januar 2016

Die Herausgeber

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Ludwig Burwitz: Ein edler Mann mit freundlich ernstem Wesen – Zur Biografie des Professor Doktor Louis Ernst

Professor Dr. Louis Ernst, nachmaliger Direktor der angesehenen Siegener Wiesenbauschule, langjähriger Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung seiner Heimatstadt, Reichstags- und Landtagsabgeordneter und Teilnehmer an den Feldzügen 1866 und 1870/71, wurde am 2. September des Jahres 1839 in Siegen, der alten Residenz des ehemaligen Fürstentums Nassau-Siegen geboren. Wiewohl der Kirchenbucheintrag des protestantisch-reformierten Pfarrers für den Täufling auf den Namen Ludwig lautete, behielt der neue Erdenbürger selbst in offiziellen Dokumenten bis an sein Lebensende den frankophilen Rufnamen Louis.

Der kleine Ludwig / Louis wurde in eine angesehene Kaufmannsfamilie hineingeboren, die ein stattliches Haus im sogenannten Klubb bewohnte, einem uralten Komplex eng miteinander verschachtelter und verzahnter Gebäude unmittelbar im Schatten der Stadtkirche St. Nikolai. Das Adressbuch für Rheinland-Westfalen von 1834 vermerkt für Louis’ Vater Johannes (geb. 31.08.1798) „Spezereiwaren und Tuchhandel“.1 Ehrenamtlich tätig war der Vater in der fünfzehnköpfigen Stadtverordnetenversammlung, die erst seit der 1836 erfolgten Einführung der revidierten Städteordnung in den neuen preußischen Provinzen von der Bürgerschaft gewählt wurden. Die Mutter Anna Katharina Panthöfer (geb. 20.02.1796) entstammte ebenfalls einem alten Siegener Geschlecht aus dem Hüttenvorort Hain. Sie war die zweite Ehefrau des Johannes Ernst, der nach dem Tod seiner ersten Gemahlin kurzerhand deren Schwester geehelicht hatte. Die beiden ersten Kinder des Ehepaares überlebten die Säuglingsjahre nicht, ebenso wie fünf der sieben Kinder aus der ersten Ehe des Vaters mit Maria Elisabeth Panthöfer. So wuchs der kleine Louis mit den wesentlich älteren Stiefgeschwistern Franz Jakob (geb. 15.03.1828), der in seinem späteren Leben eine nicht ganz unwesentliche Rolle spielen sollte, und Sophie Polyxene (geb. 3.08.1831) auf. ← 9 | 10 →

Die Stadt, in die er hineingeboren wurde, trug noch schwer an den Bürden der Vergangenheit. 1815 wegen seiner Bedeutung als Montanregion nach den Wiener Beschlüssen dem Königreich Preußen zugeschlagen, hatte sich der neugebildete Kreis Siegen mit seiner Kreisstadt noch nicht von den finanziellen Belastungen des Ancien Regime und der sieben Jahre währenden ‚Franzosenzeit‘ im Großherzogtum Berg erholt. Die daraus resultierende städtische Schuldenlast betrug 1839 trotz einer jährlichen staatlichen Beihilfe zur Tilgung von 4.600 Talern immer noch rund 90.000 Taler, die sich angesichts von gerade einmal knapp 5.000 Einwohnern natürlich lähmend auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben auswirkten. Hinzu kam, dass die preußische Regierung nach Übernahme des Landes trotz Gewerbefreiheit die alten Monopole und Regalien der Hütten- und Hammergewerke nicht nur nicht angetastet sondern ausdrücklich bestätigt hatte, um die vermeintlich gesunde Wirtschaft des Siegerlandes zu erhalten. Letztlich verhinderte sie auf diese Weise die mögliche Industrialisierung der Region, die den Anschluss an die nationale und internationale Entwicklung verlor.2

In der Stadt selbst kündete die Existenz zweier Schlösser nach wie vor von der ehedem absoluten Macht, allerdings auch von der eher bescheidenen Prachtentfaltung der katholischen und der protestantischen Linie des Hauses Nassau-Siegen. Wegen der fehlenden finanziellen Ressourcen beklagen alle zeitgenössischen Quellen den fortschreitenden Verfall der öffentlichen Bauten, neben den Adelssitzen, insbesondere der Stadtmauer, der Tore und des kommunalen Wegenetzes. Letzteres bezeichnete ein Bürgermeister als „erbärmlich“ und die „Schulstuben befanden sich in einem Zustande, daß das Schulhalten in denselben kaum noch polizeilich geduldet werden konnte.“3

Bezeichnend für die desolate Lage der Stadt waren die in Stadtverwaltung und städtischen Gremien diskutierten Dauerthemen dieser Jahre: Zum einen wurde die seit langem evidente Überbelegung des Kirchhofes an der Martinikirche, einziger Begräbnisplatz der Stadt, so drängend, dass sich selbst der Arnsberger Regierungspräsident Freiherr von Vincke einschaltete und nach Berlin berichtete, dass bei jeder neuen Beerdigung halbverweste Leichen zum ← 10 | 11 → Vorschein kämen. Zum zweiten die mangelnde Beleuchtung der Stadt, die erst 1841 durch das Engagement einer Versicherungsgesellschaft und Beiträge aus der Bürgerschaft mit immerhin 16 Petroleum-Laternen zustande kam und schließlich im Jahr 1848 von der Stadt übernommen werden konnte.4

Über die Jugendzeit Louis Ernsts gibt es keine Nachrichten außer einem Hinweis, dass er „in den Kinderjahren vielen Krankheiten unterworfen“ war.5 Zur Einschulung hatte er zumindest ein gewisses Maß an Glück, dass sich die erwähnten miserablen Schulverhältnisse insoweit verbessert hatten, als die evangelische Knabenschule 1837 aus unzulänglichen Räumen im Rathaus verlegt worden war in das ehemalige Ballhaus des Unteren Schlosses. Und nachdem er die Elementarschulzeit absolviert hatte, änderte sich sein Schulweg kaum, denn nun besuchte er die Höhere Bürgerschule im unmittelbar nebenan gelegenen alten Marstall.

An dieser legte er Ostern 1857 die Reifeprüfung immerhin mit dem Prädikat „hinreichend bestanden“6 ab und immatrikulierte sich am 28. April an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, mit dem Ziel Chemie zu studieren. Am Rhein verblieb Louis Ernst lediglich das folgende Sommersemester. Nachdem Professor Moritz Baumert, der ihn in die Grundlagen der Chemie eingeführt hatte, aus Krankheitsgründen von seinem Lehrauftrag zurücktrat, zog es ihn – wohl auf Anraten seines Vaters, der mit dem Chemiker Erlenmeyer befreundet war – weiter an den Neckar, um im Wintersemester seine Studien in Heidelberg fortzusetzen, dem damaligen Zentrum der chemischen Forschung in Deutschland. Hier wohnte er zunächst in der Kettengasse 17 bei der Witwe des Postmeisters Harrer, zog aber schon zum folgenden Sommersemester um in die Karpfengasse 6, die laut Heidelberger Adressbuch das Laboratorium von Dr. Erlenmeyer beherbergte.7 ← 11 | 12 →

Abb. 1 Louis Ernst als Student in Heidelberg, 1859

Quelle: Stadtarchiv Siegen

Folgt man dem aus Anlass der Promotion auf Latein verfassten Lebenslauf, dann lernte und arbeitete Louis Ernst in den folgenden beiden Semestern im Laboratorium des berühmten Professor Robert Bunsen. Weitere fünf Semester setzte er seine Studien im privaten Forschungslabor des kaum weniger bekannten Emil Erlenmeyer fort. Mit Schreiben vom 20. Juli 1860 bat Ernst schließlich um die Zulassung zum Doktor-Examen in Chemie als Hauptfach sowie Physik und Mineralogie in den Nebenfächern. Bereits vier Tage später fand die Promotionssitzung der philosophischen Fakultät ← 12 | 13 → statt, in der der Kandidat von den Professoren Bunsen, Kirchhoff und Blum geprüft wurde. Das Prüfungsprotokoll hält die knappen Beurteilungen der Prüfer fest – Professor Bunsen: „Der Candidat legte Proben ausgezeichneter Kenntnisse ab“, Professor Kirchhoff: „Ich fand mich vollkommen befriedigt“ – so dass Louis Ernst mit dem Prädikat „summa cum laude“ promoviert wurde.8

Über eine Dissertation war nichts in Erfahrung zu bringen, jedenfalls liegt keine gedruckte Veröffentlichung vor. Ende des Jahres 1860 publizierte Louis Ernst hingegen eine wissenschaftliche Abhandlung im Fachorgan „Journal für praktische Chemie“ unter dem Titel: „Über die Darstellung von Nitro- und Amidobenzoesäure und eine ungewöhnliche Art der Nitrirung“9. Der Untertitel „Vorläufige Notiz aus dem Laboratorium des Privatdocenten Erlenmeyer in Heidelberg“ mag ein Hinweis auf ein nur kurzfristiges Verbleiben des nunmehr promovierten Chemikers in Heidelberg sein. Denn am 1. April 1861 trat Louis seinen Militärdienst bei der 3. Kompanie des Garde Füsilier Regiments in Berlin an, von dem er nach einem Jahr als Unteroffizier mit der Qualifikation zum Landwehr Offizier entlassen wurde.10

Anschließend finden wir ihn wieder für zwei Jahre in Heidelberg, wo er im Labor des Professor Erlenmeyer eine Assistentenstelle bekleidete. Von April 1864 bis Ende des Jahres 1865 arbeitete er als Chemiker in der chemischen Fabrik von L.C. Marquardt in Beuel bei Bonn, um anschließend „eine vorübergehende Stellung“ in einer Weilburger Porzellanfabrik anzutreten.11 ← 13 | 14 →

Abb. 2 Exmatrikulation in Bonn, 1857

Details

Seiten
194
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653061048
ISBN (ePUB)
9783653961355
ISBN (MOBI)
9783653961348
ISBN (Hardcover)
9783631666586
DOI
10.3726/978-3-653-06104-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Militärgeschichte Königgrätz Feldpostbriefe Deutsch-österreichischer Krieg
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 194 S., 17 s/w Abb., 1 Tab.

Biographische Angaben

Ludwig Burwitz (Band-Herausgeber:in) Armin Nassauer (Band-Herausgeber:in) Olaf Wagener (Band-Herausgeber:in)

Ludwig Burwitz ist Leiter des Stadtarchivs Siegen. Armin Nassauer ist Inhaber eines Buchantiquariates in Siegen. Olaf Wagener ist Historiker und Kunsthistoriker.

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