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Nachhaltiger Konsum und Lebensstile in der Schweiz

Eine soziologische Betrachtung individueller Selbstwahrnehmung des «Lifestyle of Health and Sustainability»

von Evelyn Markoni (Autor:in)
©2017 Monographie 247 Seiten
Reihe: Social Strategies, Band 51

Zusammenfassung

Saisonales Gemüse aus dem Bioladen, Carsharing und Ökostrom: Konsumierende, die bewusst dem Leitbild der Nachhaltigkeit Genüge leisten wollen, verfolgen mit ihren Kauf- und Lebensstilentscheidungen ökologische und soziale Prinzipien.
Die Autorin setzt sich in ihrer Dissertation intensiv mit zentralen Fragen zum nachhaltigen Konsum und zu nachhaltigen Lebensstilen in der Schweiz auseinander. Dies in den Bereichen Ernährung, Wohnen und Mobilität, da hier Konsumierende auf individueller Ebene grossen Einfluss nehmen können. Als Beispiel dienen die LOHAS, die als Einzelpersonen und als Gruppe für den Lifestyle of Health and Sustainability stehen. Deren Anspruch an einen nachhaltigen Konsum erforscht die Autorin anhand zahlreicher Interviews. Dabei geht es ihr um Vorstellungen, Verhaltensweisen und Widersprüchlichkeiten im Konsumverhalten. Diese sind oftmals auf individuelle Faktoren, strukturelle Gegebenheiten, aber auch auf geltende Konventionen zurückzuführen. Die LOHAS tragen so zu einem besseren Verständnis von einem breitenwirksamen Anspruch an einen nachhaltigen Konsum und nachhaltiger Lebensstile bei.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • 1 Konsum und Lebensstile
  • 1.1 Vom konventionellen zum nachhaltigen Konsum
  • 1.1.1 Konsum aus soziologischer Sicht
  • 1.1.2 Konsumkritik
  • 1.1.3 Nachhaltiger Konsum
  • 1.1.4 Hemmnisse nachhaltigen Konsums
  • 1.2 Konsum in den Handlungsfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität
  • 1.2.1 Funktion der Ernährung und Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft
  • 1.2.2 Funktion des Wohnens und Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft
  • 1.2.3 Funktion der Mobilität und Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft
  • 1.3 Das Lebensstilkonzept
  • 1.3.1 Lebensstil im klassischen Sinn
  • 1.3.2 Der neuere Lebensstilansatz
  • 1.3.3 Umweltorientierte Lebensstile
  • 1.3.4 Lebensstil der Gesundheit und Nachhaltigkeit
  • 1.3.5 Milieus und Sinus-Milieus
  • 1.3.6 Suffizienz und das einfache Leben
  • 1.3.7 Kritik an einer lebensstilbezogenen Nachhaltigkeitsforschung
  • 1.4 Die Strukturationstheorie
  • 1.4.1 Strukturbestimmtes Handeln oder handlungsbestimmte Strukturen?
  • 1.4.2 Strukturationstheorie und die Dualität der Struktur
  • 1.4.3 Kritische Bemerkungen zu Giddens
  • 1.5 Weitere Theorien sozialer Praktiken und der Bezug zum Konsum
  • 2 Die Schweiz als Untersuchungsgebiet
  • 2.1 Strategie der Schweiz im Bereich Nachhaltige Entwicklung
  • 2.2 Ernährung in der Schweiz
  • 2.3 Wohnen in der Schweiz
  • 2.4 Mobilität in der Schweiz
  • 3 Methodisches Vorgehen
  • 3.1 Datenerhebung und Durchführung der Interviews
  • 3.1.1 Konstruktion Interviewleitfaden
  • 3.1.2 Kontaktaufnahme
  • 3.1.3 Während des Interviews
  • 3.2 Datenauswertung
  • 3.2.1 Transkription
  • 3.2.2 Theoretical Sampling
  • 3.2.3 Kodierung
  • 3.2.4 Typenbildung
  • 3.3 Methodische Reflexion
  • 4 Falldarstellungen: Experten im Fokus meiner Untersuchung
  • 4.1 Nele – Die Bunte
  • 4.1.1 Verständnis von einem nachhaltigen Konsum
  • 4.1.2 Realisationen in den Handlungsfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität
  • 4.1.3 Handlungsbedarf und -barrieren
  • 4.2 Michaela – Die Kompromissbereite
  • 4.2.1 Verständnis von einem nachhaltigen Konsum
  • 4.2.2 Realisationen in den Handlungsfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität
  • 4.2.3 Handlungsbedarf und -barrieren
  • 4.3 Tobias – Der Pragmatiker
  • 4.3.1 Verständnis von einem nachhaltigen Konsum
  • 4.3.2 Realisationen in den Handlungsfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität
  • 4.3.3 Handlungsbedarf und -barrieren
  • 4.4 Corinne – Die Weltretterin
  • 4.4.1 Verständnis von einem nachhaltigen Konsum
  • 4.4.2 Realisationen in den Handlungsfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität
  • 4.4.3 Handlungsbedarf und -barrieren
  • 4.5 Georg – Der Suffiziente
  • 4.5.1 Verständnis von einem nachhaltigen Konsum
  • 4.5.2 Realisationen in den Handlungsfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität
  • 4.5.3 Handlungsbedarf und -barrieren
  • 4.6 Brigitte – Die Neugierige
  • 4.6.1 Verständnis von einem nachhaltigen Konsum
  • 4.6.2 Realisationen in den Handlungsfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität
  • 4.6.3 Handlungsbedarf und -barrieren
  • 4.7 Zusammenfassende Falldarstellungen der verbleibenden Interviews
  • 4.7.1 Verständnis von einem nachhaltigen Konsum
  • 4.7.2 Realisationen in den Handlungsfeldern
  • 4.7.3 Handlungsbedarf und -barrieren
  • 5 Mein Passivhaus, mein Carsharing-Abonnement und mein Biokorb
  • 5.1 Leuchtturmthemen nachhaltigen Konsums
  • 5.2 Individuelle Motivationsdimensionen
  • 5.2.1 Lebensabschnitt und einschneidende Veränderungen
  • 5.2.2 Soziale Distinktion
  • 5.2.3 Soziale Erwünschtheit
  • 5.2.4 Emotionaler Bezug
  • 5.2.5 Intrinsische Motivation
  • 5.2.6 Gesundheit
  • 5.2.7 Selbstsuffizienz und ein gutes Leben
  • 5.2.8 Familiäres und gesellschaftliches Umfeld
  • 5.3 Das Kapital der LOHAS
  • 5.4 Widersprüchlichkeiten nachhaltigen Konsums
  • 5.4.1 Gesunde Ernährung
  • 5.4.2 Schöner Wohnen
  • 5.4.3 Besser unterwegs
  • 5.5 Zusammenfassende Überlegungen
  • 6 Typenbildung
  • 6.1 Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen
  • 6.1.1 Innovationspotential
  • 6.1.2 Pragmatischer Umgang mit dem Thema Nachhaltiger Konsum
  • 6.2 Gruppierung der Fälle und empirische Regelmässigkeiten
  • 6.3 Analyse der inhaltlichen Zusammenhänge und Bildung von Idealtypen
  • 6.4 Beschreibung der Idealtypen
  • 6.4.1 Typ I: Der Pionier und Weltverbesserer
  • 6.4.2 Typ II: Der Individualist und konventionelle Umweltschützer
  • 6.4.3 Typ III: Der Lifestyle-Umweltschützer und Opportunist
  • 6.4.4 Typ IV: Der Mitläufer und Nachzügler
  • 6.5 Verortung der Idealtypen anhand der sechs Falldarstellungen
  • 7 Diskussion
  • Tabellenverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis/Glossar
  • Literaturverzeichnis
  • Anhang
  • Reihenübersicht

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Einleitung

Saisonales und regionales Gemüse aus dem Bioladen, Carsharing statt eines eigenen Autos sowie das Bewohnen einer kleinen Wohnfläche: Konsumierende, die bewusst dem Leitbild der Nachhaltigkeit Genüge leisten wollen, verfolgen mit ihren Kauf- und Lebensstilentscheidungen ökologische und soziale Prinzipien. Sie haben eine genaue Vorstellung davon, was unter nachhaltigem Konsum zu verstehen ist und dabei das Gefühl, nachhaltiger zu konsumieren als der Durchschnitt.

Konsumgewohnheiten können grosse Umweltauswirkungen haben. Schätzungsweise sind 30 bis 50 Prozent auf die Konsumhandlungen von privaten Haushalten zurückzuführen (Brunner, 2007, S. 6; Joerges, 1982; Knaus & Renn, 1998). Innerhalb der Bereiche Ernährung, Wohnen und Mobilität hat der Konsumierende am meisten Einfluss auf die Umwelt (BAFU, 2011a.). Themen dabei sind eine steigende Inanspruchnahme von (Wohn-)Fläche oder ein steigender CO2-Ausstoss aufgrund wachsender Mobilität. Zusätzlich haben Konsumgewohnheiten und Lebensstilentscheidungen Einfluss auf soziale Aspekte in einer globalisierten Welt, wie die Ausbeutung von Arbeitskräften in den Ländern des Südens oder gesundheitliche Folgen, wie zum Beispiel Fettleibigkeit (Hentschel, 2006). Andererseits leiden rund 805 Millionen Menschen weltweit an Hunger (WFP, 2015). Um dem entgegenzusteuern, sind eine nachhaltige Entwicklung und ein damit verbundener nachhaltiger Konsum unerlässlich. Gemäss Daub ist die Nachhaltige Entwicklung „heute einer der dominierenden globalen Diskurse, in dem es im Wesentlichen um die Beantwortung der Frage geht, nach welchen Regeln die Menschen in einer globalisierten Gesellschaft zusammenleben und welche Verantwortung sie für zukünftige Generationen übernehmen sollen (und wollen)“ (Daub, 2004, S. 97f.). Nachhaltiger Konsum bedeutet gemäss dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP, dass es nicht darum geht, weniger zu konsumieren, sondern anders, effizienter: „Sustainable Consumption is not about consuming less, it is about consuming differently, consuming efficiently, and having an improved quality of life“ (UNEP & CDG, 2000 zitiert nach Weller, 2008, S. 47). ← 13 | 14 → Eine weitere Definition zum nachhaltigen Konsum kommt von Hansen und Schrader, die besagt, dass Konsum nachhaltig ist, wenn dieser „zur Bedürfnisbefriedigung der heute lebenden Menschen beiträgt, ohne die Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden“ (Hansen & Schrader, 2001, S. 22). Gemäss dem Vorwort des „Brundtland Berichts: Unsere gemeinsame Zukunft“ aus dem Jahr 1987, auf dem die Definition von Hansen und Schrader aufbaut, geht es bei einer nachhaltigen Entwicklung um ein ökologisch und sozial verträgliches Wachstum: „Unter ,dauerhafter Entwicklung‘ verstehen wir eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“ (Hauff, 1987). Themen sind unter anderem der Schutz der endlichen Umweltressourcen oder der Erhalt der genetischen Vielfalt.

Auch an der Rio-Konferenz von 1991 ist im Rahmen der dort beschlossenen Agenda 21 die Rede von einer Transformation von Konsumgewohnheiten, einer Optimierung der Ressourcennutzung oder einer Minimierung von Abfall (Rink, 2002, S. 27f.). Dies erfordert Strategien zur Förderung des nachhaltigen Konsums und Lebensstilen, die in Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung stehen (Rink, 2002, S. 27f.). Dem mündigen Konsumierenden wird im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung eine Verantwortung zugeschrieben, indem dieser sich informiert und überlegte Kaufentscheidungen trifft (BAFU, 2006). So schreibt das Bundesamt für Umwelt BAFU in der Schweiz, dass an den Prinzipien der Nachhaltigkeit orientierte Lebensstile gefördert werden sollen und vor allem der Trend der LOHAS, dem Lifestyle of Health and Sustainability, einem Lebensstil, der Nachhaltigkeit und Gesundheit vereint, breiter werden soll (BAFU, 2011b.). Unter LOHAS verstehe ich in der vorliegenden Dissertation sowohl den Lebensstil als auch die einzelnen Personen, die sich selbst als solche definieren und damit identifizieren. Die Forschung über LOHAS ist im deutschsprachigen Raum ursprünglich innerhalb der Marktforschung und der Wirtschaft zu finden (Wenzel, Rauch, & Kirig, 2007). Die LOHAS wurden erstmals im Jahr 2000 von dem amerikanischen Soziologen Paul H. Ray als Cultural Creatives, den kulturell Kreativen, verstanden. Mit ihrem Lebensstil war ein Wertewandel in der amerikanischen Gesellschaft verbunden, der sich um Gesundheit und Umwelt dreht (Ray & Anderson, 2000). ← 14 | 15 → Das BAFU beschreibt LOHAS als Konsumierende, die versuchen durch Konsumentscheidungen, die zukünftige Entwicklung mit individuellen Strategien nachhaltig zu beeinflussen (BAFU, 2011b.). So sagt Thomas Göttin vom BAFU: „Ein solcher Wandel der Lebensstile hat durchaus ökologisches Potenzial“ (BAFU, 2011b.). Neben diesem beschriebenen Wertewandel zeigt sich auch ein Wandel auf struktureller Ebene, auf der Angebotsseite. Das Angebot an Carsharing wächst (Mobility Car Sharing, 2013), biologisch produzierte Lebensmittel sind längst keine Nischenprodukte mehr (Bio Suisse, 2015; BFS, 2015e.) und die Anzahl der Minergie-Häuser steigt stetig (MINERGIE Schweiz, 2013). Der Trend der LOHAS scheint folglich in der Gesellschaft angekommen zu sein.

Doch wer sind diese Konsumierenden, die sich selbst als LOHAS bezeichnen und nachhaltiger konsumieren wollen als der durchschnittliche Konsumierende? Um diesen Trend zu fördern und gezielt mit politischen Instrumenten anzusprechen, ist ein besseres soziologisches Verständnis nachhaltiger Lebensstile, wie derjenige der LOHAS, und ihrer selbstkonstruierten Lebenswelten unerlässlich. Aus diesem Grund vollziehe ich einen Perspektivenwechsel und untersuche Konsumierende, die sich selbst als LOHAS bezeichnen und eigene Vorstellungen von dem Begriff und dem nachhaltigen Konsum haben. Dabei distanziere ich mich von der bereits vorhandenen Definition aus dem Marketing und der Marktforschung und gehe explorativ vor. So definieren die befragten Experten den Begriff LOHAS und die damit verbundene Vorstellung von einem nachhaltigen Konsum unterschiedlich. Dies ist für sie verhaltensleitend und der Begriff LOHAS stellt einen Teil ihrer Identität dar. Gläser und Laudel (2010) bezeichnen interviewte Personen als Experten, da Sozialwissenschaftler/innen soziale Kontexte erforschen, denen sie jedoch selbst nicht unbedingt zugehören. Ich schliesse in meiner Arbeit unter dem Begriff Experte alle interviewten Personen beider Geschlechter mit ein.

Gemäss Mäder konstituiert sich in der heutigen Zeit die eigene Identität je nach Kontext und dem, was derzeit gefragt ist (Mäder, 2007, S. 222). Identität ist, so Mäder, „ambivalent, individuell konstruiert und schier beliebig“ (2007, S. 222), woraus sich verschiedene Widersprüchlichkeiten in Hinblick auf das Konsumverhalten ergeben, abhängig von unterschiedlichen Motiven, die ich in Kapitel 5 erläutern werde. Ein ← 15 | 16 → Beispiel ist die junge Mutter, die aus gesundheitlichen Überlegungen heraus vermehrt biologische Produkte bezieht, um Gutes für sich und ihr Kind tun zu können, auf der anderen Seite jedoch zum Einkauf oder Transport des Kindes ein Auto benötigt. Diese Widersprüche sind folglich individuell und beliebig konstruiert, wie die Identitäten selbst. Zudem können Widersprüche mit Konventionen, die innerhalb einer bestimmten Kultur vorherrschen, zusammenhängen. Boltanski und Thévenot (2007) definieren Konventionen als Handlungsgrammatik. Ein umweltgerechtes Handeln ist bei der Umweltkonvention unerlässlich, um diese Handlungsgrammatik zu erfüllen. Inhalte der häuslichen Konvention sind Vertrauen, soziale Bindungen sowie eine interpersönliche Abhängigkeit (Evans, 2011). Ein Konflikt zwischen der Umweltkonvention und der häuslichen Konvention ergibt sich zum Beispiel, wenn ein Familienvater aufgrund der Umwelt auf Flugreisen gänzlich verzichten möchte, seine Kinder ihn jedoch zu einer solchen Reise überreden, da deren Freunde ebenfalls mit dem Flugzeug verreisen. Hier stehen der Wunsch nach einem umweltgerechten Handeln und die soziale Beziehung zu den Kindern und deren Wünsche zueinander in Konflikt.

Die Ansprüche an eine Identität als LOHAS und den aus dem Handeln resultierenden Widersprüchlichkeiten erforsche ich mithilfe des Lebensstilkonzepts und der Strukturationstheorie. Dabei lasse ich die Soziologie der Konventionen von Boltanski und Thévenot (2007) miteinfliessen. Seit den 1980er Jahren findet das Lebensstilkonzept innerhalb der Umweltsoziologie Anwendung (Götz, Deffner, & Stieß, 2011). Man versteht unter einem Lebensstil eine „unverwechselbare Struktur und Form der Lebensorganisation eines privaten Haushalts bzw. der in ihm lebenden Individuen“ (Lüdtke, 1990, S. 434). Kritik wird dahingehend geübt, als dass die Lebensstilforschung im Bereich Nachhaltiger Konsum noch zu wenig Erkenntnisse darüber generiert, inwiefern eine nachhaltige Entwicklung vorangetrieben werden kann (siehe dazu Lange, 2005; Rink, 2002; Bogun, 1997; sowie Kapitel 1.3.7). Schwierig ist die Erforschung von Lebensstilen zudem aufgrund der Lücke zwischen Einstellung und Verhalten (Brand, 2006, S. 66; Preisendörfer, 1999, S. 72ff.; de Haan, 1996). Auch wenn Umfrageergebnisse zeigen, dass vielen Konsumierenden der Umweltaspekt wichtig ist, grenzt sich das tatsächliche Verhalten oftmals davon ab, und so ist das Angebot z.B. an Bioprodukten zwar gestiegen, jedoch liegt ihr Marktanteil weiterhin ← 16 | 17 → stark unter den konventionellen Produkten. Zudem gibt es nicht den einen nachhaltigen Lebensstil, sondern stellt dieser meist ein Patchwork aus verschiedenen Konsummustern dar, weshalb die Herangehensweise allein mit dem Lebensstilkonzept an die Nachhaltigkeitsforschung schwierig ist (Grißhammer, 2001, S. 108; Gillwald, 1996; Schultz & Weller, 1996; Reusswig, 1993). Gemäss Brand hat die Soziologie schliesslich Schwierigkeiten mit politisch-normativen Problemen, da diese sich oftmals in einer kritischen und distanzierten Beobachterperspektive sieht und eher das Soziale als die Umweltthematik in den Blickwinkel ihrer Forschung nimmt (Brand, 2006, S. 72). So sieht Brand die Aufgabe der Soziologie innerhalb des Nachhaltigkeitsdiskurses in der Erforschung „sozialer Konstruktionsprozesse unterschiedlicher Weltbilder, Risikowahrnehmungen, Problemdeutungen und Handlungspräferenzen“ sowie die „Analyse komplexer Verkettungen individueller oder kollektiver Handlungsweisen mit systemischen Entwicklungsdynamiken und den daraus erwachsenden emergenten Strukturen (mit ihrer spezifischen Gemengelage von intendierten und nicht-intendierten Folgen)“ (Brand, 2006, S. 72). In Anlehnung an Brand interessieren mich innerhalb meiner Dissertation zum einen die unterschiedlichen Weltbilder, die die interviewten LOHAS für sich erschaffen, sowie ihre Handlungspräferenzen und die Probleme, die sie wahrnehmen, aber auch die Widersprüche in ihrer alltäglichen Lebensführung sowie Entwicklungen auf struktureller Ebene. Als theoretischen Rahmen verwende ich dabei neben dem Lebensstilkonzept die Strukturationstheorie von Anthony Giddens. Diese besagt, dass Strukturen, in denen sich Individuen bewegen nicht abtrennbar vom Handeln der Individuen sind, sondern sich wechselseitig beeinflussen: „Human agency produces structures which simultaneously serve as the conditions for reproduction of human agency in a continuing process“ (Clegg, 1989, S. 139). Im Rahmen des Lebensstilkonzepts beziehe ich mich auf die allgemeine Definition von Lüdtke (s.o.) und auf Pierre Bourdieu, indem ich die verschiedenen Kapitalarten Bourdieus in die Analyse miteinbeziehe.

Die Erforschung von Lebensstilen ist gerade in Hinblick auf die Verantwortung von Konsumierenden, die mit mehr Handlungsoptionen wächst, wichtig, wenn man von einer geteilten Verantwortung ausgeht, was jedoch die politische Dimension im Rahmen der Nachhaltigkeitspolitik nicht ersetzt (Bilharz, Fricke, & Schrader, 2011). Zudem existieren, ← 17 | 18 → so Bilharz et al., politische Strukturen nur in Zusammenhang mit individuellem Handeln. Daher ist die Erforschung neuer Trends und Lebensstile im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung ein wichtiger Bestandteil, um diese zu verstehen und geeignete politische Rahmenbedingungen setzen zu können. Weiterhin senden, gemäss Bilharz et al., Konsumhandlungen politische Signale aus:

Details

Seiten
247
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783034323635
ISBN (ePUB)
9783034323642
ISBN (MOBI)
9783034323659
ISBN (Paperback)
9783034321235
DOI
10.3726/978-3-0343-2363-5
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Dezember)
Schlagworte
Lifestyle of Health and Sustainability (LOHAS) Nachhaltige Ernährung Umweltsoziologie Nachhaltigkeitsforschung Lebensstilforschung Strukturationstheorie
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien, 2017. 247 S., 14 Abb.

Biographische Angaben

Evelyn Markoni (Autor:in)

Evelyn Markoni studierte Soziologie, Medienwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Basel. Seit 2010 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen, unternahm 2014 einen Forschungsaufenthalt an die NUI Galway und schloss 2015 ihre Promotion zum nachhaltigen Konsum bei Herrn Prof. Dr. Ueli Mäder ab.

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