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Das publizistische und literarische Werk Margarita Nelkens

Engagement, Gesellschaftskritik und Genderproblematik

von Manuela Franke (Autor:in)
©2016 Dissertation 356 Seiten

Zusammenfassung

Die Autorin behandelt erstmals umfassend sowohl die Person als auch das Werk der Schriftstellerin und Politikerin Margarita Nelken (1894–1968). Diese fand bislang hauptsächlich aufgrund ihres politischen und sozialen Engagements in der Zweiten Republik Spaniens, im Spanischen Bürgerkrieg und während ihres Exils in Mexiko Beachtung – ihre zahlreichen publizistischen und literarischen Texte blieben dagegen weitgehend unberücksichtigt. Die Autorin untersucht auch bisher unbekannte Texte und stellt die enge Verbindung zwischen den literarisch-künstlerischen und den politischen Schriften Nelkens heraus. Ihr Augenmerk gilt dabei den verschiedenen Formen von Nelkens Kritik an der Gesellschaft und insbesondere an den herrschenden Geschlechterverhältnissen vor und während des Exils.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1.0 Einleitung
  • 1.1 Forschungsstand
  • 1.2 Margarita Nelkens Rolle in der spanischen Feminismusbewegung
  • 1.3 Engagement in Publizistik und Literatur
  • 1.3.1 Engagiertes Schreiben und Publizistik
  • 1.3.2 Engagiertes Schreiben und Literatur
  • Teil I: Die publizistischen Werke Margarita Nelkens
  • 2.0 Margarita Nelken und die Feminismusbewegung in Spanien (1919–1935)
  • 2.1 Sozialgeschichtliche Hintergründe: Lebensumstände von Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts
  • 2.1.1 Allgemeine Lebensbedingungen der Frauen und die frühe Feminismusbewegung
  • 2.1.2 Gesetzliche Lage spanischer Frauen
  • 2.1.3 Arbeitsbedingungen spanischer Frauen
  • 2.2 Margarita Nelkens Position: Arbeitssituation
  • 2.2.1 Fabrikarbeit
  • 2.2.2 Heimarbeit
  • 2.2.3 Prostitution
  • 2.3 Margarita Nelken Position: allgemeine Lebensbedingungen der Frau
  • 2.3.1 Rolle der Kirche
  • 2.3.2 Bildungssystem
  • 2.3.3 Ehe
  • 2.4 Margarita Nelkens Position: Gesetzeslage
  • 2.4.1 Scheidungsrecht
  • 2.4.2 Wahlrecht
  • 2.4.3 Alleinerziehende Mütter
  • 2.5 Zwischenfazit
  • 3.0 Margarita Nelken im Exil (1935/1936 und 1939–1968)
  • 3.1 Exil während der Zweiten Republik (1935/1936)
  • 3.1.1 Sozialgeschichtliche Hintergründe: Margarita Nelkens Weg ins erste Exil
  • 3.1.2 Margarita Nelkens Sicht auf die Zweite Republik
  • 3.1.3 Margarita Nelkens Argumentation bezüglich der gesellschaftlichen Rolle der Frau
  • 3.2 Margarita Nelkens Exil nach der Machtübernahme Francos (1936–1968)
  • 3.2.1 Sozialgeschichtliche Hintergründe: Margarita Nelken im Exil in Mexiko
  • 3.2.2 Margarita Nelkens Reflexionen über La Guerra Civil Española
  • 3.2.3 Margarita Nelkens Überlegungen hinsichtlich der Frauenfrage
  • 3.3 Zwischenfazit
  • 4.0 Una vida para el arte – Margarita Nelkens Kunstkritiken
  • Teil II: Die literarischen Werke Margarita Nelkens
  • 5.0 Margarita Nelkens literarische Werke (1923–1939)
  • 5.1 Margarita Nelkens Romane
  • 5.1.1 La trampa del arenal (1923)
  • 5.1.2 En torno a nosotras (1927)
  • 5.2 Margarita Nelkens Erzählungen
  • 5.2.1 La aventura de Roma (1923)
  • 5.2.2 Pitiminí ‚Etoile‘ (1924)
  • 5.2.3 El milagro (1924)
  • 5.2.4 El desliz (o.J.)
  • 5.2.5 La exótica (1930)
  • 5.3 Zwischenfazit
  • 6.0 Margarita Nelkens Exilliteratur (1939–1968)
  • 6.1 Margarita Nelkens Drehbücher
  • 6.1.1 Cada quien su vida (1950)
  • 6.1.2 Cada quien su vida (1952)
  • 6.1.3 Sin título (o.J.)
  • 6.2 Margarita Nelkens Lyrik
  • 6.2.1 Primer Frente (1944)
  • 6.2.2 Elegía para Magda (1954)
  • 6.3 Zwischenfazit
  • 7.0 Resümee
  • Literaturverzeichnis

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1.0 Einleitung

Margarita era una muchacha ‚rubia de ojos azules, cara de damisela versallesca, bonita y buena moza, gentil y alada, cual si fuese una de sus muñecas de época que, después de una noche de sombras, al lucir el sol, saltarina, con su encanto de muñeca, tomó vida y echó a andar‘, al decir del periodista de La Calle, J. Benjumea Román.1

Kunstkritikerin, Schriftstellerin, Politikerin, Menschenrechtlerin: Diese Schlagworte charakterisieren Margarita Nelken und ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr vida a contrapelo.2 Während der Zweiten Republik ist sie eine der umstrittensten Persönlichkeiten Spaniens und nach Josebe Martínez Gutiérrez als „[…] la única mujer con cargo político que desempeñó un papel decisivo“3 zu sehen. So stellt beispielsweise Manuel Vázquez Montalbán in seinem Text über Dolores Ibárruri – La Pasionaria (1895–1989) in Bezug auf Margarita Nelken fest:

[s]i Dolores es la gran estrella del protagonismo político de la mujer durante la guerra, habría algún día que valorar justamente el papel de Margarita Nelken como una protagonista radical que acusa a la República de debilidades inductoras del envalentonamiento de la reacción y reclama que el fascismo no merezca nunca ¡ni perdón, ni olvido!, consigna tan famosa como las de Pasionaria.4

Margarita Nelkens Vater, Julius Nelken Waldberg, ist Juwelier in Breslau und wandert 1881 nach Spanien aus. Dort lernt er die im französischen Anglet (Bayonne) geborene Jeanne Esther Mansberger kennen, die er 1893 heiratet. Ihre erste gemeinsame Tochter, María Teresa Lea Nelken y Mansberger5 (kurz ← 11 | 12 → Margarita), wird am 6. Juli 18946 geboren. Das zweite Kind, Carmen Eva Nelken Mansberger7, ist zwei Jahre jünger als ihre Schwester8.

Bereits im Kindesalter lernen die Mädchen zusätzlich zur Landessprache Französisch, Deutsch und Englisch. Aufgrund ihres jüdischen Glaubens kommt es in der Schule zu Schwierigkeiten, sodass sie die Ausbildungsstätte verlassen und zu Hause von Privatlehrern unterrichtet werden. Von Kindesalter an gilt Margarita Nelkens besonderes Interesse der Kunst. Mit dreizehn Jahren reist sie zu Studienzwecken nach Paris, wo sie unter anderem ihr Abitur macht. Dort ← 12 | 13 → lernt sie gemeinsam mit der Kubistin María Blanchard und mit dem Künstler Eduardo Chicharro zeichnen. Gleichzeitig widmet sie sich dem Musikstudium. Aufgrund eines Augenleidens muss sie die Malerei jedoch bald aufgeben und wendet sich der Schriftstellerei zu.

Nelkens literarisches Schaffen beginnt in einer Zeit, in der das spanische Königreich von politischen Umbrüchen, ständigen Regierungswechseln und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen besonders stark in die dos Españas gespalten ist.9 Dieser Konflikt zwischen Tradition und Moderne spiegelt sich in ihrem gesamten Werk. 1911 erscheint ihr erster Artikel „Los frescos de Goya“ in der englischen Zeitschrift „The Studio“. Es folgen zahlreiche Texte für spanische sowie ausländische Zeitschriften und Zeitungen, wie beispielsweise „Blanco y Negro“, „La Esfera“, „Nuevo Mundo“, „La Ilustración Española y Americana“, „Le Mercure de France“, „L’Art et les Artistes“, „L’Art Décoratif“, „La Renaissance Contemporaine“, „La Gazette de Beaux Arts“, „Arts“, „Über Land und Meer“, „Die Kunst“, „Göteborgs Handelstidnig“, „Vita D’Arte“, „La Razón“, „La Prensa“, „El Hogar“, et. al.10 Die erste spanische Zeitschrift, in der sie veröffentlicht, ist „La Ilustración Española y Americana“. In den ausländischen Redaktionen wird sie aufgrund der Qualität ihrer Texte lange Zeit für einen Mann gehalten, wie sie selbst 1923 in einem Interview mit Artemio Precioso erzählt:

El primer sitio en donde escribí aquí fué11 en ,La Ilustración Española y Americana‘; la dirigía entonces mi ilustre amigo Fernández Flórez. Yo no había pisado jamás una redacción ni visto nunca a un director de periódico. En las revistas extranjeras, en donde colaboraba hacía ya varios años, creían que yo era un hombre. Pues bien: el ir aquí a ofrecer un artículo me causó tal emoción, que le entregué las cuartillas a Flórez con la vista baja, azoradísima, y salí escapada, sin pronunciar palabra. Luego supe que Flórez había ← 13 | 14 → dicho: ,Esa chica debe ser tonta; una niña cursi que le hará versos al canario, como si lo viera‘. Pero leyó el artículo, y con gran asombro suyo y mío, me encargó enseguida otro.12

Erst während des Exils in Mexiko wendet sich Nelken wieder häufiger dem Verfassen von Kunstkritiken zu und macht sich nicht zuletzt aufgrund ihres Interesses und Einsatzes für die jüdische Kultur und Gesellschaft einen Namen.13 Während der Zweiten Republik und des Bürgerkrieges hingegen widmet sie sich vermehrt gesellschaftskritischen Themen, die sich sowohl in ihren publizistischen Schriften als auch in literarischen Texten manifestieren. Insbesondere die Frage nach der Rolle der Frau in der Gesellschaft und die Verbesserung der Situation aller Gesellschaftsschichten scheinen für Nelken von besonderer Relevanz. Hierbei legt sie eine direkte Verbindung zwischen der Gesellschaft und der Rolle der Frau zugrunde und setzt an diesem Punkt mit ihrer Gesellschaftskritik an, indem sie die biologisch vorbestimmte Rolle14 der Frau infrage stellt und für eine Veränderung der sozialen Umstände plädiert.15 Insbesondere aufgrund der Modernität ihrer Ansichten und ihres revolutionären Einsatzes für die Gleichberechtigung der Geschlechter, die sich sowohl in ihrem Gesamtwerk niederschlagen, kann Nelken als Pionierin des spanischen Feminismus definiert und ihr eine tragende Rolle innerhalb der Feminismusbewegung in Spanien und der hispanischen Geschichte zugeschrieben werden.16 ← 14 | 15 →

Im Rahmen der Beschäftigung mit der spanischen Kultur, Literatur und Gesellschaft des beginnenden 20. Jahrhunderts ist das Ignorieren der Person Nelken und ihres Werkes vor dem Hintergrund ihrer „[…] activa militancia política y la innegable talla de su quehacer intelectual en disciplinas como la crítica de arte, el periodismo, la sociología y la literatura, […]“17 besonders bezeichnend. Trotz ihrer zahlreichen publizistischen und literarischen Werke und der ungewöhnlichen Stellung, die sie durch ihre revolutionären Ideen bezüglich der Geschlechterrollen sowie ihr starkes Engagement während des spanischen Bürgerkrieges (1936–1939) einnimmt und die sie zu einer umstrittenen und viel diskutierten Persönlichkeit ihrer Zeit werden lassen, wird ihr Name in den meisten Literaturgeschichten selten oder nicht erwähnt.18

Raúl Ianes hält diesbezüglich 1995 fest, dass Nelken im Allgemeinen von Wissenschaftlern und Schriftstellern, die sich mit den politischen und kulturellen Umständen der Zeit zwischen den beiden Kriegen beschäftigen, höchstens „[…] como fugaz referencia o nota de tipo documental […]“19 erwähnt werde. Eine Begründung für diesen Sachverhalt versucht Establier Pérez zu geben: „[…] posiblemente porque, como ocurre en tantos otros casos de escritoras dedicadas a la causa política y social, la figura literaria ha sido canibalizada por el personaje histórico y por los ecos de su participación en los acontecimientos españoles de la época.“20

Ein Ignorieren der Person Nelkens und ihres Werkes erscheint aus literaturwissenschaftlicher Sicht verwunderlich, denn ihre Texte werden in der zeitgenössischen Literaturdebatte kontrovers diskutiert. Die Brisanz der Inhalte zeigt sich darüber hinaus an der zweimaligen Flucht ins Exil (1934–1936 und 1939–1968). ← 15 | 16 → Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über den Forschungsstand hinsichtlich des Gesamtwerkes von Nelken gegeben.

1.1 Forschungsstand

Obwohl Nelken als eine der bedeutendsten Frauenfiguren des beginnenden 20. Jahrhunderts identifiziert werden kann, teilt sie das Schicksal vieler in Vergessenheit geratener Autorinnen, die bis auf wenige Ausnahmen nicht im spanischen Literaturkanon vertreten sind.21 Eine umfassende Monographie zu Nelken ermöglicht zweierlei: Einerseits kann der Kanon der spanischen Literatur um die Werke einer Schriftstellerin erweitert und somit eine Lücke geschlossen werden, andererseits bietet sich anhand von Nelkens Texten die Möglichkeit, Einblick in weibliche Lebensbedingungen und -umstände im Spanien des beginnenden 20. Jahrhunderts zu gewinnen.

Neben politischen Schriften, Reden und zahlreichen Zeitungsartikeln verfasst Nelken sozialkritische Texte, Briefe, Übersetzungen, Kunstkritiken, Romane, Gedichte, Drehbücher und Erzählungen. Seit dem Tod der Autorin werden der Roman „La trampa del arenal“ (1923), die Erzählung „La aventura de Roma“ (1923), die 1989 in dem Band „Novelas breves de escritoras españolas“ erscheint und ihr umstrittenstes Werk „La condición social de la mujer en España: su estado actual, su posible desarrollo“ (1919) erneut publiziert. Zudem veröffentlicht Sonia Thon (2010) in ihrer Abhandlung über Nelkens Erzählungen acht weitere Erzählungen der Autorin.22 Neben diesen acht kurzen Erzählungen sind noch vier bisher nicht erneut aufgelegte Novelas Cortas der Autorin bekannt.23 ← 16 | 17 →

Nelkens Erzählungen, die entweder in Zeitungen oder als Hefte veröffentlicht werden, und einige ihrer publizistischen Texte sind größtenteils in der Biblioteca Nacional de Madrid vorhanden. Die Drehbücher hingegen, die bisher nicht verfilmt oder veröffentlicht wurden, können lediglich im Privatarchiv Nelkens, das sich im Archivo Histórico Nacional de Madrid befindet, eingesehen werden. Die während ihres Exils in Mexiko anlässlich des Todes ihrer Tochter Magda entstandene Elegie „Elegía para Magda“ (1954) und der Gedichtband „Primer frente“ (1944), den sie für ihren im Krieg gefallenen Sohn Santiago schreibt, sind in Europa hingegen nicht auffindbar.24

Die Sekundärliteratur zu Nelken beschränkt sich hauptsächlich auf biographische Abhandlungen25, in denen insbesondere auf ihr politisches Handeln Bezug genommen wird26. Auch ihr wohl bekanntestes Werk „La condición social de la ← 17 | 18 → mujer en España“ (1919), das aufgrund der modernen Ansichten bezüglich der Geschlechterrollen in Spanien überrascht, dient nur wenigen wissenschaftlichen Forschungen als Objekt.27 Vor allem seit dem Jahr 2000 sind jedoch auch verschiedene Texte erschienen, in denen ihr literarisches Wirken im Zentrum steht, so zum Beispiel ihre Drehbücher28, ihre Romane29 oder einzelne Erzählungen30. Gemeinsam haben die wenigen literaturwissenschaftlichen Untersuchungen die Beschäftigung mit der Rolle des Feminismus in Nelkens literarischen wie publizistischen Werken.31 Diese sind jedoch weder umfassend noch über die Thematik hinaus ← 18 | 19 → angesetzt. So wird bei den in der Sekundärliteratur dargestellten politischen und biographischen Zusammenhängen mit wenigen Ausnahmen weitestgehend auf eine Betrachtung der literarischen Vorgehensweise Margarita Nelkens verzichtet. Bisher erfolgt in der Sekundärliteratur zu Nelkens Werk häufig lediglich eine oft wenig in die Tiefe gehende Besprechung sehr spezifischer Einzelphänomene, wobei die Anzahl der Abhandlungen, die Nelkens literarisches Schaffen zum Inhalt haben, verhältnismäßig gering erscheint.32 Dies steht im Widerspruch zu den in ihren Werken vor allem in Hinblick auf die Frage nach Literatur als Werkzeug der Gesellschaftskritik geäußerten revolutionären und überraschend modernen politischen und sozialkritischen Ideen, die eine besondere Beachtung von Nelkens Werk notwendig erscheinen lassen. Die Radikalität von Nelkens Argumentation spiegelt sich unter anderem in der schon zu Lebzeiten umstrittenen Rezeption und den Auswirkungen ihrer Werke auf öffentliche Diskussionen über aktuelle Themen. Entsprechend ist die Beschäftigung mit Nelkens Gesamtwerk unabdingbar für einen umfassenden Überblick über die spanische Literatur insbesondere in Bezug auf die Feminismusbewegung. Nelkens Werk kann darüber hinaus zum politischen und gesellschaftlichen Verständnis Spaniens im beginnenden 20. Jahrhundert beitragen. Vor allem vor dem Hintergrund ihrer dreifachen Außenseiterposition als Frau, Jüdin und Migrantin33 ist Nelkens Literatur bedeutend, da diese einen Blick von innen und außen auf die spanischen Gesellschaftsstrukturen ermöglicht: Zwar ist Nelken als Jüdin nicht den Strukturen der katholischen Kirche unterworfen, jedoch kann sie sich dem immensen Einfluss, den dieselbe auf Politik und soziales Denken ausübt, aufgrund des gespannten Verhältnisses zwischen Judentum und ← 19 | 20 → Christentum nicht gänzlich entziehen und hat somit einen spezifischen Blick auf die gesellschaftliche Situation. Als Frau kann sie sich von patriarchalisch geformten Normen und Werten zumindest teilweise lösen und einen Blick auf Spanien aus der Sicht der Unterdrückten zeigen. Durch den Migrationshintergrund hat Nelken einen eher europäisch-amerikanischen Blick auf ihr Heimatland, das sich zu der Zeit noch stark auf sich selbst konzentriert und sich der restlichen Welt und ihren Einflüssen gegenüber eher verschlossen zeigt. Dies spiegelt sich – wie sich zeigen wird – sowohl in ihrem politischen Handeln als auch in ihren literarischen und publizistischen Texten. Ohne die Analyse ihrer Werke und der Zusammenhänge von literarischer Tätigkeit und politischem Engagement während der Zweiten Republik und des Exils in Mexiko kann Nelkens historische Rolle nicht erfasst werden.

Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, durch eine erstmals umfassende Darstellung und Analyse der literarischen Schriften Nelkens Bedeutung sowohl für die spanische Literaturgeschichte als auch für die politische Geschichte ihrer Zeit aufzuzeigen, diese neu zu bewerten und dabei gegebenenfalls die feministische Diskussion einzubringen. Zu diesem Zweck wird eine Verbindung zwischen publizistischen und literarischen Texten und Szenarien hergestellt und – vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.3 dargelegten zentralen Fragestellung – eine Analyse ausgewählter Texte der in den verschiedenen Lebensphasen der Autorin entstandenen Genres betrieben. Aufgrund der so gestalteten Übersicht über Nelkens Gesamtwerk wird darüber hinaus eine Einbettung in die jeweiligen historischen Kontexte sowie ein Erkennen von Querverweisen und Rückbezügen zwischen den zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Gattungen entstandenen Texten Nelkens möglich.

Wie bereist angedeutet, ist es im Rahmen der Recherchen für diese Dissertation gelungen, neues Material zugänglich zu machen, nämlich vier bisher noch unbekannte Erzählungen, den Gedichtband „Primer frente“ (1944) und die Elegie „Elegía para Magda“ (1954). Daraus resultiert die Möglichkeit einer erweiterten Fragestellung nach den Inhalten von Nelkens Engagement und Elementen engagierten Schreibens in ihrer Literatur. Basierend auf dieser Fragestellung und den neu zugänglichen Texten Nelkens ergibt sich eine Teilung der Arbeit in die Analyse von Nelkens publizistischen Texten (Teil I) einerseits und ihrem literarischen Werk (Teil II) andererseits. Beide Teile zeichnen sich durch eine intensive und ausführliche Darstellung der jeweils behandelten Texte aus, die sich zum einen durch die Unbekanntheit der Autorin und ihrer Werke, zum anderen durch die erschwerte Zugänglichkeit ihrer Literatur begründet. In Teil I wird eine umfassende Interpretation ihrer publizistischen Texte vorgenommen, die in ihrer Sonderrolle als nicht literarischen Werke eine relativ unverfälschte, nicht ← 20 | 21 → literarisch überhöhte Darstellung von Nelkens Kritik an der spanischen Gesellschaft und den Geschlechterrollen erlauben. Es wird darüber hinaus eine Positionierung Nelkens in der zeitgenössischen Feminismusdiskussion vollzogen. Die in Teil II untersuchten narrativen Werke Nelkens werden dann vor dem Hintergrund ihrer feministisch-sozialkritischen Position betrachtet. Darüber hinaus bietet sich aufgrund ihrer Einstufung als Fiktion eine vertiefte literarische Analyse der Elemente engagierten Schreibens in Nelkens Werk an. Die beiden Teile dieser Arbeit sind wiederum jeweils aufgegliedert in vor Nelkens Exilen (Kapitel 2.0 und 4.0) und während ihnen (Kapitel 3.0 und 5.0) entstandene Werke.34 Daraus ergibt sich erstmals die Möglichkeit, Querverweise und Verbindungen zwischen ihrem publizistischen und ihrem literarischen Werk aufzuzeigen und vor dem Hintergrund der jeweiligen besonderen historischen Situation zu betrachten. So können im Laufe der Arbeit die Entwicklung von Nelkens gesellschaftskritischer Argumentation und der literarischen Umsetzung von Engagement gezeigt und zueinander in Bezug gesetzt werden. Darüber hinaus liefert Kapitel 6.0 einen kurzen Überblick über die während ihres gesamten Lebens entstandenen Kunstkritiken. Auch in diesem Zusammenhang wird ein Bezug zu Nelkens politischem und gesellschaftlichem Engagement hergestellt und auf die verschiedenen Elemente engagierten Schreibens beispielhaft eingegangen.

1.2 Margarita Nelkens Rolle in der spanischen Feminismusbewegung

Die großen feministischen Strömungen erreichen Spanien mit dem Beginn des krausismo um 1850, als man sich auch die Frage nach der Bildung des Volkes stellt. Mit der Gründung der Institución Libre de Enseñanza 1876 ergeben sich auch für Frauen neue Chancen für ihre Bildung. Zu den beiden größten Verfechterinnen der Frauenbildung sind Emilia Pardo Bazán (1851–1921) und Concepción Arenal (1820–1893) zu zählen.35 Die zentrale Rolle, die beide Frauen der Bildung für den Feminismus zuschreiben, stellt eine Parallele zu Nelkens Überzeugungen dar. Um Nelken zu kontextualisieren, werde ich im Folgenden die Hauptziele der beiden Frauen kurz zusammenfassen. Ein ausführlicher Vergleich ← 21 | 22 → des Gedankengutes der drei Schriftstellerinnen kann im Kontext dieser Arbeit jedoch nicht stattfinden, liefert aber sicher interessante Forschungsfragen.

Wie auch Nelken folgt Pardo Bazán einer didaktischen Berufung und widmet ihr Werk und Leben der Verteidigung der Rechte von Frauen. Sie setzt sich aktiv für die soziale und kulturelle Förderung der Frau ein. Wie bereits erwähnt, ist einer ihrer Interessensschwerpunkte die Bildung. Pardo Bazán kritisiert, dass Frauen im Gegensatz zu Männern kaum Zugang zu Bildung haben. Viele ihrer feministischen Ideen beruhen auf Erfahrungen aus dem Ausland. Sie vergleicht die Situation der Frauen in den USA, England und Frankreich mit den Lebensumständen in Spanien und versucht, eine Verbesserung der Situation in ihrem Heimatland zu erreichen. Die grundlegende These ihrer Arbeit lautet wie folgt: Die Frau ist, was der Mann aus ihr gemacht hat. Die sich daraus ergebende Abhängigkeit der Frau mache den Mann für die Frau verantwortlich. Bei ihren Überlegungen berücksichtigt Pardo Bazán die verschiedenen sozialen Klassen und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Geschlechterrollen. Dabei interessiert sie sich besonders für die einfachen Frauen vom Lande und unterstreicht vor allem die Tatsache, dass diese Frauen berufstätig sind. Ihre Kritik gilt in erster Linie der Frau aus der Mittelschicht, die nicht daran interessiert ist, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und stattdessen die Suche nach einem wohlhabenden Ehemann zu ihrem Lebensinhalt macht. Die verschiedenen Aspekte ihres Feminismus finden auch in ihren Romanen und Erzählungen Berücksichtigung (z. B. in „La manga“ [1910] oder „Los ramilletes“ [1908]). Pardo Bazáns Feminismus basiert auf der Vorstellung, dass eine Befreiung der Frau nur durch eine solide und umfassende Bildung erreicht werden könne.36

Auch Arenal formuliert in einem Großteil ihrer Schriften die Forderung nach einer gleichberechtigten Bildung von Mann und Frau. Sie ist der Ansicht, dass Frauen auch außerhalb des häuslichen Bereiches arbeiten sollten, da die Kindererziehung und der Haushalt nicht die spirituellen und intellektuellen Bedürfnisse eines Menschen befriedigen können. Entgegen der zeitgenössischen Meinung, hält sie Frauen auch für den Männern vorbehaltene und eine weiterführende Bildung bedürfende Berufe, wie beispielsweise Apothekerin, Akademikerin, Ärztin etc. geeignet. Interessanterweise setzt sie sich trotz ihres ausgeprägten katholischen Glaubens dafür ein, dass Frauen auch als Priesterinnen tätig sein können. Ihre fortschrittlichen Ideen führt sie in zahlreichen publizistischen Abhandlungen, wie zum Beispiel „La mujer del porvenir“ (1884) oder „La educación de la mujer“ (1892), ← 22 | 23 → aus. Arenal widerspricht ebenso wie Nelken einige Jahre später der angeblichen intellektuellen Unterlegenheit der Frau, die nicht ausreichend wissenschaftlich belegt sei, und fordert gleiche Bildungsmöglichkeiten für Männer und für Frauen.37

Dass Bazáns und Arenals Forderungen sich auch einige Jahre später noch nicht erfüllt haben, zeigt folgendes Zitat des spanischen Schriftstellers Díaz Fernández von 1930: „[l]a sociedad actual es manca, porque le falta el brazo activo de la mujer“38. In Spanien hat die Emanzipationsbewegung, unter anderem aufgrund der politisch stark angespannten Situation, einen beschwerlichen Start. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch politische Umbrüche, ständige Regierungswechsel und gesellschaftliche Auseinandersetzungen entstandene Spaltung des spanischen Königreiches in die dos Españas, in Anhänger der Tradition und der Moderne, spiegelt sich auch in der Feminismusbewegung: „El feminismo español no tuvo un desarrollo independiente, sino que se vio envuelto en el conflicto ideológico entre la izquierda y la derecha y fracasó como movimiento específico.“39 In Spanien kämpft lediglich eine kleine Gruppe, größtenteils Frauen der höheren Klassen, für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Der spanische Feminismus unterscheidet sich demnach grundlegend von Feminismusbewegung in den übrigen Ländern Europas und den USA, was Nelken zu folgender Aussage veranlasst: „[…] aquí en España el feminismo es recientísimo: ha nacido, hace apenas unos años, bajo la presión, no de la lucha feminista de otros países, sino del éxito de esta lucha. Es reflejo de un resultado.“40 Das führt dazu, dass der Großteil der Frauen mit den während der Zweiten Republik umgesetzten Freiheiten nichts anfangen kann. Nicht nur wird von der Mehrheit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nicht für diese Rechte gekämpft, sondern man wehrt sich darüber hinaus gegen den Versuch, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau einzuführen. Häufig werden die wenigen Revolutionsversuche der Frauen mit Ironie und ohne wirkliches Interesse beobachtet. Emanzipation wird als Problem gesehen, das Thema Feminismus eher selten besprochen oder ← 23 | 24 → in Zeitungen erwähnt. Definiert wird es zumeist als „problema feminista“41 und in der Folge als „un ataque a la tradición […] y […] una destrucción de la vida familiar, social y nacional española“42 verstanden.

Erst in den vergangenen dreißig Jahren hat sich die spanische Gesellschaft in dieser Beziehung weiterentwickelt. Mit ihrem Werk „La condición social de la mujer en España“ (1919) kritisiert Margarita Nelken jedoch bereits 1919 die gesellschaftlichen Zustände bezüglich der Geschlechterrollen, indem sie präzise die soziale Situation der Frauen aller Schichten im Spanien ihrer Zeit darstellt und somit relevante Einblicke in die zeitgenössische Gesellschaft liefert.43

Die Besonderheit von Nelkens Feminismus ist dabei – insbesondere vor dem Hintergrund ihres konservativen und katholischen Heimatlandes – die Beschreibung der Geschlechterrollen als nicht nur biologisch bedingt, sondern auch von der Gesellschaft beeinflusst. Somit liegt Nelkens feministischer Theorie in Ansätzen bereits in den 1920er Jahren ein Leitgedanke zugrunde, der von Simone de Beauvoir erst 1949 explizit formuliert wird.44 Diesem als auffallend fortschrittlich zu bezeichnenden Verständnis des Zusammenhangs zwischen gesellschaftlichen Mechanismen und Geschlechterrollen steht Nelkens Fokussierung auf die biologische Funktion der Frau als Mutter gegenüber. Von dieser ausgehend versucht sie eine Bestimmung der Geschlechterrollen, die zwischen biologischem ← 24 | 25 → und gesellschaftlichem Determinismus angesiedelt ist. Einerseits gerät Nelken bei dem Versuch einer Umgestaltung der vorgeschriebenen Rollenverteilungen in den Konflikt zwischen sozialem Druck und dem Wunsch nach einer neuen Definition von Weiblichkeit und Männlichkeit mit dem Ziel einer Verbesserung der Lebensumstände beider Geschlechter. Andererseits schreibt sie sich mit ihrer auf der Rolle der Frau als Mutter basierenden Definition von Weiblichkeit in die herrschende biologische Diskussion ein. Von einer durch die Natur gegebenen Komplementarität der Geschlechter ausgehend schlägt sie verschiedene Veränderungen innerhalb des spanischen Gesellschaftssystems vor und versucht so, eine Befreiung der Frau aus ihrer Unterlegenheit zu initiieren. Dies macht es unmöglich, Nelken dem sozialen bzw. radikalen Feminismus zuzuordnen. Establier Pérez kommt zu dem Schluss, Nelken wolle eine Emanzipation der Frau erreichen, ohne sich hierbei gegen relevante Institutionen des Patriarchats, wie beispielsweise das Heim und das Fortbestehen der Art, zu stellen45: eine Behauptung, die zu überprüfen ist. Es gilt darüber hinaus zu eruieren, wie Nelken in die zeitgenössische Feminismusdebatte einzuordnen ist.

Auf der Grundlage einiger ihrer publizistischen und literarischen Werke ist bisher eine erste Zuordnung der Charakteristika ihres Feminismus vorgenommen worden. Es wurde zum Teil punktuell herausgearbeitet, welche Gedanken ihren Forderungen zugrunde liegen.46 Man hat darüber hinaus festgestellt, dass Nelken verschiedene geschlechterspezifische Stereotype aufzubrechen und durch neue Rollenidentitäten zu ersetzen versucht. Auch die von Nelken dargestellte Verbindung von Klassengesellschaft und traditionellen Geschlechterrollen wurde in Ansätzen thematisiert.47 Eine genaue und in die Tiefe gehende Analyse ihrer Kritikpunkte an der spanischen Gesellschaft, die Verbindungen, die sie zwischen Klassensystem und Geschlechterrollen zieht und welche Folgen sie darin sieht, ist ← 25 | 26 → bisher jedoch nicht umfassend nachvollzogen worden. Zwar konstatiert Servén, dass sich die in ihren publizistischen Werken festgeschriebene Gesellschaftskritik in ihrer Literatur spiegelt48, eine genaue Darstellung ihrer Kritikpunkte und eine ausführliche Analyse ihres literarischen Gesamtwerkes hat aber – wie bereits angedeutet – bisher nicht stattgefunden. Um eine solche zu ermöglichen, werden auf der Basis des Konzepts engagierten Schreibens im Folgenden die für diese Arbeit relevanten Analyseparameter entwickelt und vorgestellt.

1.3 Engagement in Publizistik und Literatur

Im Spanien der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt es zunehmend zu einer Politisierung der Kunst und zu einem „Spannungsverhältnis zwischen dem Traditionsbruch der literarischen Avantgarden und der Politisierung der Literatur“49. Von besonderer Bedeutung für die spanische Literatur der Zeit ist der Aspekt der Gesellschaftskritik, die sich in vielen literarischen Werken in Bezug auf den religiösen Fanatismus, das zeitgenössische Bildungssystem sowie Klassenkonflikte ausdrückt. Auch die weibliche Sexualität sowie die Stellung der Frau in der Gesellschaft werden sowohl in literarischer als auch politischer Hinsicht immer wieder aufgegriffen und diskutiert. Obwohl Nelken nicht als Mitglied der Avantgarden bezeichnet werden kann, sind ihre Argumentation und die sich daraus entwickelnde Gesellschaftskritik – diese schlägt sich sowohl in ihrem literarischen als auch in ihrem publizistischen Werk nieder – in diesem Zusammenhang von Bedeutung für die spanische Literaturgeschichte.

Nicht zuletzt die Rezipientenbewertung von Nelkens publizistischen Äußerungen als moralisch bedenklich und die soziale Ordnung gefährdend sorgt dafür, dass diese in verschiedenen Kreisen als Angriff auf die spanische Regierung und die kirchlichen Traditionen gelesen werden. Ihr Werk wird von der konservativen Bevölkerung Spaniens als unangemessene Indoktrination eingestuft; von den Modernisten hingegen als willkommene Gesellschaftskritik verstanden. Es stellt sich die Frage, wie das Engagement Nelkens inhaltlich zusammengefasst werden kann und inwiefern es sich bei Nelkens Schreiben um engagiertes Schreiben handelt. Ich gehe, wie in Abschnitt 1.1 bereits angedeutet, der Frage nach dem Einsatz von Parametern engagierten Schreibens in Nelkens publizistischen und literarischen Texten aus der Zeit der Zweiten Republik, des Bürgerkrieges und ihres Exils nach. Hierbei müssen die Gründe für ihr Schaffen vor dem besonderen historischen ← 26 | 27 → Kontext ihres Heimatlandes, der jeweiligen Zielgruppe ihrer Texte, sowie der mit ihrem Engagement verfolgten Absicht berücksichtigt werden. „Engagiertes Schreiben“ bedeutet „sich selbst schreiben“, „schreibend eine neue Welt fabrizieren“50. Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, herauszuarbeiten welche Aspekte der spanischen Gesellschaft Nelken mit ihren Texten kritisiert und wie sich ihr Engagement in ihrem Gesamtwerk zeigt. Zu diesem Zweck wird zwischen Nelkens publizistischen und ihrem literarischen Werk unterschieden.

1.3.1 Engagiertes Schreiben und Publizistik

Im Duden wird Publizistik als „Bereich der Beschäftigung mit allen die Öffentlichkeit interessierenden Angelegenheiten in Buch, Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen“51 definiert. Bei dieser Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen geht es in erster Linie darum, das System mit der Gesellschaft in Bezug zu setzen. Dabei kommt es zur kulturellen Selbst- und Fremdbeobachtung:

Die enorme soziale Reichweite und der hohe Zumutungsgehalt publizistischer Kommunikation bedingt den besonderen Stellenwert ihrer gesellschaftlichen Selbstbeschreibung. Die publizistische Selbstbeschreibung der Gesellschaft ist notwendig eine Selbstsimplifikation, keine punktgetreue Abbildung. Sie ist insofern bereits reduzierte Komplexität. […] Publizistik ist insofern von grundlegender Bedeutung für Strukturaufbau und -wandel (Modernisierung, Evolution) in der modernen Gesellschaft.52

So verstandene Publizistik trägt zur Entwicklung einer Gesellschaft bei, indem sie die Realität vereinfacht abbildet. Dabei können je nach Engagement des Schreibenden unter anderem Missstände ins Zentrum gerückt und diskutiert werden. Dies impliziert auch immer eine gewisse Subjektivität der Darstellungen. Der engagierte Journalismus entfernt sich notwendigerweise vom Ideal einer vollkommen objektiven Berichterstattung.53 Nach Thomas Hanitzsch hat der engagierte Journalist „the political obligation to participate and stand up for ← 27 | 28 → peace of its own accord. Journalism should not only report reality ‚as it is‘, rather it should create reality, set examples and call for change.“54

Details

Seiten
356
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653062328
ISBN (ePUB)
9783653960143
ISBN (MOBI)
9783653960136
ISBN (Hardcover)
9783631667101
DOI
10.3726/978-3-653-06232-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Dezember)
Schlagworte
mexikanisches Kino Guerra Civil Zweite spanische Republik spanische Feminismusbewegung
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 356 S.

Biographische Angaben

Manuela Franke (Autor:in)

Manuela Franke ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt «k2teach – Know how to teach» der Freien Universität Berlin. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören Literaturdidaktik und Sprachmittlung.

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