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Romantik und Surrealismus

Eine Wahlverwandtschaft?

von Sebastian Lübcke (Band-Herausgeber:in) Johann Thun (Band-Herausgeber:in)
©2018 Konferenzband 230 Seiten

Zusammenfassung

Der Band versammelt Beiträge, die dem Verhältnis zwischen (deutscher) Romantik und (französischem) Surrealismus nachgehen. Das Verhältnis beider Geistesbewegungen wird als «Wahlverwandtschaft» beschrieben. Mit dieser Methode können Ähnlichkeiten und Analogien zwischen Romantik und Surrealismus ohne Rückgriff auf kausalhistorische Einflussnarrative diskutiert werden. Im Zentrum der Beiträge stehen die Auseinandersetzung mit der Einbildungskraft, subjekttheoretische Fragestellungen, das Interesse an Mythologien und politischer Neuordnung sowie an Traum, Rausch, Unbewusstsein und alternativen Epistemologien.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Zur Einleitung: Methodische und wissenschaftstheoretische Überlegungen zur ‚Wahlverwandtschaft‘ zwischen Romantik und Surrealismus (Sebastian Lübcke / Johann Thun)
  • Einbildungskraft, Inspiration und Traum
  • Parallelen der Imagination zwischen E.T.A. Hoffmann und André Breton (Florian Nickel)
  • Poetologie der Einbildungskraft: Eine semantische Isotopie produktionsästhetischer Reflexionen bei Schelling, Novalis, Aragon und Breton (Hendrick Heimböckel)
  • „eine Art Somnambulism, in dem ich die geheimen Beziehungen erkannte“ – Von Mesmerismus und Spiritismus zur écriture automatique: E.T.A. Hoffmann und die literarische Ekstase der Inspiration (Karina Schuller)
  • Der Traum im Surrealismus: ein romantisches Erbe? (Isabella Ferron)
  • Subjekt- und Lebensentwürfe
  • An den Grenzen des Selbst. Transgressive Subjektivität in Romantik und Surrealismus (Joris Löschburg)
  • „Eingebungen der Göttin far niente“. Frühromantische und surrealistische Subjektmodelle der Offenheit zwischen Entpragmatisierung, Zufall und Anarchie (Sebastian Lübcke)
  • Ein Streifzug durch surrealistische und romantische Topografien. Die Ergründung des Wunderbaren als eine Bewegung ad fontes (Sandra Markiewicz)
  • Mythologie und Politik
  • „Ein […] feste[r] Halt für Euer Wirken“. Neue Mythologie und mythe nouveau in Romantik und Surrealismus (Johann Thun)
  • Das Unvernehmen in Romantik und Surrealismus (Marc Emmerich)
  • Entgrenzte Epistemologien
  • ‚Unähnliche Ähnlichkeit‘ in Romantik und Surrealismus (Sara Bangert)
  • Les „affinités électives“ : quelle légitimité pour appréhender la réalité sociale ? (Eric Gondard)
  • De l’extase à l’illumination profane : Drogues et création littéraire du romantisme au surréalisme (Susanna Werger)
  • Autoren

Sebastian Lübcke, Johann Thun

Romantik und Surrealismus

Eine Wahlverwandtschaft?

Herausgeberangaben

Sebastian Lübcke hat an den Universitäten Gießen und Fribourg Germanistik und Philosophie studiert und promoviert zum Nachleben des ‚ewigen Lebens‘ in der Neuzeit.

Johann Thun hat an den Universitäten Marburg und Aix-en-Provence Germanistik, Kulturanthropologie und Philosophie studiert. Er promoviert derzeit in Lyon und Leipzig zu Friedrich Hölderlin und René Char.

Über das Buch

Der Band versammelt Beiträge, die dem Verhältnis zwischen (deutscher) Romantik und (französischem) Surrealismus nachgehen. Das Verhältnis beider Geistesbewegungen wird als ‚Wahlverwandtschaft‘ beschrieben. Mit dieser Methode können Ähnlichkeiten und Analogien zwischen Romantik und Surrealismus ohne Rückgriff auf kausalhistorische Einflussnarrative diskutiert werden. Im Zentrum der Beiträge stehen die Auseinandersetzung mit der Einbildungskraft, subjekttheoretische Fragestellungen, das Interesse an Mythologien und politischer Neuordnung sowie an Traum, Rausch, Unbewusstsein und alternativen Epistemologien.

Zitierfähigkeit des eBooks

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Inhaltsverzeichnis

Sebastian Lübcke / Johann Thun

Zur Einleitung: Methodische und wissenschaftstheoretische Überlegungen zur ‚Wahlverwandtschaft‘ zwischen Romantik und Surrealismus

Einbildungskraft, Inspiration und Traum

Florian Nickel

Parallelen der Imagination zwischen E.T.A. Hoffmann und André Breton

Hendrick Heimböckel

Poetologie der Einbildungskraft: Eine semantische Isotopie produktionsästhetischer Reflexionen bei Schelling, Novalis, Aragon und Breton

Karina Schuller

eine Art Somnambulism, in dem ich die geheimen Beziehungen erkannte“ – Von Mesmerismus und Spiritismus zur écriture automatique: E.T.A. Hoffmann und die literarische Ekstase der Inspiration

Isabella Ferron

Der Traum im Surrealismus: ein romantisches Erbe?

Subjekt- und Lebensentwürfe

Joris Löschburg

An den Grenzen des Selbst. Transgressive Subjektivität in Romantik und Surrealismus

Sebastian Lübcke

„Eingebungen der Göttin far niente“. Frühromantische und surrealistische Subjektmodelle der Offenheit zwischen Entpragmatisierung, Zufall und Anarchie ←5 | 6→

Sandra Markiewicz

Ein Streifzug durch surrealistische und romantische Topografien. Die Ergründung des Wunderbaren als eine Bewegung ad fontes

Mythologie und Politik

Johann Thun

„Ein […] feste[r] Halt für Euer Wirken“. Neue Mythologie und mythe nouveau in Romantik und Surrealismus

Marc Emmerich

Das Unvernehmen in Romantik und Surrealismus

Entgrenzte Epistemologien

Sara Bangert

‚Unähnliche Ähnlichkeit‘ in Romantik und Surrealismus

Eric Gondard

Les „affinités électives“ : quelle légitimité pour appréhender la réalité sociale ?

Susanna Werger

De l’extase à l’illumination profane : Drogues et création littéraire du romantisme au surréalisme

Autoren ←6 | 7→

Sebastian Lübcke / Johann Thun

Zur Einleitung: Methodische und wissenschaftstheoretische Überlegungen zur ‚Wahlverwandtschaft‘ zwischen Romantik und Surrealismus

Der Witz ist schöpferisch – er m a c h t Ähnlichkeiten.1

En matière de révolte, aucun de nous ne doit avoir besoin d’ancêtres.2

Es scheinen keine Zweifel daran zu bestehen, dass sich die (deutschsprachige) Romantik und der (französischsprachige) Surrealismus in wesentlichen Punkten ähneln. Bis heute ist dieser Eindruck in der Forschung aber nicht über eine nur flüchtig begründete Feststellung dieser Ähnlichkeit oder die stillschweigende Annahme derselben hinausgekommen. Albert Beguin etwa konstatiert angesichts der surrealistischen Auseinandersetzung mit dem Traum eine Annäherung („approche“) an die deutsche Romantik,3 Laurence Le Sage untersucht die „principal points of affinity“ zwischen Romantik und Surrealismus,4 Anna Balakian führt die Ursprünge des Surrealismus auf die Romantik zurück5 und Maurice Nadeau begreift den Surrealismus als Weiterentwicklung der deutschen Romantik.6 Auch in neueren Studien ist der Surrealismus wiederholt in eine Tradition mit der Roman←7 | 8→ tik gestellt worden. Dort wird die Beziehung zwischen beiden Geistesbewegungen auf den gemeinsamen Protest gegen die bürgerlich-kapitalistische Sozialordnung7 oder auf ihr Interesse am Mythos zurückgeführt.8

Während die Beziehungsform der ‚Verwandtschaft‘ ein genealogisches oder genetisches Verhältnis zwischen Romantik und Surrealismus nahelegt, suggeriert ‚Einfluss‘ die Prägung einer späteren Geistesbewegung durch eine frühere.9 Romantik und Surrealismus aber formen ihr Profil jeweils in Auseinandersetzung mit der eigenen Zeit. Die dadurch entstehenden Ähnlichkeiten sind nicht allein durch die Rezeption der einen Bewegung durch die andere oder durch den Einfluss der einen auf die andere Gruppe zu erklären. Sie verdanken sich vielmehr auch der analogen Abgrenzung beider Gruppen vom bürgerlich-kapitalistischen Dispositiv ihrer Zeit.10 Beide Bewegungen sind also nicht zwangsläufig kausalhistorisch aufeinander bezogen, sondern stehen in einem Ähnlichkeitsverhältnis zueinander. Dieser Aspekt ist für die Verhältnisbestimmung der ‚Wahlverwandtschaft‘ charakteristisch. Michael Löwy definiert diesen schillernden Begriff folgendermaßen:

Nous désignons par ‚affinité élective‘ un type très particulier de rapport dialectique qui s’établit entre deux configurations sociales ou culturelles, qui n’est pas réductible à la détermination causale directe ou à l’‚influence‘ au sens traditionnel. Il s’agit, à partir d’une certaine analogie structurelle, d’un mouvement de convergence, d’attirance réciproque, de confluence active, de combinaison pouvant aller jusqu’à la fusion.11←8 | 9→

Zwar berufen sich die Kulturwissenschaften in verschiedenen Zusammenhängen auf die Beziehungsform der ‚Wahlverwandtschaft‘,12 doch steht eine Methodenreflexion nach wie vor aus. Dies bestätigt sich in der Forschung zu Romantik und Surrealismus insofern, als auch dort vor bald vierzig Jahren bereits die „Wahlverwandtschaft“ zwischen Romantik und Surrealismus bemerkt worden ist, ohne dass dieser Zugang methodisch weiter ausformuliert worden wäre.13 Hervorgehoben wird dort lediglich, dass die ‚Wahlverwandtschaft‘ von der Identifikation beider Bewegungen unterschieden werden müsse und dass es nicht „um Angleichung des einen ans andere“ gehe, sondern „um ‚Spuren‘-Protokolle“.14 Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt offen. Allerdings legt der Spuren-Begriff nahe, dass ‚Wahlverwandtschaften‘ dort in einer auf die „Vergangenheit“ hin orientierten Leserichtung ausfindig gemacht werden.15

Im Unterschied dazu bestimmt Löwy ‚Wahlverwandtschaften‘ als wechselseitige Anziehungskraft, in der verschiedene Geistesbewegungen ‚fusionieren‘.16 Er spricht von der kausalhistorisch unbegründeten „attirance mutuelle“ und von einem „renforcement réciproque des deux démarches, à partir de certaines analogies structurelles“.17 Gerade das Verhältnis von Romantik und Surrealismus ist für diese Beziehungsform charakteristisch. Denn im Diskurs über die Bewegungen←9 | 10→ sind ‚Romantik‘ und ‚Surrealismus‘ Allgemeinbegriffe geworden,18 die wechselseitig aufeinander angewandt werden. So spricht etwa Frédéric Thomas von der „dimension romantique“19 des Surrealismus und Ralf Simon nennt den Surrealismus „dialektisierte Romantik“.20 Umgekehrt hat Octavio Paz in der „deutsche[n] Romantik“ eine „surrealistisch[e]“ Bewegung der „Vergangenheit“ ausgemacht.21 ‚Romantik‘ und ‚Surrealismus‘ ähneln sich also derart, dass sie unabhängig von kausalgeschichtlichen Einflussnarrativen in ein ‚wahlverwandtschaftliches‘ Verhältnis zueinander gesetzt werden können.

Wer aber sind die Subjekte, die die ‚Wahlverwandtschaft‘ zwischen den Bewegungen herstellen? Bei Löwy wird diese Frage nicht weiter reflektiert. Sie kann allerdings in zwei Hinsichten beantwortet werden. Zum einen können die Surrealisten ihre ‚Wahlverwandtschaft‘ mit der Romantik selbst herstellen, indem sie sich auf die für sie anschlussfähigen Aspekte der heterogenen historischen Bewegung der Romantik beziehen.22 Zum anderen sind die Leser romantischer←10 | 11→ und surrealistischer Texte Konstellationszentren der ‚Wahlverwandtschaft‘, sofern diese die Analogien zwischen beiden Bewegungen aufspüren und Romantik und Surrealismus von einem dritten historischen Standpunkt aus vergleichzeitigen.23 Indem die Leser in ihren Lektüren aktiv nach Ähnlichkeiten zwischen Romantik und Surrealismus suchen und kausalhistorisch unsichtbare Verbindungen aus der Latenz in die Phänomenalität bringen, erhalten die Leser bzw. Wissenschaftssubjekte ein eminent poietisches Profil.24

Details

Seiten
230
Jahr
2018
ISBN (ePUB)
9783631710104
ISBN (PDF)
9783653071627
ISBN (MOBI)
9783631710111
ISBN (Hardcover)
9783631676837
DOI
10.3726/978-3-653-07162-7
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Oktober)
Schlagworte
Analogie Ähnlichkeit Komparatistik Kulturtheorie Subjekttheorie Wissenschaftstheorie
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2018. 230 S.

Biographische Angaben

Sebastian Lübcke (Band-Herausgeber:in) Johann Thun (Band-Herausgeber:in)

Sebastian Lübcke hat an den Universitäten Gießen und Fribourg Germanistik und Philosophie studiert und promoviert zum Nachleben des «ewigen Lebens» in der Neuzeit. Johann Thun hat an den Universitäten Marburg und Aix-en-Provence Germanistik, Kulturanthropologie und Philosophie studiert. Er promoviert derzeit in Lyon und Leipzig zu Friedrich Hölderlin und René Char.

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Titel: Romantik und Surrealismus
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