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Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen

von Stephan Kappes (Autor:in)
Dissertation XXI, 269 Seiten

Zusammenfassung

Zur Sanierung eines Unternehmens werden regelmäßig Maßnahmen ergriffen, im Rahmen derer die Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten. Dem Unternehmen entstehen dadurch Betriebsvermögensmehrungen, die grundsätzlich der Besteuerung unterliegen. Diese ertragsteuerliche Belastung des Unternehmens steht jedoch nicht nur im Zielkonflikt mit dem Insolvenzrecht, sondern verstößt auch gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Autor geht der Frage nach, ob die gegenwärtige Rechtslage geeignet ist, diesen Konflikt zwischen den Gewinnauswirkungen von typischen Sanierungsmaßnahmen einerseits und der Wahrung des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit andererseits sachgerecht zu lösen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • A. Einführung
  • B. Der Konflikt an der Schnittstelle von Insolvenz- und Steuerrecht
  • I. Zielsetzung und Wirkungsrichtung von Sanierungsmaßnahmen
  • II. Steuerliche Aspekte von Sanierungsmaßnahmen
  • 1. Konfliktentstehung – Die steuerliche Belastung und ihre Auswirkung auf den Sanierungserfolg
  • a) Steuerliche Auswirkung des Forderungserlasses
  • b) Konsequenzen für den Sanierungserfolg
  • aa) Auswirkung der Steuerbelastung auf die Überschuldungssituation
  • bb) Auswirkung der Steuerbelastung auf die Liquidität
  • cc) Auswirkung der Steuerbelastung auf das Gläubigerverhalten
  • c) Zielkonflikt mit dem Insolvenzrecht
  • 2. Konfliktursache – Fehlende Ausrichtung der Besteuerung am Leistungsfähigkeitsprinzip
  • 3. Unzureichende Konfliktlösung – Gesetzliche Möglichkeiten zur Abwendung der Steuerbelastung
  • a) Verlustverrechnung
  • b) Materiell-rechtliche Steuerbefreiung und verfahrensrechtlicher Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuer
  • aa) Materiell-rechtliche Steuerbefreiung
  • bb) Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO)
  • III. Erfordernis einer Spezialregelung zur Gewährleistung einer an der Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung von Sanierungsgewinnen
  • 1. Europarechtliche Vorgaben
  • 2. Gegenwärtige Spezialregelung – „Sanierungserlass“
  • C. Konkretisierung der Ausgangsfrage, Arbeitsfragen und Aufbau der Arbeit
  • D. Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen
  • I. Besteuerung von Sanierungsgewinnen – Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
  • 1. Leistungsfähigkeitsprinzip und Buchgewinne im Allgemeinen
  • a) Gesetzessystematischer Ansatz – Bilanzgewinn als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung von Gewerbetreibenden
  • b) Vermögenszuflussorientierter Ansatz – Modifizierter Bilanzgewinn als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung von Gewerbetreibenden
  • c) Stellungnahme
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Sanierungsgewinne im Besonderen
  • 3. Ergebnis
  • II. Rechtsentwicklung zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen
  • 1. Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes
  • 2. § 11 Nr. 4 KStG 1934
  • 3. Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes
  • 4. Verrechnung von Sanierungsgewinnen mit laufenden Verlusten oder Verlustvorträgen
  • 5. § 3 Nr. 66 EStG aF
  • a) Voraussetzungen der Steuerbefreiung
  • aa) Erlass von Schulden
  • bb) Schulderlass zum Zweck der Sanierung
  • (1) Sanierungsbegriff
  • (2) Sanierungsbedürftigkeit, Sanierungseignung und Sanierungsabsicht
  • b) Verhältnis des § 3 Nr. 66 EStG aF zu den Vorschriften über die Berücksichtigung von Verlusten
  • c) Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG aF
  • aa) Begründung der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG aF
  • bb) Kritik der Fachliteratur
  • III. „Sanierungserlass“
  • 1. Kriterien für den Erlass der Steuer nach dem Sanierungserlass
  • a) Unternehmensbezogene Sanierung
  • aa) Begriff der Sanierung
  • bb) Grundsätzlicher Anwendungsbereich
  • cc) Anwendungsbereich bei Nichtfortführung des Unternehmens
  • (1) Erlass der Schulden aus betrieblichen Gründen
  • (2) Sonderfall der übertragenden Sanierung
  • b) Sanierungsgewinn
  • c) Begünstigter Sanierungsgewinn
  • aa) Fortführende Sanierung
  • (1) Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens
  • (2) Sanierungsfähigkeit des Unternehmens
  • (3) Sanierungseignung des Schulderlasses
  • (4) Sanierungsabsicht der Gläubiger
  • bb) Nichtfortführung des Unternehmens
  • (1) Liquidationsnotwendigkeit
  • (2) Liquidationsabsicht
  • (3) „Realisationseignung“ hinsichtlich betrieblicher Gründe
  • cc) Sanierungsplan
  • d) Totale Verlustverrechnung
  • 2. Rechtsfolge
  • IV. Kritikpunkte in direktem Zusammenhang mit dem Sanierungserlass
  • 1. Rechtsgrundlage – Verstoß des Sanierungserlasses gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
  • a) Besteuerung des Sanierungsgewinns bedeutet keine erhebliche Härte aus sachlichen Billigkeitsgründen
  • b) Besteuerung eines die Verluste übersteigenden Sanierungsgewinns bedeutet eine erhebliche Härte aus sachlichen Billigkeitsgründen
  • aa) Intention des Gesetzgebers zur Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG aF
  • bb) Kriterien zur Systemkonformität von Billigkeitsmaßnahmen
  • cc) Möglichkeit des Erlasses der Steuer auf Sanierungsgewinne durch den Sanierungserlass systemkonform geregelt
  • c) Ergebnis
  • 2. Totale Verlustverrechnung
  • a) Nichtbeachtung der gesetzlichen Verlustverrechnungsbeschränkungen contra legem
  • b) Ausweitung der vorrangigen Verlustverrechnung auf Verluste aus anderen Einkunftsquellen des Unternehmers
  • aa) Vorrangige Verrechnung von Verlusten aus demselben Unternehmen
  • bb) Vorrangige Verrechnung von Verlusten aus anderen Einkunftsquellen des Unternehmensträgers
  • (1) Inkonsequente Umsetzung des unternehmensbezogenen Ansatzes
  • (2) Ungleiche steuerliche Belastung bei der Anwendung des Sanierungserlasses auf von Einzelunternehmern geführte Unternehmen
  • cc) Ergebnis
  • 3. Unternehmerbezogene Sanierung
  • a) § 3 Nr. 66 EStG aF
  • b) Sanierungserlass
  • c) Finanzgerichtliche Rechtsprechung und Fachliteratur
  • d) Revisionsentscheidung des BFH
  • e) Keine Begünstigung unternehmerbezogener Sanierungen
  • f) Fehlende Ausrichtung der Besteuerung am Leistungsfähigkeitsprinzip
  • 4. Gewerbesteuer
  • a) Billigkeitsmaßnahmen in den jeweiligen Verfahrensabschnitten
  • b) Kompetenz für die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen
  • aa) Gewährung von Billigkeit durch die Finanzämter bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages
  • bb) Gewährung von Billigkeit durch die Finanzämter nach § 163 Satz 2 AO
  • cc) Gewährung von Billigkeit durch die Gemeinden bei der Festsetzung der Gewerbesteuer nach § 163 AO
  • dd) Gewährung von Billigkeit durch die Gemeinden bei der Erhebung der Gewerbesteuer nach §§ 222, 227 AO
  • ee) Ergebnis
  • c) Folgen für die Sanierungspraxis
  • aa) Verkomplizierung des Sanierungsprozesses
  • bb) Blockade des Sanierungsprozesses
  • d) Ergebnis
  • e) Fehlende Ausrichtung der Besteuerung am Leistungsfähigkeitsprinzip
  • 5. Pflicht zur Passivierung der Steuerschuld in der Handelsbilanz und im Überschuldungsstatus i.S.d. § 19 InsO
  • a) Handelsbilanzielle Auswirkungen
  • b) Berücksichtigung der Steuerverbindlichkeit im Überschuldungsstatus i.S.d. § 19 InsO
  • c) Auswirkung auf die Erfolgsaussichten der Sanierung
  • 6. Vereinbarkeit des Sanierungserlasses mit EU-Beihilferecht
  • a) Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV
  • aa) Vorteil
  • bb) Aus staatlichen Mitteln gewährter Vorteil
  • cc) Selektivität der Maßnahme
  • (1) Referenzsystem
  • (2) Selektive Ausnahme vom Referenzsystem
  • (3) Rechtfertigung der Ausnahme „durch die Natur oder den inneren Aufbau“ des Steuersystems
  • dd) Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Binnenhandels
  • b) Ergebnis
  • E. Typische Sanierungssachverhalte und ihre steuerlichen Folgen
  • I. Forderungserlass
  • 1. Forderungserlass eines Drittgläubigers
  • a) Zivilrechtliche Einordnung
  • b) Steuerliche Auswirkungen
  • c) Steuerliche Begünstigung nach dem Sanierungserlass
  • 2. Forderungserlass eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft
  • a) Steuerliche Auswirkungen
  • aa) Betriebliche oder gesellschaftsrechtliche Veranlassung des Forderungserlasses
  • bb) Betrieblich veranlasster Forderungserlass
  • cc) Gesellschaftsrechtlich veranlasster Forderungserlass
  • (1) Ausgleich der Betriebsvermögensmehrung durch den Abzug einer verdeckten Einlage für steuerliche Zwecke
  • (2) Grundsatzentscheidung des Großen Senats des BFH
  • (3) Kritik der Fachliteratur
  • (4) Stellungnahme
  • (5) Zwischenergebnis
  • (6) Werthaltigkeit der Forderung
  • b) Steuerliche Begünstigung nach dem Sanierungserlass
  • aa) Forderungserlass des Gesellschafters unter Beteiligung von Fremdgläubigern
  • bb) Forderungserlass des Gesellschafters ohne Beteiligung von Fremdgläubigern
  • (1) Alleiniger Erlass eines Gläubigers impliziert lediglich genaue Prüfung der Sanierungsabsicht im Einzelfall
  • (2) Alleiniger Erlass eines Gesellschafters ist nicht zwingend gesellschaftsrechtlich veranlasst
  • (3) Erlass des nicht werthaltigen Teils der Forderung ist ohnehin nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst
  • (4) Auffassung des Gesetzgebers
  • (5) Ergebnis
  • c) Fehlende Ausrichtung der Besteuerung am Leistungsfähigkeitsprinzip
  • 3. Forderungserlass eines Gesellschafters einer Personengesellschaft
  • a) Steuerliche Auswirkungen
  • aa) Bilanzielle Einordnung von Gesellschafterforderungen und die Negierung der vorzeitigen Verlustrealisierung bei Wertminderungen
  • bb) Betriebliche oder gesellschaftsrechtliche Veranlassung des Forderungserlasses
  • cc) Gesellschaftsrechtlich veranlasster Erlass
  • dd) Forderungserlass aus eigenbetrieblichem Interesse
  • b) Steuerliche Begünstigung nach dem Sanierungserlass
  • II. Forderungserlass gegen Besserungsschein
  • 1. Zivilrechtliche Einordnung
  • 2. Steuerliche Auswirkungen
  • a) Erlass der Forderung
  • b) Eintritt des Besserungsfalls
  • 3. Steuerliche Begünstigung nach dem Sanierungserlass
  • 4. Konservierung des Verlustverrechnungspotentials bei späterem Gesellschafterwechsel
  • a) § 8c Abs. 1 KStG
  • b) Sanierungsklausel, § 8c Abs. 1a KStG
  • c) Nichtanwendung und Aufhebung der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG
  • d) Gestaltungsvariante
  • e) Auffassung der Finanzverwaltung
  • f) Stellungnahme
  • g) Übertragbarkeit der Verwaltungsauffassung zu § 8 Abs. 4 KStG aF auf § 8c KStG
  • h) Anwendung des § 8c KStG auf Forderungserlasse gegen Besserungsschein
  • i) Konservierung des Verlustverrechnungspotentials über einen Forderungserlass gegen Besserungsschein als missbräuchliche Gestaltung i.S.d. § 42 AO?
  • aa) Missbräuchliche Gestaltung nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO
  • bb) Ausschöpfen von Verlustvorträgen grundsätzlich nicht missbräuchlich
  • cc) Forderungserlass gegen Besserungsschein grundsätzlich nicht missbräuchlich
  • dd) Besonderheit des Zusammenwirkens von Erlass gegen Besserungsschein und Anteilsübertragung in der Gestaltungsvariante
  • (1) Gestaltung regelmäßig nicht missbräuchlich
  • (2) Abweichende Einzelfälle
  • (3) Möglichkeiten zur Entkräftung des Missbrauchsvorwurfs
  • (4) Zweifelsfragen
  • j) Ergebnis
  • III. Rückkauf der Forderung unter Nominalwert (Debt-Buy-Back)
  • 1. Rückkauf der Forderung durch den Schuldner selbst
  • a) Zivilrechtliche Einordnung
  • b) Steuerliche Auswirkungen
  • c) Steuerliche Begünstigung nach dem Sanierungserlass
  • 2. Rückkauf der Forderung durch eine dem Schuldner nahestehende Person
  • a) Zivil- und insolvenzrechtliche Einordnung
  • b) Steuerliche Auswirkungen
  • aa) Keine Betriebsvermögensmehrung durch Erwerb unter Nominalwert
  • bb) Keine verdeckte Gewinnausschüttung
  • (1) Verdeckte Gewinnausschüttung nach der Geschäftschancenlehre
  • (2) Ansicht des FG München
  • (3) Gegenauffassung des BFH
  • (4) Verkaufsbereitschaft des Gläubigers keine Geschäftschance der Schuldnergesellschaft
  • (5) Ergebnis
  • cc) Kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO
  • dd) Betriebsvermögensmehrung durch Erlass der Verbindlichkeit durch Gesellschafter
  • c) Steuerliche Begünstigung nach dem Sanierungserlass
  • IV. Schuldübernahme unter Verzicht auf Regressansprüche (Debt-Push-Up)
  • 1. Zivilrechtliche Einordnung
  • a) Übernahmevertrag zwischen Gesellschafter und Gläubiger
  • b) Übernahmevertrag zwischen Gesellschafter und Gesellschaft
  • c) Rechtsfolge: Entlastung der Gesellschaft
  • 2. Steuerliche Auswirkungen
  • a) Schuldübernahme nach § 415 BGB
  • aa) Abschluss des Übernahmevertrages
  • (1) Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter
  • (2) Höhe der verdeckten Einlage
  • (3) Entfallen der Passivierung einer Regressverbindlichkeit
  • (4) Ergebnis
  • bb) Tilgung der Verbindlichkeit durch den Gesellschafter vor Genehmigung der Schuldübernahme durch den Gläubiger
  • cc) Erlass der Verbindlichkeit durch den Gläubiger vor Erteilung der Genehmigung
  • dd) Genehmigung der befreienden Schuldübernahme durch den Gläubiger
  • ee) Ergebnis
  • b) Schuldübernahme nach § 414 BGB
  • c) Kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO
  • aa) „Umgehung“ der Einlagegrundsätze des Großen Senats des BFH
  • bb) Keine unangemessene Gestaltung
  • cc) Kein Gestaltungsmissbrauch bei Schuldübernahme zur Nutzung von Verlustvorträgen
  • 3. Ergebnis
  • V. Debt-Equity-Swap
  • 1. Zivilrechtliche Einordnung
  • a) Kapitalschnitt
  • b) Kapitalerhöhung durch Sacheinlage
  • 2. Insolvenzrechtliche Einordnung
  • 3. Steuerliche Auswirkungen
  • a) Gewinnauswirkung der Kapitalerhöhung
  • b) Nichtabziehbarkeit bestehender Verlustvorträge
  • 4. Steuerliche Begünstigung nach dem Sanierungserlass
  • VI. Rangrücktritt
  • 1. Zivil- und insolvenzrechtliche Einordnung
  • a) Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG
  • b) Rechtslage nach Inkrafttreten des MoMiG
  • 2. Steuerliche Auswirkungen
  • a) Rangrücktrittsvereinbarungen nach Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG
  • aa) Ausdrücklich vereinbarte Besserungsabreden
  • bb) Konkludent geschlossene Besserungsabreden
  • b) Rangrücktrittsvereinbarungen nach § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO
  • c) Ergebnis
  • F. Ergebnisse
  • I. Mangelnde Planungssicherheit
  • 1. Rechtmäßigkeit des Sanierungserlasses
  • 2. Unsicherheit bei den Kriterien des Sanierungserlasses
  • II. Gewerbesteuer
  • III. Anordnung der vorrangigen und totalen Verlustverrechnung
  • 1. Nichtbeachtung der gesetzlichen Verlustverrechnungsbeschränkungen
  • 2. Ausweitung der vorrangigen Verlustverrechnung
  • IV. Steuerliche Begünstigung von Forderungserlassen durch Gesellschafter
  • V. Unternehmerbezogene Sanierung
  • VI. Pflicht zur Passivierung der Steuerschuld in der Handels- und Überschuldungsbilanz
  • VII. EU-Beihilferecht
  • G. Schlussfolgerungen zur Arbeits- sowie zur Ausgangsfrage
  • H. Grundsätze für eine Neuregelung
  • I. Gesetzliche Kodifizierung
  • II. Materiell-rechtliche Steuerbefreiung oder „Rücklagensystem“
  • III. Abkehr von subjektiven Tatbestandsmerkmalen
  • 1. Beihilferechtliche Aspekte
  • 2. Keine Ausweitung des Anwendungsbereiches der Regelung
  • a) Sanierungsabsicht
  • b) Sanierungsfähigkeit
  • IV. Keine vorrangige Verlustverrechnung
  • 1. Gefahr einer steuerlichen Doppelbegünstigung besteht nur noch bedingt
  • 2. Erhalt der Verluste trägt zur Nachhaltigkeit der Sanierung bei
  • 3. Korrekte Totalbesteuerung ohne vorrangige Verlustverrechnung
  • V. Anwendung auf unternehmerbezogene Sanierungen
  • J. Neuregelung der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen
  • I. Hintergrund
  • 1. Spannungsverhältnis zwischen bilanzieller Betriebsvermögensmehrung und fehlender positiver wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
  • 2. Steuerliches Übermaßverbot
  • a) Existenzgefährdende Wirkung der Sanierungsgewinnbesteuerung durch die Bindung existenzieller Finanzmittel
  • b) Vermeidung einer Übermaßbelastung
  • II. Konzept – Steigende steuerliche Begünstigung bei abnehmender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
  • III. Neuregelung – Verknüpfung der steuerlichen Begünstigung mit der Werthaltigkeit der untergehenden Forderung
  • 1. Wortlaut der Neuregelung
  • 2. Allgemeine Erläuterungen
  • 3. Werthaltigkeit der Forderung – ein objektiv bestimmbares Merkmal
  • a) Vermeidung von Missbrauchspotential
  • b) Erwägungen der Steuergerechtigkeit
  • c) Bestimmung der Werthaltigkeit
  • 4. Anwendungsbeispiele
  • a) Beispiel 1: Forderungserlass durch einen Drittgläubiger
  • b) Beispiel 2: Forderungserlass durch einen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft
  • aa) Betrieblich veranlasster Forderungserlass
  • bb) Gesellschaftsrechtlich veranlasster Forderungserlass
  • 5. Tatbestandsmerkmale
  • a) Sanierungsbegriff
  • b) Sanierungsgewinn
  • c) Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens und Sanierungseignung des Schulderlasses
  • IV. Beihilferechtliche Würdigung der Neuregelung
  • 1. Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV
  • a) Vorteil
  • b) Aus staatlichen Mitteln gewährter Vorteil
  • c) Selektivität der Maßnahme
  • aa) Referenzsystem
  • bb) Selektive Ausnahme vom Referenzsystem
  • (1) Ausschließliche Begünstigung sanierungsbedürftiger Unternehmen
  • (2) Keine Entscheidungsspielräume der Finanzverwaltung
  • cc) Zwischenergebnis
  • dd) Rechtfertigung der Ausnahme „durch die Natur oder den inneren Aufbau“ des Steuersystems
  • ee) Ergebnis
  • 2. Ergebnis
  • K. Schlussbetrachtung
  • Literaturverzeichnis

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A.  Einführung

Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat eine Vielzahl deutscher Unternehmen schwer getroffen. Nicht zuletzt deshalb hat sie veranschaulicht, welche enorme Bedeutung zielgerichtete Sanierungsmaßnahmen für den Erhalt defizitärer Unternehmen haben. Das Stadium der finanziellen Krise stellt sich für betroffene Unternehmen schließlich keineswegs als eine Einbahnstraße auf dem Weg zur letztendlichen Abwicklung dar. Insbesondere für die Unternehmen, die vornehmlich auf Grund der bestehenden Unternehmensstrukturen in die Krise geraten sind, bietet die frühzeitige Ergreifung umfassender Sanierungsmaßnahmen erhebliche Chancen, das Unternehmen und die mit ihm verbundenen Arbeitsplätze zu erhalten.

Auch der Gesetzgeber ist daher seit einigen Jahren bestrebt, die Sanierung erhaltenswerter Unternehmen durch zunehmend auf diese zugeschnittene (insolvenz)rechtliche Rahmenbedingungen zu fördern. Doch obwohl das zu diesem Zweck vorgesehene Insolvenzplanverfahren bereits mit Einführung der Insolvenzordnung 1999 implementiert wurde, spielt es bis heute in der Praxis nur eine schwindend geringe Rolle.1 Tatsächlich wird in lediglich zwei Prozent aller Insolvenzverfahren eine Sanierung im ordentlichen Insolvenzplanverfahren bestritten.2

Diese Erkenntnis nahm der Gesetzgeber zum Anlass, im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)3, insbesondere das Insolvenzplanverfahren weiter auszubauen, um die Möglichkeiten der Unternehmenssanierung im Wege des Insolvenzplanverfahrens zu verbessern und bestehende Sanierungshindernisse zu reduzieren.4 Gleichwohl wurde bisher versäumt, diese Bestrebungen mit entsprechenden steuerlichen Begleitmaßnahmen zu stützen, was vor allem deshalb überrascht, da sich gerade das deutsche Ertragsteuerrecht gegenwärtig als hochgradig krisenverschärfend darstellt5 und wirtschaftlich sinnvollen Sanierungsvorhaben häufig nur schwer zu überwindende Hürden in den Weg stellt. Besonders deutlich wird diese sanierungshemmende Wirkung an einer zwischen Insolvenz- und Steuerrecht äußerst konfliktträchtigen Schnittstelle – der Frage nach der ertragsteuerlichen Behandlung von bei der Sanierung entstehenden ← 1 | 2 → Buchgewinnen. Gerade in diesem Punkt fehlt es an einer gesetzlich verankerten Abstimmung der beiden Rechtsgebiete, mit der Folge, dass die geltende steuerliche Gesetzeslage der erfolgreichen Durchführung einer Sanierung diametral entgegensteht. Diese Divergenz zwischen dem geltenden Steuerrecht einerseits und den mit der Insolvenzordnung verfolgten Zielen andererseits gibt Anlass zu der Frage, ob zum Abbau bestehender Sanierungshindernisse, über die mit dem ESUG vorgenommenen Änderungen hinaus, ein weitergehender (steuer)gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Ausgehend vom geltenden Recht und im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, die Attraktivität des Sanierungsstandortes Deutschland zu steigern, intendiert die vorliegende Arbeit diese Fragestellung inhaltlich zu konkretisieren und einen Beitrag zu ihrer Beantwortung zu leisten.


1 Herzig/Liekenbrock, Ubg 2011, 313, 314 Fn. 4; Meyer/Degener, BB 2011, 846, 847; Willemsen/Rechel, BB 2010, 2059; siehe auch Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drucks. 17/5712, S. 1.

2 Willemsen/Rechel, BB 2010, 2059 m.w.N.

3 BGBl. I 2011, 2582 ff.

4 Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drucks. 17/5712, S. 2.

5 Dazu haben insbesondere im letzten Jahrzehnt eingeführte Steuerinstrumente wie die Zinsschranke (§ 4h EStG), die Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG) und die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG maßgeblich beigetragen.

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B.  Der Konflikt an der Schnittstelle von Insolvenz- und Steuerrecht

Der angedeutete Konflikt an der Schnittstelle von Insolvenz- und Steuerrecht ist maßgeblich durch das Spannungsverhältnis dreier Aspekte geprägt, namentlich (i) der Zielsetzung und Wirkungsrichtung von Sanierungsmaßnahmen, (ii) der steuerlichen Auswirkungen von Sanierungsmaßnahmen sowie (iii) der für seine Lösung relevanten europarechtlichen Rahmenbedingungen.

I.  Zielsetzung und Wirkungsrichtung von Sanierungsmaßnahmen

Zur Gesundung eines Unternehmens, dessen Produkte und Leistung grundsätzlich Marktchancen eröffnen, sind vor allem finanzwirtschaftliche Instrumente von Bedeutung, die auf die finanzielle Wiedergesundung des Unternehmens gerichtet sind.6 Unter dem Begriff der Unternehmenssanierung werden daher primär zielorientierte finanzwirtschaftliche Maßnahmen verstanden, die darauf gerichtet und dafür „geeignet sind, ein Unternehmen vor dem“ finanziellen „Zusammenbruch zu bewahren“, es „wieder ertragsfähig zu machen“ und dadurch langfristig als wirtschaftliche Einheit zu erhalten.7 Sanierungsvorhaben sehen deshalb regelmäßig eine grundlegende Restrukturierung der Passivseite der Bilanz des Unternehmens vor, um drohende oder bereits bestehende Insolvenzeröffnungsgründe nachhaltig abzuwenden.8 Insoweit ist zur Vermeidung bzw. Beseitigung einer Überschuldung (§ 19 InsO) des Unternehmens eine Verbesserung der Eigenkapitalquote erforderlich, die insbesondere durch den Abbau von Verbindlichkeiten erzielt werden kann.9 Damit einhergehend verbessert sich das Kreditrating des Unternehmens und die Fremdfinanzierungsaufwendungen werden gesenkt, was ebenso wie das Freiwerden von ← 3 | 4 → Aktiva zur Stabilisierung der Liquiditätssituation des Unternehmens und damit zur Abwendung einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 18 InsO) beiträgt.10 Mit Ausnahme der Sanierungsinstrumente, die lediglich eine Veränderung der Rückzahlungsmodalitäten der Schuld zum Ziel haben – wie die Aussetzung der Tilgung oder der Rangrücktritt – wirken auf die Restrukturierung der Passivseite ausgerichtete Sanierungsmaßnahmen somit vornehmlich auf den Abbau von Verbindlichkeiten hin. Diese Sanierungsinstrumente sind folglich, unabhängig von ihrer konkreten rechtlichen Ausgestaltung, im Kern auf das zivilrechtliche Erlöschen der Schuld des in der Krise befindlichen Unternehmens gerichtet.

II.  Steuerliche Aspekte von Sanierungsmaßnahmen

Diese Wirkungsrichtung typischer Sanierungsmaßnahmen impliziert jedoch ein beachtliches steuerliches Risiko, das nachfolgend anhand eines typischen Beispiels aus der Sanierungspraxis veranschaulicht werden soll. Das Beispiel zeigt an der Fallkonstellation eines Forderungserlasses durch einen Drittgläubiger die steuerliche Belastung auf der Seite des Unternehmens sowie ihre Auswirkung auf den Sanierungserfolg. Anschließend werden die aktuell gesetzlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erörtert, um die Steuerbelastung abzuwenden.

1.  Konfliktentstehung – Die steuerliche Belastung und ihre Auswirkung auf den Sanierungserfolg

Die Konfliktsituation entsteht dadurch, dass mit einer entschuldenden Sanierungsmaßnahme regelmäßig eine steuerliche Belastung einhergeht, die sich negativ auf den mit der Maßnahme beabsichtigten Sanierungserfolg auswirkt.

a)  Steuerliche Auswirkung des Forderungserlasses

Auf Grund des Forderungserlasses erlischt die Verbindlichkeit des Schuldnerunternehmens gegenüber dem Drittgläubiger nach § 397 Abs. 1 BGB und ist in Folge dessen aus der Handels- sowie der Steuerbilanz auszubuchen.11 Durch den ersatzlosen Wegfall der zuvor ausgewiesenen Verbindlichkeit führt der Forderungserlass beim Schuldnerunternehmen in voller Höhe des Erlasses zu einer ← 4 | 5 → Betriebsvermögensmehrung.12 Bei einem vollständigen Forderungserlass generiert das Schuldnerunternehmen daher eine Betriebsvermögensmehrung in Höhe des Nennwerts der Verbindlichkeit, bei einem teilweisen Forderungserlass in Höhe des erlassenen Teilbetrags.13 Dabei entsteht die aus dem Forderungserlass resultierende Betriebsvermögensmehrung, ohne dass dem Unternehmen Liquidität oder Mittel zugeführt wurden.14 Sie ist nicht durch ein Handeln des Unternehmers am Markt erwirtschaftet worden, sondern lediglich bilanziell entstanden (sog. Buchgewinn).15 Ungeachtet dessen ist sie steuerlich wie jede andere betrieblich bedingte Betriebsvermögensmehrung zu behandeln. Sie führt grundsätzlich in voller Höhe zu einem Gewinn i.S.d. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG und damit zu steuerbaren Einkünften nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 EStG. Da es gegenwärtig an einer gesetzlichen Steuerbefreiung für aus Sanierungsmaßnahmen resultierende Gewinne fehlt, ist dieser sog. „Sanierungsgewinn“ auch einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtig. Darüber hinaus führt ein Sanierungsgewinn nach § 7 Satz 1 GewStG zu einem Gewerbeertrag. Im Ergebnis unterliegen Sanierungsgewinne daher nach der gegenwärtigen Gesetzeslage grundsätzlich voll der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer.16 ← 5 | 6 →

b)  Konsequenzen für den Sanierungserfolg

Ein Vergleich der steuerlichen Auswirkungen des Forderungserlasses mit den Intentionen, die mit ihm verfolgt werden, verdeutlicht, dass die steuerlichen Konsequenzen den mit der Sanierung verfolgten Zielen geradezu antagonistisch gegenüberstehen. Vornehmliches Ziel eines vom Gläubiger erklärten Forderungserlasses ist es, durch diesen zur Entschuldung des Unternehmens beizutragen und dessen wirtschaftliche Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, damit der endgültige finanzielle Zusammenbruch vermieden werden kann.17 Die grundsätzliche Steuerpflicht des aus der Sanierungsmaßnahme resultierenden Gewinns bewirkt jedoch das genaue Gegenteil. Zwar entfällt in Folge des Forderungserlasses die Verbindlichkeit des Unternehmens gegenüber dem Gläubiger, gleichzeitig entsteht jedoch durch die Steuerpflicht des daraus resultierenden Gewinns eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Fiskus,18 welche nicht selten von erheblichem Ausmaß sein wird.19 Im Ergebnis kommt es somit gerade nicht zu der beabsichtigten umfassenden Entschuldung des Unternehmens, sondern nur zu einer teilweisen Entschuldung, gepaart mit einer partiellen Umschuldung von den Gläubigern auf den Fiskus.20

aa)  Auswirkung der Steuerbelastung auf die Überschuldungssituation

Diese partielle Umschuldung wird häufig dazu führen, dass sich die Überschuldung des Unternehmens – wenn auch vermindert – fortsetzt.21 Der Effekt wird noch zusätzlich verschärft, wenn das Unternehmen nicht nur überschuldet, sondern auch zahlungsunfähig oder von der Zahlungsunfähigkeit bedroht ist. In diesen Fällen wird das Unternehmen ggf. sogar neues Fremdkapital aufnehmen müssen, um die Steuerverbindlichkeit begleichen zu können. Dies erhöht nicht nur die Gefahr einer erneuten Überschuldung,22 die Aufnahme weiterer Darlehen wird – sofern überhaupt möglich – auch nur zu sehr ungünstigen Konditionen realisierbar sein. ← 6 | 7 →

bb)  Auswirkung der Steuerbelastung auf die Liquidität

Außerdem ist mit der Besteuerung des aus der Sanierungsmaßnahme entstehenden Gewinns ein zusätzlicher Liquiditätsabfluss verbunden.23 Durch die Zahlung an den Fiskus fließt Liquidität aus dem Unternehmen ab, obwohl ihm im Zusammenhang mit dem Forderungserlass keine liquiden Mittel zugeführt worden sind.24 Das Unternehmen verliert insofern eher an Liquidität und damit zusammenhängend an wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit, als dass diese wiederhergestellt wird. Der entstehende Liquiditätsverlust kann besonders für ein von der Zahlungsunfähigkeit bedrohtes oder bereits zahlungsunfähiges Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen, da er die Zahlungsunfähigkeit weiter vorantreibt. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch die besonders krisenverschärfende Wirkung der Zinsschrankenregelung (§ 4h EStG). Sofern das Unternehmen zur Begleichung der Steuerverbindlichkeit tatsächlich neue Darlehen aufnehmen muss, werden die dabei entstehenden Finanzierungskosten in Folge der Zinsschrankenregelung häufig nur bedingt abzugsfähig sein, da diese an das in der Krise regelmäßig eher schwache EBITDA des Unternehmens geknüpft ist.25 Dabei ist gleichwohl zu beachten, dass die Zinsschrankenregelung für (kleinere) Unternehmen, bei denen der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als drei Millionen Euro beträgt, nicht relevant wird, § 4h Abs. 2 Satz 1 lit. a) EStG.

cc)  Auswirkung der Steuerbelastung auf das Gläubigerverhalten

Die vorstehend dargestellten Auswirkungen der Sanierungsgewinnbesteuerung auf die Erfolgsaussichten der Sanierung beeinflussen schließlich auch das Gläubigerverhalten. Die Gläubiger leisten ihren Sanierungsbeitrag mit der Intention, dass durch ihren Beitrag eine dauerhafte finanzielle Gesundung des Unternehmens erreicht wird.26 Indem die Besteuerung des Sanierungsgewinns den mit der Sanierungsmaßnahme verbundenen Entlastungseffekt (zumindest teilweise) zu Gunsten des Fiskus seiner Wirkung beraubt, wird das von den Gläubigern beabsichtigte Sanierungsziel jedoch unter Umständen nicht erreicht werden. In jedem Fall hat die Besteuerung des Sanierungsgewinns für die Gläubiger den Nachteil, dass sie, die die Sanierung durch ihre Forderungsverzichte erst möglich gemacht haben, nun die Früchte der Sanierung mit dem Fiskus teilen müssen.27 Es ist daher mehr als fraglich, ob die betroffenen Gläubiger überhaupt auf ihre Forderungen gegen das ← 7 | 8 → Unternehmen verzichten werden.28 Nicht selten ist es der Fall, dass Gläubiger auf Grund dieser Gefahren von vorneherein von grundsätzlich wirtschaftlich sinnvollen Sanierungsmaßnahmen Abstand nehmen.29 Die Besteuerung des Sanierungsgewinns kann dann ausschlaggebend dafür sein, dass die Sanierungsbemühungen schon im Planungsstadium scheitern.30

c)  Zielkonflikt mit dem Insolvenzrecht

Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen steht den mit der Sanierung verfolgten Intentionen somit diametral entgegen und folglich im direkten Zielkonflikt mit dem Insolvenzrecht,31 dessen Ziel es gerade ist, wirtschaftlich sinnvolle Sanierungen zu fördern.

2.  Konfliktursache – Fehlende Ausrichtung der Besteuerung am Leistungsfähigkeitsprinzip

Aus steuerrechtlicher Sicht liegt es nahe, die Ursache des Zielkonfliktes darin zu sehen, dass es in Bezug auf Sanierungsgewinne an einer am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten Besteuerung fehlt. Anlass zu dieser Annahme geben vor allem zwei Aspekte. Zum einen ist fraglich, ob rein bilanziell entstehende Betriebsvermögensmehrungen im Grundsatz überhaupt geeignet sind, die objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Gewerbetreibenden positiv zu berühren. Sollte dies der Fall sein, ist zum anderen zweifelhaft, ob diese Betriebsvermögensmehrungen auch dann, wenn sie durch ein sanierungsbedürftiges Unternehmen erzielt werden, Anknüpfungspunkt für eine am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte Ertragsbesteuerung sein können. Wie noch zu zeigen sein wird, ist jedenfalls Letzteres zu verneinen, da Sanierungsgewinne kein Indikator einer positiven ← 8 | 9 → objektiven wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind. Ihre ertragsteuerliche Belastung verstößt daher gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.32

3.  Unzureichende Konfliktlösung – Gesetzliche Möglichkeiten zur Abwendung der Steuerbelastung

Es schließt sich die Frage an, ob nach der gegenwärtigen Gesetzeslage Möglichkeiten bestehen, die tatsächliche Steuerbelastung eines Sanierungsgewinns hinreichend sicher abzuwenden, damit eine am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtete Besteuerung letztlich dennoch gewährleistet und der Zielkonflikt zwischen Insolvenz- und Steuerrecht vermieden werden kann.

a)  Verlustverrechnung

Diesbezüglich ist zunächst an den Ausgleich des entstandenen Sanierungsgewinns mit laufenden Verlusten bzw. die Verrechnung mit Verlustvorträgen zu denken. Insoweit kann in der soeben geschilderten Fallkonstellation eines Forderungserlasses eine tatsächliche Steuerbelastung vermieden werden, wenn dem Sanierungsgewinn laufende Verluste bzw. Verlustvorträge in entsprechender Höhe gegenüberstehen. Dies impliziert jedoch, dass das Unternehmen auch über ein entsprechend hohes Verlustverrechnungspotential verfügt. Tatsächlich ist es hingegen nicht jedem sanierungsbedürftigen Unternehmen immanent, über ausreichend hohe Verlustvorträge bzw. ausgleichsfähige laufende Verluste zu verfügen, um den aus dem Forderungsverzicht resultierenden Sanierungsgewinn zu neutralisieren.33 Grund dafür kann unter anderem der vorherige (teilweise) Untergang bestehender Verlustvorträge auf Grund eines schädlichen Beteiligungserwerbes nach § 8c KStG sein.34 Ferner kann eine Sanierung auch dann geboten sein, wenn noch gar keine Verluste aufgetreten sind, sondern das Unternehmen „lediglich“ zahlungsunfähig ist.35 Doch selbst wenn ein Verlustausgleichsvolumen in grundsätzlich ausreichender Höhe vorhanden sein sollte, bleibt letztlich fraglich, ob dieses auch tatsächlich vollumfänglich zur Verrechnung des Sanierungsgewinns genutzt werden kann. Insoweit ← 9 | 10 → ist bei der Verrechnung des Gewinns mit Verlustvorträgen die Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG zu beachten. Gemäß § 10d Abs. 2 EStG ist die Verrechnung nur für Gewinne bis zu einer Höhe von 1 Mio. Euro unbeschränkt möglich. Darüber hinaus sind nur bis zu 60 % der 1 Mio. Euro übersteigenden Gewinne zur Verrechnung mit Verlustvorträgen zugänglich. Das bedeutet, selbst wenn Verlustvorträge in ausreichender Höhe vorhanden sind, bleiben 40 % eines 1 Mio. Euro übersteigenden Sanierungsgewinns dennoch steuerpflichtig. Die Möglichkeit, den aus der Sanierungsmaßnahme resultierenden Gewinn mit bestehendem Verlustverrechnungspotential auszugleichen, vermag demnach im Einzelfall die Steuerbelastung abzumildern oder sogar völlig abzuwenden. Gleichwohl ist diese Option im Grundsatz kein probates Mittel zur hinreichend sicheren Abwendung der Steuerbelastung.

b)  Materiell-rechtliche Steuerbefreiung und verfahrensrechtlicher Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuer

In Betracht kommt sodann eine materiell-rechtliche Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns oder ein verfahrensrechtlicher Erlass der auf diesen entfallenden Steuer.

aa)  Materiell-rechtliche Steuerbefreiung

Bis 1997 kannte das deutsche Steuerrecht die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG aF, die aus bestimmten Sanierungsmaßnahmen hervorgehende Gewinne steuerfrei stellte. Diese Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne wurde jedoch durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29.10.199736 ersatzlos gestrichen. Eine materiell-rechtliche Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne besteht daher gegenwärtig nicht.

bb)  Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO)

Details

Seiten
XXI, 269
ISBN (PDF)
9783653067965
ISBN (ePUB)
9783653950373
ISBN (MOBI)
9783653950366
ISBN (Hardcover)
9783631672372
DOI
10.3726/978-3-653-06796-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Leistungsfähigkeitsprinzip Sanierungserlass Gewerbesteuer Buchgewinn
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. XXII, 269 S.

Biographische Angaben

Stephan Kappes (Autor:in)

Stephan Kappes studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Trier und Auckland (LL.M.) und promovierte an der Universität Konstanz. Er ist als Rechtsanwalt in den Bereichen Unternehmenssteuerrecht und Nachfolge tätig.

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Titel: Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen
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