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Forschungsnahes Lehren und Lernen in der Lehrer*innenbildung

Forschungsmethodische Zugänge und Modelle zur Umsetzung

von Mandy Schiefner-Rohs (Band-Herausgeber:in) Gianpiero Favella (Band-Herausgeber:in) Anna-Christin Herrmann (Band-Herausgeber:in)
©2019 Sammelband 250 Seiten

Zusammenfassung

Das Thema des forschungsnahen Lehrens und Lernens ist vor allem durch bildungspolitische Notwendigkeiten der letzten Jahre stärker in den Blick der Hochschulpraxis geraten. Die Lehrer*innenbildung kann diesbezüglich jedoch auf eine lange Tradition zurückschauen. Dieser Herausgeberband möchte die Themenbereiche schulpädagogische Forschungsperspektive und hochschuldidaktische Umsetzungsformen verbinden und richtet sich an Lehrende und Forschende in der Lehrer*innenbildung. Die Publikation unternimmt den Versuch, ebenso Forschungszugänge wie auch hochschuldidaktische Konstruktionen des forschenden Lernens vorzustellen und problemorientiert einzuordnen. Außerdem werden konzeptionelle Entwicklungslinien und fachdidaktische Zugänge abgesteckt. Dabei kommen nationale wie auch internationale Stimmen zu Wort.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Teil A: Forschungsperspektiven auf forschungsnahes Lehren und Lernen
  • Empirische Zugänge zu Forschendem Lernen
  • Zur universitären Anbahnung stellvertretender Krisenbewältigung: Eine Kritik des Forschendes Lernens im Lehramtsstudium
  • Reflektierende Praktiker*innen: Zur wissenssoziologischen Rahmung eines doppelten Leitbilds forschenden Lernens
  • Wirkmechanismen forschungsorientierter Lehre: Was wirkt wie unter welchen kontextspezifischen Bedingungen?
  • Teil B: Modelle forschungsnahen Lehrens und Lernens
  • Praxisforschung im Lehramtsstudium: das Oldenburger Modell
  • Was lernen Studierende, wenn sie forschen? Eine Reflexion der Prämissen und Wirkungserwartungen im Kontext forschenden Lernens in der Lehrerbildung
  • Von Beginn an! Ein Vorschlag zur Gestaltung einer forschungsund berufsbezogenen ersten Studienwoche in einem professionsorientierten Studiengang
  • Videobasierte Lehr-Lern-Plattformen als Modelle Forschenden Lernens in der Lehrer*innenbildung: Konzeptionelle Überlegungen zur Ausbildung und Förderung professioneller Unterrichtswahrnehmung von Politiklehrer*innen
  • Warum sollen Lehrer*innen forschen? Ein Blick aus pädagogisch fachdidaktischer Perspektive
  • Forschendes Lehren und Lernen in der Lehrer_innenbildung: Ambivalenzmuster und Ablaufstörungen aus der Perspektive von Studierenden
  • Forschungsorientiert Lernen durch Beobachten, Dokumentieren und Analysieren sachunterrichtlicher Szenen
  • Autor*innen

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Einleitung

1. Forschungsnahes Lehren und Lernen in der Lehrer*innenbildung – zwischen Wissenschaft, Praxis und Person

Forschungsnahes Lehren und Lernen ist durch die Debatten um die Reform der Lehrer*innenbildung und durch bundesweite bildungspolitische Förderprogramme wie dem Qualitätspakt Lehre oder der Qualitätsoffensive Lehrerbildung sowie mit den damit entstandenen Projekten an den Hochschulen in den letzten Jahren immer stärker in den Blick geraten. Die Lehrer*innenbildung kann diesbezüglich jedoch auf eine längere Tradition zurückschauen, insbesondere genau dann, wenn mittels Forschungsorientierung der Versuch unternommen wird, die Theorie-Praxis-Verzahnung zu bearbeiten. Die bestehenden Umsetzungsvarianten lassen sich dabei hinsichtlich dieser Verzahnung in drei Formen unterscheiden, „wie Konzepte des Forschenden Lernens das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis konzipieren“ (Hofer, 2013, S. 314; vgl. auch ebd., S. 314ff.): Es gibt Formen, die eine Strukturanalogie zwischen wissenschaftlicher Reflexion und der Reflexion des schulischen und unterrichtlichen Handelns betonen (z. B. Fichten, 2010). Formen, die wissenschaftliches Wissen und schulisches sowie unterrichtliches Wissen in ihrer Eigenlogik und ihrer Differenz anerkennen (z. B. Helsper, 2001) oder Relationierungsformen, in denen wissenschaftliche und praktische Wissensformen miteinander mittels „wissenschaftliche Praxiskonzeptionen“ (ebd., S. 316; Hervorh. i. Orig.) ins Verhältnis gesetzt werden, in denen die Praxis zum wissenschaftlichen Erkenntnisobjekt wird (z. B. Schneider & Wildt, 2009).

Versucht man sich zudem einen Überblick über die Publikationstätigkeit zum Themenfeld Forschendes Lernen in der Lehrer*innenbildung zu verschaffen, so fällt auf, dass die bisherigen Publikationen häufig entweder schulpädagogische Forschungsperspektiven einnehmen, wie etwa professionalisierungstheoretische Begründungen (z. B. Pflugmacher et al., 2009; Hofer, 2013) und Theorie-Praxis-Implikationen (z. B. Obolenski & Meyer, 2003) oder hochschuldidaktische Umsetzungsformen (z. B. Spieß et al., 2017; Wildt, 2005) adressieren. Die vorliegende Herausgeberschaft möchte diese beiden Richtungen aufgreifen und zwischen Forschungsperspektiven auf forschungsnahes Lehren und Lehren und hochschuldidaktischen Konzepten unterscheiden.

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1.1 Teil A: Forschungsperspektiven auf forschungsnahes Lehren und Lernen

Mit dem Teil Forschungsperspektiven auf forschungsnahes Lehren und Lernen wird der Versuch unternommen, verschiedene forschungsmethodische und -praktische Zugänge zum forschungsnahen Lernen in der Hochschule am Beispiel der Lehrer*innenbildung aufzuzeigen. Dabei bilden theoretische Reflexionen über Professionalisierungsansätze im Verhältnis zu forschungsnahem Lernen, empirische Untersuchungen über verschiedene Umsetzungsformen sowie evaluationsorientierte Zugänge zu forschungsnahen Lernen eine leitende Perspektive.

Der Beitrag von Wolfgang Fichten und Ulrike Weyland beschäftigt sich mit empirischen Zugängen zu forschendem Lernen. Mit dieser Fokussierung nimmt der Beitrag ein drängendes Thema (nicht nur) in der Lehrer*innenbildung auf, da oftmals forschendes Lernen mit vielen Zielen und Versprechungen umgesetzt wird, in der empirischen Begleitung aber eher vage bleibt. Nach der Vorstellung des Konzepts des Forschendes Lernens beschäftigen sich beide zunächst mit formulierten Zielen und intendierten Wirkungen forschenden Lernens, da diese Klärungen für ein gegenstandsadäquates Forschungsdesign notwendig sind. Nach einer kurzen Bilanz zu Befunden empirischer Arbeiten wird insbesondere auf methodologische Erklärungen sowohl zu Empirie und Evaluation als auch zu messenden und hermeneutischen Verfahren eingegangen, bevor im Anschluss daran mögliche Schwierigkeiten und Herausforderungen skizziert werden.

Marion Pollmanns plädiert anschließend in einem eher kritischen Beitrag für ein Lehramtsstudium, in dem Studierende an der erkenntniskritischen Erschließung von Wirklichkeit mitarbeiten. Im Rückgriff auf das strukturtheoretische Modell von Professionalität Ulrich Oevermanns (1996) werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede des professionellen Handelns von Lehrer*innen und von Wissenschaftler*innen herausgestellt. Es wird jedoch angezweifelt, ob das Konzept des Forschenden Lernens eine Einsozialisierung in die Wissenschaft überhaupt leisten kann. Zwei Argumentationen werden hierzu entfaltet, die darin münden, dass Forschendes Lernen einerseits dazu beitrage, „das Studium zum Zweck der Qualitätssicherung zu curricularisieren und zu didaktisieren“ (S. 44). Andererseits willige man mit diesem hochschuldidaktischen Konzept dem „mehr oder weniger Dilettieren[.]; im Modus der Inszenierung“ (S. 45) von Forschung ein.

Im Anschluss an wissenschaftstheoretische Diskussionen entfaltet Andreas Feindt das Reflexionspotenzial in der Praxis forschenden Lernens. Anhand von ←10 | 11→Thesen wird ergründet, an welchen Stellen im Forschungsprozess Selbstreflexion thematisch wird. In der Aktionsforschung ist ein Moment der kritischen Reflexion des eigenen Forschungshandelns involviert, weshalb – so seine These – die Reflexion nicht nur in der Auseinandersetzung der fremden, zu beobachtenden Praxis liege, sondern insbesondere in der eigenen, forschenden Praxis selbst begründet ist. Feindts Ausführungen führen zu dem Schluss, dass forschendes Lernen aus wissenssoziologischer Sicht ergänzt und empirisch fundiert werden muss, hierin ließe sich eine Klammer zum Beitrag von Wolfgang Fichten und Ulrike Weyland ziehen.

Gianpiero Favella und Sigrid Haunberger plädieren abschließend dafür, Forschungsorientierung als Mehrebenen-Phänomen zu begreifen und ziehen hierzu den Evaluationsrahmen der Realistic Evaluation heran (Pawson & Tilley, 1997). Ziel des Beitrags ist es, die mit Forschungsorientierung verbundenen Wirkfaktoren zu erschließen. Um Wirkungsmechanismen zu analysieren, werden die Rahmenbedingungen auf der Makro- und Mesoebene von den Erfahrungen der Lehrenden auf der Mikroebene unterschieden.

1.2 Teil B: Modelle forschungsnahen Lehrens und Lernens

Der zweite Teil des Buches richtet den Fokus von der Forschungs- auf die Gestaltungsperspektive und richtet sich damit eher an Hochschullehrende, die in der Lehrer*innenbildung, in den Fachwissenschaften und der Fachdidaktik aktiv sind. Die Modelle werden somit nicht nur aus Sicht der Bildungswissenschaften, sondern auch aus Sicht der Fachdidaktiken und Fachwissenschaften zusammengetragen.

Zu Beginn dieses Kapitels beschreibt Wolfgang Fichten die Besonderheiten von Forschendem Lernen auch im Hinblick auf die vergangenen Jahre und den Vorsätzen der Bundesassistentenkonferenz (BAK). Es wird weiterhin auf das Verständnis von Forschendem Lernen und dessen Merkmale eingegangen, besonders im Fokus der Lehrer*innenbildung. Des Weiteren werden Realisierungsansätze diskutiert und unter deren Berücksichtigung das Modell der Oldenburger Teamforschung vorgestellt. Dargestellt werden neben der Geschichte auch Ziele und Fragestellungen dieses Projekts genauso wie Produkte und Wirkungen. Abschließend wird nicht nur dieses Modell diskutiert, sondern auch Forschendes Lernen gegenüber anderen Konzepten und den Besonderheiten, die vor allem in der Lehrer*innenbildung in der universitären Phase berücksichtigt werden müssen.

Basierend auf der Oldenburger Teamforschung stellen Nora Katenbrink und Beate Wischer das Konzept der Osnabrücker Forschungswerkstatt ←11 | 12→Schulentwicklung vor. In diesem Beitrag werden zunächst Ziele und Bausteine des Konzepts vorgestellt sowie die Umsetzung genauer beschrieben und eingeordnet. Anschließend lenken sie den Blick auf Effekte und Potenziale für die Professionalisierung der zukünftigen Lehrer*innen, indem sie durch empirische Forschungen an der eigenen Lehre der Frage nachgehen „Was lernen die Studierenden, wenn sie forschen?“. Abgeschlossen wird der Beitrag durch eine kritische Hinterfragung von Forschendem Lernen in der Lehrer*innenbildung in Aspekten der Form der Beteiligung sowie der Auseinandersetzung mit Zielkonflikten zwischen der Forschung und dem Beruf als Profession.

Eine internationale Sicht leistet Peter Tremp in seinem Beitrag aus der Schweiz, in welchem nicht nur Forschendes Lernen vor dem Hintergrund des Zürcher Framework beschrieben, sondern der Blick vor allem auf einen konzeptionellen Beitrag zur didaktischen Diskussion um eine forschungsorientierte Studieneingangsphase gelenkt wird. Der Vorschlag für eine erste Woche an der Hochschule soll den pädagogischen Ort des Studieneingangs unter didaktischer und struktureller Perspektive beleuchten, also „‚Hochschule‘ als wissenschaftliche Lehr- und Forschungseinrichtung von Beginn weg“ (S. 122). Des Weiteren werden Herausforderungen desselben aufgezeigt, denn nicht nur die Forschung stellt (forschungsmethodische) Ansprüche an die Studieneingangsphase. Abschließend werden auch im Hinblick auf den Bezug von Forschendem Lernen und den professionsorientierten Berufsbezug der Lehrer*innenbildung Probleme aufgezeigt.

Eine weitere Projekt-Perspektive zeigen May Jehle, Maria Theresa Meßner und Nadine Heiduk in ihrem Beitrag über das Frankfurter Projekt „LEVEL – Lehrerbildung vernetzt entwickeln“ auf. Das Konzept zeichnet sich in erster Linie durch die Vernetzung von Praxisansprüchen und Ansätzen des Forschenden Lernens aus, wobei die empirische Erforschung der Potenziale sowie die Lehr-Lerneinheiten durch Videos unterstützt werden. Hintergrund sind konzeptionelle Überlegungen zur Entwicklung, Ausbildung und Förderung der professionellen Unterrichtswahrnehmung von angehenden Politiklehrer*innen. Abschließend werden Möglichkeiten vor dem Hintergrund der produktiven Verunsicherung der Studierenden diskutiert.

Die Perspektive auf eine pädagogisch-fachdidaktische Sichtweise von Forschendem Lernen eröffnet Ilse Bartosch. Ausgehend von Veranstaltungen an der Universität Wien und dem Konzept „Pedagogical Content Knowledge“ (Shulman, 1987) wird beschrieben, warum Forschendes Lernen wichtig ist, um den reflexiven Gedanken des Professionswissens gerecht zu werden. Der Schwerpunkt liegt hier vor allem bei in den Naturwissenschaften ausgebildeten ←12 | 13→Lehramtsstudierenden sowie deren Blick auf die Naturwissenschaft an sich und der Genderthematik an Schule und Universität.

Der Beitrag von Udo Gerheim mit dem Titel „Forschendes Lehren und Lernen in der Lehrer*innenbildung – Ambivalenzmuster und Ablaufstörungen aus der Perspektive von Studierenden“ untersucht und diskutiert das hochschuldidaktische Konzept des Forschendes Lernens auf ihre Potenziale für die Lehrer*innenbildung und dessen Professionalisierungsanspruch. Dabei stützt er sich auf Forschungs- und Evaluationsergebnisse von (Master-)Veranstaltungen an der Universität Oldenburg. Das Erkenntnisziel ist, die Grenzen in Form von Ambivalenzen, Störparametern sowie Lernwiderständen aufzuzeigen, um Forschendes Lernen weiterentwickeln zu können.

Forschendes Lernen wird abschließend von Heike de Boer in seiner Reinform im Ausgang von fachdidaktischer Unterrichtsentwicklung angezweifelt. Im Unterschied dazu schlägt die Autorin vor, das hochschuldidaktischen Prinzip als forschungsorientiertes Lernen mit fokussierter Fragestellung zu verstehen. Es wird in diesem Zusammenhang im Unterschied zur ethnographischen auf die pädagogische Beobachtungsform (de Boer, 2012) Bezug genommen, in der die Frage bearbeitet wird, wie Lernprozesse in der schulischen Praxis im Kontext fachdidaktischer Situationen von den Schüler*innen als Akteur*innen hervorgebracht werden.

2. Verortung der Beiträge zu Forschungsperspektiven und Modellen

Die in diesem Band aufgeführten Beiträge bilden exemplarische Entwicklungslinien verschiedener Diskurse forschungsnahen Lernens ab. Während die Beiträge bisher eher einem Ziel (eine eher forschungsorientierte oder gestaltungorientierte Perspektive auf das Phänomen Forschendes Lernen) zugeordnet wurden, können aber auch Bezüge zwischen den Artikeln hergestellt werden. Im Folgendem wird der Versuch unternommen, zum einen die Beiträge zueinander ins Verhältnis zu setzen und zum anderen auch durch die in diesem Band versammelten Beiträge Knotenpunkte im Themenfeld des forschungsnahen Lernens zu markieren, aus denen sich zukünftig weitere Entwicklungslinien erschließen lassen könnten.

Möchte man die Beiträge zueinander ins Verhältnis setzen, bietet es sich an, ein Modell zu nehmen, um die Beiträge auf ein gemeinsames Drittes – hier verstanden als Wissenschaft, Praxis und Person – hin zu befragen. In der Verortung der Beiträge könnte dies das Dreiecksgefüge von Ulrike Weyland (2010) sein, welches forschungsnahes Lehren und Lernen zwischen den Polen ←13 | 14→Wissenschaft, Praxis und Person aufspannt. Forschungsnahes Lernen, so die Argumentation, stellt den Bezug zwischen diesen drei Größen sicher. Möchte man nun die Beiträge zueinander in Beziehung setzen, so sind die einzelnen Beiträge dahingehend zu befragen, welchem der drei Pole sie nahe stehen: Steht im zu verorteten Beitrag eher die Wissenschaft mit ihren spezifischen Handlungsproblemen im Fokus, eher die Praxis des Handelns in der Schule oder impliziert der Beitrag eine Auseinandersetzung mit der Person, indem dieser beispielsweise die Rolle der Reflexion besonders betont. Da das Modell von Weyland vor allem auf Grundlagen zur Forschung rund um Schulpraktische Studien beruht, sollen die Beiträge zusätzlich auch zwischen den Polen der Nähe und Distanz zur schulischen Praxis aufgetragen werden. Dies macht es möglich auch andere Überlegungen zu forschungsnahem Lehren und Lernen zu verorten. Hierzu werden Andreas Feindts (2007) Ausführungen zu Konzepten studentischer Forschung hinzugezogen, welche sich zwischen einerseits der Involviertheit in die schulische Praxis und andererseits die Distanz zur schulischen Praxis aufspannen.

2.1 Forschungsnahes Lernen im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Person und Praxis

Ulrike Weyland (2010) zeigt im Rückgriff auf Bayer, Carle und Wildt (1997) auf, wie sich die Professionalisierung von Lehrer*innen zwischen den Bezugssystemen Wissenschaft, Praxis und Person gestaltet. Für jedes einzelne Bezugssystem ist charakteristisch, dass es eine spezifische Struktur und einen spezifischen Eigensinn hat, den es in der universitären Lehrer*innenbildung herauszustellen gilt (vgl. Weyland, 2010, S. 320). Das Dreiecksgefüge perspektiviert dabei deutlicher als die bisherigen (Dreiecks-)Modelle (Huber, 1983; Bayer, Carle & Wildt, 1997) die „Ziel-Mittel-Relation“ (Weyland, 2010, S. 318), die im forschenden Lernen bisher nur minder beachtet wurde. Die Grundlage des Dreiecksgefüge (Abbildung 1) bilden drei Referenzsysteme, entlang derer die mit den schulpraktischen Studien verbundenen Ziele bestimmt werden können (vgl. Weyland, 2010, S. 341):

eine erkenntnisbezogene Perspektive (als eine Perspektive der Wissenschaft),

eine handelnd-pragmatische Perspektive (als eine Perspektive der schulischen Praxis) und

eine selbstreflexions- und entwicklungsbezogene Perspektive (als eine Perspektive des handelnden Subjekts).

Abbildung 1: Forschungsnahes Lernen im Spannungsfeld zwischen. Wissenschaft, Person und Praxis (Weyland, 2010, S. 341)

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Jedoch lässt sich jedes einzelne Bezugssystem zunächst analytisch von dem anderen separat betrachten (vgl. Schied, 2011, S. 148f.). Die Zielsetzungen, die mit der erkenntnisbezogenen Perspektive verbunden sind, beziehen sich darauf, dass innerhalb der Praxisphase ein theoretisches Reflexionswissen entwickelt wird. Zu begründen ist dieses Ziel dadurch, dass die Praxisphase in der Lehrer*innenbildung nicht nur eine „funktional-pragmatische“ (ebd., S. 148) Seite, sondern auch eine erkenntnisbezogene Seite involviert, die auf die Aneignung fachwissenschaftlicher, fachdidaktischer und erziehungswissenschaftlicher Wissensbeständen gerichtet ist.

2.2 Forschungsnahes Lehren und Lernen zwischen Schule und Hochschule

Ein anderer Einfluss auf die Gestaltung der Verortung der Beiträge hatten die Konzepte studentischer Forschung in schulischer Praxis von Andreas Feindt (2007). Dies kann als Weiterentwicklung des „Vierfeldschema“ (Koch-Priewe, ←15 | 16→Kolbe & Wildt, 2004) gesehen werden und ordnet verschiedene „hochschuldidaktische Ansätze im Kontext der reflexiven Lehrerinnenbildung“ (Feindt, 2007, S. 70) ein. Forschungsnahe Ansätze bieten sich in diesem Zusammenhang besonders gut an, da „sie die Studierenden anleiten, im gesamten Feld der Schule Probleme zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln“ (Huber, 2009, S. 23f.). Neben der Problemlösekompetenz und der damit verbundenen forschenden Haltung soll auch eine reflexive Distanz zur pädagogischen (Berufs-)Praxis sowie ein differenziertes Verständnis von Theorie und Praxis aufgebaut werden. Diese Kompetenzen unterstützen somit auch die Professionalisierung der zukünftigen Lehrer*innen, indem das theoriegeleitete pädagogische Verstehen gefördert wird (Potzmann, 2017). Nun stellt sich aber die Frage nach der Involviertheit der Studierenden in die Praxis, also nach der „Aufteilung oder Integration von wissenschaftlich angeleiteter Reflexion und berufspraktischem Handeln, in Bewusstheit von Vor- und Nachteilen des jeweiligen Ansätze“ (ebd., S. 82). Wobei anzumerken ist, dass sich die Studierenden immer „strukturiert anhand verschiedener Forschungsmethoden“ (Feindt, 2007, S. 74) mit der Schulpraxis auseinandersetzen. Um einen Überblick über mögliche Formen zu geben, bettet Feindt mikrodidaktische forschungsnahe Lehr-Ansätze zwischen zwei Polen ein, einerseits der Involviertheit in die schulische Praxis und damit der Bezug zur Aktionsforschung1 (Altrichter, Feindt & Zehetmeier, 2014; Schön, 1983) und andererseits die Distanz zur schulischen Praxis bzw. die Involviertheit in wissenschaftliches Handeln mit dem Bezug zur strukturtheoretischen Analyse professionellen Handelns (Helsper, 2000; Oevermann, 1996):

Abbildung 2: Forschungsnahes Lernen im Kontinuum zwischen. Schule und Hochschule (in Anlehnung an Feindt, 2007, S. 83)

Details

Seiten
250
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631787465
ISBN (ePUB)
9783631787472
ISBN (MOBI)
9783631787489
ISBN (Hardcover)
9783631763223
DOI
10.3726/b15524
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Schlagworte
Forschendes Lehren und Lernen Lehrerbildung Hochschulpraxis Hochschuldidaktik Fachdidaktik Schulpädagogik
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 250 S., 11 s/w Abb., 6 Tab.

Biographische Angaben

Mandy Schiefner-Rohs (Band-Herausgeber:in) Gianpiero Favella (Band-Herausgeber:in) Anna-Christin Herrmann (Band-Herausgeber:in)

Mandy Schiefner-Rohs ist als Juniorprofessorin der Sozialwissenschaften an der TU Kaiserslautern tätig. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Pädagogische (Hoch-) Schulentwicklung, Medienbildung und -handeln in Institutionen, forschungsorientiertes Lehren und Lernen. Gianpiero Favella ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Kaiserslautern im Bereich Sportwissenschaften. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkt ist Theorie-Praxis-Verzahnung in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung und Praxen universitärer Bildung. Anna-Christin Herrmann ist studentische Mitarbeiterin im Fachgebiet Pädagogik an der TU Kaiserslautern mit dem Arbeits- und Forschungsschwerpunkten Schulentwicklung, Praxen universitärer Bildung und forschungsnahes Lehren und Lernen.

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