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Beobachtungen zum heutigen Konservatismus in Deutschland

Eine Untersuchung nach Edmund Burke

von Christoph Klunker (Autor:in)
©2016 Dissertation 319 Seiten

Zusammenfassung

Dieses Buch kommt dem Konservativen auf die Spur. Mit Darstellungen aus Politik und Forschung wird zunächst das widersprüchliche Konservatismusverständnis aufgezeigt. Während der Konservatismus nicht selten als rückwärtsgewandt oder gar reaktionär bewertet wird, sehen seine Vertreter sich selbst als notwendiges Korrektiv am Progressiven und Liberalen. Der irische Politiker und Stammvater des Konservatismus, Edmund Burke, offenbart sich als der ideale Bezugspunkt für eine Untersuchung dieser umstrittenen Thematik. Seine Werke überraschen mit der Aktualität seiner Aussagen. Der Autor rückt die politische Kultur und den gesellschaftlichen Diskurs in ein neues Licht. Es wird deutlich, wo die Schwachpunkte heutiger Politikdiskurse liegen – nicht nur in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1. Das Konservatismusverständnis in Deutschland
  • 1.1 Suchbewegungen von Politik und Publizistik
  • 1.1.1 Modernität, Fortschritt, Bewahrung und Reaktion
  • 1.1.2 Programm und Ideologie
  • 1.1.3 Wert und Struktur
  • 1.2 Definitionsversuche der Forschung
  • 1.2.1 Methodisch-thematische Schwierigkeiten
  • 1.2.2 Ursprung und Entwicklung
  • 1.2.3 Vom Denken zur Ideologie
  • 1.2.3.1 Die Rationalisierung der Welt
  • 1.2.3.2 Die Rolle der Ideologien
  • 1.2.3.3 Antithetik und Paradoxien
  • 1.2.3.4 Die „wahren“ Motive: Utilitarismus, Opportunismus und Machterhalt
  • 1.2.4 Soziologisches Krisensymptom und Wertebezug
  • 1.2.4.1 Industrielle Revolution: Vom Stand zur Klasse
  • 1.2.4.2 Konservative Revolution und Nationalsozialismus
  • 1.2.4.3 Die Bundesrepublik, Kulturkritik und die „Neue Rechte“
  • 1.2.4.4 Verfassungsschutz und Rechtsauffassung
  • 1.2.4.5 Das konservative Menschenbild
  • 1.3 Der Status Quo
  • 2. Edmund Burke: Politik als praktische Wissenschaft
  • 2.1 Eine philosophisch-politische Annäherung an den Ursprung
  • 2.1.1 Leben und Wirken
  • 2.1.2 Philosophie der Ästhetik: Das Erhabene und Schöne
  • 2.1.2.1 Von der Sinneswahrnehmung zur Urteilskraft
  • 2.1.2.2 Leidenschaften als Ursprung des Handelns
  • 2.1.2.3 Die Worte, ihre Kategorien und Wirkung
  • 2.1.2.4 Von der Schönheit zur Tugend
  • 2.1.2.5 Zusammenfassung der Ästhetik Burkes
  • 2.1.3 Reden zur Besteuerung und zum Vermittlungsverfahren mit Amerika
  • 2.1.3.1 Gewalt als Zeichen der Schwäche
  • 2.1.3.2 Der Geist der Freiheit
  • 2.1.3.3 Das kollektive moralische Bewusstsein
  • 2.1.3.4 Die Erfahrung als Lehrer – die Verfassung als Orientierung
  • 2.1.3.4.1 Macht der Gewohnheit: Entwicklung der Handelsgesetzgebung
  • 2.1.3.4.2 Respekt und gegenseitiger Nutzen – Die Eroberung Irlands
  • 2.1.3.4.3 Machtbeteiligung und Rechtstaatlichkeit – Die Eroberung Wales
  • 2.1.3.5 Das Gleichgewicht der Interessen – Frieden
  • 2.1.4 Die Reaktion auf die Revolution
  • 2.1.4.1 Die Verfassung – Natur und Basis
  • 2.1.4.2 Der Mensch – Rechte, Wesen und Unterschiede
  • 2.1.4.3 Die Erziehung – Familie, Religion, Werteorientierung
  • 2.1.4.4 Die Staatskunst – Tugend, Freiheit, Autorität
  • 2.2 Burkes Denken in der Zusammenfassung
  • 3. Korrekturen und Konsequenzen: Burkes Ideen und der Konservatismus
  • 3.1 Transzendenz als Relativitätstheorie
  • 3.2 Merkmale und Phänomene deutscher Politik
  • 3.2.1 Abstraktion
  • 3.2.1.1 Aufwertung
  • 3.2.1.2 Entleerung
  • 3.2.1.3 Dogmatisierung
  • 3.2.1.4 Desorientierung
  • 3.2.2 Konstitution und Religion
  • 3.2.2.1 Verantwortungsverteilung
  • 3.2.2.2 Glaubensverschiebung
  • 3.2.2.2.1 Politik
  • 3.2.2.2.2 Religion
  • 3.3 Konkretisierung des Konservativen
  • 3.3.1 Die Modell- und Systemzentrik – Eine Kritik am Bewusstsein
  • 3.3.2 Der Konservatismus ist tot – Es lebe der Konservatismus?
  • Schlussworte
  • Literaturverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis
  • Personenverzeichnis
  • Anhang

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Einleitung

Die vorliegende Arbeit möchte dem Konservatismus bzw. dem Konservativen als politischem Begriff auf den Grund gehen und untersuchen, wie er sich konkret in der heutigen politischen Praxis in Deutschland darstellt. Zu undeutlich und widersprüchlich gestalten sich die Aussagen der jeweiligen Protagonisten, Autoren oder Adressaten. Es soll untersucht werden, inwiefern der Begriff anhand einer Rückbesinnung auf eine ursprüngliche Bedeutung oder Ausgangsbasis in die heutige Zeit übersetzt werden kann, um hierüber etwas Klarheit über sein Wesen zu erhalten.

Die insbesondere in krisenhaften Zeiten aufkommende gesellschaftliche und mediale Debatte über das zu schärfende „konservative Profil“ der als konservativ bekannten Volksparteien mit dem C im Namen war nach der Banken- und Staatsfinanzkrise beginnend im Jahr 2008 und fortfolgenden von einer zunehmenden Intensität geprägt. Der mediale Diskurs über die Ursachen und Folgen für die Weltwirtschaft1 provozierte sogar eine scharfe Wortmeldung des Papstes Franziskus in seinen Enzykliken Evangelii Gaudium2 und Laudato Si3. Dabei stehen die Rolle von Staat und seine Beziehung zur Wirtschaft, der systemische Wachstumsdruck oder andere, allgemein als fehlerhaft wahrgenommene Entwicklungen der Gesellschaft im Zentrum der Diskussion.4 Ein Zusammenhang zwischen Krisenereignissen5 und dem Konservatismus lässt sich nur vermuten, wird die kritische Reaktion des konservativen Lagers in der Tat auch als Krisensymptom beschrieben.6 Doch scheitert eine tiefere Auseinandersetzung mit einer solchen Interdependenz ← 15 | 16 → bereits an einer Einigung über Verständnis, Charakter und Inhalt des Konservatismus selbst.7 In Deutschland gilt der Konservatismus in der Folge des Nationalsozialismus und dessen Rezeption in der Nachkriegszeit als verbrauchter Begriff mit dunkler Vergangenheit, der als radikal, rückständig, gar als reaktionär wahrgenommen wird und mehr eine denunzierende als beschreibende Verwendung findet.8 Alternativ wird er als Gegenentwurf zu links-ideologischen Gesellschaftsentwürfen dargestellt, was spätestens im Kontext der 68er Bewegung zu einer gewissen Polarisierung und Überlagerung in der öffentlichen Meinung führte.9 Im Nachgang der gesellschaftlichen Umbrüche dieser Zeit löst sich der Konservatismus, wie andere politische Begriffe und Themen, in einem zunehmend diffus anmutenden Links-Rechts-Schema auf.10 Obwohl heute die elementare Systemfrage nicht gestellt wird, die Demokratie als unbestrittene Regierungsform akzeptiert wird, ändert das jedoch interessanter Weise nichts daran, dass der Konservatismus noch immer wieder als ideologischer Gegenspieler der beiden großen Gesellschaftsentwürfe, des Liberalismus und des Sozialismus gesehen wird.11 Womöglich fällt seine – zuweilen sogar umstrittene – Abgrenzung zum Nationalsozialismus gerade deshalb so schwer, weil die bisherige Sichtweise durch die ideologische Brille erfolgte.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konservatismus ist indessen als auffällig gering zu bezeichnen, untersucht man die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen speziell zu diesem Thema.12 Angesichts der unklaren Definition des Wortes und der vielfältigen Interpretationen ← 16 | 17 → und Ableitungen politischen Handelns, die der Begriff heute im alltäglichen Gebrauch erfährt, unternimmt die vorliegende Arbeit den Versuch einer historisch-philosophischen Untersuchung des geistigen Ursprungs des Konservatismus, um Klarheit über dessen Gehalt und Ideenwelt zu gewinnen und um in einem nächsten Schritt Grundelemente und Grundzüge einer spezifisch konservativen Politik der Gegenwart zu diskutieren. Kurzum: Der Konservatismus soll einer heuristischen Rekonstruktion unterworfen werden, um Klarheit über sein Wesen zu erlangen.

Die Untersuchung nimmt ihren Ausgang im Status Quo der heutigen Auseinandersetzung mit dem Begriff des (politischen) Konservatismus. Indem sie den bestehenden Diskurs zu ordnen versucht, folgt die Arbeit zunächst der Aufgabe, die verschiedenen Linien der Argumentation aktueller Publikationen und Äußerungen ausgewählter politischer Akteure herauszuarbeiten. Gemeinsam mit den zentralen Positionen der deutschen Konservatismus-Forschung werden diese Beobachtungen um die theoretische Perspektive erweitert – soweit man einen solchen akademisch zu begründenden Forschungszweig heute überhaupt (noch) in der deutschen Universitätslandschaft, die sich selbst der ideologischen Positionierung nicht entziehen konnte,13 ausfindig machen kann. Auch wenn der Begriff des Konservatismus in seiner Aussage widersprüchlich bleibt, sich vornehmlich auf der Ebene des ideologischen Lagerkampfes bewegt, findet sich doch sozusagen unabhängig von Zeit, Raum und Zugang zur Materie so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner im Spektrum konservativ orientierter Bewegungen: Edmund Burke (1729–1797).

Der zweite Teil dieser Arbeit befasst sich daher mit eben diesem als „Stammvater“14 des Konservatismus’ bezeichneten irischen Schriftsteller, Staats- und. Moralphilosophen. Als einer der ersten unter den publizierenden Politikern seiner Zeit, hat er ganz maßgeblich den politischen Konservatismus begrifflich und ideengeschichtlich geprägt. So gehört Burke „zu den seltenen politischen Schriftstellern […], über deren konservative Haltung ← 17 | 18 → sowohl Konservative als auch Nichtkonservative sich einig sind.“15 Auf ihn und seine Beschreibungen beziehen sich bis heute eine Vielzahl der Autoren und Politiker, um entweder ihre eigene, vorgeblich konservative, Position zu untermauern oder als Vertreter der Opposition den Konservatismus zu kritisieren. Obwohl ein Vertreter der Aufklärung, kann Burkes Werke eine ungebrochene Aktualität bescheinigt werden, obwohl sich in Deutschland die Auseinandersetzung mit seinen Aussagen mager gestaltet und oder nur auf bestimmte inhaltliche Aspekte oder einzelne Werke konzentriert.16 Dagegen zeigt sich die Forschung im angelsächsischen Raum, die sogar auf eigene Institutionen17 rekurrieren kann, als weitaus aktueller, interessierter und differenzierter an diesem Autor, wobei hier die fehlende sprachliche Barriere sicher zum Vorteil gereichen mag.18 Die vorliegende Untersuchung richtet ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf Burkes in erster Auflage erschienenen Betrachtungen über die französische Revolution (1790), die im Übrigen als Burkes späte, aber meistbeachtete und -zitierte Schrift gilt. Um ein besseres Verständnis seiner politischen Ansichten zu erhalten und eine inhaltliche Konsistenz über die Zeit hinweg zu erkennen, werden zwei bzw. drei seiner vorangegangenen Werke und Aussagen, die Philosophische Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen (1757) und seine Reden zur Besteuerung der amerikanischen Kolonien (1774) und zum Vermittlungsverfahren mit Amerika (1775)19 zu inhaltlichen Analyse- und Vergleichszwecken herangezogen. Diese Veröffentlichungen gewähren in ihrer Gesamtschau einen umfassenden Einblick in Burkes Denken, sein Menschenbild, die daraus abgeleitete Moral-Philosophie und das von Burke zentral diskutierte elementare Bedürfnis des Menschen nach Freiheit und deren Begrenzung durch die Eingebundenheit des Einzelnen in der Gesellschaft. ← 18 | 19 → Nicht nur Burkes Position zur Französischen Revolution, auch Burke selbst erscheint damit in einem Licht, das sich von der Wertung seiner Kritiker und Befürworter deutlich unterscheidet. Burke kann dabei neben John Locke und Thomas Hobbes zum „Dreigestirn der englischen Staatsphilosophie“20 gezählt werden. Auch sind die Parallelen zu Burkes Zeitgenossen Adam Smith nicht zu übersehen, befasst auch der sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen individuell-partikularen und öffentlich-allgemeinen Interessen.21 Burkes Denken offenbart jedoch einen entscheidenden Widerspruch zum Konservatismus als politischer Theorie bzw. Ideologie, lehnt Burke eine solche Rationalisierung der Politik ab. Burkes Denken, bis dato immer fest mit dem Konservatismus in Verbindung gebracht, wird damit in ein anderes Licht getaucht und relativiert die weit verbreiteten Interpretationen seiner vermeintlich ideologischen Haltung.

Im dritten und letzten Teil der vorliegenden Untersuchung wird unter der Berücksichtigung der vorangegangenen Untersuchung des heutigen Konservatismusverständnisses im ersten Teil und der Analyse Burkes Denken gewonnenen Erkenntnisse des zweiten Teils der vorliegenden Arbeit versucht, die praktischen Konsequenzen für den politischen (Konservatismus-)Diskurs am Beispiel konkreter gesellschaftlicher Entwicklungen in der Bundesrepublik zu verdeutlichen. Hierbei sollen unter Nutzung empirischer Daten und Beobachtungen aus Vergangenheit und Gegenwart relevante bzw. kritische Tendenzen aufgezeigt werden. Auch wenn diese statistischen Oberflächenbefunde keine eindeutigen und unumstrittenen Kausalitäten offenbaren können, so deuten sie auf gesellschaftliche Entwicklungen hin, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, ohne – ganz im Sinne Burkes – abstrakte Lösungen oder Programme zu propagieren.

Wenn beispielsweise Edmund Burke „zum Kreis der unorthodoxen, liberalen Konservativen [zählt], deren Schicksal es ist, von misstrauischen Reaktionären für verkappte Parteigänger der Revolution, von doktrinären Progressivisten für dem Vergangenen anhangende Traditionalisten gehalten zu werden“22, so macht alleine diese eine Aussage bereits die Komplexität und sogar das mögliche Missverständnis über die Bedeutung und den Inhalt ← 19 | 20 → des Konservatismus-Begriffs deutlich. Die Ursache mag an der Schwierigkeit liegen, Burke selbst in eine bestimmte Schule oder Theorierichtung einordnen zu können.23 Gleichzeitig erscheint es gerade deshalb angebracht, zunächst den Begriff auf seine ursprüngliche(n) Intention(en) zurückzuführen, um ihn in einem zweiten Schritt für die heutigen Debatten fruchtbar zu machen. Folgende erkenntnisleitenden Fragen liegen dieser Arbeit zugrunde, die zugleich die wesentlichen Arbeitshypothesen behandeln sollen und die es in der Folge zu erörtern und zu begründen gilt:

1) Was zeichnet demgemäß den echten, im Wortsinne orthodoxen Konservativen aus? Oder sind gar alle, die versuchen, sich oder andere als konservativ zu bezeichnen, auf der Seite der Irrenden, da sie von einer kategorialen Fehlbildung ausgehen, die sich durch das Werk von Burke nicht begründen lässt?

2) Wurden deshalb meist nur Teile Burkes als „konservativ“ beschrieben, weil die Positionen der Revisionisten, Nationalisten und Traditionalisten in Burke einen namhaften Vertreter gefunden hatten?

3) Ist der Begriff über die Jahrhunderte hinweg ideologisiert worden, ohne die Ideen in ihrer gesamten Bandbreite erfasst zu haben? Ist also ein konservatives Denken, so wie Burke es angeblich vertritt (aber nicht als solches bezeichnet), einer gewissen Beliebigkeit anheimgefallen und so gewissermaßen gekapert worden? Und was bedeutet das dann für den Untersuchungsgegenstand, wenn er mit den Deutungskontexten und Konstrukten der Moderne bzw. der Postmoderne des 21. Jahrhunderts in Relation gesetzt wird?

Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist die Differenz, die sich aus der Wahrnehmung des Konservatismus und Burkes hier bearbeiteten Publikationen ergibt. Es provoziert die Überlegung, dass der Begriff entweder schlichtweg falsch verstanden oder unbewusst bzw. bewusst umgedeutet worden ist, um ihn als Rechtfertigungsgrundlage politischer und sozialer Programmatiken zu nutzen. Eine solche Vorgehensweise bzw. selektive Rezeption in Bezug auf den Begriff und die Inhalte des Konservatismus wäre auch eine mögliche Erklärung für die bis heute andauernde Undeutlichkeit und Unsicherheit bei der Definition des Konservatismus-Begriffs. Denn dieser sieht sich nach ← 20 | 21 → wie vor einer offenkundigen Beliebigkeit ausgesetzt, die durch die postmodernen Grenzziehungen der politischen Lagerbildung eher verstärkt als eingehegt wird.

Von der Anwendung einer bestimmten Methode oder Theorieschule wird – ganz im Sinne Burkes Ablehnung abstrahierender Theorien – bewusst abgesehen und nachfolgenden Untersuchungen überlassen. Die vorliegende Arbeit bedient sich zunächst der Beschreibungen und Berichterstattungen vom Konservatismus oder konservativen Positionen bzw. Personen in den Printmedien, also der aktuellen Etikettierung24 des Konservatismus. Die aktuellen Presseartikel sind überwiegend der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung entnommen und decken den Beobachtungszeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Dezember 2013. Die Wahl des Hauptbezugsmediums fiel aufgrund ihrer flächendeckenden Verbreitung25 und ihrer Funktion als ein Sprachrohr des bürgerlichen und oftmals als „konservativ“ eingeordneten Diskurses in der Tagespresse. Hier wurde zum Zweck der Begriffsklärung die inhaltliche Verwendung der Wörter konservativ und Konservatismus in den Bereichen der politischen Berichterstattung und Kommentierung untersucht. Die wissenschaftlichen Publikationen konzentrieren sich primär auf die meist rezitierten Publikationen zum Konservatismus, wie die von Kaltenbrunner, Kondyles, Lenk, Greiffenhagen, Mannheim und einige der neueren Beiträge und Essays zum Thema.

Die Untersuchung der Texte Burkes orientiert sich an den deutschen Standardübersetzungen. Da die Reden zur Angelegenheit der Amerikanischen Kolonien nur im Original und als Internetdokument vorlagen, werden sie, wie alle im Text zitierten Textstellen hier in einer eigenen deutschen Übersetzung vorgelegt und zusätzlich der englische Originalwortlaut im Fußnotentext belegt. Die vergleichsweise hohe Zahl an Zitaten, die in dieser Arbeit bewusst verwendet wird, vermittelt einen Eindruck von Burkes rhetorischer ← 21 | 22 → Leistung. Gerade die Kunstfertigkeit des Redners ist nach Burkes eigenem Bekunden für die Wirkung des Inhalts ausschlaggebend.

Die Herangehensweise dieser Untersuchung und ihr Rückbezug zu Burke können womöglich, und unabhängig von Zustimmung oder Ablehnung eines solchen konservativen Denkens bzw. Weltbilds, eine neue Auseinandersetzung mit diesem Thema initiieren. Denn eines sei bereits vorweggenommen: Burke hat keine Theorie oder gar Ideologie formuliert, sondern einen Gegenentwurf zu eben diesem rationalisierten Politikverständnis. Trotz der zeitlichen Distanz zur Entstehung Burkes Aussagen sind diese aktueller denn je und ermöglichen einen kritischen Blick auf die heutige politische Diskussionskultur – auch außerhalb Deutschlands.


1 Sinn (2014), Kuhn (2014), Schuppan (2014) Krugman (2009), Wagenknecht (2013), Illing (2013), Kessler (2012), Andersen/Althammer (2010), u.a.

2 Papst Franziskus: Evangelii Gaudium (2013).

3 Papst Franziskus: Laudato Si (2015).

4 Schirrmacher (2013), Miegel (2011), di Fabio (2010), Schirrmacher (2010), di Fabio (2009), Schirrmacher (2009) u.a.

5 Auch wenn die Entwicklung der aktuellen Flüchtlingsströme und die damit einhergehende hochemotionale politische Debatte in dieser Arbeit nicht mehr näher betrachtet werden konnte, so kann diese Thematik mit der hier vorliegenden Untersuchung analog ausgewertet werden.

6 Lenk (1989).

7 Die Breite des heutigen Konservatismusverständnisses wird bei der Publikation von Markus Porsche-Ludwig und Jürgen Bellers besonders sichtbar. Hier werden Zitate und Beiträge zur Frage „Was ist konservativ?“ von einer Vielzahl an Autoren aufgeführt und vermag doch keine übereinstimmende oder abschließende Antwort darauf zu geben. Vgl. Porsche-Ludwig/Bellers (2013).

8 Beyme (2013); Hildmann (2009), Greiffenhagen (1986), Kaltenbrunner (1978), u.a.

9 Elm (2007), Lenk (1989), Grebing (1974) u.a.

10 Alemann (2010), Jesse (2011).

11 Beyme (2013); Mannheim (1984), Greiffenhagen (1986), Schumann (1983).

12 Vgl. hierzu die Zahl der Publikationen absolut und im Vergleich: Tabellen 1–5 im Anhang. Für die Erhebung zugrunde gelegt wurden die Nennung im Titel, die Relevanz für die vorliegende Arbeit und nicht zuletzt auch die Rezeption der entsprechenden Arbeiten in der herangezogenen Fachliteratur. Daher dient diese Übersicht lediglich der Veranschaulichung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

13 Bleek (2001), Bermbach (1978), Blanke (1975).

14 Lenk 1989, S. 271.

Details

Seiten
319
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653063509
ISBN (ePUB)
9783653952834
ISBN (MOBI)
9783653952827
ISBN (Hardcover)
9783631670989
DOI
10.3726/978-3-653-06350-9
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Januar)
Schlagworte
Ideologie Ethik Transzendenz Liberalismus Rationalismus
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 319 S., 8 Tab., 7 Graf.

Biographische Angaben

Christoph Klunker (Autor:in)

Christoph Kai Klunker studierte Betriebswirtschaft an der Hochschule München und Politikwissenschaft an der Hochschule für Politik in München.

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