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Albrecht Fabri – Frühe Schriften

Essays und Rezensionen aus der Zeit des Dritten Reichs

von Jürgen Egyptien (Band-Herausgeber:in)
©2016 Andere 164 Seiten

Zusammenfassung

Albrecht Fabri (1911–1998) zählt zu den brillantesten Essayisten der Nachkriegszeit. Mit seinem radikalen Ästhetizismus provozierte er alle, die in Kunst oder Literatur ein Medium zur Unterhaltung oder zum gesellschaftlichen Engagement erblickten. Fast unbekannt sind bis heute seine frühen Essays und Rezensionen, die zwischen 1933 und 1940 im Dritten Reich erschienen. Sie zeigen neue Facetten seines Schreibens und lassen auf spannende Weise verfolgen, wie sich Fabris individueller Stil und wesentliche Motive seines ästhetischen Denkens herausbildeten. Eine Personalbibliographie sowie eine umfassende Einführung in Leben und Werk des Essayisten umrahmen die Textedition.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Einführung in das Frühwerk von Albrecht Fabri
  • Texte
  • Tanz
  • Richard Wagner 1933
  • Maske und Maskerade
  • Über Ernst Barlach
  • Adam Müller oder die romantische Sinngebung des Staates
  • Meister Eckhart oder die Unaufhörlichkeit
  • Schicksal, Sendung, Ewigkeit
  • Apollodor oder die Sprache und das Unaussprechliche
  • Sisyphos oder das Unerbittliche
  • Brief über Adalbert Stifters Nachsommer
  • Notiz über Richard Billinger
  • Notiz über das Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach
  • Gespräch über einige neue Briefbücher
  • Zu den Briefen Leopold Mozarts
  • Zu einer Schrift von Paul Valéry
  • François Villon
  • Fragment, Aphorismus, Essai
  • Zu den Briefen Cézannes
  • Versuch über Josef Hofmiller
  • Zu einer neuen Stifter-Ausgabe
  • Personalbibliographie

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Einführung in das Frühwerk von Albrecht Fabri

I.   Zur Textauswahl

Die Frühen Schriften enthalten alle Texte Albrecht Fabris, die vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs gedruckt worden sind. Es handelt sich um einen poetischen Text von 1930 und neunzehn essayistische Texte, die im Zeitraum von 1933 bis 1940 in Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Dabei lässt sich eine gewisse Abfolge der Publikationsorte erkennen. Nach einzelnen Texten im Aufriss, dem Organ der ‚Rheinischen Gruppe‘, und in Harro Schulze-Boysens gegner konnte Fabri von Anfang 1934 bis Anfang 1935 vier Texte in der Kölnischen Zeitung unterbringen. 1934 erschienen auch zwei Beiträge in der von Karl Rauch herausgegebenen Wochenzeitung Das deutsche Wort, wie die Literarische Welt seit dem Frühjahr dieses Jahres hieß, sowie ein weiterer in dem ebenfalls von Karl Rauch herausgegebenen Buchhandelsorgan Der Bücherwurm. Auf einen einzelnen Text in der von der Reichsschrifttumskammer getragenen Zeitschrift Das Innere Reich folgten 1936/37 drei Beiträge in Hermann Rinns Deutscher Zeitschrift und ab Frühjahr 1937 sieben Aufsätze im katholischen Hochland.

Parallel arbeitete Fabri für den Rundfunk, 1934 für den Westdeutschen und dann bis 1938 für den Bayrischen Rundfunk. Da sich keine Textzeugnisse von Fabris mehrjähriger Tätigkeit für den Rundfunk erhalten haben, kann diese Seite seines öffentlichen Wirkens nicht dokumentiert werden.1 In der Werag, wie Westdeutschlands illustrierte Heimat- und Funkzeitschrift im Haupttitel hieß, finden sich im Jahrgang 1934 Ankündigungen von Sendungen Fabris über Zauberbräuche primitiver Völker (27.2.), Sintflutsagen (12.3.) und Altdeutsche Zauber- und Segenssprüche (29.3.). Im Bayrischen Rundfunk sprach er am 23.10.1935 anlässlich des 100. Geburtstags von Adalbert Stifter und am 11.2.1936 über ein Dutzend Briefbände, darunter die von Karl Viëtor herausgegebenen Briefe der Diotima, die von dem Bonner Germanisten Ernst Bertram eingeleitete Ausgabe von Friedrich Hölderlins gesammelten Briefen und die Briefe des Blaise Pascal. ← 7 | 8 →

II.   Biographie

Albrecht Fabri wurde am 20. Februar 1911 im Kölner Süden geboren. Der Vater war Handelsvertreter für eine Firma, die diverse Gummiprodukte (Förderbänder, Schläuche etc.) vertrieb. Entsprechend gab es in der Familie mal mehr, mal wenig Geld. Schon als Schüler lernte er den etwas älteren Kölner Mundartdichter Goswin Peter Gath kennen.2 Gath hatte persönliche Kontakte zur Künstlerszene. Bei ihm sah Fabri Objekte des Kölner Avantgardisten Franz Wilhelm Seiwert und war begeistert. Fabri bezeichnete das als sein Schlüsselerlebnis auf dem Gebiet der Kunst.

Zwischen Goswin Peter Gath und den drei Freunden Albrecht Fabri, Max Bense und Erwin Bücken entwickelte sich bald eine nähere Bekanntschaft, die zur Gründung der ‚Rheinischen Gruppe‘ führte. Die Gruppe veranstaltete literarisch-musikalische Veranstaltungen, bei denen Fabri auf dem Klavier eigene Kompositionen vortrug. Als Forum der Gruppe sollte die Zeitschrift Aufriss dienen, von der aber nur ein Exemplar erschien, das neben Fabris Gedicht Tanz auch eine Notenbeilage mit seinen Kompositionen enthielt. Im Übrigen hat die Bedeutung der ‚Rheinischen Gruppe‘ wesentlich in der gegenseitigen geistigen Anregung gelegen. Zu den Entdeckungen Benses habe Wittgenstein gehört, dessen Tractatus logico-philosophicus rasch herumging. Fabris wichtigste Entdeckung waren die Gedichte von Gottfried Benn. Als er dessen Zeilen „Oh, dass wir unsre Ururahnen wären …“ und „Prometheus, los, den Wudki an die Schnauze“ las, wusste er, Benn war sein Mann. Die Begegnung mit Benns Dichtung nannte Fabri sein Schlüsselerlebnis auf dem Gebiet der modernen Literatur.

1930 legte Fabri das Abitur ab. Er nahm das Studium der Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie auf und hatte die vage Idee, Komponist und Dirigent zu werden. Fabri besuchte sporadisch Lehrveranstaltungen an den Universitäten Köln und Bonn, hörte auch Vorlesungen in Jura, da ihn die glossierende, detaillistische Kommentierung von Gesetzertexten faszinierte. Die Studienbedingungen empfand er jedoch als zutiefst unbefriedigend. In den Geisteswissenschaften befand sich die geistesgeschichtliche Methode in ihrer Verfallsperiode, neue Impulse wie die Sozialgeschichte oder die Literaturpsychologie hatten die Universitäten noch kaum erreicht. Kritik selbst an den geistlosesten Ordinarien war ebenso undenkbar wie am kanonisierten Stoff. Da Fabri jede intellektuelle Anregung seitens der Institution Hochschule vermisste, verbrachte er die meiste Zeit mit dem Selbststudium in den Bibliotheken. Dabei verfuhr er recht wahllos. Er verschlang aktuelle Zeitschriften wie die Nouvelle Revue Française oder ← 8 | 9 → die psychoanalytisch orientierte Imago und entdeckte für sich Heraklit, Meister Eckhart, die Upanischaden, Lao-Tse und Tschung-Tse. In ihnen fand er, wie er sich ausdrückte, die Meister der Vernichtung des Satzes vom Widerspruch. Fabri bekannte, dass für ihn der Sündenfall des abendländischen Denkens in dem Dualismus von Subjekt und Objekt liege, in der Trennung zwischen Ich und Welt. Alle seine kunst- und literaturtheoretischen Überlegungen fußten auf dieser Voraussetzung.

1934 brach Fabri das Studium ab, weil es ihn langweilte und weil sich die äußeren Bedingungen verschlechterten. Er bezeichnete sein politisches Denken dieser Zeit als naiv und nahezu ‚trottelig’. So hätte er etwa in einer Weinstube in der Kölner Innenstadt gemeinsam mit seinen Freunden unverhohlen über eine Göring-Rede gelästert, die im Radio gesendet wurde. Als sie das Lokal verlassen wollten, wurden sie von zwei Polizisten angehalten, aufs Präsidium geführt und verhört. Fabri betonte, dass diese lästerlichen Reden keineswegs bewusste Widerstandshandlungen waren oder einer besonderen Tapferkeit entsprangen, sondern einer ahnungslosen Blauäugigkeit. Das galt ebenso für das Erlebnis, das zum Auslöser seines Studienabbruchs wurde. Vor dem Haupteingang der Bonner Universität war 1934 eine Hakenkreuzfahne aufgestellt worden, vor der jeder den deutschen Gruß zu entbieten hatte. Zwei Nazis standen bei der Fahne Wache. Als Fabri eher aus Unaufmerksamkeit grußlos an der Fahne vorbeiging, kam einer der beiden hinter ihm her und verabreichte ihm eine Ohrfeige. Da habe er gedacht, nein, hier ist nicht länger gut sein.

Er ist dann nach München übersiedelt, wo er ein bescheidenes Dasein als freier Mitarbeiter des Rundfunks fristete. Hauptsächlich verfasste er Rezensionen über kunstwissenschaftliche Werke, um durch den Verkauf der Belegexemplare an Antiquariate sein schmales Honorar etwas aufzubessern. 1937 endete diese Tätigkeit, weil er ‚leider zu intellektualistisch’ schriebe, wie ihm vom Sender mitgeteilt wurde. In München hatte er Kontakt zu einem Kreis um den Maler Max Dunken und den Schriftsteller Stefan Andres. Es war ein internationaler Kreis, zu dem auch Engländer und Spanier gehörten. Eine Freundin habe für das amerikanische Generalkonsulat in München gearbeitet und hätte ihnen dadurch Zugang zur internationalen Presse verschaffen können. Die Stimmungslage in diesem antinazistischen Kreis sei von einem heiteren Zynismus geprägt gewesen.

Den Kriegsausbruch empfand Fabri als Erlösung. Nach der Musterung in Köln, kam er zur Grundausbildung 1939 nach Graudenz an der Weichsel. Den Frankreichfeldzug machte er in einer Reservedivision mit. Ab 1940 übte er die Funktion eines Ia-Schreibers ohne Dienstrang in einem Divisionsstab aus, zuerst in Belgien, dann in Frankreich, ab 1941 an der Ostfront. Er gehörte der ← 9 | 10 → Heeresgruppe Mitte an und kam bis Smolensk. Auf dem Rückzug versuchte er in der Tschechei zu den Amerikanern durchzukommen, geriet aber in russische Kriegsgefangenschaft. Er kam in ein Lager in Astrachan und erlebte schlimmen Hunger. Im März 1946 wurde er entlassen und mit 170 anderen auf den Rücktransport nach Deutschland geschickt. Nur 51 kamen lebend in Frankfurt an der Oder an. Er litt unter mit Ruhr und Malaria und wo noch 92 Pfund. Über Berlin und Dresden kam er wieder nach Köln. Dort trat er sogleich in Kontakt mit dem Ehepaar Eva und Hein Stünke, das er 1944 kennengelernt und das soeben die Galerie Der Spiegel für zeitgenössische Kunst gegründet hatte. Hier hielt Fabri mehr als vier Jahrzehnte lang zahlreiche Reden anlässlich von Ausstellungsvernissagen.

In den 1950er Jahren avancierte Fabri zu einer prägenden Figur im ästhetischen Diskurs der BRD. Gottfried Benn bezog sich auf ihn in seiner Marburger Rede Probleme der Lyrik, Alfred Andersch setzte sich mit ihm in seinem Essay Die Blindheit des Kunstwerks auseinander, in Georg Hensels Autobiographie Glück gehabt firmiert er retrospektiv als ‚theoretischer Hausgott’ der abstrakten Maler. Fabris regelmäßige Beiträge im Merkur ab dem ersten Jahrgang und seine Essaybände Der schmutzige Daumen (1948), Interview mit Sisyphos (1952), Der rote Faden (1958) und Variationen (1959) fanden Beachtung. Nach der Publikation seines Essays über Karl Kraus 1953 im Merkur bot ihm Theodor W. Adorno eine nähere Verbindung mit dem Frankfurter Institut für Sozialforschung an. Zu diesem Zeitpunkt war Fabri noch als Lehrer für moderne und französische Literatur an der Deutschen Buchhändlerschule in Köln-Rodenkirchen tätig. Als er dort 1956 ausschied, arbeitete Fabri als freiberuflicher Lektor bis Ende der 1960er Jahre für den Düsseldorfer Karl-Rauch-Verlag.3 Für diesen und andere Verlage übersetzte er literarische und Sachbücher vorwiegend aus dem Französischen und Englischen.

Details

Seiten
164
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653063288
ISBN (ePUB)
9783653953077
ISBN (MOBI)
9783653953060
ISBN (Hardcover)
9783631670798
DOI
10.3726/978-3-653-06328-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Schlagworte
Essayistik Ästhetik Sprachtheorie Gattungstheorie
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 164 S.

Biographische Angaben

Jürgen Egyptien (Band-Herausgeber:in)

Jürgen Egyptien wurde an der TU Berlin promoviert und war als Stipendiat der DFG in Wien. Er ist Professor für Literaturwissenschaft an der RWTH Aachen und publiziert zur Literatur und Ästhetik des 20. Jahrhunderts.

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