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Geschichte und Wundergeschichten im Werk des Kirakos Ganjakec‘i (13. Jh.)

Armenien zwischen Chasaren und Arabern, Franken und Mongolen

von Heiko Conrad (Autor:in)
Dissertation 546 Seiten

Zusammenfassung

Die mittelalterliche armenische Geschichtsschreibung ist von Bedeutung nicht nur für die Kenntnis der Ereignisse im Gebiet des Transkaukasus, sondern auch Kleinasiens, des Nahen Ostens und Zentralasiens. Ebenso grundlegend ist sie aber auch für das Verständnis der modernen Entwicklungen und politischen Verhältnisse in diesem geographischen Großraum. Wie sehr die armenische mit der Geschichte der gesamten Region verknüpft ist, wird im Werk des Kirakos Ganjekec‘i (d.h. aus Ganjak, dem heutigen Gəncə/Gandscha) anschaulich. Die Darstellung fasst Ereignisse vom 4. bis zum 13. Jahrhundert zusammen und beschreibt Armenien neben kurzen Perioden der politischen Machtentfaltung als Schlüsselposition konkurrierender Großmächte, Schauplatz von Invasionen, Kampfplatz religiös-politischer Konzepte und Durchgangsroute von Handelswegen. Diese Quelle in ihrem Kontext zu analysieren, ist Zielsetzung dieses Buches.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Über eine Danksagung hinaus
  • Technische Bemerkungen
  • Prolog
  • Einleitung
  • I. Text- und Forschungsgeschichte zur Geschichte Armeniens
  • 1. Kirakos – Biographische Notizen zur Person des Autors
  • 2. Die Geschichte Armeniens im Kontext der armenischen Geschichtsschreibung
  • 2.1. Historische Grundlagen der Geschichte Armeniens
  • 2.2. Inhaltlicher Überblick der Geschichte Armeniens
  • 2.3. Inhalt und Quellen der Geschichte Armeniens
  • 3. Textanalytische Fragen
  • 3.1. Die Titelfrage
  • 3.2. Kapitelzählung und Kapitelordnung und werksystematische Überlegungen
  • 3.3. Die Frage der Vollständigkeit
  • 3.4. Die Stilistik des Werkes
  • 3.5. Der Historische Wert der Geschichte Armeniens
  • 4. Forschungsstand und Präsenz des Werkes326
  • 4.1. Manuskripte
  • 4.2. Druckausgaben
  • 4.3. Übersetzungen (Gesamtausgaben)
  • II. Kirakos und seine Zeit – ein Überblick der politischen Situation und Herrschaftsverhältnisse seiner Epoche
  • 1. Byzanz
  • 2. Seldschuken und Rumseldschuken
  • 3. Kilikien
  • 4. Georgien
  • 5. Armenien und die armenischen Fürstentümer im 12./13. Jh. und die Rolle der Zak‘arean in Georgien und Armenien
  • 5.1. Die Frage der Herkunft der Zak‘areanfamilie
  • 5.2. Die Zak‘areanherrschaft innerhalb des georgischen Königreiches
  • 5.3. Die Beziehungen und die Hierarchie innerhalb der Zak‘areanherrschaft
  • 6. Die Mongolen, ihre Herrschaft in Armenien im 13. Jh. und die armenischen Fürsten als Untertanen des Khans und Ilkhans
  • 6.1. Herkunft und Wesen der Mongolen
  • 6.2. Die Mongolen in Großarmenien – Invasion und Kooperation
  • III. Das Geschichtsbild des Kirakos Ganjakec‘i
  • 1. Die Rolle und Funktion der Einleitung in der Geschichte Armeniens
  • 2. Bedeutung und Charakter der Zeit im Geschichtswerk
  • 2.1. Die Geschichtsschreibung als Chronologie
  • 2.2. Die Geschichte im Rahmen kirchlich-zyklischer Zeit
  • 2.3. Zeit als Endzeit – Das eschatologische Moment in der Geschichte Armeniens
  • 2.4. Die Mongolen und ihre Deutung in der Geschichte Armeniens
  • 3. Geschichte und Kirchengeschichte
  • 3.1. Der kirchengeschichtliche Charakter der Geschichte Armeniens im chronologischen und thematischen Rahmen
  • 3.2. Geschichte und Wundergeschichten – die kirchlich-mönchische Perspektive des Verfassers
  • 3.3. Häretiker und Heilige
  • 3.4. Die Bedeutung des Konzils von Chalkedon
  • 3.4.1. Die Herausbildung der Christologie in Armenien in der Auseinandersetzung mit dem Konzil von Chalkedon
  • 3.4.2. Die politische Bedeutung des Chalkedonense aus dreifacher Perspektive
  • 3.4.3. Das Konzil von Chalkedon in der Bewertung der armenischen Geschichtsschreibung
  • 3.5. Die offiziellen Briefdokumente in der Geschichte Armeniens
  • 3.5.1. Der Brief des Nersēs Šnorhali – zum Autor, Inhalt und zur Situation des Briefes
  • 3.5.2. Der Rundbrief des Katholikos Kostandin I. Barjrberdc‘i
  • 3.5.3. Das Antwortschreiben auf die päpstliche Anfrage bezüglich des filioque
  • 4. Armenien und die anderen Völker in der Geschichte Armeniens des Kirakos Ganjakec‘i
  • 4.1. Volk, Kirche, Sprache und Geschichte als Identitätsmerkmale des Verfassers und seines Werkes
  • 4.2. Die Beziehungen zu den anderen Völkern zwischen Feindschaft, Ressentiment und Ökumene
  • Epilog zu einer Geschichte, die keinen Epilog hat
  • Verzeichnis der angeführten biblischen Stellen
  • Historische Namen von Personen und Orten
  • Literatur

Heiko Conrad

Geschichte und Wundergeschichten im
Werk des Kirakos Ganjakec‘i (13. Jh.)

Armenien zwischen Chasaren und Arabern,
Franken und Mongolen

Autorenangaben

Heiko Conrad studierte Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach einem Aufbaustudium am dortigen Orientalischen Institut (Seminar für Christlichen Orient und Byzanz) und Studien- aufenthalten in Venedig und Jerewan wurde er an der Philosophischen Fakultät Halle zur armenischen Geschichte des Mittelalters promoviert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Über das Buch

Die mittelalterliche armenische Geschichtsschreibung ist von Bedeutung nicht nur für die Kenntnis der Ereignisse im Gebiet des Transkaukasus, sondern auch Kleinasiens, des Nahen Ostens und Zentralasiens. Ebenso grundlegend ist sie aber auch für das Verständnis der modernen Entwicklungen und politischen Verhältnisse in diesem geographischen Großraum. Wie sehr die armenische mit der Geschichte der gesamten Region verknüpft ist, wird im Werk des Kirakos Ganjekec‘i (d.h. aus Ganjak, dem heutigen Gence/Gandscha) anschaulich. Die Darstellung fasst Ereignisse vom 4. bis zum 13. Jahrhundert zusammen und beschreibt Armenien neben kurzen Periodender politischen Machtentfaltung als Schlüsselposition konkurrierender Großmächte, Schauplatz von Invasionen, Kampfplatz religiös-politischer Konzepte und Durchgangsroute von Handelswegen. Diese Quelle in ihrem Kontext zu analysieren, ist Zielsetzung dieses Buches.

Zitierfähigkeit des eBooks

Diese Ausgabe des eBooks ist zitierfähig. Dazu wurden der Beginn und das Ende einer Seite gekennzeichnet. Sollte eine neue Seite genau in einem Wort beginnen, erfolgt diese Kennzeichnung auch exakt an dieser Stelle, so dass ein Wort durch diese Darstellung getrennt sein kann.

Inhalt

Über eine Danksagung hinaus

Technische Bemerkungen

Prolog

Einleitung

I. Text- und Forschungsgeschichte zur Geschichte Armeniens

1. Kirakos – Biographische Notizen zur Person des Autors

2. Die Geschichte Armeniens im Kontext der armenischen Geschichtsschreibung

2.1. Historische Grundlagen der Geschichte Armeniens

2.2. Inhaltlicher Überblick der Geschichte Armeniens

2.3. Inhalt und Quellen der Geschichte Armeniens

3. Textanalytische Fragen

3.1. Die Titelfrage

3.2. Kapitelzählung und Kapitelordnung und werksystematische Überlegungen

3.3. Die Frage der Vollständigkeit

3.4. Die Stilistik des Werkes

3.5. Der Historische Wert der Geschichte Armeniens

4. Forschungsstand und Präsenz des Werkes

4.1. Manuskripte

4.2. Druckausgaben

4.3. Übersetzungen (Gesamtausgaben)

II. Kirakos und seine Zeit – ein Überblick der politischen Situation und Herrschaftsverhältnisse seiner Epoche

1. Byzanz

2. Seldschuken und Rumseldschuken←7 | 8→

3. Kilikien

4. Georgien

5. Armenien und die armenischen Fürstentümer im 12./13. Jh. und die Rolle der Zak‘arean in Georgien und Armenien

5.1. Die Frage der Herkunft der Zak‘areanfamilie

5.2. Die Zak‘areanherrschaft innerhalb des georgischen Königreiches

5.3. Die Beziehungen und die Hierarchie innerhalb der Zak‘areanherrschaft

6. Die Mongolen, ihre Herrschaft in Armenien im 13. Jh. und die armenischen Fürsten als Untertanen des Khans und Ilkhans

6.1. Herkunft und Wesen der Mongolen

6.2. Die Mongolen in Großarmenien – Invasion und Kooperation

III. Das Geschichtsbild des Kirakos Ganjakec‘i

1. Die Rolle und Funktion der Einleitung in der Geschichte Armeniens

2. Bedeutung und Charakter der Zeit im Geschichtswerk

2.1. Die Geschichtsschreibung als Chronologie

2.2. Die Geschichte im Rahmen kirchlich-zyklischer Zeit

2.3. Zeit als Endzeit – Das eschatologische Moment in der Geschichte Armeniens

2.4. Die Mongolen und ihre Deutung in der Geschichte Armeniens

3. Geschichte und Kirchengeschichte

3.1. Der kirchengeschichtliche Charakter der Geschichte Armeniens im chronologischen und thematischen Rahmen

3.2. Geschichte und Wundergeschichten – die kirchlich- mönchische Perspektive des Verfassers

3.3. Häretiker und Heilige

3.4. Die Bedeutung des Konzils von Chalkedon

3.4.1. Die Herausbildung der Christologie in Armenien in der Auseinandersetzung mit dem Konzil von Chalkedon

3.4.2. Die politische Bedeutung des Chalkedonense aus dreifacher Perspektive

3.4.3. Das Konzil von Chalkedon in der Bewertung der armenischen Geschichtsschreibung←8 | 9→

3.5. Die offiziellen Briefdokumente in der Geschichte Armeniens

3.5.1. Der Brief des Nersēs Šnorhali – zum Autor, Inhalt und zur Situation des Briefes

3.5.2. Der Rundbrief des Katholikos Kostandin I. Barjrberdc‘i

3.5.3. Das Antwortschreiben auf die päpstliche Anfrage bezüglich des filioque

4. Armenien und die anderen Völker in der Geschichte Armeniens des Kirakos Ganjakec‘i

4.1. Volk, Kirche, Sprache und Geschichte als Identitätsmerkmale des Verfassers und seines Werkes

4.2. Die Beziehungen zu den anderen Völkern zwischen Feindschaft, Ressentiment und Ökumene

Epilog zu einer Geschichte, die keinen Epilog hat

Verzeichnis der angeführten biblischen Stellen

Historische Namen von Personen und Orten

Literatur←9 | 10→ ←10 | 11→

Über eine Danksagung hinaus…

Wenn die Geschichte für ein Volk, und im Allgemeinen, eine Art Grundwasserquelle darstellt, dann sind die Geschichtsbücher die Wurzelkanäle und Adern dorthin. Nur verlieren diese Lebensadern mit der Zeit ihre Durchlässigkeit, sie verwachsen und verlieren sich nach und nach und befördern die Erkenntnis nicht mehr zum Ziel. Manchmal werden sie geschlossen und vergessen. So dramatisch ist es im Fall des Kirakos nicht. Sein Buch wurde nicht vergessen. Und doch bedarf auch dieser Wurzelkanal einer Säuberung, Vertiefung und Erweiterung, um das enthaltene Wissen besser fließen zu lassen. Es ist neu zu fragen, was diese Geschichte zu sagen hat, welche politische und religiöse Realität sie wiederspiegelt. Die Informationen, Berichte und Urteile im Buch – wie die über den Verfasser – muss man zum Teil erklären und neu bewerten. Aber in jedem Falle braucht man die ursprüngliche Stimme zur Geschichte. Denn letztere bestimmt in wesentlichem Maße über das heutige Leben und Zusammenleben, über Selbstverständnisse, gängige Bilder und Klischees mit. Die verlässliche Stimme, die Auskunft gibt über eine Zeit, die nunmehr in der Geschichte liegt, wieder hör- und verstehbar zu machen, ist eine wichtige Aufgabe des Historikers.

Dieses Buch, das als Dissertation am Seminar für Christlichen Orient und Byzanz in Halle entstand, ist vor allem noch der Anregung und Unterstützung von Herrn Prof. Walter Beltz zu verdanken. Dessen erhellende kritische Sicht auf heilige Texte im Allgemeinen und biblische im Besonderen, hat auch diese Arbeit geprägt. Den Prozess der Entstehung haben dann über Jahre Frau Prof. Armenuhi Drost-Abgarjan und Herr Prof. Jürgen Tubach begleitet. Mehrfach hatte ich Gelegenheit über die Studie im Ganzen und verschiedene Einzelfragen mit Prof. Boghos Levon Zekiyan zu sprechen und bin für seine Hinweise und Beobachtungen dankbar.

Sich mit dem Werk des Kirakos Ganjakec‘i zu beschäftigen, geht auf das Anraten von Frau Prof. Drost-Abgarjan zurück. Einige Passagen des Buches waren bereits Teil des Altarmenischunterrichtes bei ihr, der zugleich die Grundlage für die Entstehung dieses Buches war. Ihr sei auch insbesondere für die Diskussion und Korrekturen der zahlreichen übersetzten Passagen gedankt. Auch Herr Wahagn Abgarjan darf hier nicht vergessen werden, der für jede spontane Übersetzungs-und Verständnisfrage bezüglich des Textes ansprechbar war.

In besonderem Maße danke ich Frau Helga Locher und Herrn Dr. Peter Halfter, die das Manuskript gelesen, korrigiert und mir wichtige Hinweise gegeben haben, ebenso auch Herrn Lutz Streibel für seine Lektüre und Anmerkungen.

Bei Einzelfragen, die den Kontext im Allgemeinen betreffen, standen Herr Prof. Hayrapet Margaryan vom Fachbereich Geschichte der Universität Jerewan und Herr Prof. Karen Matevosyan vom Matenadaran in Jerewan immer zu Verfügung und haben manche Frage beantwortet.

Für die Hilfe bei der Frage der Transliteration der arabischen, persischen und türkischen Namen bin ich Herrn Dr. David Leupold und Herrn Dr. Mehrdad Saeedi dankbar.←11 | 12→

Auch Frau Dr. Elke Hartmann und Herrn Dr. Gerson Reichelt sei für ihre Lektüre der Einleitung und die anregenden Gespräche, die sich daraus ergaben, herzlich gedankt.

Mein Dank gilt in besonderem Maße der Gertrud-und-Alexander-Böhlig-Stiftung für die Unterstützung bei der Drucklegung, der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Orientabteilung und dem Armenischen Patriarchat von Jerusalem1 für die freundliche Bereitstellung der Miniaturen.←12 | 13→


1 Für dieses gilt das „copyright Armenian Patriarchate of Jerusalem”.

Technische Bemerkungen

Alle armenischen Zitate, so nicht anders gekennzeichnet, wurden vom Autor dieses Buches übersetzt. Bezüglich der übersetzten Passagen der Geschichte Armeniens des Kirakos Ganjakec‘i wurde eine Übersetzung angestrebt, die den armenischen Text möglichst wortgetreu wiedergibt, dabei aber, den Regeln der deutschen Syntax entsprechend, einen stilistisch angemessenen und verständlichen deutschen Text bietet.

Alle armenischen Namen und Begriffe wurden entsprechend dem System der Revue des Études Arméniennes (REArm) transliteriert (siehe unten). Die arabischen, mongolischen, persischen und türkischen Namen wurden weitgehend nach dem System der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) transliteriert. Die mongolischen Namen, die in der Geschichte Armeniens vorkommen, werden entsprechend ihrer Schreibung dort wie die armenischen Namen nach dem System der REArm transliteriert. Das zum einen, weil es eine allgemein anerkannte Umschrift für das Mongolische nicht gibt, zum anderen, weil Kirakos Ganjakec‘i, zeitweise als Sekretär des Generals Molar Nowin, im direkten Umgang mit den Mongolen stand, selbst ein mongolisches Glossar im Werk übermittelt und es daher von Interesse sein kann, wie der armenische Verfasser die Namen wiedergibt. Dabei wird, um Missverständnisse zu vermeiden, mehrfach in Klammern eine deutsche Umschrift der Namen mitaufgeführt. Doch wird für die Namen der Großkhane, wie Dschingis Khan (arm. Č‘angz Łan) oder Ögödei Khan (arm. Hok‘t‘ta Łan), im laufenden Text die deutsche Schreibweise beibehalten.

Die Abkürzungen beziehen sich auf die Quellenschriften und die verwandten Lexika und sind unter Literatur im Abschnitt Quellen und Lexika aufgeführt.

Die armenischen Quellen werden in den meisten Fällen mit den Seitenzahlen der Quellenausgabe und, wenn möglich, einer Übersetzung zitiert: Da, wo ausschließlich auf die Quellenausgabe zurückgegriffen wurde, wie im Falle von Samowēl Anec‘i und Kirakos Ganjakec‘i, wird die Kurzform des Verfassers mit der Seitenzahl zitiert (z. B. SA, 1). Dort, wo auf deren Grundlage eine vorhandene moderne wissenschaftliche Übersetzung mithinzugezogen wurde, wie z. B. die von Robert Thomson im Falle von Movsēs Xorenac‘i, werden jeweils die Seitenzahlen der Quelle und der Übersetzung notiert (z. B. MX, 5; MX-T, 65.) Dort, wo nur die Übersetzung eingesehen wurde, steht die Kurzform des Verfassers, gefolgt von der des Übersetzers, wie im Falle Koriwns in der Übersetzung von G. Winkler (z. B. Kor-W, §1; 92)2. Die nichtarmenischen Quellen werden meist mit Angabe der Kapitel und Seitenzahl der jeweiligen Übersetzung zitiert.←13 | 14→

Wo die Schreibweise der Namen der modernen armenischen Autoren in den verschiedenen Ausgaben und Übersetzungen differiert, wurden diese im fortlaufenden Text – unabhängig von der bibliographischen Angabe des Buches – gemäß den Richtlinien der REArm transliteriert.

Übersicht zur Umschrift und Lautbildung nach dem System der Revue des Études Arméniennes (REArm):

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2 Hier entsprechend der Werksystematik mit Angabe des Paragraphen, darauf folgend, die Seitenzahl.

Prolog

In den Jahren 1998–2005 wurde in Nachitschewan auf Veranlassung der aserbaidschanischen Regierung der alte armenische Friedhof von Dschulfa (arm. uła) mit Tausenden der alten Kreuzsteine (Xač‘k‘are) zerstört.3 Wenn auch kein Einzelfall, so ist die Demolierung aufgrund des Alters, der Größe und kulturellen Bedeutung der Anlage in ihrer Rücksichtslosigkeit bemerkenswert. Friedhöfe sind Erinnerungskultur und Monumente kollektiven Gedächtnisses. Das Motiv der Zerstörung ist daher leicht zu erklären. Das Volk, das vertrieben wurde, hat eine schweigende Hülle seines Daseins hinterlassen; verschwindet sie, dann verschwindet auch das letzte sichtbare Zeugnis von jenem. Diese Menschen waren nie hier. Mit der Zerstörung erlischt ihre Geschichte.

Die Vergangenheit ist Wurzel der Existenz eines Volkes. Die Jetzigen bedürfen ihrer zur Orientierung in der Gegenwart. Wenn aber die Wurzel der Vorigen ausgerissen ist, springen die Jetzigen und real Anwesenden in die Bresche und erheben ihre Gegenwart zur Geschichte. Und selbst wenn die Geschichtsklitterung von außen wahrgenommen wird, erfüllt sie im Innern ihren Zweck.4

Tatsächlich zu sprechen beginnt die Erinnerung/Geschichte erst in ihren schriftlichen Zeugnissen, und die Werke der Geschichtsschreibung stellen sich genau diese Aufgabe. Die Geschichte Armeniens des Kirakos, eines armenischen Mönchs und Vardapets5 aus dem Gebiet der Stadt Ganjak, der um die Mitte des 13. Jh.s schrieb und lehrte, ist eines dieser Werke. Kirakos war Zeuge der Vernichtung von Teilen seines Volkes. Er hatte gehört und selbst gesehen, wie Städte und Ländereien vernichtet wurden.6 Das ist der Grund seiner Befürchtung, am Ende der Zeit zu leben.7←17 | 18→ Für Kirakos besteht grundsätzlich die Aufgabe der Abfassung von Geschichte darin, der kommenden Generation Erinnerung zu hinterlassen, das Wissen der Väter auf die Söhne und so auf die anderen Geschlechter zu vererben, „wie es der Prophet Dawit‘ befiehlt“ und „Movsēs es lehrt“. Darin besteht das göttliche Gesetz, das Jetzt nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen.8 Eben das ist die Aufgabe der Xač‘k‘are, die sich auch, aber nicht nur, auf den Friedhöfen finden.9

Für Kirakos ist das Kreuz grundsätzlich wunderwirkendes und lebenspendendes Zeichen. Doch für die lebendige Erinnerung scheint das steinerne Zeichen nicht genug. Dafür bedarf es des Wortes – und der Schrift. Und die so übermittelte Botschaft wird für die Zukünftigen zur Wurzel und Quelle, ohne die das Leben unbewusstes Dahingehen ist. Wie sehr die Überlegung Kirakos selbst betrifft, und dass er durch sein Werk in Erinnerung bleiben will, wird offenbar, wenn er seine Einleitung mit den Worten abschließt: „Möge uns dies (Buch) zum Grabmal werden, nicht ähnlich dem Stein des Abisołom (Absalom), sondern lebendig“.10

Das Buch bekommt also eine weitere Funktion: Es wird zum lebendigen Gedächtnisstein, der letztlich unempfindlich macht gegen das Ausreißen von Grabsteinen, wie z. B. denen von Dschulfa.←18 | 19→


3 Siehe dazu die „Entschließung des Europäischen Parlaments zum Kulturerbe in Aserbaidschan“, P6_TA(2006)0069; vgl. Meldung des Zentralrats der Armenier in Deutschland (ZAD) vom 11.4. 2006. Zum Friedhof, siehe, J. Baltrušaitis/D. Kouymjian, Julfa on the Arax and its funerary Monuments; Artikel Armenischer Friedhof Culfa, http://de.wikipedia.org/wiki/Armenischer_Friedhof_(Culfa) [gesehen am 09.05.2017].

4 Zur aserbaidschanischen Form der Geschichtsneuschreibung, siehe S. Winter, „Ein alter Feind wird nicht zum Freund”. Fremd- und Selbstbild in der aserbaidschanischen Geschichtsschreibung, 51 f. 79–86.

5 Zum Vardapetamt, siehe S. 36, Anm. 7.

6 Kirakos gibt mehrfach Beispiele von Städten, die nach geleistetem Widerstand gegen die Mongolen liquidiert wurden, so die armenische Hauptstadt Ani, wie später Bagdad, die Hauptstadt des Abbasidenkalifats. Zu Ani heißt es, nachdem die Stadt auf die Versicherung freien Abzugs kapituliert hatte: „Und als nach draußen kam all die Menge, teilten sie sie (auf) und das Schwert über sie bringend, machten sie sie in Gänze erbarmungslos nieder, wenige Frauen und Kinder übriglassend und die kunstfertigen Männer, die sie in die Gefangenschaft brachten.“ KG, 258. Ebenso wurde mit den Einwohnern Eznkas (Erzincan) und Bagdads verfahren. KG, 283 f. 382.

7 „Denn was verkündete der Mann Gottes, der heilige Nersēs, über das Volk der Bogenschützen und die Zerstörung des armenischen Landes, jetzt hat es sich erfüllt durch das Volk, welches T‘at‘ar heißt, denn viele Völker und Völkerschaften hat es vertilgt, was an seinem Platz wir erzählen werden.“ KG, 9. Siehe Abschnitt III. 1; III. 2. 3; III. 2. 4 dieser Arbeit.

8 KG, 4 in Anlehnung an Ps. 78, 3–6.

9 Arm. Kreuzstein. Die Xač‘k‘are bilden Erinnerungsmale, zugleich reicht ihre Bedeutung weit darüber hinaus. Vgl. Abschnitt III. 3. 2.

10 KG, 10. Zur Stelle, siehe auch Abschnitt III. 1. Zum Denkmal des Absalom, siehe 2. Sam. 18, 18.

Einleitung

Nachdem vor ca. 100 Jahren durch Forscher wie Heinrich Hübschmann, Josef Marquardt oder Josef Karst die Armenologie in Deutschland auf dem Gebiet der Sprach- und Geschichtsforschung in hoher Blüte stand, führt sie in unserer Zeit eher ein Nischendasein. Und obwohl gerade auf dem Gebiet der Historiographie von der frühbyzantinischen Phase bis in die Zeit der osmanischen Eroberung Konstantinopels die armenischen Verfasser eine Säule der mittelalterlichen Quellen für den Großraum von Klein- bis Vorderasien darstellen, korrespondiert ihre Bedeutung derzeit nicht mit der allgemeinen Kenntnis.

Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, anhand einer historischen und religionswissenschaftlichen Analyse einen Beitrag zur Kenntnisnahme der politischen und religiösen Kultur Armeniens im 13. Jh. zu leisten.

Die Geschichte Armeniens des Kirakos Ganjakec‘i bildet – neben Vardan Arewelc‘is und der etwa ein Vierteljahrhundert später beendeten des Step‘annos Ōrbelean – die ausführlichste und authentischste Geschichtsdarstellung des 13. Jh.s in Armenien.

Wenn die Geschichte Armeniens auch wohl nicht das einzige Werk des Autors ist, so doch dasjenige, das zweifelsfrei von ihm stammt und an Bedeutung seine sonstigen Schriften weit überragt.

Die Untersuchung setzt bei Kirakos’ eigener Methode der Abfassung von Geschichte an. Kirakos erzählt die Ereignisse in Bezug auf ganz Armenien. Dabei wechselt er oft die Schauplätze der Handlung und berichtet über eine Reihe unterschiedlicher Länder, Völker und deren Hauptgestalten, beschränkt sich dabei aber meist auf knappe Bemerkungen und Episoden. In dieser Arbeit sollen daher die historischen Rahmenbedingungen ebenso wie die geistlichen und politisch-militärischen Protagonisten, die in der Geschichte Armeniens angesprochen werden, in ihren Zusammenhängen genauer erfasst werden. Kirakos’ Motivation und Zielsetzung bei der Abfassung des Werkes wird im Kontext der anderen armenischen Geschichtswerke in den Blick genommen. Die Untersuchung arbeitet durchgehend eng am Text dieses Werkes. Das ist umso mehr geboten, als es eine deutsche Übersetzung, wie überhaupt eine vollständige moderne Übersetzung in eine westeuropäische Sprache bisher nicht gibt.11 Die Vielzahl der übersetzten Textpassagen bietet aus erster Hand einen Einblick in die Mentalität des Verfassers und seiner Epoche.12←19 | 20→

Für die armenische Geschichtsschreibung gilt allgemein, dass deren Ausgangspunkt Mesrop Maštoc‘ und Sahak I. Part‘ew bilden, die mit der eigenen Buchstabenschrift die Basis für eine nationale Literatur schufen und den Grundstein des späteren Sonderwegs der armenischen Christenheit legten.13 Zweifellos waren es die großen Adelsfamilien, wie die der Mamikonean, Bagratowni und Arcrowni, die ein Interesse an der Darstellung ihrer Geschichte und Abstammung hatten und insofern wesentlich mitverantwortlich für die Herausbildung der armenischen Geschichtsschreibung im Mittelalter waren. In ihrem direkten Auftrag entstanden mehrere Werke, wie die Verfasser in ihren Einleitungen belegen.14 Doch parallel dazu war das kirchliche Interesse an der Darstellung der Geschichte immens. Der Niedergang der großen Fürstenfamilien, insbesondere der Mamikonean, nach den gescheiterten Rebellionen gegen die Araber im 8. Jh. und der der Bagratowni und Arcrowni im Zusammenhang der Seldschukeninvasion im 11. Jh.,15 wandelte die Geschichtsschreibung mehr und mehr zu einer nahezu innerkirchlichen Disziplin, wofür Kirakos als Beispiel steht.16

Im Anschluss an die Chronik und Kirchengeschichte des Eusebios wird bewusst die Verbindung der eigenen Kirche wie des Volksganzen mit der Botschaft dieses ersten Kirchenhistorikers untermauert und in der Weise rezipiert und modifiziert, dass die Armenier als wahre Erben der konstantinischen Wende und als Fortsetzer seines Geschichtswerkes gelten können. Eusebios bildet so den Grundstein der christlichen Geschichtsschreibung. Ihm folgt Sokrates Scholastikos als unmittelbares Bindeglied zu den armenischen Verfassern.17 In der Folge des Auseinanderstrebens der griechischen und armenischen Kirchen ab dem 6. Jh. wird die griechische Geschichtsschreibung bei den Armeniern auf diese beiden Verfasser reduziert. Die nachfolgenden griechischen Geschichtsschreiber finden bei den armenischen Verfassern keine Erwähnung mehr. Damit in Verbindung steht die Interpretation des Volkes Gottes. Ist nach Eusebios dessen Rolle von den Juden nunmehr auf die Christen übergegangen, beziehen die Armenier den Ausdruck zunehmend auf das eigene Volk.18 Diese Prämissen formen ein Muster der Geschichtsschreibung mit, in das sich Kirakos einreiht.←20 | 21→

In seinem Aufsatz L’historiographie arménienne gliedert Joseph Muyldermans die Thematik der mittelalterlichen armenischen Geschichtsschreiber in sieben Kategorien: 1. nationale Geschichte, 2. Universalgeschichte, 3. Geschichte einer bestimmten Epoche, 4. Geschichte eines bedeutsamen Ereignisses, 5. Geschichte eines Fürstengeschlechts, 6. Geschichte einer besonderen armenischen Provinz, 7. Biographie einer bedeutenden Persönlichkeit.19

Es ist bemerkenswert und Zeichen der Rezeption seiner Vorgänger, dass Kirakos’ Geschichtswerk an jeder dieser Kategorien Anteil hat.

Details

Seiten
546
ISBN (PDF)
9783631728901
ISBN (ePUB)
9783631728918
ISBN (MOBI)
9783631728925
ISBN (Paperback)
9783631728895
DOI
10.3726/b11452
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Juni)
Schlagworte
Mittelalterliche Geschichtsschreibung Hagiographie Kreuzzüge Byzanz Georgien Seldschuken
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018, 546 S., 3 farb. Abb., 1 s/w Tab.

Biographische Angaben

Heiko Conrad (Autor:in)

Heiko Conrad studierte Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach einem Aufbaustudium am dortigen Orientalischen Institut (Seminar für Christlichen Orient und Byzanz) und mehrmonatigen Studienaufenthalten in Venedig und Jerewan wurde er an der Philosophischen Fakultät Halle zur armenischen Geschichte des Mittelalters promoviert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Titel: Geschichte und Wundergeschichten im Werk des Kirakos Ganjakec‘i (13. Jh.)
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