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«Man hat Arbeitskräfte gerufen, ... es kamen Schriftsteller»

Migranten und ihre Literaturen

von Anna Warakomska (Band-Herausgeber:in) Mehmet Öztürk (Band-Herausgeber:in)
©2016 Sammelband 267 Seiten

Zusammenfassung

Der Sammelband ist ein internationales Projekt, das die Probleme der in Deutschland lebenden und schreibenden Migranten sowie ihrer Nachfahren aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und über das Migrantendasein reflektiert. Philologen, Politologen, Historiker, Juristen, Soziologen und Pädagogen aus Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Spanien, Frankreich, Finnland, Polen, Deutschland und der Türkei präsentieren vor allem sprachliche und kulturelle Interaktionen zwischen Einheimischen und Zugezogenen in der Literatur und in der außerliterarischen Welt. Im Fokus stehen gesellschaftspolitische, juristische und kulturelle Fragen, die sich auf Phänomene wie Identität, Heterogenität und Hybridisierung beziehen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Martin Gillo (Freiberg) - Flüchtlinge und Asylsuchende aus aller Welt kommen zu uns. Wie gehen wir damit um
  • Bojana Bajić (Karlovac) - Emotionen, von denen man nicht sprechen kann. Identitätsverlust und Störungen des Gefühlslebens durch sprachliche Unfähigkeit beim kulturellen Austausch
  • Marie-Noëlle Faure (Paris) - Von der Chamissoliteratur zur Ankunftsliteratur – interkulturelle Literatur und Neubestimmung des Deutschseins
  • Bülent Kırmızı (Elazığ) - Heimweh in der Literatur
  • Sabri Eyigün (Diyarbakır) - Die Stellung der Religion im Prozess der Migration und Integration am Beispiel von Alev Tekinays Roman Nur der Hauch vom Paradies (Eine literatursoziologische Untersuchung)
  • Dorota Masiakowska-Osses (Poznań) - Ein „Ausnahme-Ausländer“ und die zweite Generation in Alev Tekinays Roman Nur der Hauch vom Paradies
  • Slavija Kabić (Zadar) - Bilder der Fremde und Heimat in Emine Sevgi Özdamars Roman Die Brücke vom Goldenen Horn
  • Nuran Özyer (Ankara) - Die Rückkehr in die deutsche Heimat
  • Anna Górajek (Warschau) - Von einem, der nicht aufhörte zu migrieren. Gabriel Laub – ein Denker in vier Sprachen
  • Raluca Rădulescu (Bukarest) - „texte in den zwischenräumen“. Zur Rezeption der Moderne in der Lyrik ausgewählter rumäniendeutscher und deutschsprachiger AutorInnen mit Migrationshintergrund
  • Pino Valero (Alicante) - Didaktische Anwendungen der interkulturellen Literatur im Deutschunterricht sowie im Fach „Literarische Übersetzung“
  • Dieter Hermann Schmitz (Tampere) - Vom Kampf der Kulturen zur humoristischen Begegnung? Die andere Form von Migrantenliteratur
  • Elena Witschewa (Sofia) - Über bulgarische Migranten in Deutschland
  • Felicitas Söhner (Köln) - Leben als Migrant in Deutschland – das Gödelitzer Modell zum Abbau von Vorurteilen
  • Anna Warakomska (Warschau) - Kann Deutschland zur Wahlheimat werden? Einwanderungspolitik als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Mit positiven Beispielen der Integration aus Kultur und Literatur
  • Mehmet Öztürk (Elazığ) - Die Reise der Hoffnung dauert an
  • Über die Autoren der Beiträge

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Einleitung

„Hätte Max Frisch noch gelebt, hätte er seinen bekannten Ausspruch ‚Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Menschen‘ in ‚Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Schriftsteller‘ umformulieren können“. Mit diesem, wie es scheint, treffenden Satz endet der vorliegende Sammelband, an dem seit einiger Zeit Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern arbeiteten und der von zwei angefreundeten Forschern aus Polen und der Türkei herausgegeben wurde. Beobachtet man den deutschen Büchermarkt und die mittlerweile enorme Zahl an Veröffentlichungen, die aus der Feder von Autoren nichtdeutscher Herkunft stammen, muss die Adäquatheit dieser Feststellung bestätigt werden, was u.a. viele der hier publizierten Texte beweisen.

Am Anfang ihres Aufenthaltes in Deutschland dachten die ersten Gastarbeiter nicht an Bücherschreiben, und bestimmt kein Einheimischer hätte ihnen dies zugetraut. Man war auch weit davon entfernt, über Migranten zu sprechen, geschweige denn Deutschland als Einwanderungsland zu bezeichnen. In der globalisierten Welt wird jedoch die Migration erkennbar zum festen Bestandteil des Lebens vieler Nationen. Sehr viele Migranten wählen Deutschland als Ziel ihrer Hoffnungen auf ein besseres Leben, und diese Hoffnungen werden oft positiv erfüllt, so dass Deutschland in der Vorstellung dieser Menschen zum neuen Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird. Mit der immer steigenden Anzahl der Antreffenden vermehren sich jedoch auch manche Probleme vor Ort: mangelnde Sprachkenntnisse, Arbeitslosigkeit, Fremdenfeindlichkeit, Isolation. Diverse Religionen und Weltanschauungen sowie die daraus folgenden Gewohnheiten, Sitten und Bräuche tragen oft zu Missverständnissen und gar Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung bei.

Allerdings gibt es auch positive Erscheinungen: friedliches Zusammenleben der Nachbarn, binationale Ehen und ihre Kinder, kulturelle Organisationen zur Förderung der Annäherung unterschiedlicher Kulturen, berühmte Persönlichkeiten, nicht zuletzt Schriftsteller, die trotz oder dank ihrer Herkunft erfolgreich in der neuen Gesellschaft sind, und dergleichen mehr. Insbesondere die zuletzt Genannten thematisieren oft in ihren Werken das komplizierte Dasein in der neuen Hemisphäre des fremden Landes, was natürlich reichlich Interpretationsmöglichkeiten bietet. Viele betrachten ihre Ankunftsländer (bzw. die Ankunftsländer ihrer Eltern) gar nicht mehr als die Fremde und schreiben mittlerweile von Deutschland als von ihrer Heimat.

Es leben schon mehrere Generationen von Migranten (Zugezogenen/Einwanderern) in Deutschland und es ist auch eine umfangreiche Fachliteratur entstanden, ← 7 | 8 → die sich mit eben genannten Themen befasst. Über diese Gruppe der Menschen (ebenfalls die fiktiven Protagonisten literarischer Werke) wie auch die markierten Fragen wollten wir in unserem Sammelband schreiben. Wir meinen, dass es von Vorteil ist, über sie aus unterschiedlichen Perspektiven (nationalen, kulturellen, gesellschaftlichen, beruflichen, wissenschaftlichen) zu reflektieren, um möglichst facettenreich an das Thema herangehen zu können. Deshalb haben wir uns entschieden, ein internationales Projekt in Gang zu setzen und einen Sammelband in deutscher Sprache herauszugeben, in dem die erwähnten wie auch verwandten Fragen erörtert werden.

Vor kurzem wandten wir uns an Wissenschaftler und Freunde in vielen Ländern mit der Bitte, ihre Überlegungen zum Thema Migranten und ihre Literaturen zu äußern. Es ist daraus der vorliegende Band entstanden.

Der Sammelband Migranten und ihre Literaturen ist daher ein internationales Projekt, das zum Ziel hat, die Probleme der in Deutschland lebenden und auch schreibenden Migranten sowie ihrer Nachfahren aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und ferner auch über das Migrantendasein schlechthin zu reflektieren. In den Texten des Bandes werden vor allem literarische Bilder, aber auch gesellschaftspolitische, juristische und kulturelle Fragen erörtert, die dieses Dasein in Deutschland thematisieren.

Gesammelt wurden 16 wissenschaftliche Texte aus Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Spanien, Frankreich, Finnland, Polen, Deutschland und der Türkei. Das fach- und länderübergreifende Konzept, wenn es um die besprochenen Inhalte und auch um die Verfasser geht, entstand infolge der Gespräche der interessierten Wissenschaftler (Philologen, Politologen, Juristen, Pädagogen), die hauptsächlich während wissenschaftlicher Konferenzen und Tagungen geführt worden waren. Der Plan zu diesem Sammelband wurde später von den Herausgebern entworfen und an die Mitautoren mit der Bitte geschickt, einen kurzen Beitrag zu einem der im Entwurf genannten Teilaspekte zu schreiben. Als diese Teilaspekte wurden genannt:

Auf diese Weise entstand, hoffen wir, ein interessantes Projekt, das ein unseres Erachtens wichtiges und sich ständig entwickelndes Phänomen zum Thema hat. Das Besondere an dem Ganzen ist, dass die besprochenen Fragen von Repräsentanten unterschiedlicher Wissenschaftszweige und Nationalitäten, d. h. auch mannigfacher Standpunkte und Apperzeptionen erörtert werden, was bei der Migrantenproblematik an sich von Belang zu sein scheint.

Wir bedanken uns herzlich bei allen Autoren der hier publizierten Beiträge. Für die finanzielle Unterstützung des Projektes danken wir der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit und dem Institut für Germanistik der Warschauer Universität. Herrn Prof. Tomasz G. Pszczółkowski danken wir für die freundliche Rezension des Ganzen, Frau Sonja Galler und Frau Doris Wagner für das Lektorat.

Wir hoffen auch, die hier unternommene Arbeit in weiteren Projekten zum Thema fortzusetzen und erwarten die nächsten Meldungen der interessierten Wissenschaftler an unsere Adressen, die am Ende des Bandes angegeben wurden.

Anna Warakomska und Mehmet Öztürk

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Martin Gillo (Freiberg)

Flüchtlinge und Asylsuchende aus aller Welt kommen zu uns. Wie gehen wir damit um?

Zusammenfassung: Die Anzahl der nach Europa strömenden Flüchtlinge aus dem Nahen Osten steigt dramatisch an. Deutschland ist das Land mit den meisten Asylsuchenden in Europa. Wie mit dieser Herausforderung umgegangen werden kann und soll, ist sowohl eine humanitäre als auch eine ordnungspolitische Frage. Die Politik muss die Ausgewogenheit zwischen diesen beiden Perspektiven herstellen. Reine Ordnungspolitik bedeutet Herzlosigkeit. Reine Humanität wird schnell zur Traumtänzerei. Die meisten administrativen Regeln zur Unterbringung von Flüchtlingen konzentrierten sich bisher auf die Ordnungspolitik. Die humanitäre Seite blieb dabei auf bloße Absichtserklärungen beschränkt. Der Sächsische Ausländerbeauftragte hat 2010 eine Methode für die Erfassung der Menschenwürde der Unterbringung von Flüchtlingen in Asylbewerberheimen entwickelt und bei ihrer Anwendung vier Jahre lang Erfahrungen gesammelt. Anhand von zehn verschiedenen Faktoren ermittelt der sogenannte „Heim TÜV“, inwieweit die Unterbringung menschenwürdig ist. Die Erfahrungen in Sachsen waren so positiv, dass mittlerweile auch einige andere Bundesländer diesen Ansatz übernommen haben bzw. in der Prüfung dieser Methodik sind.

Schlüsselwörter: Unterbringung von Asylsuchenden, humanitärer Umgang mit Flüchtlingen, Kriterien für menschenwürdige Unterbringung, sicheres Wohnen für Flüchtlinge, Flüchtingsfamilien.

Refugees and immigrants come to our country from all over the World. How are we going to deal with them?

Abstract: The number of the refugees arriving in Europe as a consequence of Middle East conflicts is rising dramatically. Germany is the country with the largest number of refugees. How to deal with this challenge is a matter of both humanitarian concern as well as a matter of legal boundaries. Politics needs to find a balance between both. To focus only on legal regulations would be heartless. To focus merely on humanitarian issues would be unreasonable. Yet most administrative decisions focus on legal regulations only. How can humanitarian concern be translated into how refugees are being housed? The Saxony Commissioner of Foreign Residents has developed and implemented a method for assessing refugee housing in terms of ten dimensions reflecting refugee home consistency with humanitarian solidarity. The method is being evaluated and adopted by a growing number of German States. ← 11 | 12 →

Keywords: refugee housing, humanitarian treatment of refugees, criteria for humanitarian housing, safe housing for refugees, refugee families.

Das Thema Asyl und Flüchtlinge sind in aller Munde. Nicht nur in Deutschland steigen die Zahlen der Asylanträge. Dem Beitrag folgen zehn Fragen und Antworten, die sich aus dem Dialog mit dem Publikum nach dem Vortrag ergaben1.

1. Kein Text ohne Kontext

Die Frage, wie wir mit den Flüchtlingen und Asylsuchenden umgehen, gehört in den Kontext unseres Selbstverständnisses. Wer sind wir, und wer werden wir, auch durch die Zuwanderung von Flüchtlingen? Für uns Deutsche ist es schon schwierig genug, zu fragen, wer wir sind. Wir sind es nicht gewohnt, das auszusprechen. Wir sind wer wir sind, auch wenn wir nicht genau wissen, was das ist. Wer wir werden, diese Frage verunsichert uns, weil sie impliziert, dass wir uns verändern, mit unseren Meinungen, mit unseren Perspektiven, und das ist nicht unbedingt angenehm.

Der Umgang mit dem Thema Flucht und Asyl konfrontiert uns ganz konkret mit dieser unangenehmen Frage – wenn nämlich viele Flüchtlinge kommen. Das ist jetzt der Fall. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, hat sich in den vergangenen sechs Jahren dramatisch erhöht. Kamen im Jahr 2009 „nur“ 30.000 Flüchtlinge nach Deutschland, so waren es im Jahr 2014 über 200.0002, praktisch eine Versiebenfachung, mit der Tendenz einer weiteren Verdoppelung in den nächsten Jahren. Deutschland wird zum Zielland der Hoffnungen von immer mehr Menschen.

Flüchtlinge sind mittlerweile in jedem Dorf sichtbar. Wir sind alle gefragt, uns mit dem Thema Flüchtlinge zu beschäftigen. Wenn es positiv geschieht, dann kommen die konstruktiven Kräfte unserer Gesellschaft zusammen, die Kirchgemeinden, die Wohlfahrtsverbände, die zivilgesellschaftlichen Initiativen wie „Buntes Radebeul“, „Laubegast ist bunt“, „Hoyerswerda hilft mit Herz“ und viele mehr. Wir entdecken, dass wir eine positive Rolle spielen können, um den Menschen zu helfen, ← 12 | 13 → hier als Menschen behandelt zu werden. Im Negativen löst es natürlich auch Ängste aus, auf die ich noch eingehen werde.

Wer sind wir, und wer werden wir: das ist auch eine demografische Frage. Jede Kindergeneration ist um 35% kleiner als ihre Elterngeneration3. Wer das über fünf Generationen ausrechnet, der kommt auf eine Restbevölkerung von etwa 12%.

Gleichzeitig nimmt die Zahl der Migranten in unserer Gesellschaft zu. Im Jahre 2000 hatten 10% der Menschen in unserem Land Migrationshintergrund. Das heißt, sie waren entweder selbst eingewandert, oder einer ihrer Eltern war das. Im Jahr 2010 waren das schon 20%4. SPIEGEL Online berichtete am 15. Februar 2015, dass im Jahr 2013 schon knapp ein Drittel der Familien in Deutschland Migrationshintergrund hatte.

Wir sehen das in Sachsen zwar noch nicht, weil dort der Anteil der Ausländer und Migranten wesentlich geringer ist als in westdeutschen Ländern, doch die Ostdeutschen schauen nach Westen und fühlen sich mit der Frage nach unserer gegenwärtigen und zukünftigen Identität konfrontiert.

Unsere deutsche Identität, was ist das eigentlich? Ist es eine Leerpackung? Friedrich Merz sprach vor Jahren von der deutschen Leitkultur. Daraufhin entzündete sich in der Öffentlichkeit eine Debatte darüber, ob es legitim sei, über deutsche Leitkultur nachzudenken oder nicht. Es gab eine Reihe von Gegnern der Idee der Leitkultur. Und die CDU war gegen die Gegner der Leitkultur.

Leider vergaßen alle, auch Friedrich Merz, auszusprechen, aus was die deutsche Leitkultur besteht. Ist die Leitkultur vielleicht eine Leerpackung? Wir wissen viel über regionale Identitäten, aber wenig über eine gesamtdeutsche. Preußische Tugenden sind in der ganzen Welt bekannt. Auch Sachsen haben eine regionale Identität. Sie verstehen sich als Tüftler, die immer und überall nach weiteren Verbesserungen suchen und zusammenhalten. Schwaben sind für ihre Sparsamkeit und ihren Fleiß bekannt. Ähnlich geht es mit den regionalen Identitäten in ganz Deutschland. Wir sind sehr zufrieden mit den vielen regionalen Identitäten. Deutschland-Gefühl kommt scheinbar bei Fußballspielen zum Leben. ← 13 | 14 →

Die Schwäche der deutschen Identität ist auch kein Wunder, wurde Deutschland ja erst 1871 vereint. Davor gab es über viele Jahrhunderte über ein Dutzend verschiedene Länder und Identitäten.

Und heute kommen viele Ausländer nach Deutschland und konfrontieren uns mit der Frage, wo sie eigentlich angekommen sind. Wenn wir ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft schmackhaft machen wollen, was wollen wir ihnen dann erzählen?

Udo Ulfkotte, ehemals Journalist bei einer großen deutschen Tageszeitung, ehemalig konvertierter und dann wieder ausgetretener Muslim, sagte dem BBC im Februar 2015 auf die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland, das ist die Bratwurst“. Er sagte in der gleichen Sendung im Zusammenhang mit dem siebzigsten Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee, dass es ihm leid sei, immer wieder an die Nazi-Gräuel erinnert zu werden, er sei nach dem Zweiten Weltkrieg geboren, und damit hätte er nichts damit zu tun.

In diesem Sinne hört für ihn das, was zur deutschen Identität beiträgt, vielleicht mit der Olympiade 1936 in Berlin auf. Wer mit diesem Jahr aufhört, deutsche Identität zu definieren, der verpasst in der Tat den Holocaust und den Islam. Aber er verpasst auch das Grundgesetz, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Zivilgesellschaft, unser Bekenntnis zu den Menschenrechten, die europäische Solidarität und ihre Freizügigkeit. Kurz: Er verpasst die edelsten und die modernsten Errungenschaften unseres Landes. Soll das alles nicht zu unserem deutschen Selbstverständnis gehören?

2. Gebetene und ungebetene Gäste

Es kommen gebetene und ungebetene Gäste und Mitbewohner nach Deutschland. Flüchtlinge, das sind meist ungebetene Gäste. Man schätzt, dass die meisten Asylsuchenden uns nur erreichen, weil sie Schleusern Geld bezahlt haben. Die durchschnittlichen Kosten sollen bei etwa $2.000 liegen. Für ein Schleusen aus Kriegsgebieten wie Syrien kann der Preis bei bis zu $20.000 oder mehr liegen5. Pro Person. Die Flüchtlingsbewegungen werden also auch durch ein Milliardengeschäft für Schleuser in Gang gebracht und gehalten, die wie alle Geschäftsleute um Nachhaltigkeit und Wachstum bemüht sind. ← 14 | 15 →

Damit ist auch klar, dass nicht nur Menschen nach Deutschland kommen, die ein Anrecht auf Asyl bzw. Schutz haben. Wie gehen wir mit den Anträgen um? Es gibt drei politische Positionen.

Details

Seiten
267
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653067026
ISBN (ePUB)
9783653957020
ISBN (MOBI)
9783653957013
ISBN (Hardcover)
9783631668375
DOI
10.3726/978-3-653-06702-6
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Februar)
Schlagworte
Integration Identität Generationenkonflikt Migration Deutschtürken
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. 267 S.

Biographische Angaben

Anna Warakomska (Band-Herausgeber:in) Mehmet Öztürk (Band-Herausgeber:in)

Anna Warakomska ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Universität Warschau. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Wechselwirkungen zwischen Literatur und Politik, Ironie in der Literatur, deutsch-polnische Beziehungen in Politik, Kultur und Literatur sowie die Literatur der türkeistämmigen Migranten und ihrer Nachfahren in Deutschland. Mehmet Öztürk ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für deutsche Sprache und Literatur der Firat-Universität in Elazig, Türkei. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Literatur der deutschschreibenden Migranten mit türkischer Herkunft und Übersetzungen in Fachsprachen.

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Titel: «Man hat Arbeitskräfte gerufen, ... es kamen Schriftsteller»
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