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Karl Marbe: Zeitgemäße populäre Betrachtungen für die kultivierte Welt

Aus dem Nachlass eines deutschen Gelehrten

von Armin Stock (Band-Herausgeber:in)
©2016 Monographie XLVII, 168 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch präsentiert erstmals ein bislang unbekanntes Werk aus dem Nachlass des Psychologen Karl Marbe (1869–1953). Seine «zeitgemäßen Betrachtungen» sind eine populär verfasste, aber dennoch tiefgreifende Analyse der Mechanismen der Volksverführung, wie es sie nicht nur im Dritten Reich gegeben hat, sondern auch in den Jahrhunderten zuvor. Marbe verarbeitete in diesem Buch seine Kenntnisse der Massenpsychologie, der Suggestion sowie der Werbe- und der Konsumentenpsychologie und erschuf ein Werk, das auch heute noch von hoher Aktualität ist und zur Wachsamkeit mahnt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Karl Marbe – ein Leben in fünf politischen Systemen
  • Kindheit und Jugend
  • Studienjahre
  • Als Privatdozent und Professor in Würzburg, Frankfurt, Würzburg und Nürnberg
  • Die erste Würzburger Periode von 1896–1905
  • Die kurze Frankfurter Periode von 1905–1909
  • Die zweite Würzburger Periode von 1909–1935–1953
  • Zur Entstehungsgeschichte der zeitgemäßen populären Betrachtungen für die kultivierte Welt
  • Zeitgemäße populäre Betrachtungen für die kultivierte Welt
  • Vorwort
  • 1. Über den Einzelnen und die Masse
  • 2. Die Suggestion
  • 3. Berühmte historische Massenerscheinungen
  • 4. Zur Theorie der Massenerscheinungen
  • 5. Egoismus und Altruismus
  • 6. Herrschsucht, Schadenfreude, Rachsucht, Neid, Grausamkeit
  • 7. Lüge, Leichtgläubigkeit, Überzeugung
  • 8. Der gesunde Menschenverstand
  • 9. Suggestion, Intellekt und Massenerscheinung
  • 10. Die Reklame in Geschäft, Politik und Krieg
  • 11. Über Persönlichkeit und Werbung
  • 12. Krieg, Militär, Wehrpflicht und Pazifismus
  • 13. Über Kriegspropaganda, Kriegsgründe und Diplomatie
  • 14. Mensch, Krieg und ewiger Friede
  • 15. Nationalismus, Kommunismus, Sozialismus
  • 16. Über Fortschritt und Werte
  • 17. Über die Kritiklosigkeit der Menschen und den Krieg
  • 18. Wege zur Durchführung des Pazifismus
  • Anmerkungen zum Buch
  • Erstes Kapitel
  • Zweites Kapitel
  • Drittes Kapitel
  • Viertes Kapitel
  • Fünftes Kapitel
  • Sechstes Kapitel
  • Siebtes Kapitel
  • Achtes Kapitel
  • Neuntes Kapitel
  • Zehntes Kapitel
  • Elftes Kapitel
  • Zwölftes Kapitel
  • Dreizehntes Kapitel
  • Vierzehntes Kapitel
  • Fünfzehntes Kapitel
  • Sechzehntes Kapitel
  • Siebzehntes Kapitel
  • Achtzehntes Kapitel
  • Literatur
  • Reihenübersicht

Einleitung

Als am Abend des 16. März 1945 Fliegeralarm für die Stadt Würzburg gegeben wurde und die Sirenen aufheulten, begab sich Karl Marbe, emeritierter Psychologieprofessor der Universität Würzburg, zusammen mit seiner Frau Milly Marbe-­Fries, dem Dienstmädchen und zwei weiteren Frauen in den Keller seines 1932 erbauten Hauses am Judenbühlweg 7. Das Haus liegt unweit des Mains oberhalb der Mergentheimer Straße am westlichen Standrand. Gegen 21:25 Uhr dröhnten 223 britische Bomber mit einer Last von nahezu tausend Tonnen Spreng- und Brandbomben über die durch Leuchtbomben markierten Sportplätze an der Mergentheimer Straße, Marbes Haus unter sich vorbeiziehend, in Richtung Stadtmitte. Der Angriff dauerte nur 17 Minuten bis 21:42 Uhr. Die Briten verloren dabei sechs Maschinen und 49 Mann. Die Stadt Würzburg jedoch war nahezu vollständig zerstört und schätzungsweise 5.000 Bewohner mussten ihr Leben lassen. Marbe beschrieb jene Nacht in einem Auszug aus seinem Tagebuch1 folgendermaßen:

„Wir befanden uns in der Nacht des 16. März nach einem »Fliegeralarm« im Keller, um dort Schutz zu suchen. Neben uns befand sich Frau Geheimrat Pohle, unser langjähriges Mädchen Anna Halder und eine Frau, der ich ein Zimmer im Souterrain zur Verfügung gestellt hatte. Obgleich die Bombenabwürfe immer näher kamen, verhielten sich die beiden genannten Frauen ruhig. Unsere Hausgehilfin Anna war dagegen so aufgeregt, daß sie sich auf den Boden legte und schrie. Meine Frau und ich hielten uns umschlungen und erwarteten unseren gemeinsamen Tod. [ ] Als alles in Ruhe war, verließen wir den Keller und sahen von unserem hochgelegenen Haus aus, daß fast ganz Würzburg in Flammen stand. Es kamen dann allmählich 21 Personen (deren Häuser unbewohnbar waren) zu uns, um bei uns zu übernachten. Es wären aber noch viel mehr die Nacht über bei uns geblieben, wenn sich nicht unter meinen Besuchern ein scharlachkrankes Kind befunden hätte, was viele wieder veranlasste, unser Haus zu verlassen.“

Karl Marbe und seine jüdisch-stämmige Frau hatten viel Glück. Sie überlebten nicht nur den verheerenden Bombenangriff, sondern auch die zwölf Jahre erlittene Diktatur der Nationalsozialisten, mit all ihrem Unrecht und vielen Repressalien. Nach einwöchigem Kampf hatten amerikanische Truppen am 6. April 1945 Würzburg vollständig eingenommen und die Freiheit kehrte für das Ehepaar Marbe, wenn auch unter zunehmend schwieriger werdenden Lebensbedingungen, zurück. In sein Tagebuch schrieb er am 15. September 1945: „Die vielen Leute, ← IX | X → die von auswärts zu uns kommen, erklären immer wieder, daß sie noch keine Stadt gesehen hätten, die so unter Luftangriffen gelitten hätte, wie Würzburg.“

Bis zum Wiederauffinden des verloren geglaubten Nachlasses Karl Marbes durch das Adolf-­Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg im Frühjahr 2013, war Marbe vorwiegend als Mitbegründer der Würzburger Schule der Denkpsychologie, als Begründer des Frankfurter Instituts für Psychologie, als vielfältig tätiger angewandter und forensischer Psychologe sowie als talentierter Entwickler verschiedener psychologischer Apparate und Methoden bekannt. Im Nachlass befand sich jedoch unter anderem auch ein bislang unveröffentlichtes Manuskript Marbes mit dem Titel „Zeitgemäße populäre Betrachtungen für die kultivierte Welt – Von einem deutschen Gelehrten“, das dieser vermutlich in den späten Kriegsjahren verfasst hatte und welches ausgehend von seiner Lehre von der Gleichförmigkeit (Marbe, 1916a, 1919) massenpsychologische Phänomene, nicht nur des Dritten Reichs, in vorwiegen historischen Beispielen leichtverständlich erklärt. Er konzipierte damit eine Massenpsychologie, die künftig möglicherweise in einer Reihe mit anderen Autoren wie Gustav Le Bon (1895)2 und Ortega y Gasset (1929) zu nennen wäre, die jedoch aufgrund der historischen Analysen zeitloser erscheint und die auch heute noch „zeitgemäß“ viel Erklärungspotential aktuell politischer Ereignisse in sich birgt. Marbe war sich um die Gefahr des Verfassens einer solchen Schrift in der NS-­Zeit durchaus bewusst, sprach er doch selbst von der „verbotenen Schrift“3. Hätte man sie bei ihm gefunden, wäre er zweifelsohne inhaftiert und seine jüdisch-stämmige Frau in ein Konzentrationslager deportiert worden. Selbst nach dem Krieg sollte das Buch anonym „von einem deutschen Gelehrten“ publiziert werden, was jedoch misslang.

Details

Seiten
XLVII, 168
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653064902
ISBN (ePUB)
9783653955095
ISBN (MOBI)
9783653955088
ISBN (Hardcover)
9783631669372
DOI
10.3726/978-3-653-06490-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Mai)
Schlagworte
Massenpsychologie Suggestion Volksverführung Drittes Reich
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XLVII, 168 S., 3 s/w Abb.

Biographische Angaben

Armin Stock (Band-Herausgeber:in)

Armin Stock studierte Psychologie, Philosophie und Physiologie. Er ist Professor für Geschichte der Psychologie und leitet das Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg.

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