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Das Wandeldarlehen in Venture Capital-Finanzierungen unter Beteiligung einer GmbH

von Minkus Fischer (Autor:in)
©2017 Dissertation 258 Seiten

Zusammenfassung

Wandeldarlehen erfreuen sich im Rahmen von Venture Capital-Finanzierungen einer großen Beliebtheit. Das Frühphasen- und Zwischenfinanzierungsinstrument ermöglicht einen Umtausch der Darlehensrückzahlungsforderung gegen Geschäftsanteile an der schuldnerischen GmbH. Der Gläubiger wird zum Gesellschafter des Start-ups. Während das Aktiengesetz mit § 221 die Wandelanleihe zumindest kursorisch regelt, enthält sich das GmbHG bezüglich des Wandeldarlehens jeglicher Regelung. Dementsprechend intransparent ist die durch den Autor untersuchte Rechtslage im GmbH-Recht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die juristische Konstruktion des Wandlungsmechanismus, der Kompetenzverteilung beim Abschluss des Wandeldarlehensvertrags und der Stellung des Wandeldarlehensgläubigers als Gesellschafter im Recht der Gesellschafterdarlehen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsübersicht
  • Inhaltsverzeichnis
  • § 1 Einleitung
  • A. Untersuchungsanlass
  • B. Gegenstand und Gang der Untersuchung
  • § 2 Grundlagen
  • A. Venture Capital
  • I. Begriff
  • II. Zweck
  • III. Finanzierungsarten
  • 1. Eigenkapital
  • 2. Mezzanine-Kapital
  • 3. Fremdkapital
  • IV. Bewertungsschwierigkeiten
  • 1. Discounted Cash Flow-Methode
  • 2. Ertragswertverfahren
  • 3. Multiplikatorverfahren
  • 4. Fazit und Folgerung
  • V. Typische Rechtsformwahl
  • B. Wandeldarlehen
  • I. Charakteristika des Wandeldarlehens in Venture Capital-Finanzierungen
  • II. Anwendungsbereiche eines Wandeldarlehens in Venture Capital-Finanzierungen
  • 1. Brückenfinanzierung
  • 2. Wachstumsfinanzierung
  • 3. Vermeidung von Bewertungsschwierigkeiten
  • § 3 Die juristische Konstruktion des Wandlungsmechanismus beim Finanzierungsinstrument des Wandeldarlehens im GmbH-Recht
  • A. Aktien- und GmbH-rechtlicher Vergleich der Finanzierungsinstrumente
  • I. Die Wandelanleihe im Aktienrecht
  • 1. Begriff und Konstruktion der Wandelanleihe
  • 2. Rechtsnatur des Wandlungsrecht
  • a) Tauschvertrag
  • b) Wahlschuld mit Gläubigerwahlrecht
  • c) Aufrechnung der Rückzahlungsforderung gegen die Einlageschuld
  • d) Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa)
  • e) Bezugsrecht mit gesetzlicher Tilgungsabrede
  • f) Stellungnahme
  • g) Zwischenergebnis
  • 3. Absicherung des Wandlungsrechts
  • a) Bedingtes Kapital
  • b) Genehmigtes Kapital
  • c) Sonstige atypische Hilfskonstruktionen
  • 4. Art der Kapitalerhöhung
  • II. Das Wandeldarlehen im GmbH-Recht
  • 1. Begriff des Wandeldarlehens
  • 2. Konstruktion des Wandeldarlehens
  • a) Darlehensvertrag
  • b) Wandlungsrecht
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Absicherung des Wandlungsrechts
  • a) Genehmigtes Kapital
  • b) Stimmbindungsvereinbarungen
  • c) Zusicherung von jungen Geschäftsanteilen und Kapitalerhöhungsverpflichtung seitens der Gesellschaft
  • d) Übernahmeverpflichtung des Kreditgebers
  • e) Sonstige atypische Hilfskonstruktionen
  • 4. Art der Kapitalerhöhung
  • III. Fazit
  • B. Sinngemäße Anwendung der Rechtsfigur der (atypischen) Ersetzungsbefugnis aus der aktienrechtlichen Wandelanleihe auf das GmbH-rechtliche Wandeldarlehen
  • I. Anerkannte und umstrittene Analogien
  • 1. Analoge Anwendung der Rechtsfigur der (atypischen) Ersetzungsbefugnis auf das Finanzierungsinstrument des Wandelgenussrechts im Aktienrecht
  • a) Begrifflichkeit
  • b) Meinungsstand
  • c) Stellungnahme
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Analoge Anwendung von § 194 Abs. 1 S. 2 AktG auf Optionsanleihen mit Inzahlungnahme und Optionsanleihen zur Verrechnung
  • a) Begrifflichkeit
  • b) Meinungsstand
  • c) Stellungnahme
  • d) Zwischenergebnis
  • 3. Entsprechende Anwendung von § 194 Abs. 1 S. 2 AktG auf eine mit genehmigtem Kapital abgesicherte aktienrechtliche Wandelanleihe
  • a) Problemdarstellung
  • b) Meinungsstand
  • c) Stellungnahme
  • d) Zwischenergebnis
  • 4. Fazit zu den anerkannten und umstrittenen Analogien
  • II. Vertragsgestaltende Übernahme oder gesetzesimmanente Anerkennung des Konstrukts des Wandlungsrechts aus der aktienrechtlichen Wandelanleihe auch für das GmbH-rechtliche Wandeldarlehen
  • 1. Vertragsgestaltende Übernahme
  • 2. GmbHG immanentes Prinzip
  • 3. Zwischenergebnis
  • C. Ergebnis
  • § 4 Die Kompetenzverteilung beim Abschluss eines Wandeldarlehensvertrags im GmbH-Recht
  • A. Grundlagen
  • I. Die Mitgliedschaft
  • 1. Wesen und Ausprägung
  • 2. Erwerb der Mitgliedschaft
  • II. Generelle Kompetenzverteilung
  • 1. Gesellschaftsverfassung
  • 2. Organschaftliche Vertretungsmacht
  • 3. Geschäftsführungsbefugnis
  • B. Problemdarstellung zur GmbH-rechtlichen Kompetenzverteilung bei Mezzanine-Finanzierungsinstrumenten
  • C. Lösungsansätze
  • I. Analogieschluss zu § 221 AktG
  • 1. Systematik des § 221 AktG
  • a) Schutzzweck
  • b) Anwendungsbereich
  • c) Rechtsfolge hinsichtlich eines Kompetenzverstoßes
  • 2. Systematische Einordnung des Wandeldarlehens als Finanzierungsart im Sinne von § 221 AktG
  • a) Wandeldarlehen als Wandelschuldverschreibung im Sinne von § 221 Absatz 1 Satz 1 Alt. 1 AktG
  • b) Wandeldarlehen als Genussrecht im Sinne von § 221 Absatz 3 AktG
  • aa) Verzinsung
  • bb) Nachrangabrede
  • cc) Wandlungsrecht
  • dd) Covenants
  • (1) Schuldrechtlich eingeräumte Verwaltungs- und Teilhaberechte in Genussrechtsverträgen
  • (2) Begriff
  • (3) Einordnung der in Wandeldarlehensverträgen vereinbarten Covenants
  • (4) Zwischenergebnis zu Covenants in Genussrechtsverträgen
  • c) Zwischenergebnis zur systematischen Einordnung des Wandeldarlehens als Finanzierungsart von § 221 AktG
  • 3. Analogieschluss vom GmbH-rechtlichen Finanzierungsinstrument auf die aktienrechtliche Norm des § 221 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 S. 1 AktG
  • a) Voraussetzungen einer Analogie
  • b) Meinungsstand
  • c) Stellungnahme
  • 4. Ergebnis zum Analogieschluss zu § 221 AktG
  • II. Analogieschluss zu § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG
  • 1. Systematik des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG
  • a) Schutzzweck
  • b) Anwendungsbereich
  • c) Rechtsfolgen hinsichtlich eines Kompetenzverstoßes
  • 2. Wandeldarlehen ungleich Teilgewinnabführungsvertrag
  • 3. Ergebnis eines Analogieschlusses zu § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG
  • III. Rechtsfortbildende Beschränkung der Vertretungsmacht
  • 1. Grundsätzliche Erwägungen
  • 2. Meinungsstand zur materiellen Betrachtungsweise im Rahmen der GmbH-rechtlichen Kompetenzverteilung
  • 3. Stellungnahme
  • a) Schutzsystem der Mitgliedschaft im GmbHG
  • b) Mittelbare Beeinträchtigung mitgliedschaftlicher Interessen
  • c) Einschränkende Berücksichtigung des Schutzzwecks von §§ 35 Abs. 1 S. 1, 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG
  • d) Einschränkende Berücksichtigung der Wertung von § 221 AktG
  • e) Sonderfall der Verpflichtung der Gesellschaft zur Satzungsänderung
  • 4. Zwischenergebnis
  • 5. Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse auf das GmbH-rechtliche Wandeldarlehen
  • 6. Sonstige formale Anforderungen
  • D. Ergebnis
  • E. Exkurs: Das gesetzliche Bezugsrecht auf Wandeldarlehen respektive Genussrechte im GmbH-Recht
  • I. Das gesetzliche Bezugsrecht auf junge Geschäftsanteile im GmbH-Recht
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Stellungnahme
  • 3. Fazit zum gesetzlichen Bezugsrecht
  • II. Gesetzliches Bezugsrecht auf Wandeldarlehen respektive Genussrechte
  • 1. Meinungsstand
  • 2. Stellungnahme
  • III. Ergebnis des Exkurses
  • § 5 Der Wandeldarlehensgläubiger als Quasi-Gesellschafter im Recht der Gesellschafterdarlehen
  • A. Grundlagen
  • I. Ehemaliges Eigenkapitalersatzrecht
  • 1. Rechtsgrundlagen
  • 2. Dogmatische Begründung
  • II. Neuregelung durch MoMiG: Recht der Gesellschafterdarlehen
  • 1. Rechtsgrundlagen
  • 2. Dogmatische Grundlage
  • a) Fortgeltung der Finanzierungsfolgenverantwortung
  • b) Paradigmenwechsel
  • c) Vermittelnde Ansicht
  • d) Stellungnahme
  • e) Zwischenergebnis
  • B. Gleichstellung eines Wandeldarlehensgläubigers mit einem Gesellschafter im Recht der Gesellschafterdarlehen
  • I. Wandlungsrecht
  • 1. Vorliegen eines Gesellschafterdarlehens gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 InsO
  • a) Voraussetzungen
  • b) Maßgeblicher Zeitpunkt der Doppelrolle
  • c) Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse
  • d) Zwischenergebnis zum Vorliegen eines Gesellschafterdarlehens gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 InsO
  • 2. Vorliegen einer wirtschaftlich gleichgestellten Rechtshandlung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 InsO
  • a) Voraussetzungen
  • b) Anforderungen an gleichgestellte Dritte vor Inkrafttreten des MoMiG
  • aa) Rechtsprechung
  • (1) Atypisch stille Beteiligung
  • (2) Atypisches Pfandrecht
  • (3) Fazit zur Rechtsprechung des BGH
  • bb) Schrifttum
  • c) Übernahme der alten Anforderungen nach Inkrafttreten des MoMiG
  • aa) Rechtsprechung
  • bb) Schrifttum
  • d) Stellungnahme
  • aa) Grundsätzliche Zustimmung zur Dualität von vermögensrechtlichen und personenrechtlichen Kriterien
  • bb) Einschränkung durch das Schutzsystem der Mitgliedschaft
  • cc) Fazit
  • e) Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf das Wandlungsrecht
  • f) Zwischenergebnis zum Vorliegen einer wirtschaftlich gleichgestellten Rechtshandlung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 InsO
  • 3. Ergebnis zu der isolierten Betrachtung des Wandlungsrechts
  • II. Covenants
  • 1. Erfordernis eines vermögensrechtlichen Elements für die wirtschaftliche Vergleichbarkeit gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 InsO
  • a) Streitstand im Schrifttum vor dem Inkrafttreten des MoMiG
  • aa) Moderner Ansatz: Ausreichend sind lediglich Einflussrechte
  • bb) Klassischer Ansatz: Kombination von Vermögensteilhabe und Einflussrechten
  • b) Streitstand im Schrifttum nach dem Inkrafttreten des MoMiG
  • aa) Klassischer Ansatz: Kombination von Vermögensteilhabe und Einflussrechten
  • bb) Moderner Ansatz: Ausreichend sind lediglich Einflussrechte
  • c) Stellungnahme
  • aa) Grammatikalische Auslegung
  • bb) Historische Auslegung
  • cc) Systematische Auslegung
  • dd) Teleologische Auslegung
  • d) Zwischenergebnis
  • 2. Erforderliches Maß der Einflussnahme
  • 3. Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf Covenants
  • 4. Ergebnis zu der isolierten Betrachtung von Covenants
  • III. Kombination von Wandlungsrecht und Covenants
  • 1. Meinungsstand im Schrifttum
  • a) Restriktiver Ansatz
  • b) Extensiver Ansatz
  • c) Sonstige Ansichten konkret im Hinblick auf die Kombination von Covenants und Equity Kicker
  • 2. Stellungnahme und Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse auf das Wandeldarlehen
  • 3. Ergebnis zur Kombination von Wandlungsrecht und Covenants
  • C. Ergebnis
  • § 6 Zusammenfassung der Ergebnisse
  • A. Erster Hauptteil: Die juristische Konstruktion des Wandlungsmechanismus beim Finanzierungsinstrument des Wandeldarlehens im GmbH-Recht
  • B. Zweiter Hauptteil: Die Kompetenzverteilung beim Abschluss eines Wandeldarlehensvertrags im GmbH-Recht
  • C. Dritter Hauptteil: Der Wandeldarlehensgläubiger als Quasi-Gesellschafter im Recht der Gesellschafterdarlehen
  • Abkürzungen
  • Literaturverzeichnis

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§ 1  Einleitung

A.  Untersuchungsanlass

„Die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, Wohlstand zu generieren, ist immer stärker von Innovation abhängig. […] Meine Vorhersage lautet, dass wir langsam aber sicher nicht mehr zwischen Industriestaaten und weniger entwickelten Ländern unterscheiden werden, sondern stattdessen eher von innovationsreichen und innovationsarmen Ländern sprechen werden.“1 Diese, von dem Gründer und Präsidenten des Weltwirtschaftsforums Prof. Dr. Klaus Schwab, anlässlich der Veröffentlichung des Weltwettbewerbsindexes 2013/2014 getätigte Aussage verdeutlicht die immense Bedeutung neuer Entwicklungen und Innovationen für den zukünftigen Wohlstand einer Volkswirtschaft. Als traditionell innovationsstarke Nation liegt die Bundesrepublik Deutschland beim Weltinnovationsindex 2017 auf Rang 9 der innovativsten Nationen der Welt und beim Weltwettbewerbsindex 2016/2017 auf Rang 5 der wettbewerbsstärksten Nationen der Welt.2

Auf dem Weg von Forschung und Entwicklung bis zur gewinnbringenden Verwertung von Innovationen liegen viele Hindernisse und Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Insbesondere reift eine gute Idee oder Erfindung alleine nicht automatisch zu einer erfolgreichen Innovation heran, vielmehr bedarf es meist beträchtlicher Summen an Kapital zu derer Erforschung, Entwicklung, Markteinführung und Marktdurchdringung. Zu diesem Zweck sucht der Jungunternehmer in der Regel den Schulterschluss mit Finanzinvestoren. Auch wenn es sich bei der Venture Capital-Finanzierung von jungen Unternehmen (sog. „Start-ups“) im Regelfall um eine Form der Eigenkapital- und nicht um eine klassische Fremdkapitalfinanzierung handelt, so gibt es unter anderem bei kurzfristigen Finanzierungsengpässen oder Brückenfinanzierungen oft das ← 19 | 20 → Bedürfnis nach Mezzanine-Kapital. In der Venture Capital-Praxis wurde in den vergangenen Jahren gerade in der Wachstumsphase eines Start-ups vermehrt auf das Finanzierungsinstrument des Wandeldarlehens zurückgegriffen.

Allerdings sucht man den Begriff des „Wandeldarlehens“ im kodifizierten deutschen Kapitalgesellschaftsrecht vergebens. Auch im juristischen Schrifttum findet eine Auseinandersetzung regelmäßig nicht mit einem „Wandeldarlehen“, sondern nur mit semantisch oder systematisch ähnlichen juristischen Begriffen – wie beispielsweise der „Wandelanleihe“, dem „Nachrangdarlehen“ oder allgemein den „Wandelgenussrechten“– statt.3 Zudem erfolgt eine solche juristische Auseinandersetzung üblicherweise nur in Bezug auf das Aktienrecht im Hinblick auf § 221 AktG und gerade nicht in Bezug auf das für Venture Capital-Transaktionen typischerweise relevante GmbH-Recht.4 Dementsprechend intransparent ist die Rechtslage hinsichtlich wesentlicher Aspekte eines „Wandeldarlehens“ in Venture Capital-Finanzierungen und dementsprechend oft wird in der juristischen Praxis hierüber unter den Vertragsparteien – teilweise sogar auch vor und mit dem Notar – kontrovers diskutiert. Gegenstand solcher Diskussionen sind dabei regelmäßig die Fragen hinsichtlich der Eigenschaften, Funktionsweisen und Rechtsnatur des Wandeldarlehens als solchem – beziehungsweise des hierin enthaltenen Wandlungsrechts – sowie die Frage hinsichtlich der Organkompetenz und der Vertretungsmacht zum Abschluss des schuldrechtlichen Wandeldarlehensvertrags. Diese Erfahrungen aus der juristischen Praxis haben den Verfasser zur Anfertigung der vorliegenden Arbeit veranlasst.

B.  Gegenstand und Gang der Untersuchung

Gegenstand dieser Untersuchung sind die zuvor bereits kurz angesprochenen ausgewählten Rechtsfragen aus der Praxis zum Wandeldarlehen in Venture Capital-Finanzierungen, bezogen auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Hierfür werden zunächst überblicksartig die Grundlagen einer Venture Capital-Finanzierung sowie die Grundlagen und die Funktionsweise eines Wandeldarlehens dargestellt (§ 2). Anschließend wird auf die Rechtsnatur und die Konstruktionsweise des Wandlungsrechts im GmbH-Recht eingegangen (§ 3). Der Fokus wird hierbei auf die Frage gelegt, inwiefern eine sinngemäße Anwendung des Konstrukts des Wandlungsrechts aus der aktienrechtlichen Wandelanleihe als (atypischen) Ersetzungsbefugnis (sog. „facultas alternativa“) auch für das ← 20 | 21 → Wandeldarlehen im GmbH-Recht erfolgen kann. Sodann wird die zuvor bereits aufgeworfene Frage der Organkompetenz für den Abschluss des Wandeldarlehensvertrags seitens der Gesellschaft anhand folgender Fragestellung untersucht: Bedarf es beim schuldrechtlichen Abschluss des Wandeldarlehensvertrags einer Anpassung der gesetzlichen Organkompetenz und der Vertretungsmacht seitens der GmbH, weil das gesellschaftsrechtlich als (formales) Fremdkapital zu qualifizierende Finanzierungsinstrument auch Eigenkapitalelemente – insbesondere das Wandlungsrecht, eine Rangrücktrittserklärung und Financial-Covenants – beinhaltet und dieses, inhaltlich betrachtet, somit einer (materiellen) Eigenkapitalfinanzierung entspricht (§ 4)? Im Anschluss wird der insolvenzrechtlichen Frage nachgegangen, unter welchen Voraussetzungen der Wandeldarlehensgläubiger im Recht der Gesellschafterdarlehen mit einem (formalen) Gesellschafter gleichgestellt wird (§ 5). Hierbei geht es in erster Linie um die Überlegung, inwiefern ein Wandeldarlehensgläubiger im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft mit seiner Rückzahlungsforderung aus dem Wandeldarlehen – oder einem unabhängig von seinem Wandeldarlehen gewährtem weiteren Darlehen – nur nachrangig nach den sonstigen Insolvenzgläubigern befriedigt wird, weil er aufgrund des Wandeldarlehens in den Anwendungsbereich von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fällt. Zuletzt werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst (§ 6). ← 21 | 22 →


1 Pressemitteilung des Weltwirtschaftsforums (WEF) vom 03.09.2013, abrufbar unter http://www3.weforum.org/docs/WEF_NR_GCR_2013-2014_DE.pdf (Stand: 1.08.2017).

2 Weltinnovationsindex 2016 der Wirtschaftsschule INSEAD, der Cornell University und der Weltorganisation für geistiges Eigentum der Vereinten Nationen (WIPO), Tabelle S. xviii, abrufbar unter https://www.globalinnovationindex.org/home (Stand: 1.08.2017); Weltwettbewerbsindex 2016/2017 des Weltwirtschaftsforums (WEF), Tabelle S. xiii, abrufbar unter http://www3.weforum.org/docs/GCR2016-2017/05FullReport/TheGlobalCompetitivenessReport2016-2017_FINAL.pdf oder http://www.weforum.org/reports (Stand: 1.08.2017).

3 Zu den verschiedenen Begriffen und deren Verwendung im Schrifttum siehe jeweils unten § 3 A I. 1, S. 41 ff., § 3 A II. 1, S. 55 ff., und § 3 B I. 1. a), S. 74 ff.

4 Zur regelmäßig gewählten Rechtsform eines Start-ups siehe unten § 2 A V, S. 31.

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§ 2  Grundlagen

A.  Venture Capital

I.  Begriff

Der Begriff „Venture Capital“ stammt – wie so viele Begriffe im Private Equity – ursprünglich aus dem Englischen und wird mit Risiko- oder Wagniskapital gleichgesetzt.5 Hintergrund hierzu ist die Funktionsweise einer typischen Venture Capital-Finanzierung, bei der Investoren ohne Stellung von Sicherheiten bereit sind, ein (innovatives) Geschäftsmodell außerbörslich mit vollhaftendem Eigenkapital in einer frühen Phase der Unternehmensentwicklung zu unterstützen. Durch die Hingabe des Kapitals und der dadurch eingeräumten Gesellschafterstellung haben Investoren die Chance auf die Teilhabe an der Wertsteigerung des Unternehmens, welche aufgrund des in der frühen Phase der Unternehmensentwicklung unter hohem Risiko getätigten Investments signifikant sein kann. Auf der anderen Seite tragen die Investoren jedoch auch das unternehmerische Risiko des Totalverlustes ihrer Investition.

Gleichwohl ist der Begriff des „Venture Capitals“ nicht nur mit der klassischen Eigenkapitalfinanzierung gleichzusetzen, da er vielmehr eine Vielzahl von Finanzierungsarten in der Praxis umfasst.6 Da Venture Capital eine Unterart von Private Equity in der Frühphase des Unternehmenszyklus darstellt,7 gehören hierzu letztlich sämtliche Finanzierungsinstrumente, auf welche auch im Private Equity selbst zurückgegriffen wird.

II.  Zweck

Im klassischen Verständnis dient Venture Capital der Anschub- beziehungsweise Frühphasenfinanzierung, das heißt der Finanzierung von jungen Unternehmen in der Anfangsphase ihrer Entwicklung.8 Herkömmliche Finanzierungsarten versagen zu diesem Zeitpunkt. Einerseits wird eine Innenfinanzierung des jungen Unternehmens aufgrund des in den ersten Jahren ihrer Existenz typischerweise ← 23 | 24 → negativen Cash Flows9 regelmäßig nicht möglich sein.10 Andererseits wird eine klassische Außenfinanzierung mittels Fremdkapital – wie beispielsweise einem Bankdarlehen – in der Regel aufgrund der fehlenden besicherbaren Vermögensgegenstände in jungen Unternehmen scheitern.11 Ganz allgemein ist die Aufnahme von Fremdkapital durch die Eigenkapitalrichtlinien des Baselers Ausschusses für Bankenaufsicht (sog. „Basel II“ und „Basel III“) für Unternehmen erschwert worden, da Banken hiernach Eigenkapital nach Maßgabe ihres eigenen Kreditrisikos vorweisen müssen und somit indirekt deren Fremdkapitalvergabe an die Bonität beziehungsweise Eigenkapitalausstattung der finanzierten Unternehmen geknüpft ist.12 Die Finanzierung mittels Venture Capital endet regelmäßig mit Erreichen der Gewinnschwelle (sog. „break-even“), da der Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt weitere Finanzierungsmöglichkeiten offenstehen.

III.  Finanzierungsarten

Mindestens bis zum Erreichen der Gewinnschwelle benötigt ein junges Unternehmen konstant frisches Kapital: anfangs zur Erforschung und Entwicklung der Geschäftsidee (sog. „Seed Phase“), später zum Markteintritt und dem Aufbau der Unternehmensstruktur (sog. „Start-up Phase“) und schlussendlich zum Vertriebsaufbau und der Marktdurchdringung (sog. „Expansions- oder Wachstums-Phase“).13 Die Finanzierungsarten und deren Funktionsweisen in vorgenannten Finanzierungsphasen sollen in diesem Abschnitt überblicksweise dargestellt werden.

1.  Eigenkapital

Klassischerweise wird der konstante Kapitalbedarf stufenweise durch Eigenkapital in sogenannten „Finanzierungsrunden“ gedeckt.14 Im Rahmen einer solchen Finanzierungsrunde wird eine Barkapitalerhöhung in dem jungen Unternehmen ← 24 | 25 → auf Grundlage der gegenwärtigen Unternehmensbewertung durchgeführt. Dabei übernimmt der (neue) Investor Gesellschaftsanteile am Unternehmen gegen Zahlung der Stammeinlage beziehungsweise des Grundkapitals gemäß § 272 Abs. 1 S. 1 HGB zuzüglich einer freiwilligen Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB.15 Die konkrete Ausgestaltung der Eigenkapitalbeteiligung ist dabei vielfältig und auf die jeweiligen Bedürfnisse des Einzelfalls anzupassen, was nicht zuletzt seinen Niederschlag in den ausführlichen Vertragswerken, bestehend aus Kapitalerhöhungsdokumentation, Satzung und einer schuldrechtlichen Beteiligungs- und Gesellschaftervereinbarung, findet.16

Die Eigenkapitalbeteiligung an der Gesellschaft stellt bei Venture Capital- Finanzierungen von Anfang an nur eine Beteiligung auf Zeit – meist drei bis sieben Jahre – dar.17 Der Investor hat seinen Ausstieg aus der Gesellschaft (sog. „Exit“) bereits im Zeitpunkt seiner Beteiligung im Auge, da er seine Renditeerwartungen nur aufgrund einer Wertsteigerung seiner Beteiligung erzielen kann. Eine Dividendenausschüttung kommt bei einer Venture Capital-Finanzierung aufgrund des regelmäßig negativen Cash Flows nicht in Betracht. Dem Investor stehen grundsätzlich folgende Exit-Möglichkeiten offen: (i) durch einen Börsengang der Gesellschaft (sog. „Initial Public Offering“ oder kurz „IPO“), (ii) durch einen Verkauf seiner Geschäftsanteile an einen industriellen Investor (sog. „Trade Sale“), (iii) durch einen Verkauf seiner Geschäftsanteile an einen weiteren Private Equity Investor (sog. „Secondary Sale”), (iv) durch einen Verkauf seiner Geschäftsanteile an den ursprünglichen Gründer selbst (sog. „Share Buy Back“) oder (v) durch die Liquidation der Gesellschaft, insbesondere nach einem Verkauf der wesentlichen Wertgegenstände der Gesellschaft (sog. „Asset Deal“).18 Aufgrund dieser unmittelbaren Partizipation an der Wertsteigerung des Unternehmens unterstützt der Investor in der Regel auch die Geschäftsführung der Gesellschaft, sei es durch Nutzung seines Netzwerkes oder durch fachlichen Rat.19 ← 25 | 26 →

Die Eigenkapitalfinanzierung stellt aus Sicht der Gesellschafter nicht nur die risikoreichste, sondern auch steuerlich die „teuerste“ Form der Finanzierung dar.20 Dies folgt insbesondere daraus, dass im Vergleich zum Fremdkapital (§ 275 Abs. 2 Nr. 13, Abs. 3 Nr. 12 HGB) Zinsaufwand nicht gewinnmindernd geltend gemacht werden kann und überdies eine allgemeine Kapitalbindung – bei der GmbH das Stammkapital nach § 30 Abs. 1 GmbHG und bei der Aktiengesellschaft weitergehend das Vermögen als solches im Sinne einer allgemeinen Vermögensbindung nach § 57 Abs. 1 AktG – erfolgt.21

2.  Mezzanine-Kapital

Neben der Eigenkapital-Finanzierung kann es für den Venture Capital-Investor in bestimmten Situationen vorteilhaft sein, zusätzlich Mezzanine-Kapital an die Gesellschaft auszugeben.22 Dabei dient das Mezzanine-Kapital in erster Linie der Schließung von Finanzierungslücken, welche trotz der regelmäßigen Finanzierungsrunden mit Eigenkapital aus verschiedenen Gründen entstehen können.23 Zu nennen sind einerseits der fehlende Zugang zum klassischen Fremdkapitalmarkt für Start-ups und andererseits, im Vergleich zu einer (weiteren) Eigenkapitalfinanzierung, die ungewollte Verwässerung der Anteilsverhältnisse der Gesellschafter in einem frühen Stadium der Unternehmensentwicklung im Hinblick auf die zu erwartenden erheblichen Wachstums- und Wertsteigerungen des Start-ups.24 Überdies sprechen für die zusätzliche Verwendung von Mezzanine-Kapital deren hohe Gestaltungsfreiheit und die damit einhergehende Möglichkeit von maßgeschneiderten Finanzierungsmöglichkeiten. ← 26 | 27 → 25

Mezzanine-Kapital stellt eine hybride Art der Finanzierung dar, welche sowohl Fremdkapital- wie auch Eigenkapitalelemente enthält und – bildlich gesprochen – in einem Zwischengeschoss zwischen der Ebene des Fremdkapitals und der des Eigenkapitals angesiedelt ist.26 Je nach Ausgestaltung ist das Mezzanine-Kapital eher dem Eigenkapital (sog. „Equity Mezzanine“) oder dem Fremdkapital nahe (sog. „Debt Mezzanine“).27 Typische Merkmale einer Mezzaninen Finanzierung sind (i) die Nachrangigkeit zum klassischen Fremdkapital bei zeitgleicher Vorrangigkeit zum Eigenkapital, (ii) das Fehlen von Sicherheiten, (iii) die befristeten, aber im Vergleich zum Fremdkapital verhältnismäßig langen Laufzeiten, (iv) die Endfälligkeit des gesamten zur Verfügung gestellten Kapitals und somit keine Tilgung während der Laufzeit, (v) die steuerliche Abzugsfähigkeit des Kapitalüberlassungsentgelts als Fremdkapitalfinanzierungsaufwand und (vi) die Einräumung von Kontroll-, Informations- und Zustimmungsrechten zu Gunsten des Mezzanine Kapitalgebers.28 Zum Ausgleich für das erhöhte Risiko des Kapitalgebers im Vergleich zu einem reinen Fremdkapitalinstrument sind eine auflaufende und endfällige Verzinsung sowie eine Partizipation an der Wertsteigerung des finanzierten Unternehmens als zusätzliche Vergütungskomponenten, gegebenenfalls neben einer laufenden Verzinsung, üblich.29 Die Teilhabe an der Wertsteigerung des Unternehmens wird meist durch Wandlungsrechte, Optionsrechte oder durch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche des Kapitalgebers erzielt.30 Klassische Beispiele der Mezzanine-Finanzierung sind das Gesellschafter- oder Nachrangdarlehen, typische oder atypische stille Beteiligungen, Genussrechte sowie Options- und Wandelschuldverschreibungen.31 ← 27 | 28 →

3.  Fremdkapital

Aus den oben dargestellten Gründen kommt eine klassische Fremdkapital Finanzierung in Venture Capital-Finanzierungen regelmäßig nicht in Betracht.32

Details

Seiten
258
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783631739877
ISBN (ePUB)
9783631739884
ISBN (MOBI)
9783631739891
ISBN (Paperback)
9783631739471
DOI
10.3726/b12784
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (August)
Schlagworte
Wandlungsmechanismus Kompetenzverteilung Recht der Gesellschafterdarlehen §221 AktG Wandelschuldverschreibungen Frühphasenfinanzierung Financial Covenants
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien 2017. 258 S.

Biographische Angaben

Minkus Fischer (Autor:in)

Minkus Fischer studierte Rechtswissenschaften in Konstanz, Lausanne und München. Sein Rechtsreferendariat absolvierte er in Ingolstadt, München und Hongkong. Er ist ausgebildeter Wirtschaftsmediator (cvm), schloss einen Executive Master of Business Administration (EMBA) in Münster ab und ist als Rechtsanwalt bei einer deutschen Transaktionskanzlei tätig. Der Schwerpunkt seiner Fachpublikationen und Vortragstätigkeiten liegt im Gesellschaftsrecht.

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