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DaF-Übungsgrammatiken zwischen Sprachwissenschaft und Didaktik

Perspektiven auf die semanto-pragmatische Dimension der Grammatik

von Daniela Puato (Autor:in) Claudio Di Meola (Autor:in)
©2017 Monographie 308 Seiten

Zusammenfassung

DaF-Übungsgrammatiken sind ein wesentlicher Bestandteil der Unterrichtspraxis, haben jedoch in der Forschung relativ wenig Beachtung gefunden. Die Studie untersucht 24 international ausgerichtete Übungsgrammatiken für Anfänger und Fortgeschrittene auf ihre wissenschaftliche und didaktische Adäquatheit. Die Autoren diskutieren hierbei zwölf grammatische Phänomene aus den Bereichen Morphosyntax und Textaufbau unter semanto-pragmatischen Aspekten. Sie analysieren unter anderem Genus, Tempus, Modus, Diathese, Wortbildung, Wortstellung und Satzverknüpfung. Das Buch ist forschungsorientiert, versteht sich aber auch als didaktische Anregung für Lehrende und Lernende.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhalt
  • Vorwort
  • Einleitung
  • A. Übungsgrammatiken im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis (Claudio Di Meola)
  • A.1. Was genau ist Grammatik? – eine immerwährende Diskussion
  • A.2. (Wie) sollte Grammatik unterrichtet werden?
  • A.3. Wie sieht eine gute didaktische Regel aus?
  • A.4. Übungsgrammatiken – Charakteristika und Typologie
  • A.5. Übungsgrammatiken in der wissenschaftlichen Diskussion
  • Literatur
  • B. Konzeption und Korpus der Untersuchung (Daniela Puato)
  • B.1. Ausgangsposition: ein semanto-pragmatisches und textuelles Grammatikverständnis
  • B.2. Die untersuchten Übungsgrammatiken
  • B.3. Die untersuchten grammatischen Phänomene
  • B.4. Gesamtaufbau und Struktur der einzelnen Kapitel
  • Nominale Kategorien
  • 1. Genus (Claudio Di Meola)
  • 1.1. Genus in der Forschung
  • 1.1.1. Forschungsüberblick
  • 1.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 1.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 1.2. Genus in Übungsgrammatiken
  • 1.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 1.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 1.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 1.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • 2. Kasus: präpositionsregierter Akkusativ/Dativ (Claudio Di Meola)
  • 2.1. Präpositionsregierter Akkusativ/Dativ in der Forschung
  • 2.1.1. Forschungsüberblick
  • 2.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 2.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 2.2. Präpositionsregierter Akkusativ/Dativ in Übungsgrammatiken
  • 2.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 2.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 2.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 2.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • Verbale Kategorien
  • 3. Tempus I: Präsens/Futur I (Claudio Di Meola)
  • 3.1. Präsens und Futur I in der Forschung
  • 3.1.1. Forschungsüberblick
  • 3.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 3.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 3.2. Präsens und Futur I in Übungsgrammatiken
  • 3.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 3.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 3.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 3.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • 4. Tempus II: Perfekt/Präteritum (Daniela Puato)
  • 4.1. Perfekt und Präteritum in der Forschung
  • 4.1.1. Forschungsüberblick
  • 4.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 4.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 4.2. Perfekt und Präteritum in Übungsgrammatiken
  • 4.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 4.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 4.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 4.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • 5. Modus: Konjunktiv/Indikativ in der Redewiedergabe (Daniela Puato)
  • 5.1. Modus und Redewiedergabe in der Forschung
  • 5.1.1. Forschungsüberblick
  • 5.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 5.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 5.2. Modus und Redewiedergabe in Übungsgrammatiken
  • 5.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 5.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 5.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 5.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • 6. Diathese I: Aktiv/Passiv (Daniela Puato)
  • 6.1. Aktiv und Passiv in der Forschung
  • 6.1.1. Forschungsüberblick
  • 6.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 6.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 6.2. Aktiv und Passiv in Übungsgrammatiken
  • 6.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 6.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 6.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 6.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • 7. Diathese II: Passivalternativen (Daniela Puato)
  • 7.1. Passivalternativen in der Forschung
  • 7.1.1. Forschungsüberblick
  • 7.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 7.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 7.2. Passivalternativen in Übungsgrammatiken
  • 7.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 7.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 7.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 7.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • Wortbildung
  • 8. Komposition: Nomen+Nomen (Daniela Puato)
  • 8.1. Komposition in der Forschung
  • 8.1.1. Forschungsüberblick
  • 8.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 8.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 8.2. Komposition in Übungsgrammatiken
  • 8.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 8.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 8.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 8.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • Wortstellung
  • 9. Mittelfeld: Konstituentenabfolge (Daniela Puato)
  • 9.1. Mittelfeldabfolge in der Forschung
  • 9.1.1. Forschungsüberblick
  • 9.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 9.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 9.2. Mittelfeldabfolge in Übungsgrammatiken
  • 9.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 9.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 9.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 9.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • Satz- und Textaufbau
  • 10. Informationsstrukturierung I: syntaktische Hierarchisierung (Daniela Puato)
  • 10.1. Syntaktische Hierarchisierung in der Forschung
  • 10.1.1. Forschungsüberblick
  • 10.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 10.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 10.2. Syntaktische Hierarchisierung in Übungsgrammatiken
  • 10.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 10.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 10.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 10.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • 11. Informationsstrukturierung II: Interpunktion (Daniela Puato)
  • 11.1. Interpunktion in der Forschung
  • 11.1.1. Forschungsüberblick
  • 11.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 11.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 11.2. Interpunktion in Übungsgrammatiken
  • 11.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 11.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 11.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 11.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • 12. Informationsverknüpfung: Koreferenz (Daniela Puato)
  • 12.1. Koreferenz in der Forschung
  • 12.1.1. Forschungsüberblick
  • 12.1.2. Forschungsschwerpunkte
  • 12.1.3. Darstellung in wissenschaftlichen Grammatiken
  • 12.2. Koreferenz in Übungsgrammatiken
  • 12.2.1. Anfänger-Grammatiken
  • 12.2.2. Fortgeschrittenen-Grammatiken
  • 12.3. Wissenschaftliche und didaktische Wertung der Übungsgrammatiken
  • 12.4. Didaktische Vorschläge
  • Literatur
  • Fazit
  • C. Zusammenfassung (Daniela Puato)
  • D. Ausblick (Daniela Puato)
  • Anhang
  • Namenregister
  • Korpus: Übungsgrammatiken und wissenschaftliche Grammatiken

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Vorwort

Übungsgrammatiken haben sich längst auf dem Markt für Deutsch als Fremdsprache etabliert, sind aber von Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik – besonders im Vergleich zu anderen Lehrmaterialien – weitgehend vernachlässigt worden.

Hier setzt die vorliegende Studie an und untersucht eine repräsentative Auswahl von Übungsgrammatiken Deutsch als Fremdsprache für Anfänger und Fortgeschrittene (24 an der Zahl) in einer linguistischen Perspektive. Im Mittelpunkt stehen somit nicht methodische Fragen der Wissensvermittlung, sondern das (grammatische) Wissen an sich. Es geht hier nicht um das „Wie“ im Grammatikunterricht, sondern um das „Was“, d.h. um die Inhalte der Didaktisierung, die zu oft als gegeben und selbstverständlich vorausgesetzt werden. Genauer gesagt, wird die wissenschaftliche Adäquatheit der in den Grammatiken enthaltenen Regeln und Erklärungen unter die Lupe genommen. Uns geht es also nicht so sehr um die Frage, wie explizites Regelwissen erfolgreich erworben und umgesetzt wird, sondern ob es sich um „richtiges“ (d.h. dem Gegenstand angemessenes) und „förderliches“ (die Sprachverwendungskompetenz erweiterndes) Wissen handelt.

Das Buch ist wie folgt strukturiert. Nach einleitenden Betrachtungen zu Grammatik (im DaF-Unterricht) sowie zu Konzeption und Korpus der Untersuchung werden zwölf Phänomene detailliert untersucht, die Lernschwierigkeiten darstellen oder anderweitig von didaktischer Relevanz sind, vor allem was Textproduktion und -rezeption betrifft. Dabei stehen semantische und pragmatische Aspekte im Vordergrund. Die zwölf Kapitel sind so angeordnet, dass zunächst nominale (Genus, Kasus), dann verbale Kategorien betrachtet werden (Tempus I/II, Modus, Diathese I/II); von der Wortbildung (Komposition Nomen+Nomen) über die Wortstellung (im Mittelfeld) geht es dann zum Satz- und Textaufbau im eigentlichen Sinne (Informationsstrukturierung I/II und Informationsverknüpfung). Im Schlussteil findet sich eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse sowie ein Ausblick auf die wichtigsten Desiderata für moderne Übungsgrammatiken.

Das Buch ist forschungsorientiert, möchte aber zugleich zeigen, dass Grammatik nützlich und darüber hinaus spannend und kreativ sein kann, nicht nur im Auge der Linguisten. Das Buch will also auch didaktische Anregung für Lehrende und Lernende sein.

Rom, im Mai 2017

Daniela Puato
Claudio Di Meola

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Einleitung

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A. Übungsgrammatiken im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis

(Claudio Di Meola)

Abstract: The introductory chapter briefly discusses different conceptions of grammar and the role of grammar in foreign language teaching. Having outlined the foremost characteristics of didactic grammars, a brief survey is given over the main scientific studies on German grammars for foreign learners.

Bevor auf Konzeption und Korpus der vorliegenden Studie eingegangen wird (Kapitel B), erscheint es geboten, einige einleitende Überlegungen zu Grammatik, Grammatikunterricht sowie zu den Übungsgrammatiken (=ÜGs) als Lehrwerk-Typologie anzustellen.

Im Einzelnen wird gefragt, was unter Grammatik zu verstehen ist (Punkt A.1), ob und wie Grammatik unterrichtet werden sollte (Punkt A.2), welche Eigenschaften eine gute didaktische Regel haben sollte (Punkt A.3), welche wesentlichen Charakteristiken ÜGs besitzen und welche Arten von ÜGs vorliegen (Punkt A.4). Ein kurzer Überblick über die Forschungsliteratur zu ÜGs rundet das Bild ab (Punkt A.5).

A.1. Was genau ist Grammatik? – eine immerwährende Diskussion

Der Terminus „Grammatik“ wird in mindestens drei verschiedenen Lesarten verwendet: das formale Regelsystem einer Sprache, ein entsprechendes theoretisches Beschreibungsmodell sowie ein konkretes Werk, das dieses System beschreibt.1

Wenn wir von Grammatik im Sinne von systematischen formbezogenen Regelmäßigkeiten sprechen, so handelt es sich um die Gesamtheit der Phänomene, die: a) formal gekennzeichnet sind; b) einen rekurrierenden Charakter haben; c) eine kombinatorische Funktion besitzen, d.h. durch Baumuster systematisch ← 15 | 16 → Sprachelemente zueinander in Verbindung setzen. Der Schwerpunkt der Grammatik wird traditionell in der Morphosyntax verortet („Grammatik im engeren Sinne“ nach Imo 2016). Grammatik wird zumeist als überindividuelles System gesehen, aber auch als Wissenskomplex bestimmter Sprachteilhaber, die je nach Kompetenz in unterschiedlichem Grade an diesem System teilhaben; so geht man beispielsweise von einer Lernergrammatik aus (d.h. Grammatik wird als kognitiver Prozess verstanden, der im Kopf der Lerner abläuft).

In einer zweiten Lesart wird mit „Grammatik“ eine Theorie mit übereinzelsprachlichem Anspruch bezeichnet, die ein wissenschaftliches Analysemodell des Sprachsystems liefern möchte. So spricht man beispielsweise von Phrasenstrukturgrammatik, Transformationsgrammatik oder Konstruktionsgrammatik, wobei natürlich nicht jede Grammatiktheorie auch „Grammatik“ in ihrem Namen trägt (so z.B. die Optimalitätstheorie).2

In einer dritten Lesart ist Grammatik ein Nachschlagewerk für eine bestimmte Sprache, das einer Theorie verpflichtet oder auch (weitgehend) theorieneutral sein kann. Eine Grammatik kann je nach Zielsetzung und Zielgruppe unterschiedlich ausgerichtet sein: synchronisch oder diachronisch, präskriptiv oder deskriptiv, wissenschaftlich oder didaktisch. Traditionell befassen sich Grammatiken mit der Schriftsprache, zunehmend allerdings auch mit gesprochener Sprache.3

In der Linguistik gibt es nun unterschiedliche Perspektiven auf das grammatische Regelsystem, die über die reine Formbezogenheit hinausgehen. Die semantische Seite der Grammatik wurde bereits von der inhaltbezogenen Grammatik (Sprachinhaltforschung) weisgerberscher Prägung in den Mittelpunkt gestellt, in jüngerer Zeit von der Cognitive Grammar (Langacker, Lakoff) unter Einbeziehung kognitiver Kategorien. Die pragmatisch-kommunikative Seite der Grammatik wird von den verschiedenen Strömungen der Funktionalen Grammatik hervorgehoben (im deutschen Sprachraum beispielsweise von Hoffmann, Ehlich und Welke), die textuelle Seite der Grammatik bereits von Weinrich. Auch weitere sprachtheoretische Ansätze tragen zu einer besseren Beleuchtung der Grammatik bei, so z.B. die Grammatikalisierungsforschung, die sich mit den engen Beziehungen zwischen Form und Inhalt – besonders bei Desemantisierungsprozessen auf diachronisch-synchronischer Ebene – befasst, oder die Konstruktionsgrammatik, die die Verbindungen zwischen Lexikon und Grammatik untersucht. Die Soziolinguistik schließlich lenkt den Blick auf die konnotative ← 16 | 17 → Bedeutung von grammatischen Strukturen, insbesondere ihre diastratisch-diatopische Variation.4

A.2. (Wie) sollte Grammatik unterrichtet werden?

Die Rolle der Grammatik im muttersprachlichen und fremdsprachlichen Deutschunterricht sowie im (weitgehend ungesteuerten) Zweitspracherwerb ist intensiv diskutiert worden, wobei die Unterscheidung zwischen DaF und DaZ nicht immer klar zu ziehen ist (vgl. Ahrenholz 2013).5 An dieser Stelle seien überblickartig zumindest erwähnt: die einführenden Werke von Funk/Koenig (1991/2013), Bredel (2007), Granzow-Emden (2014) sowie die Sammelbände von Bausch (1979), Götze (1985), Gross/Fischer (1990), Harden/Marsh (1993), Ágel/Brdar-Szabó (1995), Gnutzmann/Königs (1995), Handwerker (1995), Diehl u.a. (2000), Börner/Vogel (2002), Babylonia-Themenheft (2003), Becker/Peschel (2006), Köpcke/Ziegler (2007), Köpcke/Ziegler (2011), Bredel/Schmellenthin (2014), Dengscherz/Businger/Taraskina (2014), Gornik (2014), Handwerker u.a. (2015) und Köpcke/Ziegler (2015). Beiträge rund um den Grammatikunterricht finden sich ferner in allgemeinen Werken zum (Fremd-)Sprach(en)unterricht wie Helbig u.a. (2001), Bredel u.a. (2003), Ahrenholz/Oomen-Welke (2010), Krumm u.a. (2010), Köpcke/Noack (2011), Hahn/Wazel (2011), Oomen-Welke/Ahrenholz (2013), Bürgel/Siepmann (2014) sowie in mehreren einschlägigen Festschriften (u.a. Popp 1995, Skibitzki/Wotjak 2000, Schmenk/Würffel 2011).6

Grammatikunterricht kann verschiedene Zielsetzungen, Inhalte und Methoden der Wissensvermittlung aufweisen.7 Was die Zielsetzung betrifft, so kann Grammatik mitunter als eigenständiger Bildungswert aufgefasst werden; Sprache ← 17 | 18 → wird als Kulturgut angesehen, ein Einblick in deren Gesetzmäßigkeiten als ein Weg zur Findung der kulturellen Identität und zur Förderung der interkulturellen Fremderfahrungen (vgl. z.B. Huneke/Steinig 2013).8 Zumeist wird Grammatik jedoch in dienender Rolle betrachtet als Hilfsmittel zur Verbesserung der kommunikativen Leistungen (z.B. mit Nachdruck bei Helbig 1999 oder 1992; vgl. auch jüngst Summer 2016) und zur Beschleunigung des Spracherwerbs oder auch zur Vermeidung von Fossilisierungen (Koeppel 2016). Im Einzelnen ist die Wichtigkeit des grammatischen Wissens hervorgehoben worden für die Bewertung von Sprachverhalten (Merten 2007) und für die Abwägung von Alternativen (Ossner 2006). Dieses Wissen habe „mäeutisches Potential“ (Klotz 2007) und ermögliche differenzierende Sprachrezeption und -produktion, besonders beim Schreiben (Ossner 2007, Hoffmann 2008). Grammatik wird also als wesentlicher Bestandteil zur Erlangung einer Sprachbewusstheit angesehen (vgl. Dürscheid 2010), d.h. der Fähigkeit, als mündiger Sprachteilnehmer bewusst sprachliche Mittel wahrzunehmen und einzusetzen. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Vermittlung von explizitem linguistisch-grammatischem Wissen die Sprachaneignung für den Lerner kognitiv interessanter gestaltet (Tinnefeld 2014).

Der Frage, ob Grammatikvermittlung im Fremdsprachenunterricht einen realen Nutzen für die Lernenden darstellt, ist in Fallstudien mehrmals nachgegangen worden und prinzipiell bejaht worden (vgl. Schirrmeister 2013, 2015 zum Genus oder Schlak 2004 zum Wirtschaftsdeutschen).

Was den Inhalt des Grammatikunterrichts betrifft, so wird einer rein formbezogenen Didaktik fast durchgehend eine funktionale vorgezogen. Die Notwendigkeit eines funktionalen Grammatikunterrichts wird vor allem in der DaM-Forschung hervorgehoben – was nicht überraschend ist, da bei den meisten Schülern ein gewisses Maß an formaler morphosyntaktischer Korrektheit bereits gegeben ist (z.B. Peyer 2010, Berkemeyer 2011; besonders dezidiert Hoffmann 2006). Aber auch spezifisch für den DaF-Unterricht wird diese Forderung erhoben (Götze 2000, Redder 2010), wobei allerdings der Begriff „Funktion“ sehr vielschichtig ist und oftmals als „undifferenziertes Schlagwort“ (Helbig 1999) verwendet wird.

Was die Methodik des Grammatikunterrichts angeht, so lässt sich zunächst zwischen systematischer und situationsgebundener Wissensvermittlung unterscheiden. Erstere strebt einen systemlinguistischen Überblick an, letztere geht jeweils von den kommunikativen Bedürfnissen der Lernenden aus, d.h. wenn sich ← 18 | 19 → im Einzelfall Probleme ergeben oder Fragen aufgeworfen werden. Ein Kompromissversuch stellt der sogenannte integrierte Ansatz dar, der Grammatikarbeit mit Textarbeit auf Produktions- wie Rezeptionsebene verknüpft. Zu erwähnen ist ferner der in den letzten Jahren immer häufiger geforderte formfokussierte Unterricht in der Fremdsprache (Weis 2015, Schumacher 2015): Die Aufmerksamkeit des Lerners soll auf bestimmte grammatische Phänomene gelenkt werden, ohne dessen Sprachverarbeitungsprozesse zu stören.

Methodisch wird außerdem einem deduktiven Vorgehen (Erklärung eines Phänomens mit Beispielen, dann Anwendung durch die Lernenden) ein induktives Verfahren gegenübergestellt (vgl. z.B. die „Grammatikwerkstatt“ von Menzel 1999). Im Rahmen eines „entdeckenden Lernens“ steht die „Regel“ dabei nicht am Anfang des Lernprozesses, sondern am Ende: Die Lernenden stellen auf der Grundlage vorliegender sprachlicher Daten Hypothesen zu einem bestimmten grammatischen Phänomen auf, verifizieren diese und gelangen schließlich eigenverantwortlich zur Formulierung der entsprechenden Regularität.

Schließlich wird die Relevanz einer Progression im Grammatikunterricht hervorgehoben. So wird vor allem betont, dass es auch im gesteuerten Spracherwerb für eine Reihe von Phänomenen bestimmte Erwerbssequenzen gibt, die von der Progression in den Lehrbüchern abweichen kann (z.B. Diehl u.a. 2000, Diehl/Pistorius 2002, Diehl/Pistorius/Dietl 2002; Tschirner 2000). Damit explizites Regelwissen auch zu einer fehlerfreien und angemessenen Anwendung dieser Regeln führt, sollten Erwerbssequenzen und Unterrichtsprogressionen in Einklang gebracht werden.9 Darüber hinaus sollte Grammatik zyklisch behandelt werden, da das Grammatikverständnis der Lernenden sich erst allmählich herausbildet (vgl. Rall 2001).

Was spezifisch die Grammatik im Fremdsprachenunterricht betrifft, so hat sie in den verschiedenen Lehrmethoden jeweils einen unterschiedlichen Stellenwert. In der Grammatik-Übersetzungs-Methode ist die deduktiv-explizite Grammatikvermittlung zentral. Grammatisches Verständnis soll einen wesentlichen Beitrag zur Bildung der Lernenden leisten und die Rezeption von geschriebenen Texten fördern.

Demgegenüber ist in der audiolingualen Methode die Grammatikvermittlung induktiv-implizit. Mündlichkeit steht im Mittelpunkt, Grammatik wird in (fiktiven) Dialogen präsentiert und mittels pattern drills eingeübt. Beiden Ansätzen gemeinsam ist die grundlegende Grammatikorientierung. ← 19 | 20 →

Die kommunikative Methode ist hingegen auf sprachliches Handeln im Alltag ausgerichtet, was Situationen wie Themen betrifft. Grammatik soll die Erlangung der Kommunikationsfähigkeit in dienender Funktion lediglich unterstützen und wird somit zweitrangig. Auch der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen basiert auf handlungsorientierten Postulaten und verliert die Grammatik aus den Augen, so dass die Schwierigkeit besteht, einem bestimmten Niveau des Referenzrahmens spezifische Grammatikinhalte zuzuordnen.

Die interkulturelle Methode, die Eigenes und Fremdes der Lernenden gegenüberstellt, beinhaltet wenigstens im Ansatz auch eine Reflexion über Sprache.10 Im Rahmen der kognitiven Methode stehen ebenfalls Sprachbewusstheit und Reflexion über Sprache und Lernprozesse im Mittelpunkt (z.B. Wolff 2002), wobei allerdings grammatischem Wissen unterschiedliche Stellenwerte zugeordnet werden können.11

In der heutigen „post-methodischen“ Phase steht nun die Lernerzentriertheit im Mittelpunkt. Grammatik (und ihre explizite Vermittlung) spielt also eine mehr oder weniger wichtige Rolle je nach Zielgruppe oder Lerngegenstand oder zur Verfügung stehenden Zeit – ihre grundsätzliche Existenzberechtigung im Unterricht wird nicht mehr in Zweifel gezogen. Die wichtigsten DaF-Einführungswerke behandeln in der Tat mehr oder weniger ausführlich die Thematik der Grammatikvermittlung (so z.B. die jüngsten Einführungen von Rösler 2012, Huneke/Steinig 2013 oder Roche 2013).

A.3. Wie sieht eine gute didaktische Regel aus?

Will man grammatische Regeln unter didaktischen Gesichtspunkten bewerten, muss zuvor erörtert werden, wie eine didaktisch sinnvolle Regel allgemein auszusehen hat.12 Sie sollte, vereinfacht gesagt, folgende Charakteristiken besitzen: ← 20 | 21 →

1) Zuverlässigkeit/Reliabilität. Es sollten keine – oder möglichst wenige bzw. unbedeutende – Ausnahmen vorliegen. So ist beispielsweise die ausnahmslose morphologische Genusregel „Nomina auf -ung sind Feminina“ besser als „Nomina auf -tum sind Neutra“, wo der Reichtum oder der Irrtum als Ausnahmen gelten.

2) Reichweite/Skopus. Es sollten möglichst viele Vertreter einer bestimmten Klasse abgedeckt werden. So ist beispielsweise die produktive morphologische Genusregel „Nomina auf -er sind Maskulina“ besser als „Nomina auf -ling sind Maskulina“, da letztere sich lediglich auf eine kleine, feste Gruppe von Bildungen bezieht.

3) Frequenz/statistische Relevanz. Die Regel sollte zahlenmäßig häufige Vertreter einer bestimmten Klasse betreffen. So ist beispielsweise die Genusregel „Nomina auf -er sind Maskulina“ (mit Bildungen wie Fahrer, Lehrer usw.) besser als „Nomina auf -ling sind Maskulina“ (mit Vertretern wie Setzling, Däumling u.a.).

4) Kognitive Relevanz. Die betroffenen Wörter sollten dem Grundwortschatz (vgl. „Nomina auf -er sind Maskulina“) bzw. die betroffenen Strukturen der Grundgrammatik angehören.

5) Systematizität. Liegt mehr als eine Regel für ein bestimmtes Phänomen vor (wie z.B. bei der Genuszuweisung), so sollte die einzelne Regel sich gut in den Regelkomplex einfügen, wobei Widerspruchsfreiheit (die Regeln sollten nicht miteinander in Konflikt geraten) und Ökonomie (Vermeidung von spezifischen Regeln, die sich auf allgemeinere zurückführen lassen) wichtige Kriterien sind. Der Regelkomplex sollte durch Übersichtlichkeit gekennzeichnet sein (d.h. klar differenzierte Untergruppen von Regeln), wobei insgesamt eine möglichst geringe Anzahl von Regeln angestrebt wird.

6) Anwendbarkeit. Die Regeln sollten insgesamt mit einem möglichst geringen kognitiven Aufwand verbunden sein. Sie sollten leicht verständlich und memorisierbar sein sowie einfach in Sprachproduktion wie -rezeption anzuwenden sein. Sie sollten möglichst wenig (grammatisches) Zusatzwissen voraussetzen. Eine unter letzterem Gesichtspunkt „schlechte“ Regel wäre beispielsweise die Genusregel „Deverbativa auf -t sind Feminina“, da das Erkennen eines unproduktiven Bildungsmusters (sehen>Sicht, tun>Tat u.a.) sprachgeschichtliche Kenntnisse verlangt.

A.4. Übungsgrammatiken – Charakteristika und Typologie

Sehen wir uns nun die Struktur von ÜGs näher an (vgl. auch den Überblick bei Di Meola 2017). ÜGs setzen sich zusammen aus einem Regelteil, der aus ← 21 | 22 → Erklärungen und eventuell aus zur Illustration dienenden Beispielen besteht, sowie aus einem Übungsteil, der die praktische Anwendung der Regeln trainieren soll. Verbreitet sind Einsetzungs-, Konstruktions- und Transformationsübungen. Darüber hinaus gibt es fast immer einen mehr oder weniger ausführlichen Serviceteil im Anhang: Register, Lösungen zur Selbstkontrolle, verschiedene Listen. Zumeist handelt es sich bei den Listen um unregelmäßige Verben, aber auch um Verben und Präpositionen mit ihrer jeweiligen Rektion; vereinzelt finden sich reflexive Verben, Satzzeichen, Wortarten oder auch Grammatikterminologie. Relativ selten kommen zusätzliche Informationen in Randspalten vor, beispielsweise allgemeine Lerntipps.

Eine ÜG dient primär – im Gegensatz zu einem Lehrwerk – als Nachschlagewerk. Sie hat systematischen Charakter, d.h. die einzelnen Themenbereiche werden jeweils zusammenhängend dargestellt, sodass sie auch unabhängig voneinander bearbeitet werden können; die gegebene Reihenfolge muss also nicht zwingend eingehalten werden. Auch wenn eine ÜG nicht direkt an eine Lernprogression gebunden erscheint, sollte sie jedoch nicht vollkommen losgelöst sein von den tatsächlichen Erwerbssequenzen der Lernenden. Aus diesem Grunde werden Grammatiken für unterschiedliche Niveaustufen angeboten.

Zumeist folgen die ÜGs den traditionellen Einteilungen der Schulgrammatik, wie beispielsweise die beiden folgenden Kapitelübersichten zeigen:

Details

Seiten
308
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631729069
ISBN (ePUB)
9783631729076
ISBN (MOBI)
9783631729083
ISBN (Hardcover)
9783631729052
DOI
10.3726/b11464
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (September)
Schlagworte
Deutsch Fremdsprachenunterricht Grammatiktheorie Grammatikvermittlung Morphosyntax Textaufbau
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2017. 308 S., 66 Tab.

Biographische Angaben

Daniela Puato (Autor:in) Claudio Di Meola (Autor:in)

Daniela Puato ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Rom Sapienza. Ihre Forschungsgebiete umfassen DaF-Grammatik, Fachsprachen und Kontrastive Linguistik. Claudio Di Meola ist Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Rom Sapienza. Seine Forschungsgebiete sind Morphosyntax, Semantik und Kognitive Linguistik.

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Titel: DaF-Übungsgrammatiken zwischen Sprachwissenschaft und Didaktik
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