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Die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand

Zuständigkeiten, Grundrechte und Rechtsschutz

von Christian Marzlin (Autor:in)
©2015 Dissertation XXII, 279 Seiten

Zusammenfassung

Die Exzellenzinitiative beschert der universitären Forschungslandschaft Deutschlands – partiell – enorme Drittmittelzuflüsse. Auf der Habenseite stehen jedoch auch einschneidende Veränderungen, die u.a. den Ökonomisierungsprozess der Hochschulen vorantreiben. Neben Chancen treten wettbewerbliche Risiken und rechtliche Schwierigkeiten. Der Autor untersucht kompetenzrechtliche Defizite, wobei er die Rolle der DFG in der staatlichen Forschungsförderung und die fehlende parlamentarische Beteiligung beim Abschluss der Initiative in den Blick nimmt. Zudem bewertet er die von der Förderung ausgehenden Gefahren für eine freie Wissenschaft, bestimmt ein Anforderungsniveau für den Grundrechtsschutz im Zusammenhang evaluationsbasierter Forschungsförderung und zeigt Rechtsschutzmöglichkeiten auf.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Kapitel: Die Förderung der Wissenschaft in Deutschland
  • I. Forschungsförderung
  • 1. Staatliche Forschungsförderung
  • 2. Private Forschungsförderung
  • 3. Akteure der Wissenschaftspolitik und der Forschungsförderung
  • a) Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern
  • b) Der Wissenschaftsrat
  • c) Forschungsfördereinrichtungen
  • aa) Die Deutsche Forschungsgemeinschaft
  • bb) Stiftungen
  • II. Förderung der Lehre
  • 2. Kapitel: Die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern
  • A. Vorüberlegungen und politische Diskussion
  • B. Exzellenzvereinbarung vom 18. Juli 2005
  • I. Grundlage, Rahmen und Ziele
  • II. Die Förderlinien und die jeweiligen Fördervolumina
  • 1. Graduiertenschulen
  • 2. Exzellenzcluster
  • 3. Zukunftskonzepte zum projektbezogenen Ausbau der universitären Spitzenforschung
  • III. Die Voraussetzungen und Kriterien einer Förderung
  • 1. Antragsberechtigung
  • 2. Förderkriterien
  • a) Übergeordnete Förderkriterien nach § 3 Abs. 1 ExV I
  • b) Spezielle Förderkriterien und Bewertungskriterien
  • aa) Graduiertenschulen
  • (1) Spezielle Förderkriterien
  • (2) Bewertungskriterien
  • bb) Exzellenzcluster
  • (1) Spezielle Förderkriterien
  • (2) Bewertungskriterien
  • cc) Zukunftskonzepte
  • (1) Spezielle Förderkriterien
  • (2) Bewertungskriterien
  • c) Zusammenfassung und Bewertung
  • aa) Das Geschlecht als Anknüpfungspunkt zur Qualitätsbestimmung
  • bb) Die Exzellenz und ihre mangelnde Bestimmtheit
  • IV. Das Verfahren und die beteiligten Gremien
  • 1. Die einzelnen Gremien
  • a) Die Gemeinsame Kommission und ihre Unterkommissionen
  • aa) Strategiekommission
  • bb) Fachkommission
  • b) Der Bewilligungsausschuss
  • 2. Der Verfahrensablauf
  • a) Das Verfahren in der ersten und zweiten Förderlinie
  • b) Das Verfahren in der dritten Förderlinie
  • 3. Stellungnahme
  • V. Die Mittelverwendung
  • 1. Grundsätze
  • 2. Direkte Ausgaben
  • 3. Widerruf sowie vorzeitige Beendigung der Förderung
  • VI. Ergebnisse der ersten Programmphase
  • 1. Erste Bewilligungsrunde 2006
  • 2. Zweite Bewilligungsrunde 2007
  • C. Exzellenzvereinbarung vom 4. Juni 2009 (ExV II)
  • I. Grundlage, Rahmen und Ziele
  • II. Überbrückungs- und Auslauffinanzierung
  • 1. Überbrückungsfinanzierung
  • 2. Auslauffinanzierung
  • III. Das inhaltliche und rechtliche Verhältnis von ExV I und ExV II
  • IV. Die Förderlinien und die jeweiligen Fördervolumina
  • 1. Förderlinien
  • 2. Fördervolumina
  • V. Die Voraussetzungen und Kriterien einer Förderung
  • 1. Antragsberechtigung
  • 2. Förderkriterien
  • a) Übergeordnete Förderkriterien nach § 3 ExV II
  • b) Spezielle Förderkriterien und Begutachtungskriterien
  • aa) Graduiertenschulen
  • (1) Spezielle Förderkriterien
  • (2) Begutachtungskriterien
  • (a) Neuanträge
  • (b) Fortsetzungsanträge
  • bb) Exzellenzcluster
  • (1) Spezielle Förderkriterien
  • (2) Begutachtungskriterien
  • (a) Neuanträge
  • (b) Fortsetzungsanträge
  • cc) Zukunftskonzepte
  • (1) Spezielle Förderkriterien
  • (2) Begutachtungskriterien
  • (a) Neuanträge
  • (b) Fortsetzungsanträge
  • c) Zusammenfassung und Bewertung
  • VI. Das Verfahren und die beteiligten Gremien
  • 1. Die Gremien
  • 2. Die Zweiteilung des Verfahrens in der ExV II
  • 3. Anmerkung
  • VII. Die Mittelverwendung
  • VIII. Ergebnisse der zweiten Programmphase
  • 3. Kapitel: Verfassungsrechtliche Fragen der Exzellenzinitiative
  • A. Die Zuständigkeit der Exekutiven zum Abschluss der Exzellenzinitiative aus Art. 91b GG
  • I. Art. 91b GG als Kompetenzgrundlage der Gemeinschaftsaufgaben im Bereich der Wissenschafts- und Forschungsförderung
  • 1. Implementierung in das Kompetenzgefüge des Grundgesetzes
  • 2. Änderungen im Rahmen der Föderalismusreform
  • II. Art. 91b GG a.F. als Grundlage der ExV I
  • 1. Die ExV I als Vereinbarung zwischen Bund und Ländern
  • a) Form der Vereinbarung
  • b) Rechtsnatur der Vereinbarung
  • aa) Abgrenzung von Verwaltungsvereinbarung und Staatsvertrag
  • bb) Der Staatsvertrag als Folge einer notwendigen parlamentarischen Beteiligung
  • cc) Die Theorie des Gesetzesvorbehalts
  • (1) Grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt kraft Wesentlichkeit
  • (2) Institutioneller Gesetzesvorbehalt
  • dd) Institutioneller Gesetzesvorbehalt als Folge der funktionellen Privatisierung in Form der Beleihung
  • (1) Die Ablehnung des Beleihungstatbestandes in Rechtsprechung und Literatur
  • (2) Beleihungstheorien
  • (a) Aufgabentheorie
  • (b) Rechtsstellungstheorie
  • (c) Bündelung der Aspekte in einer Kombinationstheorie
  • (3) Die DFG als Beliehene in der Exzellenzinitiative
  • (a) Die DFG als Privatrechtssubjekt in Erfüllung staatlicher Aufgaben
  • (b) Selbstständiges hoheitliches Handeln
  • (aa) Die selbstständige Entscheidung auf der Stufe der Antragsskizzen
  • (bb) Unselbstständiges Handeln auf der Stufe der Vollanträge
  • (c) Zusammenfassung und Ergebnis
  • (4) Der formelle Beleihungsakt als Tatbestand oder Rechtsfolge?
  • (5) Ausschluss einer Beleihung aufgrund des Handelns in Privatrechtsform?
  • (6) Die DFG als fehlerhaft Beliehene
  • (7) Ergebnis
  • ee) Institutioneller Gesetzesvorbehalt aufgrund der Übertragung auf ein gruppenpluralistisches Entscheidungsgremium
  • ff) Grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt kraft Wesentlichkeit
  • (1) Evaluierte Forschung und Grundrechtswesentlichkeit nach der Brandenburg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
  • (2) Kritische Rezenzionen und Urteilsanmerkungen
  • (3) Wesentlichkeit und Grundrechtsrelevanz der Förderentscheidungen
  • (a) Forschungsthema und Forschungsmethode
  • (b) Zuteilung von Leistungen
  • (c) Ergebnis
  • (4) Gesetzesvorbehalt als Folge der „wesentlichen“ Grundrechtsbeeinträchtigung
  • (a) Vermeidung eines Totalvorbehalts
  • (aa) Haushaltsgesetz als ausreichende Legitimation im Subventionsbereich
  • (bb) Qualifizierte Grundrechtsbetroffenheit zur Vermeidung eines Totalvorbehalts in der Leistungsverwaltung
  • (b) Gesetzesvorbehalt für mittelbar-faktische Eingriffe
  • (c) Das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung nach dem Beschluss zum Brandenburgischen Hochschulgesetz
  • (d) Die Frage einer gesetzlichen Grundlage für die Bereiche staatlicher Presse- und Kultursubvention sowie der Parteienfinanzierung
  • (aa) Anforderungen der staatlichen Pressesubvention
  • (bb) Anforderungen der staatlichen Kunstförderung
  • (cc) Anforderungen der staatlichen Filmförderung
  • (dd) Anforderungen der staatlichen Parteienfinanzierung
  • (ee) Zusammenfassung
  • (ff) Übertragbarkeit der Anforderungen auf die staatliche Forschungsförderung
  • (5) Zusammenfassung
  • gg) Zusammenfassung und Ergebnis
  • 2. Die Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung
  • 3. Das Kriterium der „überregionalen Bedeutung“
  • a) Bestimmung des Merkmals der „Bedeutung“
  • b) Bestimmung des Merkmals der „Überregionalität“
  • c) Zeitpunkt der notwendigen Erfüllung des Kriteriums
  • d) Schlussfolgerung
  • 4. Zusammenfassung und Ergebnis
  • III. Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 GG als Grundlage der ExV II
  • 1. Zusammenwirken von Bund und Ländern aufgrund einer Vereinbarung
  • 2. Zur Förderung von Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen
  • a) Begriffsbestimmung und Unterscheidung der Förderarten
  • aa) Unterscheidung der Förderarten im Haushaltsrecht
  • (1) Projektförderung im Haushaltsrecht
  • (2) Institutionelle Förderung im Haushaltsrecht
  • bb) Übertragbarkeit der haushaltsrechtlichen Definitionen in das Verfassungsrecht
  • cc) Unterscheidung im Rahmen von Art. 91b GG
  • (1) Projektförderung im Rahmen von Art. 91b GG
  • (2) Institutionelle Förderung im Rahmen von Art. 91b GG
  • b) Bestimmung der Förderart der ExV II
  • aa) Graduiertenschulen
  • bb) Exzellenzcluster
  • cc) Zukunftskonzepte
  • (1) Wortlaut der ExV II
  • (2) Interpretation der Förderkriterien
  • (3) Ausweisung im Haushaltsplan
  • (4) Vorgaben der Mittelverwendung
  • (5) Fazit
  • dd) Vereinbarkeit der Projektförderung mit einer ex-post Bewertung
  • 3. Der „Fall überregionaler Bedeutung“
  • 4. Fazit
  • B. Die Exzellenzinitiative im Lichte von Art. 5 Abs. 3 GG
  • I. Die Wissenschaft im Spannungsfeld von Interessen und Freiheit
  • II. Die Freiheit der Wissenschaft im Deutschen Recht
  • 1. Entwicklungen im vorkonstitutionellen Recht
  • 2. Wissenschaftsfreiheit in der Kulturverfassung des Grundgesetzes
  • III. Grundrechtsfunktion und grundrechtliche Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit
  • 1. Objektive Gewährleistung
  • a) Wertentscheidende Grundsatznorm
  • b) Institutionelle Garantie
  • 2. Subjektive Gewährleistung
  • a) Abwehrrecht als Ausprägung des status negativus
  • b) Teilhaberecht als Ausprägung des status positivus
  • IV. Die Grundrechtsberechtigung
  • 1. Allgemeine grundrechtliche Aussagen
  • 2. Grundrechtsträger aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
  • a) Natürliche Personen
  • b) Universitäten
  • c) Andere Zusammenschlüsse
  • V. Effekte des Förderungsprogramms in der universitären Wissenschaft
  • 1. Effekte auf die Universitäten und die Hochschullandschaft
  • a) Erhöhung der Finanzmittel und Gewinn an nationaler und internationaler Reputation
  • b) Stärkung der institutionellen Autonomie und Veränderung der Governance-Strukturen
  • c) Verstärkte universitäre und außeruniversitäre Kooperation
  • d) Vertikale Differenzierung
  • e) Horizontale Differenzierung
  • aa) Trennung von Forschung und Lehre
  • bb) Abnahme der Fächerdiversität und hohe fachliche Spezialisierung
  • 2. Effekte auf die Forschung des Einzelnen
  • a) Beeinflussung der Forschung durch Bewertung und Leistungsanreize
  • b) Wirkung auf den wissenschaftlichen Austausch
  • VI. Eingriffe in Art. 5 Abs. 3 GG
  • 1. Theorie des Eingriffs
  • 2. Der Grundrechtseingriff durch die Exzellenzinitiative
  • a) Die Bewertung wissenschaftlicher Leistung
  • aa) Übertragung der Grundsätze wissenschaftsadäquater Bewertung auf die Exzellenzinitiative
  • bb) Wissenschaftadäquanz in Rechtsprechung und Literatur
  • cc) Wissenschaftsadäquanz, Grundrechtsschutz und Rechtssicherheit
  • (1) Rechtsklarheit und Bestimmtheit in Rechtsprechung und Lehre
  • (2) Rechtsklarheit und Bestimmt im Verfahren wissenschaftlicher Bewertungen
  • dd) Zusammenfassung
  • b) Die vertikale Differenzierung
  • c) Die horizontale Differenzierung
  • d) Zusammenfassung
  • VII. Möglichkeit einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung
  • 1. Einschränkbarkeit der Wissenschaftsfreiheit
  • 2. Erfordernis eines Gesetzesvorbehalts bei vorbehaltlosen Grundrechten
  • 3. Das Scheitern einer Rechtfertigung aufgrund des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage
  • VIII. Ergebnis
  • C. Anforderungen an eine Fortsetzung der Exzellenzinitiative
  • 4. Kapitel: Rechtschutzmöglichkeiten der Antragsteller
  • A. Rechtsweg gegen Ablehnungsbescheide der DFG
  • I. Theorien zur Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht
  • 1. Subordinationstheorie
  • 2. (Modifizierte) Subjektstheorie
  • 3. Die Zweistufentheorie
  • II. Zuordnung der DFG als janusköpfiges Rechtssubjekt in der Literatur und Rechtsprechung
  • 1. Verwaltungsgerichtliche und zivilgerichtliche Rechtsprechung
  • 2. Ergebnisse der verwaltungsrechtlichen Wissenschaft
  • a) Rechtsform
  • b) Art der Tätigkeit
  • c) Maß der Integration und Grad der Entfernung zum Staatskörper
  • aa) Finanzielle Abhängigkeit
  • bb) Einflussnahmemöglichkeit
  • d) Ergebnis der Wissenschaft
  • III. Rechtsweg gegen Förderentscheidungen im Rahmen der Exzellenzinitiative
  • 1. Antragsskizzen
  • 2. Vollanträge
  • B. Mögliche Rechtsansprüche
  • I. Subjektives Leistungsrecht oder Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung?
  • II. Bereicherungsrechtliche Ansprüche und deren Umfang im Falle der Vertragsnichtigkeit
  • 1. Vertragsnichtigkeit
  • 2. Bereicherungsrechtliche Ansprüche und deren Einschränkung
  • C. Zusammenfassung
  • Zusammenfassung und Gesamtbeurteilung
  • A. Zusammenfassung der rechtlichen Ergebnisse
  • I. Art. 91b GG a.F. als Grundlage der ExV I
  • II. Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 GG als Grundlage der ExV II
  • III. Die Exzellenzinitiative im Lichte von Art. 5 Abs. 3 GG
  • IV. Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragsteller
  • B. Gesamtbeurteilung
  • Anhang
  • A. Exzellenzvereinbarung I
  • B. Exzellenzvereinbarung II
  • Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

← XXII | 1 →

Einleitung

„Je mehr […] der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloss alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte. […] [Die] Mannigfaltigkeit geht gewiss immer in dem Grade der Einmischung des Staats verloren.“1 Die Wirkung staatlichen Einflusses auf private Bereiche war bereits Wilhelm v. Humboldt bekannt, weshalb er eine Wissenschaft in äußerer Unabhängigkeit forderte. Damit entwickelte er unser heutiges Verständnis der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit. Das deutsche Wissenschaftssystem, seine Organisation sowie sein rechtlicher Schutz wurden durch Wilhelm v. Humboldt und dessen Bildungsideal geprägt. Organisatorisch stand ein mannigfaltiges Einheitsdenken im Vordergrund, das nicht nur eine Unität von Forschung und Lehre darstellte, sondern auch die „wesensmäßige Einheit“ der deutschen Universitäten, in der die Bedeutung der einzelnen Institutionen gering war und sie nur einen Teil der „Gesamteinheit Wissenschaft“ bildeten.2 Dieser deutsche Liberalismus stand auch in anderen Staaten der Wissenschaftsidee Pate. „Die Luft der Freiheit weht“ – lautet das Motto der Stanford University, das auf den deutschen Humanisten Ulrich v. Hutten zurückgeht. Ihr erster Präsident, David Starr Jordan, postulierte „Freedom of Teaching and Freedom of Study“ als das Leitmotiv der Stanford University, wobei als Ideal seines Universitätsbildes die deutschen Hochschulen mit ihrer freiheitlichen Ausrichtung der Wissenschaft dienten.3 Wir sprechen dabei über eine Zeit, in der Universitäten reine Anstalten der Wissenschaft darstellten. Zwar wirkten auch im 19. Jahrhundert bereits externe Einflüsse in die Institutionen hinein, doch wurden damit zunächst religiöse und politische Ziele verfolgt. In der Folgezeit hat sich die gesellschaftliche Rolle der Wissenschaft verändert. Neben der wissenschaftlichen Bedeutung von Forschung und Lehre gewann ihr ökonomischer Stellenwert zunehmend an Gewicht. Forschung und Lehre ist ihre ureigene Bedeutung nicht verloren gegangen, doch bilden sie zusätzlich einen wirtschaftlichen Markt, auf dem Universitäten, Fakultäten und Lehrstühle als Marktteilnehmer in einem wirtschaftlichen Wettbewerb stehen. Durch das Hinzutreten einer verschärften ökonomischen Konkurrenzsituation steigt der ← 1 | 2 → wissenschaftliche Leistungsdruck. Gleichzeitig erweitern Globalisierung und europäische Integration den Markt, wodurch der internationale Wettbewerb der Universitäten vergrößert wird. Diese Wettbewerbssituation verschärft sich allgemein auf internationaler Ebene, aber auch speziell für deutsche Universitäten, durch eine Mittelverknappung im Hochschulbereich.

Um den Erfolg der nationalen Einrichtungen in dieser Konkurrenzsituation zu sichern, bedarf es Reformen des deutschen Wissenschaftssystems. Dabei wird auch im Hochschulbereich das in der Verwaltung eingesetzte Reformprogramm des „New Public Managements“ angewandt, mit dem eine betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerung in der Verwaltung Einzug gehalten hat, die durch neue Governance Strukturen umgesetzt wird. Im Bereich der Forschungsförderung ist als Steuerungsinstrument insbesondere die wettbewerbsbasierte Anreizsteuerung von Bedeutung. Als Wirkungsfaktor ist primär die Ausschüttung zusätzlicher Drittmittel zu nennen. Doch werden innerhalb der Mittelvergabe Leistungsanreize gesetzt, die Differenzierungen im Hochschulbereich lenken und Organisationsstrukturen steuern.

In diesem Rahmen wurde auch die Exzellenzinitiative durch Bund und Länder beschlossen, die in erster Linie ein Instrument zur gemeinsamen Forschungsförderung an deutschen Universitäten darstellt. Zu diesem Zweck wurden im ersten Förderzeitraum 2006–2011 1,9 Mrd. € als gesamte Fördersumme veranschlagt. Im zweiten Förderzeitraum 2011–2017 treten weitere 2,7 Mrd. € hinzu. In zweiter Linie wird mit der Förderung die Steuerung der universitären Forschung bezweckt. Davon sind rein universitätsinterne Änderungen der Organisationsstruktur betroffen, doch sind ebenso weitreichende horizontale und vertikale Differenzierungen der Hochschullandschaft intendiert, die auf das gesamte Wissenschaftssystem wirken. Das Förderprogramm der Exzellenzinitiative stellt somit nicht nur ein reines Förderprogramm dar, sondern dient gleichzeitig der staatlichen Steuerung.

Damit greifen Bund und Länder eine Wettbewerbsidee auf, die durch die Einführung des „Networks of Excellence“4 im Zuge des sechsten Forschungsrahmenprogramms der EU den Begriff der wissenschaftlichen „Exzellenz“ zur Devise der europäischen Wissenschaftspolitik machte und eine Reform der Wissenschaft nach marktwirtschaftlichen Prinzipien anstrebt.5 Mit der Exzellenzinitiative wird von Seiten der Exekutive der Wunsch verfolgt, deutschen Universitäten das Prädikat der Exzellenz zu verleihen, um den Abstand zu internationalen Eliteuniversitäten ← 2 | 3 → zu verringern. Neben Beifall aus den Reihen der Politik und auch Teilen der Wissenschaft wurden auch kritische Stimmen laut, die eine Abkehr von unserem freiheitlichen Wissenschaftssystem beklagen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit das Grundgesetz einen Gestaltungsspielraum für weitreichende Änderungsprozesse im Hochschulbereich vorsieht. Wie viele der humboldtianischen Ideale gebietet uns die Verfassung beizubehalten? Welchen Grad des staatlichen Einflusses und unter welchen Voraussetzungen lässt die Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG zu? Diesen Fragen geht der Verfasser im Zusammenhang mit der Exzellenzinitiative nach.

In einem ersten Kapitel der Untersuchung werden die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten staatlicher und privater Wissenschaftsförderung sowie die daran beteiligten Akteure dargestellt. Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsförderung werden nicht wissenschaftsfern betrieben, vielmehr wird die Wissenschaft in Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Daran anschließend wird in einem zweiten Kapitel der Untersuchung das Förderprogramm der Exzellenzinitiative dargestellt. Die Betrachtung widmet sich neben der Entstehungsgeschichte und den Zielen insbesondere den drei Förderlinien, den jeweiligen Kriterien einer Bewertung, den Verfahrensabläufen und den Bestimmungen hinsichtlich der Mittelverwendung. Die beiden Programmphasen beruhen auf zwei gesonderten Bund-Länder-Vereinbarungen. Beide Vereinbarungen werden einzeln erläutert, wobei inhaltliche Unterschiede herausgearbeitet werden. Im dritten Kapitel werden verfassungsrechtliche Fragen der Exzellenzinitiative untersucht. Zunächst wird erläutert, inwiefern die Kompetenznorm der gemeinsamen Forschungsförderung von Bund und Ländern in Art. 91b GG eine ausreichende Grundlage für das Programm der Exzellenzinitiative darstellt. Zwar bietet Art. 91b GG verschiedene Möglichkeiten einer Gestaltung, dennoch werden formelle und materielle Anforderungen an eine gemeinsame Förderung gestellt. Die Änderungen der Kompetenznorm im Wege der Föderalismusreform schaffen einen weiteren Untersuchungsgegenstand. Da die gesetzliche Grundlage bedeutende inhaltliche Modifikationen erfuhr, ist der Frage nachzugehen, ob für die Fortsetzung der Exzellenzinitiative entsprechende Anpassungen des Programms an Art. 91b GG n.F. erforderlich gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind die Modelle der institutionellen Förderung und der Projektförderung voneinander abzugrenzen. In Bezug auf beide Vereinbarungen ist zudem eine möglicherweise notwendige parlamentarische Beteiligung am Abschluss der Vereinbarungen zu diskutieren. Dabei nimmt auch die DFG als Mittlerorganisation eine entscheidende Position ein, da sie als privater Verein mit der Durchführung der Mittelvergabe betraut wurde. Dies erfordert eine Auseinandersetzung ← 3 | 4 → mit dem grundrechtlichen Gedanken des Gesetzesvorbehalts. Im Anschluss ist die Vereinbarkeit des Forschungsförderprogramms mit der grundrechtlichen Wissenschaftsfreiheit zu untersuchen. Dafür bedarf es einer Analyse der von der Exzellenzinitiative ausgehenden Effekte. Neben den Differenzierungswirkungen spielt für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit die mögliche externe Einflussnahmemöglichkeit, die über die Bewertungskriterien ausgeübt werden kann, eine entscheidende Rolle. Neben der konkreten Ausgestaltung der Kriterien kann für die Verwirklichung der Grundrechte auch die Bestimmtheit wesentlich sein. Das Bundesverfassungsgericht hat sich im Bereich der Forschungsförderung bisher nicht abschließend zu dieser Frage geäußert. Die Untersuchung zeigt auf, dass die bisherigen Aussagen des Ersten Senats für den Zweck des Grundrechtsschutzes nicht zufriedenstellend sind. Daher folgt der Versuch, die aus einem effektiven Grundrechtschutz hergeleitete Notwendigkeit einer parlamentarischen Beteiligung aufzuzeigen. Daran anschließend werden in einem vierten Kapitel der Untersuchung die Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragsteller begutachtet. Zunächst ist zu klären, ob Bund und Länder als Programminitiatoren oder die DFG als durchführende Organisation als Klagegegner in Betracht kommen. Von Bedeutung ist dabei die Frage nach der Rechtsnatur der DFG, die entscheidend für die Wahl des Rechtswegs ist. Aufgrund der Ausübung einer staatlichen Aufgabe ist an den Verwaltungsrechtsweg zu denken. Da die DFG jedoch als privatrechtlicher Verein auftritt, wird insbesondere in der Rechtsprechung der Zivilrechtsweg als zulässig angesehen. Des Weiteren ist in der Wissenschaft bisher unklar, welche Ansprüche, insbesondere subjektiven Leistungsansprüche, einem abgelehnten Antragsteller zustehen können. Abschließend ist anknüpfend an die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Exzellenzinitiative zu untersuchen, welche Rechtsfolge die Verfassungswidrigkeit nach sich ziehen würde und welche Auswirkungen dies auf bereits ausgezahlte Fördermittel hätte.


1 v. Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen S. 55.

2 Bartz, Der Wissenschaftsrat S. 244.

Details

Seiten
XXII, 279
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783653062892
ISBN (ePUB)
9783653953299
ISBN (MOBI)
9783653953282
ISBN (Hardcover)
9783631670637
DOI
10.3726/978-3-653-06289-2
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (September)
Schlagworte
Forschungsförderung Drittmittel Beleihung DFG Gesetzesvorbehalt Wissenschaftsfreiheit
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2015. XXII, 279 S.

Biographische Angaben

Christian Marzlin (Autor:in)

Christian Marzlin studierte Rechtswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Nach dem Ersten Juristischen Staatsexamen verfasste er seine Dissertation am Lehrstuhl für Öffentliches Recht. Seit 2013 absolviert der Autor das Rechtsreferendariat am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg.

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