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Entsendung und Entsendungsvertrag

Eine Analyse aus Sicht des Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrechts mit Herausarbeitung einzelner Schnittstellen und dem Nachweisgesetz als gesetzlichem Anknüpfungspunkt

von Nadine Hoffmann (Autor:in)
©2018 Dissertation 262 Seiten

Zusammenfassung

Im Zuge der Globalisierung spielen Auslandsentsendungen in den letzten Jahren eine immer stärkere Rolle. Das Buch analysiert die gängigen Vertragsmodelle einer Entsendung: den Entsendungsvertrag, den Leiharbeitsvertrag sowie den split contract. Die Autorin grenzt hierbei den Entsendungsvertrag zum Leiharbeitsvertrag ab und untersucht das auf den Entsendungsvertrag anwendbare Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Das Arbeitsrecht ist hierbei Ausgangspunkt der Untersuchung des Entsendungsvertrages. Die nach dem Nachweisgesetz erforderlichen Angaben eines Entsendungsvertrages zur Dauer, Währung, in der das Entgelt ausgezahlt wird, zusätzlichen Vergütung und Rückkehrbedingungen werden – auch in fortlaufenden Bezügen zum Steuer- und Sozialversicherungsrecht – besprochen.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung
  • Erster Teil: Die Grundlagen
  • A. Definition des Begriffs „Entsendung“
  • I. Definition der Entsendung im Arbeitsrecht
  • II. Definition der Entsendung im Sozialversicherungsrecht
  • 1. Definition nach deutschem Recht
  • a) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
  • b) Literatur
  • c) Stellungnahme
  • d) Begriff nach der Verwaltungspraxis der Spitzenverbände bundesdeutscher Krankenkassen
  • 2. Definition nach Unionsrecht
  • III. Definition der Entsendung im Steuerrecht
  • IV. Zusammenfassung, Vergleich der Definitionen und Möglichkeit der Übertragung
  • 1. Zusammenfassung
  • 2. Vergleich mit Herausarbeitung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten
  • 3. Übertragung des sozial- und steuerrechtlichen Entsendungsbegriffs auf das Arbeitsrecht
  • V. Zusammenfassende Bewertung
  • B. Entsendung ohne zusätzlichen Vertrag nur aufgrund des Direktionsrechts
  • I. Direktionsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO
  • II. Erweiterung des Direktionsrechts durch „Auslandsentsendungsklausel“
  • 1. AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, insb. Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
  • 2. Ausübungskontrolle
  • III. Zusammenfassende Bewertung
  • C. Entsendung durch zusätzlichen Vertrag: Die gängigen Vertragsmodelle
  • I. Überblick
  • II. Vertragstyp 1: Der Entsendungsvertrag – deutscher Arbeitsvertrag bleibt unverändert und Abschluss eines zusätzlichen Entsendungsvertrages
  • III. Vertragstyp 2: Der Lokalvertrag – deutscher Arbeitsvertrag wird durch Zusatzvereinbarung ruhend gestellt und Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit dem ausländischen Unternehmen
  • IV. Vertragstyp 3: Das Split-Contract-Modell (geteiltes Arbeitsverhältnis) – getrennte Arbeitsverträge mit in- und ausländischer Konzerngesellschaft
  • V. Zusammenfassender Vergleich der Vertragsmodelle
  • D. Arbeitnehmerüberlassung und Entsendung: Die Abgrenzung und Analyse der Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Entsendungs- und Leiharbeitsvertrag
  • I. Grundsätze des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und Besonderheiten der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung
  • 1. Gegenständlicher Anwendungsbereich: „im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeit“ ersetzt das frühere „gewerbsmäßig“
  • 2. Vorübergehende Überlassung
  • 3. Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung
  • II. Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung zu anderen Formen des drittbezogenen Personaleinsatzes, wie der Entsendung in Form des Entsendungsvertrages, anhand des Merkmals „Überlassen zur Arbeitsleistung“ aus § 1 Abs. 1 AÜG
  • III. Die Einbettung des Leiharbeitsvertrages in das Gesamtgefüge der Arbeitnehmerüberlassung
  • IV. Die Analyse von Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Leiharbeitsvertrag und Entsendungsvertrag
  • V. Zusammenfassung
  • E. Die Bedeutung des NachwG als normative Grundlage für die Gestaltung eines Entsendungsvertrages
  • I. Das NachwG als Formvorschrift
  • II. Der Aufbau des NachwG und seine Bedeutung für Auslandsentsendungen
  • III. Zusammenfassendes Ergebnis
  • F. Bei dem Abschluss eines Entsendungsvertrages anwendbares Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht und Möglichkeiten sowie Grenzen einer Rechtswahl
  • I. Arbeitsrecht
  • 1. Arbeitsrecht, das bei der Gestaltung eines Entsendungsvertrages Anwendung findet, Art. 8 Abs. 2–4 ROM I-VO
  • 2. Möglichkeit und Grenzen einer Rechtswahl der Parteien nach Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 ROM I-VO
  • a) Einschränkung des Grundsatzes der freien Rechtswahl durch den in Art. 8 Abs. 1 S. 2 ROM I-VO angeordneten Günstigervergleich
  • b) Einschränkung der freien Rechtswahl durch Art. 9 Abs. 1 ROM I-VO
  • 3. Zusammenfassendes Ergebnis
  • II. Steuerrecht
  • 1. Anwendung deutschen Steuerrechts – der Arbeitnehmer behält seinen deutschen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt auch während der Entsendung bei
  • a) Zwischen Deutschland und dem ausländischen Tätigkeitsstaat besteht kein DBA
  • b) Zwischen Deutschland und dem ausländischen Tätigkeitsstaat besteht ein DBA
  • 2. Anwendung ausländischen Steuerrechts – der Arbeitnehmer gibt während der Entsendung seinen deutschen Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt auf
  • 3. Zusammenfassung
  • III. Sozialversicherungsrecht
  • 1. Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts bei einer Entsendung in einen Staat der EU/EWR
  • 2. Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts bei einer Entsendung in einen Nicht-EU-Staat mit Sozialversicherungsabkommen
  • 3. Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts bei einer Entsendung in einen Nicht-EU-Staat ohne Sozialversicherungsabkommen
  • 4. Gestaltungsmöglichkeiten im Entsendungsvertrag
  • 5. Möglichkeiten, durch freiwillige Versicherung den deutschen Sozialversicherungsschutz während der Auslandstätigkeit aufrechtzuerhalten
  • 6. Exkurs: Leistungsrecht der deutschen Sozialversicherung während der Entsendung
  • 7. Zusammenfassung
  • IV. Zusammenfassendes Ergebnis
  • Zweiter Teil: Der Entsendungsvertrag – eine Analyse der Klauseln aus arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Perspektive
  • A. Klauseln des Entsendungsvertrages, die nach § 2 Abs. 1 NachwG generell bei allen Arbeitsverhältnissen erforderlich sind
  • B. Klauseln des Entsendungsvertrages, die nach § 2 Abs. 2 NachwG zusätzlich bei einer Erbringung der Tätigkeit im Ausland erforderlich sind
  • I. Dauer der Entsendung – Befristung des Entsendungsvertrages
  • 1. Relevanz der Befristung des Entsendungsvertrages im Arbeitsrecht
  • a) Kontrolle der Befristung nach dem TzBfG
  • aa) Anwendbarkeit des TzBfG nach der ROM I-VO
  • bb) Anwendbarkeit des TzBfG speziell für Entsendungsverträge
  • b) Kontrolle der Befristung nach den Anforderungen des § 2 KSchG
  • c) Kontrolle der Befristung nach den Anforderungen des § 307 Abs. 1 BGB
  • d) Sonderfall: Der Arbeitnehmer wird erst für die Entsendung eingestellt und es bestand zuvor kein Grundarbeitsverhältnis zum deutschen Arbeitgeber (sog. Einvertragsmodell)
  • e) Mitbestimmung des Betriebsrates nach §§ 99 Abs. 1 S. 1 und 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG bei Befristung des Entsendungsvertrages
  • aa) Räumlicher/persönlicher Anwendungsbereich des BetrVG bei Entsendungsverträgen
  • bb) Ausgestaltung des Mitbestimmungsrechts bei Entsendungsverträgen
  • f) Der Begriff der Ausstrahlung im BetrVG im Vergleich zu dem Ausstrahlungsbegriff des Sozialversicherungsrechts
  • g) Zusammenfassendes Ergebnis
  • 2. Steuerrechtliche Bedeutung der Befristung des Entsendungsvertrages
  • 3. Die Bedeutung der Befristung des Entsendungsvertrages im Sozialversicherungsrecht
  • 4. Informations- und Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bzgl. des Krankenversicherungsschutzes
  • 5. Informations- und Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei Abschluss des Entsendungsvertrages bzgl. einer drohenden Doppelbesteuerung
  • 6. Zusammenfassendes Ergebnis
  • II. Währung, in der das Entgelt ausgezahlt wird
  • 1. Arbeitsrecht
  • a) Zulässigkeit der Überweisung auf ein Konto im Tätigkeitsstaat
  • b) Notwendigkeit und Zulässigkeit einer Wertsicherungsklausel
  • 2. Zusammenfassendes Ergebnis
  • III. Vergütung: Zusätzliches, mit der Entsendung verbundenes Entgelt und damit verbundene zusätzliche Sachleistungen
  • 1. Arbeitsrecht
  • a) Zusätzliches Entgelt und Sachleistungen
  • b) Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
  • aa) Persönlicher Anwendungsbereich des BetrVG
  • bb) Lohnbegriff
  • cc) Kollektiver Tatbestand
  • c) Angemessenheit einer Rückzahlungsklausel
  • aa) Risiko- und Verantwortungssphäre
  • bb) Rückforderungssumme
  • cc) Bindungsdauer
  • dd) Unangemessene Klauseln
  • 2. Steuerrecht
  • a) Steuerausgleichsmodelle
  • aa) Steuerschutzvereinbarung (tax protection)
  • bb) Echter Steuerausgleich (tax equalisation)
  • b) Laissez-faire-Ansatz: Keine Vereinbarung eines Steuerausgleichs
  • c) Gewährung von steuerfreien oder steuerbegünstigten zusätzlichen Entgelten oder Sachleistungen als Gestaltungsmittel bei der Vergütung
  • aa) Beispiele für steuerbegünstigte Vergütungsbestandteile im ausländischen Tätigkeitsstaat
  • bb) Beispiele für steuerbegünstigte Vergütungsbestandteile in Deutschland
  • 3. Sozialversicherungsrecht
  • a) Definition des Arbeitsentgeltbegriffs nach § 14 SGB IV
  • b) Einordnung der zusätzlichen Vergütungsbestandteile nach der SvEV
  • 4. Zusammenfassendes Ergebnis und Schnittstelle
  • a) Zusammenfassendes Ergebnis
  • b) Schnittstelle: Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei den Steuerausgleichsmodellen
  • IV. Rückkehrbedingungen
  • 1. Arbeitsrechtliche Vereinbarungen zu Rückkehrbedingungen in Entsendungsverträgen
  • a) Wiedereingliederungsklausel
  • aa) Ausgestaltung der Wiedereingliederungsklausel
  • (1) Interessenlage des Arbeitnehmers
  • (2) Position des deutschen Arbeitgebers
  • (3) Sinnvoller Ausgleich der Interessen
  • bb) Abgrenzung zur Wiedereinstellungszusage
  • cc) Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung
  • b) Vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes: Rückrufrecht und Rückrufpflicht des Arbeitgebers; Rückkehrrecht des Arbeitnehmers
  • aa) Rückrufrecht des Arbeitgebers
  • bb) Rückkehrrecht des Arbeitnehmers
  • (1) Arbeitsrechtliche Situation bei Eintritt einer Gefahrenlage
  • (2) Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei Rückkehr des Arbeitnehmers nach Deutschland
  • (3) Arbeitsunfall und Gesundheitsschaden
  • cc) Rückrufpflicht des Arbeitgebers
  • 2. Zusammenfassendes Ergebnis
  • Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

Für viele deutsche mittelständische und große Unternehmen ist es im Zuge der Globalisierung nichts Ungewöhnliches mehr, ihre Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden. Mit der Vernetzung der Kommunikation sind die Märkte mehr und mehr zusammengewachsen. Ausländische Absatzmärkte und Produktionsstandorte, die früher nur den Global Playern vorbehalten waren, sind schon längst auch für mittelständische Unternehmen interessant. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen in China, Japan, Afrika, den USA oder Saudi-Arabien ist für viele deutsche Unternehmen Alltag.

Neben dem Export von Waren engagieren sich deutsche Unternehmen auch direkt in anderen Industrie- und Schwellenländern, z. B. durch Gründung einer eigenen Niederlassung, Gründung von Tochtergesellschaften oder durch Zusammenarbeit mit einem ausländischen Unternehmen im Rahmen eines Joint Ventures.1 Joint Venture bezeichnet eine vertragliche Vereinbarung über wirtschaftliche Aktivität zwischen rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängigen Parteien, bei dem diese Geld, Sachleistungen oder Technologien beisteuern und das finanzielle Risiko und die Führungsverantwortung gemeinsam tragen.2 Die fortschreitende Arbeitsteilung im Rahmen der Globalisierung der Produktion verlangt i. d. R. die Entsendung eines Fachmannes, der deutsches Know-how an das ausländische Unternehmen weitergibt.3 Regelmäßig leiten deutsche Führungskräfte auch die Integration einer neu erworbenen ausländischen Tochtergesellschaft in den Konzern, um so spezifische Kenntnisse und Erfahrungen über den ausländischen Markt zu sammeln und Führungsstil, Arbeitsweise und Kommunikation der deutschen Muttergesellschaft an die Mitarbeiter im Ausland zu vermitteln. Die Spitzenstellung Deutschlands unter den größten Exportländern der Welt lässt sich auf Dauer nur halten, wenn neben der Qualität der Ware der Preis und eine schnelle Lieferung überzeugen und ein kundenorientierter Außenhandel erfolgt, der nur durch kurz-, mittel- oder langfristige Entsendungen deutscher Fach- und Führungskräfte ins Ausland ermöglicht wird.4

Kurzfristige Auslandseinsätze kann der Arbeitgeber je nach Art der Tätigkeit und Ausgestaltung des Arbeitsvertrages häufig mittels Direktionsrecht anordnen. ← 15 | 16 → Bei längerfristiger Tätigkeit im Ausland ist es in der Praxis üblich, die Modalitäten des Auslandseinsatzes für den Arbeitnehmer, beispielsweise eine Mehrvergütung und Mietkostenzuschüsse, Kaufkraftausgleich, Schulgeld für die Kinder usw., in einem zusätzlichen Vertrag, i. d. R. einem Entsendungsvertrag, zu vereinbaren.

Ein Arbeitnehmer, der für einen Auslandseinsatz vorgeschlagen wird, ist häufig, wenn er nicht als Externer für den Einsatz eingestellt wird, im deutschen Unternehmen bereits in einer gehobenen Position tätig. Für ihn bedeutet ein Auslandseinsatz die Möglichkeit, seine Karriere weiter voranzutreiben. Einen Arbeitnehmer, der von einem deutschen Unternehmen ins Ausland entsendet wird, bezeichnen Literatur und Praxis auch als „Expatriate“.5

In der Praxis sind für die arbeitsvertragliche Gestaltung des Auslandseinsatzes eines Mitarbeiters eines deutschen Unternehmens drei Vertragsmodelle gängig: der Entsendungsvertrag, der Lokalvertrag mit Zusatzvereinbarung und das geteilte Arbeitsverhältnis bei Konzerngesellschaften (Split-Contract).

Bei der Gestaltung dieser Verträge ist wie bei kaum einer anderen Vertragsgestaltung das Spannungsverhältnis der drei Rechtsgebiete des Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrechts zu beachten.6

In der Literatur finden sich über die Jahre einige Handbücher, Praxisratgeber und Aufsätze zu den typischen praxisrelevanten Themenbereichen des Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrechts von Auslandseinsätzen und eine Vielzahl an Mustern zu den drei Vertragstypen.7 Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Betrachtung dabei auf der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Perspektive.8 Dies ist insoweit verständlich, als das vorrangige Ziel in der Praxis darin besteht, die Kosten der Entsendung so gering wie möglich zu halten. Steuern und Sozialversicherungsabgaben stellen neben dem Arbeitsentgelt und den Umzugskosten den größten Kostenfaktor einer Entsendung dar. Sollen die Kosten so gering wie ← 16 | 17 → möglich gehalten werden, ist es aus Sicht der Praxis sinnvoll, geschickte steuerliche und sozialrechtliche Überlegungen als Ausgangspunkt der arbeitsvertraglichen Gestaltung des Entsendungsvertrages zu nehmen.

Die vorliegende Arbeit wählt als Ausgangspunkt für die Analyse der notwendigen Klauseln des Entsendungsvertrages das Arbeitsrecht, um arbeitsrechtliche Besonderheiten und die arbeitsrechtliche Perspektive herauszuarbeiten.

Gegenstand der Arbeit ist es, die nach dem Nachweisgesetz (NachwG) erforderlichen Mindestregelungen des Entsendungsvertrages aus der Perspektive des jeweiligen Rechtsgebiets zu analysieren und einzelne Schnittstellen des Arbeitsrechts zum Steuer- und Sozialversicherungsrecht zu untersuchen. Die Arbeit folgt nicht dem Aufbau der typischen Musterentsendungsverträge, die in der Praxis verwendet werden. Sie orientiert sich am NachwG, das normativ u. a. den Mindestinhalt von Entsendungsverträgen regelt.

Die Darstellung der Grundlagen im ersten Teil beginnt mit der Analyse des Entsendungsbegriffs im Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht. Dabei bildet der arbeitsrechtliche Entsendungsbegriff der Literatur den Ausgangspunkt der Überlegungen. Die Frage der Übertragung der Definitionen im Sozialversicherungs- und Steuerecht auf das Arbeitsrecht wird unter Beachtung des jeweiligen Sinn und Zwecks der Definitionen beantwortet.

Im darauffolgenden Teil wird analysiert, inwieweit der Arbeitgeber eine Entsendung allein aufgrund seines Direktionsrechts anordnen kann und wie eine Auslandsentsendungsklausel das Direktionsrecht erweitert.

Der nächste Teil erörtert die drei gängigsten Vertragsmodelle, durch die eine Entsendung vertraglich geregelt werden kann. Den Schwerpunkt bildet der Entsendungsvertrag, der zwischen dem deutschen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer in Ergänzung zum bisherigen Arbeitsvertrag geschlossen wird und für die Dauer der Entsendung den Arbeitsvertrag modifiziert.

Im Anschluss daran werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen einem Entsendungsvertrag und einem Leiharbeitsvertrag analysiert. Beide Verträge regeln einen drittbezogenen Personaleinsatz.

Dann folgt ein Teil, in dem die Bedeutung des NachwG als normativer Anknüpfungspunkt für die Gestaltung eines Entsendungsvertrages herausgearbeitet wird.

Der nächste Abschnitt befasst sich mit der Analyse, ob deutsches oder ausländisches Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht auf den Entsendungsvertrag anwendbar ist und ob eine Rechtswahl möglich ist.

Im zweiten Teil folgt die Untersuchung der nach dem NachwG notwendigen Klauseln in einem Entsendungsvertrag aus Sicht des Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrechts. ← 17 | 18 →

Der Untersuchungsgegenstand der Arbeit beschränkt sich dabei ausschließlich auf die nach § 2 Abs. 2 NachwG für Entsendungsverträge erforderlichen Klauseln zu Dauer, Währung, Vergütung und Rückkehrbedingungen. Diese nur für Entsendungsverträge erforderlichen Klauseln werden aus der Perspektive der drei Rechtsgebiete analysiert und etwaige Schnittstellen zwischen den Rechtsgebieten herausgearbeitet. Die nach § 2 Abs. 1 NachwG erforderlichen Klauseln sind notwendiger Bestandteil für alle Arten von Arbeitsverträgen, deshalb sind sie nicht Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.

Die Klausel des Entsendungsvertrages, welche die Geltung des Entsendungsvertrages auf die Dauer der Entsendung befristet, wird im ersten Abschnitt des zweiten Teils untersucht. Aus der Perspektive des Arbeitsrechts spielt hierbei v. a. eine Rolle, welche Anforderungen an die Angemessenheit der Klausel gestellt werden und ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht.

Der nächste Abschnitt analysiert die Klausel zur Währung, in der das Entgelt ausgezahlt wird, ausgehend von der Regelung des § 107 GewO und ihrer erweiterten Auslegung für im Ausland tätige Arbeitnehmer. In diesem Abschnitt wird zudem die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Wertsicherungsklauseln im Entsendungsvertrag herausgearbeitet.

Daran anschließend wird die Klausel der Vergütung zunächst aus arbeitsrechtlicher Sicht untersucht im Hinblick auf mögliche zusätzliche Vergütungsbestandteile während der Entsendung, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bzgl. der Lohngestaltung besteht und unter welchen Voraussetzungen Rückzahlungsklauseln zulässig sind. Den Schwerpunkt der Untersuchung zur Vergütung bilden aber steuerrechtliche Aspekte, zum einen die verschiedenen Modelle zum Ausgleich eines unterschiedlichen Steuerniveaus zwischen Deutschland und dem ausländischen Tätigkeitsstaat, zum anderen die Gewährung von steuerfreien oder steuerbegünstigten zusätzlichen Vergütungsbestandteilen in Entsendungsverträgen als steuerliches Gestaltungsmittel. Aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive spielt die Vergütungsregelung in Entsendungsverträgen nur eine Rolle bei der Frage, welche zusätzlichen Vergütungsbestandteile unter den sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff fallen und damit für die Berechnung der Beiträge relevant sind.

Unter welchen Voraussetzungen Rückkehrbedingungen arbeitsrechtlich als Wiedereingliederungsklausel oder Rückrufrecht, Rückkehrrecht oder Rückrufpflicht ausgestaltet werden können, analysiert der letzte Abschnitt des zweiten Teils.

Am Schluss erfolgt eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse.


1 Seel, MDR 2011, S. 6; Gnann/Gerauer, Arbeitsvertrag bei Auslandsentsendung, S. 1.

2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 1262.

3 Gnann/Gerauer, Arbeitsvertrag bei Auslandsentsendung, S. 1.

4 Gnann/Gerauer, Arbeitsvertrag bei Auslandsentsendung, S. 1.

5 Die Bezeichnung „Expatriate“ ist in der Literatur rund um das Thema Entsendung gängige Bezeichnung für den Arbeitnehmer, der ins Ausland geht, so z. B. bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 1360 ff. oder Duchetsmann, AuA 2009, S. 695 ff.

6 Roßmayer, in: Gerauer, Auslandseinsatz von Arbeitnehmern, Rdnr. 121.

7 So z. B. bei Bauer/Lingemann/Diller, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht oder Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen; bei Maurer, Personaleinsatz im Ausland sind die Vertragsmuster auch auf Englisch; ebenso bei Schrader/Klagges in: Schaub/Schrader/Staube/Vogelsang, Arbeitsrechtliches Formular- und Verfahrenshandbuch, A. 2. Rdnrn. 274 ff.

8 Roßmayer, in: Gerauer, Auslandseinsatz von Arbeitnehmern, Rdnr. 121; Allary, Entsendung, S. 3; Schliemann, BB 2001, S. 1302; ebenso bei Wellisch/Näth/Thiele, Vergütung bei internationalen Mitarbeiterentsendungen, S. 4.

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Erster Teil: Die Grundlagen

A.  Definition des Begriffs „Entsendung“

I.  Definition der Entsendung im Arbeitsrecht

Der Begriff Entsendung ist im Arbeitsrecht nicht gesetzlich definiert.

Eine Meinung in der arbeitsrechtlichen Literatur definiert den Begriff Entsendung als Auslandstätigkeit, die zwischen wenigen Monaten und mehreren Jahren dauert und die auf der Grundidee basiert, dass ein lang andauerndes Inlandsarbeitsverhältnis besteht, innerhalb dessen eine vergleichsweise kurze Auslandstätigkeit auf Weisung des deutschen Arbeitgebers erfolgt.9 Zudem muss eine Rückkehr des Arbeitnehmers in das deutsche Unternehmen vorgesehen sein.10 Die Grundidee setzt außerdem voraus, dass der Auslandseinsatz vorübergehend ist, eine zeitliche Höchstgrenze legt diese Meinung für die Entsendung nicht fest.11 Außerdem muss das Arbeitsverhältnis zum deutschen Unternehmen auch während der Dauer des Auslandseinsatzes fortbestehen, die Verbindung zum Herkunftsstaat bleibt erhalten.12

Eine andere Ansicht der Literatur unterteilt Auslandseinsätze anhand ihrer Dauer in die Begriffe Abordnung, Delegation, Entsendung, Versetzung und Transfer.13 Einige Autoren differenzieren nur nach der zeitlichen Dauer des Auslandseinsatzes,14 ← 19 | 20 → andere zusätzlich noch nach dem Ziel des Einsatzes und danach, ob der Expatriate seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt.15

Eine Ansicht in der Literatur bezeichnet einen Einsatz bis zu einer Dauer von 18 Monaten als Abordnung/Delegation/Entsendung und bei einer Dauer bis zu fünf Jahren als Versetzung/Transfer.16 Eine andere Literaturansicht geht bei einem Auslandseinsatz von bis zu drei Monaten von einer Dienstreise aus, von drei Monaten bis einem Jahr handelt es sich um eine Abordnung, bei einem Einsatz von einem bis zu drei Jahren um eine Delegation.17 Eine weitere Ansicht differenziert nur zwischen Versetzung und Delegation und geht bei einer Dauer von drei bis zu 14 Monaten von einer Delegation und bei einer Dauer von vier bis acht Jahren von einer Versetzung aus.18

Eine weitere Literaturmeinung bezeichnet einen Auslandseinsatz bei einer Dauer von vier Wochen bis einem Jahr als Abordnung/Auslösung/Delegation, bei vier Monaten bis drei Jahren als Entsendung und bei einer Dauer von zwei bis fünf Jahren als Versetzung/Übertritt. Außerdem spielen zusätzliche Kriterien wie z. B. das Ziel des Einsatzes oder die Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland eine Rolle.19 Ist das Ziel des Auslandseinsatzes ein Know-how-Transfer zu einer ausländischen Tochtergesellschaft, spricht dies für eine Entsendung, während eine Versetzung dadurch gekennzeichnet ist, dass der Expatriate langfristig eine Führungsaufgabe im ausländischen Unternehmen übernimmt.20 Verlagert der Expatriate seinen Wohnsitz ins Einsatzland, spricht dies für eine Entsendung oder eine Versetzung, die Beibehaltung des deutschen Wohnsitzes soll nach dieser Ansicht auf eine Abordnung/Delegation hindeuten.21 Einige Autoren unterscheiden auch nur zwischen „short term delegation“ für Auslandseinsätze bis zu einem Jahr und „long term delegation“ für länger als ein Jahr dauernde Einsätze.22 ← 20 | 21 →

Gegen die zweite differenzierende Meinung spricht, dass zwischen den Autoren selbst Uneinigkeit besteht, was die zeitlichen Grenzen für die Abgrenzung anbelangt. Die Begrifflichkeiten werden uneinheitlich definiert und zum Teil parallel verwendet.23 Unter den Begriff Entsendung soll beispielsweise nach einer Ansicht ein Auslandseinsatz bis zu 18 Monaten24 und nach einer anderen Ansicht ein Auslandseinsatz von vier Monaten bis drei Jahren fallen.25 Eine Einordnung anhand starrer Zeitgrenzen erscheint willkürlich und ist außerdem nicht erforderlich, weil an sie keinerlei Rechtsfolge anknüpft. Eine Differenzierung anhand der Dauer des Einsatzes vorzunehmen, ist insofern auch problematisch, als noch während des Einsatzes die Dauer verkürzt oder verlängert werden kann.

Details

Seiten
262
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631749418
ISBN (ePUB)
9783631749425
ISBN (MOBI)
9783631749432
ISBN (Paperback)
9783631746127
DOI
10.3726/b13524
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Juni)
Schlagworte
Auslandstätigkeit Expatriate ROM I-VO Doppelbesteuerungsabkommen Ausstrahlung Rückkehrbedingungen
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2018. 262 S.

Biographische Angaben

Nadine Hoffmann (Autor:in)

Nadine Hoffmann studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bochum mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht. Nach Abschluss des zweiten Staatsexamens am OLG Hamm absolvierte sie die Fortbildung zum Fachanwalt für Steuerrecht an der SWA in Düsseldorf und ein Masterstudium im Unternehmens- und Steuerrecht an der Universität Potsdam.

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Titel: Entsendung und Entsendungsvertrag
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