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Sprachbildung und Sprachkontakt im deutsch-polnischen Kontext

Unter Mitarbeit von Barbara Stolarczyk

von Britta Hufeisen (Band-Herausgeber:in) Dagmar Knorr (Band-Herausgeber:in) Peter Rosenberg (Band-Herausgeber:in) Christoph Schroeder (Band-Herausgeber:in) Aldona Sopata (Band-Herausgeber:in) Tomasz Wicherkiewicz (Band-Herausgeber:in)
©2018 Konferenzband 324 Seiten

Zusammenfassung

Der Band thematisiert die besonderen Bedingungen des deutsch-polnischen Sprachkontakts auf deutscher und polnischer Seite. Dieser Spezifik entsprechend ist das Buch gegliedert in die thematischen Schwerpunkte «Potenzial von Zweisprachigkeit und Einstellungen zur Zweisprachigkeit, Linguistische Untersuchungen zur Zweisprachigkeit und Grenzregion und Mehrsprachigkeit».
Das Buchprojekt ist in Kooperation deutscher und polnischer Linguisten entstanden und geht auf eine Sektionentagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL) zurück. Dass die Autorinnen und Autoren ihre Beiträge auf Deutsch und Polnisch verfasst haben, steht programmatisch für die Intention dieser Publikation: Interesse zu wecken für die Spezifik des (zu) wenig beachteten deutsch-polnischen Sprachkontakts.

Tematem przewodnim tomu są szczególne uwarunkowania polsko-niemieckiego kontaktu językowego zarówno w Polsce jak i w Niemczech. W związku ze wspomnianą specyfiką w zbiorze porusza się następujące zagadnienia: «Potencjał dwujęzyczności i nastawienie do dwujęzyczności, Lingwistyczne badania dwujęzyczności oraz Region nadgraniczny i wielojęzyczność».
Tom ten powstał w ramach współpracy polskich i niemieckich lingwistów, która zainicjowana została na Konferencji Towarzystwa Lingwistyki Stosowanej – Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL). Fakt, że artykuły zawarte w tym tomie napisane są w języku niemieckim lub polskim, wynika z intencji przyświecającej powstaniu tejże publikacji: wzbudzić zainteresowanie specyfiką (za) mało zauważanego polsko-niemieckiego kontaktu językowego.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort der Herausgeber
  • 1 Potenzial von Zweisprachigkeit und Einstellungen zur Zweisprachigkeit
  • Nicht perfekt, aber zufrieden. Aus dem Sprachleben deutsch-polnischer Schüler in Berlin (Joanna Błaszczak / Marzena Żygis)
  • Wege zur deutsch-polnischen Zweisprachigkeit in Berlin (Joanna Burkhardt / Grit Mehlhorn)
  • Empirische Befunde zur Wirksamkeit des narrativen Fremdsprachenunterrichts in Kindergärten (Jan Iluk / Mariusz Jakosz)
  • (Fach-)Sprache ist des Schicksals Schmied: Schülerkompetenzen in Deutsch und Polnisch und ihre Motivation zum Sprachenlernen als Mehrwert für den Beruf (Magdalena Wiażewicz)
  • 2 Linguistische Untersuchungen zur Zweisprachigkeit
  • Einfluss des Spracherwerbsalters auf den Gebrauch der Konditionalformen bei polnisch-deutschen Bilingualen (Izabela Błaszczyk)
  • Jak kształtować dwujęzyczność zrównoważoną. Biografia językowa Julii (Jagoda Cieszyńska-Rożek)
  • Der Artikeleinsatz im Deutschen durch polnischsprachige Lernende: Konsequenzen für den DaF-Unterricht (Rafał Suda / Sandra Pappert)
  • 3 Grenzregion und Mehrsprachigkeit
  • Linguistische „Grenzschaften“: Kommunikationsstrategien in der deutsch-polnischen Grenzregion am Beispiel von Bewohnern der polnischen Städte Zgorzelec und Łęknica (Barbara Alicja Jańczak)
  • Rezeptive Mehrsprachigkeit in der deutsch-polnischen Grenzregion (Goro Christoph Kimura)
  • Nauczanie języka niemieckiego jako obcego w polsko-niemieckim regionie przygranicznym – realizacja treści regionalnych za pomocą elementów metody projektów (Tomasz Lis)
  • Mehrsprachigkeit in der Linguistic Landscape der Metropole Ruhr mit besonderer Berücksichtigung des Polnischen (Tirza Mühlan-Meyer)
  • Projektarbeit im universitären Herkunftssprachenunterricht Polnisch – Forschungsidee (Barbara Stolarczyk)
  • Über die Autorinnen und Autoren
  • Reihenübersicht

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Vorwort der Herausgeber

Der deutsch-polnische Sprachkontakt ist bisher selten Gegenstand eines eigenen Sammelbandes gewesen – und ist es doch wert.

Polnischsprecher und -sprecherinnen und Menschen mit einer Verbindung nach Polen sind in Deutschland zahlreich: Die Bevölkerung mit polnischem Migrationshintergrund zählt in Deutschland ca. 2 Millionen (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2016: 14). Damit steht diese Bevölkerungsgruppe an zweiter Stelle nach der Bevölkerung mit einem türkischen Migrationshintergrund. 783.085 von ihnen besitzen ausschließlich die polnische Staatsangehörigkeit (2016), was eine Verdoppelung seit 2008 (393.848) bedeutet (Statistisches Bundesamt 2017). Gesamtbefragungen (2000–2003) unter Grundschülern in Hamburg und Essen1 ergaben einen Anteil von 11 % in Hamburg bzw. 12 % in Essen, von denen gut die Hälfte mit Mutter oder Vater (ein Drittel mit beiden) zu Hause Polnisch sprachen.

Gleichwohl ist die Anzahl der Schüler, die an einem Polnischunterricht teilnehmen, in der Bundesrepublik gering: Die Kultusministerkonferenz gibt für allgemeinbildende Schulen im Schuljahr 2015/16 für 12 Bundesländer 11.256 Schüler an, davon gut 40 % in den an Polen angrenzenden Bundesländern Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und noch einmal so viele im historisch mit Polen (durch die Ruhrpolen) verbundenen Nordrhein-Westfalen.2 Im Jahr 2011 machten die am Polnischunterricht Teilnehmenden etwa 0,1 Prozent der gesamten Schülerschaft aus. Ein erheblicher Anteil entfällt auf den sogenannten Herkunftssprachenunterricht, ← 7 | 8 → betrifft also vor allem Schülerinnen und Schüler mit polnischem Migrationshintergrund.

Dagegen ist das Interesse am Deutschen in Polen nach wie vor groß. „In keinem anderen Land der Welt lernen mehr Menschen Deutsch als in Polen. Insgesamt sind es 2,3 Mio. Deutschlernende, davon 2,1 Mio. an Schulen“ (Auswärtiges Amt 2015: 19). Das sind doppelt so viele wie etwa in Frankreich (ebd.). Zwar ist das Deutsche, das traditionell in Ost- und Ostmitteleuropa als Fremdsprache – besonders in Gebieten mit deutscher Geschichte wie in Schlesien – stark vertreten ist, gegenüber dem Englischen zurückgefallen. Aber der Anteil der DaF-Lernerinnen und -Lerner beträgt immer noch 40 % der polnischen Schüler (Englisch: 90 %, Russisch: 5 %; Auswärtiges Amt 2015: 19). Die deutsch-polnische Sprachkontaktsituation kann also als asymmetrisch bezeichnet werden.

Hinsichtlich der Spracheinstellungen sieht sich Polnisch in Deutschland einem geringen Interesse gegenüber. Es besitzt den Ruf einer „kleinen“ Sprache, die von geringem instrumentellen Wert sei – was angesichts von knapp 40 Millionen Sprechern (im Vergleich etwa mit 67 Millionen Französisch- und 60 Millionen Italienisch-Sprechern) unangemessen erscheint.

In einer Umfrage des Instituts für deutsche Sprache zur Beliebtheit von Sprachen und Akzenten in Deutschland rangieren das Polnische und ein polnischer Akzent auf den hinteren Plätzen3: Nur 2,3 % der 2.000 Befragten geben einen polnischen Akzent als „sympathisch“ an. Auch die an Polen angrenzenden Bundesländer zeigen kaum höhere Werte. Das heißt nicht, dass der Rest ihn als „unsympathisch“ bewertet (dies waren nur 8,5 %). Unter den als „sympathisch“ eingeschätzten Sprachen liegt Polnisch in einer Schülerumfrage mit 5,7 % auf dem vorletzten Platz (aber bei polnischen „Muttersprachlern“ 45,4 %). Als „unsympathisch“ beurteilen es 15,5 %. Auch dies lässt sich nicht so interpretieren, dass die restlichen Schüler es als unsympathisch ansehen. „Desinteresse“ beschreibt die Situation wohl besser. ← 8 | 9 →

Alle Nachbarsprachen des Deutschen (außer Französisch) sind von einem ähnlich geringen Interesse betroffen: Ein niederländischer Akzent wird von 7,3 %, die niederländische Sprache von 7,5 % als sympathisch eingeschätzt, ein dänischer Akzent gilt 3,6 % als sympathisch.

Asymmetrien zwischen demographisch, ökonomisch und geopolitisch „großen“ und „kleinen“ Nachbarn sind nicht ungewöhnlich. In den deutsch-polnischen Beziehungen kommt hinzu, dass die Bevölkerung mit polnischem Migrationshintergrund in Deutschland als „unsichtbare“ Minderheit gilt (vgl. Loew 2014), die wenig Anlass zu öffentlichen (Problem-)Debatten gibt, aber ebenso wenig Förderung erhält.

Angesichts der Förderung der deutschsprachigen Minderheit in Polen seit 1990 ist die mangelnde Förderung seit Langem Gegenstand der Kritik von polnischer Seite. Dieser Kritik gegenüber hat die Bundesregierung bisher stets auf den völkerrechtlichen Unterschied zwischen der autochthonen Minderheit der Deutschen in Polen und der allochthonen Minderheit polnischer Migranten in Deutschland verwiesen (vgl. Dzikowska 2006).

Das Charakteristikum einer „unauffälligen“ Minderheit kennzeichnet zumindest die mediale Präsenz der Bevölkerung mit polnischem Migrationshintergrund, obwohl die polnische Migration nach wie vor eine bedeutende Dimension besitzt, häufig in Form der „Pendelmigration“, die zeitweise ein Leben in Polen und die Arbeit in Deutschland verbindet (Frauen häufig in Pflegeberufen, Männer im Bausektor). Diese Art der Migration wird in der Migrationsforschung als „Transmigration“ bezeichnet (Gogolin & Pries 2004): Sie ist weniger auf dauerhafte Residenz ausgelegt, sie ist im Verhältnis zum Herkunftsland, zum Aufnahmeland, im zeitlichen Horizont sowie hinsichtlich der Migrationsmotive unbestimmt und unabgeschlossen, weshalb auch „Integration“ die Bewegung in einem „transnationalen Sozialraum“ nicht angemessen kennzeichne (Gogolin & Pries 2004: 13), in dem „Hybridität“ eine langlebige Erscheinung sei.

Aus einer umfangreichen quantitativen Studie4 geht hervor, dass Mehrsprachigkeit bereits bei der ersten Generation, mehr noch aber bei der ← 9 | 10 → zweiten Generation verbreitet ist: Während die erste Generation zur Hälfte überwiegend oder nur Polnisch zu Hause spricht, ist dies in der zweiten Generation bei einem Drittel der Fall. Gleichwohl steht die Vereinbarkeit von polnischer und deutscher „Zugehörigkeit“ – ähnlich anderen Minderheiten – in Deutschland unter einem unangemessenen Entscheidungsdruck: Während sich in der zweiten Generation gut 80 % als Polen bezeichnen und gut 50 % ein Zugehörigkeitsempfinden gegenüber Polen angeben, bezeichnen sich nur gut 40 % als Deutsche und 33 % fühlen sich zu Deutschland zugehörig (Strzępek 2015: 78, 80).

Zwei- und Mehrsprachigkeit sind unter Sprechern mit polnischer Familienbiographie aus verschiedenen Gründen verbreitet: Das Deutsche genießt bei der älteren Generation einen hohen Status, teils als Bildungssprache, teils als Sprache der Arbeitsmigration.

Familiär ist das Deutsche häufig die Partnersprache mit dem (deutschen) Partner: Jańczak (2013) kommt in ihrer Studie mit 68 deutsch-polnischen Familien (in Deutschland und Polen) zu dem Ergebnis, dass die Polinnen, die in Deutschland wohnen, überwiegend die Umgebungssprache Deutsch als Kommunikationssprache mit dem Partner wählen – im Unterschied zu den in Polen lebenden deutschen Männern, die ihre Herkunftssprache verwenden. Die Partnersprache ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Familiensprache: In den deutsch-polnischen Familien neigen die polnischen Mütter dazu, mit den Kindern in der eigenen Muttersprache zu sprechen, das heißt: Die intergenerationelle Weitergabe des Polnischen besitzt hohen Wert. Polnisch in der Familie beschränkt sich weitgehend auf deutsch-polnische Partnerschaften und auf die Grenzregion.

Welche Rolle spielt die Grenzregion für den deutsch-polnischen Sprachkontakt?

Zunächst ist festzustellen, dass sich die deutsch-polnischen Grenzregionen – mit den Euroregionen Pomerania, Pro Europa Viadrina, Spree-Neiße-Bober/Sprewa-Nysa-Bóbr, Neisse-Nisa-Nysa, die sich seit dem Deutsch-Polnischen ← 10 | 11 → Nachbarschaftsvertrag 1991 entwickelt haben – von den Grenzregionen im Westen Deutschlands stark unterscheiden:

Anders als etwa im deutsch-niederländischen Grenzgebiet (mit teils dialektalen Übergängen) oder an der deutsch-dänischen Grenze besteht keine sprachliche Nahverwandtschaft.5

Die heutige deutsch-polnische Grenzregion ist keine alte Grenzregion, sondern erst seit 1945 Grenzgebiet. Die polnische Bevölkerung ist eine „allochthone“ Bevölkerung, die nach der Westverlagerung Polens und der Flucht und Vertreibung deutscher Bevölkerung in die „wiedergewonnenen“ Gebiete umgesiedelt wurde und vor der Umsiedlung nicht im sprachlichen Kontakt mit dem Nachbarland Deutschland stand. Es bestehen weder eine sprachliche Nahverwandtschaft, noch dialektale Übergänge, noch auch nur eine längere gemeinsame Grenzgeschichte. In der DDR-Zeit wurde die Grenze 1950 als endgültige deutsch-polnische Grenze anerkannt und als sozialistische „Friedensgrenze“ proklamiert. Sie war aber nur für eine vergleichsweise kurze Zeit frei passierbar (1972–1980) und wurde bereits 1980 mit den aufkommenden polnischen Streikbewegungen (und zur Eindämmung des Konsumgütereinkaufs durch polnische Kunden) wieder für den visafreien Verkehr geschlossen. Die Stadtstrukturen der Grenzstädte – etwa von Frankfurt (Oder) und seiner Partnerstadt Słubice (ehemals „Dammvorstadt“) – machen deutlich, dass Abkehr voneinander und nicht Verbindung miteinander die Grenzregion prägten: In der DDR-Zeit wurden alle städtebaulichen Bezüge auf die andere Oderseite als politischer „Revisionismus“ gebrandmarkt.

Grenzen können nach den Kriterien der Durabilität (Stabilität), der Permeabilität (Durchlässigkeit) und Liminalität (des abrupten oder fließenden Übergangs) klassifiziert werden (vgl. Schiffauer et al. 2014, 2018, Neyer 2013): Danach ließe sich die deutsch-polnische Grenzregion einschätzen als eine junge Grenzregion, die auf keine hohe Durabilität zurückblicken kann, in ihrer jungen Geschichte allerdings wenig Permeabilität aufwies, heute ← 11 | 12 → jedoch freien Personen-, Waren- und Ideenverkehr erlaubt. Hinsichtlich der Liminalität ist sie eine vergleichsweise abrupte Grenze, weitgehend ohne fließenden Übergang oder schrittweise „Annäherung“.

Dass die Grenzregion angesichts einer solchen Spezifik erst seit 1990 und insbesondere seit dem EU-Beitritt Polens 2004 eine „neu erfundene“ Tradition der Mehrsprachigkeit hervorgebracht hat, macht eine Besonderheit des deutsch-polnischen Sprachkontakts aus. Grenzüberschreitende Aktivitäten, unter anderem auf universitärem und kulturellem Gebiet, und eine administrative, infrastrukturelle und ökonomische Zusammenarbeit sind Früchte dieser neuen Verbindung.

Welche Formen des deutsch-polnischen Sprachkontakts finden wir heute?

Die Kenntnis der Nachbarsprache hat, wie oben dargestellt, auf der polnischen Seite eine deutlich stärkere Ausprägung. Institutionell sinkt die Deutschpräferenz zwar auf polnischer Seite, nimmt aber immer noch einen bedeutenden Platz ein und zeigt nach einer ersten Englisch-Euphorie wieder steigendes Interesse. Rezeptive Mehrsprachigkeit findet sich folglich fast ausschließlich auf polnischer Seite. Auf der deutschen Seite beschränken sich Polnischkenntnisse auf deutsch-polnische Partnerschaften sowie einige in den vergangenen 25 Jahren aufgebaute Institutionen wie deutsch-polnische Kindergärten und polnischen Fremd- oder Herkunftssprachunterricht. In Mecklenburg-Vorpommern und in Görlitz ist lokal eine polnische Ansiedlung auf deutscher Seite entstanden. Wirtschaftliche Aktivitäten beiderseits der Grenze werden dominant deutschsprachig abgewickelt. Das Englische als Lingua Franca dient zur Verständigung überwiegend unter nach 1990 schulisch sozialisierten Sprechern. Deutsch-polnische Mischformen zeigen sich, z. B. zum Ausdruck der Kundenorientierung auf dem sogenannten „Polenmarkt“, aber auch in der Form des „Viadrinisch“ unter polnischen Studierenden der Europa-Universität (Zinkhahn Rhobodes 2015, 2016).

Die Sprachenpolitik in Deutschland lässt bezüglich des Polnischen einige bescheidene Schritte auf dem Weg der seit Langem überfälligen Förderung des Polnischen im Bildungsbereich erkennen: Bilinguale Kitas, die die Nachbarsprache einbeziehen, sind beiderseits der Oder entstanden (vgl. Vogel & Bien-Lietz 2008). Vorläufer existieren bereits seit den 1990ern im Begegnungssprachenunterricht des Spotkanie-Projekts (vgl. Nöth 2001). Die Sächsische Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung fördert seit 2014 in Sachsen die Vernetzung aller für die frühe nachbarsprachige ← 12 | 13 → Bildung (in Deutsch, Polnisch und Tschechisch) relevanten Akteure aus Wissenschaft, Praxis, Politik und Verwaltung.

Auf schulischem Gebiet sind die drei an Polen angrenzenden Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern – neben Nordrhein-Westfalen – die einzigen Regionen, die höhere Teilnehmerzahlen am Polnischunterricht aufweisen. Über diese hinaus ist vor allem die deutsch-polnische Robert-Jungk-Europaschule, eine Integrierte Sekundarschule in Berlin, zu nennen. Eine stärkere Berücksichtigung des Polnisch-Unterrichts in der Berufsbildung, die der Arbeitsmarktintegration in der von überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit geprägten Region (beiderseits der Oder) dienen könnte – stößt auf nennenswertes Interesse der Wirtschaft. Schritte in dieser Richtung – wie etwa am Louise-Schroeder-Oberstufenzentrum für Bürowirtschaft und Verwaltung in Berlin oder dem OSZ Oder-Spree Fürstenwalde/Eisenhüttenstadt – wären auch in der Grenzregion ausbaufähig (vgl. Damus 2008): 2013/14 nahmen im Land Brandenburg von 38.962 Schülern beruflicher Schulen mit Fremdsprachunterricht erst 204 an einem Polnisch-Unterricht teil (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 2014: 45).

Sprachbildung und Sprachkontakt im deutsch-polnischen Kontext thematisiert die besonderen Bedingungen des Sprachkontakts auf deutscher und auf polnischer Seite. Dieser Spezifik entsprechend ist der Sammelband gegliedert in die thematischen Schwerpunkte Potenzial von Zweisprachigkeit und Einstellungen zur Zweisprachigkeit, Linguistische Untersuchungen zur Zweisprachigkeit und Grenzregion und Mehrsprachigkeit.

Der Band ist in Kooperation deutscher und polnischer Linguisten entstanden, sie geben ihn gemeinsam heraus und sind gemeinsam für den intensiven Reviewprozess verantwortlich. Die Entstehung des Bandes geht zurück auf die Sektionentagung der GESELLSCHAFT FÜR ANGEWANDTE LINGUISTIK (GAL), die im Jahr 2015 in Frankfurt (Oder) abgehalten wurde. Die Tagung wurde in Kooperation mit der polnischen Partnerorganisation POLSKIE TOWARZYSTWO LINGWISTYKI STOSOWANEJ (PTLS) durchgeführt; alle Sektionen fanden in Kooperation zwischen deutschen und polnischen Sektionsleitern statt. Dass die Beiträge in diesem Band auf Deutsch und auf Polnisch verfasst wurden, steht programmatisch für die Intention, mit der diese Publikation entstanden ist: Interesse zu wecken für die Spezifik des (zu) wenig beachteten deutsch-polnischen Sprachkontakts. ← 13 | 14 →

Literatur

Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2014): Statistischer Bericht: Berufliche Schulen im Land Brandenburg Schuljahr 2013/2014. Potsdam: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.

Auswärtiges Amt (2015): Deutsch als Fremdsprache weltweit. Datenerhebung 2015. Hrsgg. vom Auswärtigen Amt. Redaktion und Text: Auswärtiges Amt, Goethe-Institut, DAAD, ZfA. Berlin: Auswärtiges Amt.

Chlosta, Christoph; Ostermann, Thorsten & Schroeder, Christoph (2003): Die „Durchschnittsschule“ und ihre Sprachen, Ergebnisse des Projekts Sprachenerhebung Essener Grundschulen (SPREEG). ELiS_e 1, 43–139. http://www.elise.uni-essen.de/elise01_2003.html (13.11.2017).

Chlosta, Christoph & Ostermann, Thorsten (2005): „Warum fragt man nach der Herkunft, wenn man die Sprache meint?“ Ein Plädoyer für eine Aufnahme sprachbezogener Fragen in demographische Untersuchungen. In Arbeitsstelle Interkulturelle Konflikte und gesellschaftliche Integration (Hrsg.): Bildungsdaten und Migrationshintergrund. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung, 62–74.

Damus, Sarah (2008): Polnisch als Qualifikation auf dem grenznahen Arbeitsmarkt. Sprachlernmotivationen von Schülern in Frankfurt (Oder) und Görlitz. Masterarbeit Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Frankfurt (Oder).

Dzikowska, Elżbieta Katarzyna (2006): Polnische Migranten in Deutschland, deutsche Minderheit in Polen – zwischen den Sprachen und Kulturen. GERMANICA 38, 11–24.

Details

Seiten
324
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631748176
ISBN (ePUB)
9783631748183
ISBN (MOBI)
9783631748190
ISBN (Hardcover)
9783631744772
DOI
10.3726/b13441
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Oktober)
Schlagworte
Potenziale der Zwei-/Mehrsprachigkeit Deutsch-polnische Beziehungen Sprachen in der Grenzregion Polen-Deutschland Polnisch in Deutschland Deutschunterricht in Polen Polnisch als Herkunftssprache
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 320 S., 16 farb. Abb., 4 s/w Abb., 38 Tab., 16 Graf., 2 Karten

Biographische Angaben

Britta Hufeisen (Band-Herausgeber:in) Dagmar Knorr (Band-Herausgeber:in) Peter Rosenberg (Band-Herausgeber:in) Christoph Schroeder (Band-Herausgeber:in) Aldona Sopata (Band-Herausgeber:in) Tomasz Wicherkiewicz (Band-Herausgeber:in)

Britta Hufeisen ist Professorin für Germanistische Sprachwissenschaft und Mehrsprachigkeit an der TU Darmstadt. Dagmar Knorr leitet das Schreibzentrum/Writing Center der Leuphana Universität Lüneburg. Peter Rosenberg ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Christoph Schroeder ist Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache am Institut für Germanistik der Universität Potsdam. Aldona Sopata leitet den Lehrstuhl für Mehrsprachigkeitsforschung an der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań. Tomasz Wicherkiewicz ist Professor an der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań und leitet die Abteilung für Sprachenpolitik und Minderheitenstudien am Institut für Orientalistik.

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Titel: Sprachbildung und Sprachkontakt im deutsch-polnischen Kontext
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