Lade Inhalt...

Die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern

von Stefan Laumeyer (Autor:in)
©2018 Dissertation 198 Seiten

Zusammenfassung

Die gesellschaftsrechtliche Beurteilung, ob die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern zulässig ist oder nicht, ist ein Thema von hohem theoretischen Reiz und großer praktischer Bedeutung. Ausgehend von der Darstellung, welche Formen von Drittanstellungen in der Praxis anzutreffen sind, widmet sich dieser Band der Vereinbarkeit der Drittanstellung mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung und den mit der Drittanstellung einhergehenden Interessenkonflikten sowie der Frage, ob die Drittanstellung zu Pflichtenkollisionen führen kann. Der Autor geht auch der Frage nach, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Drittvergütung mit dem Aktienrecht vereinbar ist. Im Übrigen behandelt er ausgewählte Probleme der Drittanstellung, wie etwa die Frage, ob der Drittanstellung ein Arbeitsvertrag zugrunde liegen kann.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung: Personelle Verflechtungen und die Drittanstellung
  • A. Begriffsbestimmung
  • B. Problemstellung
  • I. Rechtsprechung
  • 1. BGH AG 2015, 535
  • 2. Rechtsprechung der Instanzgerichte
  • II. Schrifttum
  • C. Ziel der Arbeit
  • D. Gang der Untersuchung
  • Erster Teil: Die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern in der Praxis
  • A. Formen der Drittanstellung in der Praxis
  • I. Konzernanstellungsverträge
  • II. Drittanstellungsverträge von Interimsmanagern
  • III. Erstattungsvereinbarung zwischen der Bestellungsgesellschaft und der Drittanstellungsgesellschaft
  • B. Personalpolitische und organisatorische Ziele der Drittanstellung
  • I. Vorteile für die Drittanstellungsgesellschaft
  • 1. Absicherung des Einflusses auf die Bestellungsgesellschaft
  • a. Kündigungsmöglichkeit
  • b. Variable Vergütung
  • c. Gefährdung der Karriere in der Drittanstellungsgesellschaft
  • 2. Durchsetzbarkeit von Projekten in der Bestellungsgesellschaft
  • 3. Einheitliches Vertragswerk auf den Führungsebenen sowie zentrale Steuerung der Vergütung
  • 4. Vergütung für die Entsendung eines Managers
  • 5. Geringer Abstimmungsbedarf in Übernahmesituationen
  • II. Vorteile für die Bestellungsgesellschaft
  • III. Vorteile für das Vorstandsmitglied
  • C. Inhalt des Drittanstellungsvertrags
  • I. Anspruch des Vorstandsmitglieds auf Vergütung, betriebliche Altersversorgung, Hinterbliebenenbezüge, Urlaub und Abschluss einer D&O-Versicherung
  • II. Recht des Vorstandsmitglieds auf Rückkehr auf eine bestimmte Stelle im Unternehmen der Drittanstellungsgesellschaft
  • III. Weisungsrechte der Drittanstellungsgesellschaft sowie Treupflicht des Vorstandsmitglieds
  • IV. Pflicht des Vorstandsmitglieds zur (ordnungsgemäßen) Leitung der Geschäfte der Bestellungsgesellschaft
  • V. Pflicht des Managers, sich als Vorstandsmitglied bestellen zu lassen
  • VI. Zusammenfassung
  • Zweiter Teil: Zulässigkeit der Drittanstellung
  • A. Wortlaut der §§ 285 Nr. 9a S. 7, 314 Abs. 1 Nr. 6a S. 7 HGB
  • B. Drittanstellung in der GmbH
  • C. Trennung von Bestellungs- und Anstellungsverhältnis
  • D. Vereinbarkeit der Drittanstellung mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung
  • I. Recht und Pflicht zur Führung der Geschäfte der Bestellungsgesellschaft
  • 1. Die Geschäftsführung des Vorstands
  • 2. Rechtsgrundlage der Geschäftsführungsrechte und -pflichten
  • II. Kein Verstoß gegen Kompetenzen des Aufsichtsrats
  • 1. Kompetenz des Aufsichtsrats gemäß § 112 S. 1 AktG
  • 2. Kompetenz des Aufsichtsrats gemäß § 84 Abs. 1 S. 5 i.V.m. S. 1 AktG
  • a. Auslegung des § 84 Abs. 1 S. 5 AktG
  • aa. Wortlautauslegung
  • bb. Historische Auslegung
  • cc. Zwischenergebnis
  • b. Teleologische Reduktion des § 84 Abs. 1 S. 5 AktG
  • aa. Ratio des § 84 Abs. 1 S. 5 AktG
  • bb. Keine ausschließliche Anstellungskompetenz des Aufsichtsrats nach Sinn und Zweck der Norm
  • cc. Verstoß gegen die allgemeine Vertragsfreiheit
  • c. Zwischenergebnis
  • 3. Kompetenz des Aufsichtsrats gemäß § 84 Abs. 3 S. 1 AktG
  • a. Auswirkung der Beendigung des Anstellungsvertrags auf das Bestellungsverhältnis
  • aa. Notwendigkeit eines wichtigen Grundes für das Recht zur Amtsniederlegung
  • bb. Wichtiger Grund für eine Amtsniederlegung
  • b. Auswirkung der Beendigung des Drittanstellungsvertrags auf das Bestellungsverhältnis
  • c. Vorzeitige Beendigung des Drittanstellungsvertrags
  • aa. Vertrag zugunsten Dritter
  • bb. Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats im Hinblick auf die Beendigung des Drittanstellungsvertrags
  • (1). Pflicht des Vorstandsmitglieds, im Amt zu bleiben
  • (2). Außerordentliches Kündigungsrecht der Drittanstellungsgesellschaft
  • cc. Das außerordentliche Kündigungsrecht des Vorstandsmitglieds
  • d. Beendigung des Drittanstellungsvertrags aufgrund Zeitablaufs
  • e. Zwischenergebnis
  • 4. Bedeutung des MitbestG
  • III. Kein Verstoß gegen die innere Ordnung des Aufsichtsrats
  • 1. Kein Fall der Übertragung i.S.d. § 107 Abs. 3 S. 1 AktG
  • 2. Kein Verstoß gegen das Delegationsverbot i.S.d. § 107 Abs. 3 S. 3 AktG
  • IV. Kein Verstoß gegen § 77 Abs. 1 AktG
  • V. Zwischenergebnis
  • E. (Kein) Verstoß gegen die Kapitalerhaltung gemäß §§ 57 ff. AktG
  • F. Pflichtenkollision und Interessenkonflikt
  • I. Pflichtenkollision
  • 1. Vorrang des Bestellungsverhältnisses gegenüber dem Anstellungsverhältnis
  • a. Gesetzliche Überlagerung der schuldrechtlichen Privatautonomie
  • b. Delegationsmöglichkeit im Hinblick auf die Bestellungs- und Anstellungskompetenz
  • c. Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 AktG
  • d. Zwischenergebnis
  • 2. Kollision zwischen dem Bestellungsverhältnis und dem Drittanstellungsvertrag
  • a. Eigenverantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder
  • aa. Vereinbarkeit des Drittanstellungsvertrags mit der Leitungsautonomie nach § 76 Abs. 1 AktG
  • bb. Weisungsrechte der Drittanstellungsgesellschaft
  • cc. Weisungen der Muttergesellschaft
  • b. Treupflicht
  • c. Zwischenergebnis
  • II. Interessenkonflikt
  • 1. Abstufungen des abstrakten Interessenkonflikts
  • 2. Zulässigkeit der Drittanstellung nur bei Abhängigkeit der Drittanstellungsgesellschaft von der Bestellungsgesellschaft und/oder bei Vorliegen eines Gewinnabführungsvertrags?
  • a. Vertragskonzern
  • aa. Fortbestand der autonomen Leitungsmacht
  • bb. Interessenausrichtung des Vorstands der Tochtergesellschaft
  • b. Eingliederungskonzern
  • c. Gewinnabführungsvertrag
  • d. Faktische Abhängigkeit
  • e. Drittanstellungsgesellschaft als Alleinaktionär
  • f. Zwischenergebnis
  • 3. Vergleich mit Vorstandsdoppelmandaten
  • a. Zulässigkeit von Vorstandsdoppelmandaten sowie Loyalitätspflicht des doppelmandatierten Vorstandsmitglieds
  • b. Unterschiedliche Intensität des Interessenkonflikts
  • c. Zwischenergebnis
  • 4. Die abstrakte Gefahr eines Interessenkonflikts
  • a. Eignung des drittangestellten Managers
  • aa. Ausdrückliche Bestellungshindernisse
  • bb. Die unabhängige Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand gemäß § 76 Abs. 1 AktG als Bestellungshindernis
  • (1). Ordnungsgemäße Leitung der Aktiengesellschaft trotz Bestehen eines abstrakten Interessenkonflikts
  • (2). Das dem drittangestellten Manager entgegengebrachte Vertrauen
  • cc. Zwischenergebnis
  • b. Voraussetzungen der Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern
  • aa. Offenlegungspflicht
  • bb. Kein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung
  • cc. Kein Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats
  • dd. Abberufungskompetenz des Aufsichtsrats
  • 5. Der Umgang mit konkreten Interessenkonflikten
  • a. Offenlegungspflicht
  • b. Strafrechtliche Verbote
  • c. Kein Stimmverbot
  • aa. Kein Stimmverbot gemäß § 34 BGB (analog)
  • bb. Kein Stimmverbot gemäß § 181 BGB (analog)
  • d. Stimmenthaltung
  • G. (Ausschließlicher) Einsatz der Arbeitskraft zugunsten der Bestellungsgesellschaft: § 88 Abs. 1 S. 1 1. Alt. AktG
  • H. Zwischenergebnis
  • Dritter Teil: Zulässigkeit der Drittvergütung
  • A. Problematik der Drittvergütung
  • B. Kompetenz des Aufsichtsrats
  • I. Bezüge i.S.d. § 87 Abs. 1 AktG
  • II. Drittvergütung und die materiellen Anforderungen nach § 87 AktG an die Vorstandsvergütung
  • 1. Angemessenheit und Üblichkeit der Vorstandsbezüge
  • 2. Nachhaltigkeit
  • a. Konkretisierung und Umfang des Nachhaltigkeitsgebots
  • b. Keine Gewährleistung der unternehmerischen Nachhaltigkeit bei einer Drittvergütung
  • III. Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats
  • 1. Pflicht des Aufsichtsrats, die von der Vorstandsvergütung ausgehende Steuerungswirkung bei der Festlegung der Vorstandsvergütung zu nutzen
  • 2. Pflicht des Aufsichtsrats, dafür zu sorgen, dass die Drittvergütung angemessen und üblich ist
  • 3. Pflicht des Vorstandsmitglieds zur Offenlegung der Drittvergütung
  • 4. Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats
  • 5. Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats im Konzern
  • a. Eingliederung
  • b. Vertragskonzern
  • c. Faktische Konzern
  • IV. Nachträgliche Herabsetzung der Bezüge gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 AktG
  • C. Offenlegungspflicht
  • D. Loyalitätspflicht der Vorstandsmitglieder
  • E. Say-on-pay-Regelung
  • F. Drittbezug der (Dritt-)Vergütung
  • I. Problematik des Drittbezugs der (Dritt-)Vergütung
  • II. Verstoß gegen § 87 AktG
  • 1. Angemessenheits- und Üblichkeitsgebot
  • 2. Nachhaltigkeitsgebot
  • III. Einbeziehung von Vorstandsmitgliedern in ergebnisabhängige Vergütungssysteme der Muttergesellschaft
  • 1. Problematik der Einbeziehung von Vorstandsmitgliedern in ergebnisabhängige Vergütungssysteme der Muttergesellschaft
  • 2. Keine generelle Zulässigkeit gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG
  • 3. Vertragskonzern
  • 4. Faktischer Konzern
  • 5. Eingliederung
  • G. Zwischenergebnis
  • Vierter Teil: Ausgewählte Probleme der Drittanstellung
  • A. Haftung sowie Ausgleichspflichten der Drittanstellungsgesellschaft
  • I. Haftung für Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds
  • II. Haftung für eine mangelhafte Auswahl des Managers
  • III. Ausgleichspflicht für die Einflussnahme auf die Bestellungsgesellschaft gemäß § 311 Abs. 1 AktG
  • 1. Abhängigkeit i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG
  • 2. Veranlassung
  • B. Ausgleich für Aufwendungen der Drittanstellungsgesellschaft
  • I. Vertraglich vereinbarter Ausgleich
  • II. Geschäftsführung ohne Auftrag
  • C. Die Drittanstellung als Arbeitsvertrag und entsprechende Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften und Grundsätze
  • I. Rechtsnatur des Anstellungsvertrags von Vorstandsmitgliedern
  • II. Rechtsnatur des Drittanstellungsvertrags sowie analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften und Grundsätze
  • III. Der Arbeitsvertrag zwischen der Drittanstellungsgesellschaft und dem Vorstandsmitglied
  • 1. Das Vertragsverhältnis zwischen der Interimsmanager-Gesellschaft und dem Interimsmanager vor der Bestellung als Vorstandsmitglied
  • 2. Der Arbeitsvertrag zwischen der Drittanstellungsgesellschaft und dem Vorstandsmitglied
  • a. Formwirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Abschluss eines Dienstvertrags mit der Drittanstellungsgesellschaft
  • b. Abschluss eines Drittanstellungsvertrags ohne Aufhebung des Arbeitsverhältnisses
  • aa. Innerbetrieblicher Aufstieg von leitenden Angestellten in den Vorstand oder in die GmbH-Geschäftsführung
  • bb. Entsprechende Anwendung der Grundsätze auf die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern
  • c. Weder ausdrückliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Abschluss eines Dienstvertrags
  • aa. Kollision von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberstellung in einer Person
  • bb. Vergleich mit der Drittanstellung des GmbH-Geschäftsführers
  • cc. Fehlende Beendigung des Arbeitsvertrags
  • dd. Schlussfolgerung
  • 3. Anwendbarkeit arbeitnehmerrechtlicher Schutzvorschriften und Grundsätze
  • a. Anwendbarkeit des KSchG
  • b. Anwendbarkeit des AÜG
  • c. Rechtsweg drittangestellter Vorstandsmitglieder zu den Arbeitsgerichten
  • d. Betriebliche und unternehmerische Mitbestimmung
  • aa. Mitbestimmung in der Bestellungsgesellschaft
  • bb. Mitbestimmung in der Drittanstellungsgesellschaft
  • e. Der innerbetriebliche Schadensausgleich
  • IV. Zwischenergebnis
  • D. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des nichtigen Drittanstellungsvertrags und Grundsätze des fehlerhaften Anstellungsvertrags
  • I. Allgemeines zur bereicherungsrechtlichen Rückwicklung des Drittanstellungsvertrags
  • II. Vorrang der Leistungskondiktion
  • 1. Vorstandstätigkeit als solche
  • 2. Die Übernahme des Vorstandamts
  • 3. Schlussfolgerung
  • III. Anwendung der Grundsätze des fehlerhaften Anstellungsvertrags
  • Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

← 18 | 19 →

Abkürzungsverzeichnis

Es wird auf Kirchner, Hildbert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Aufl., Berlin 2015, verwiesen. Dort nicht aufgenommene Abkürzungen sind:

← 20 | 21 →

Einleitung: Personelle Verflechtungen und die Drittanstellung

A.  Begriffsbestimmung

Unter personeller Verflechtung von Gesellschaften wird die Verzahnung von Unternehmen verstanden, die dadurch entsteht, dass Organe unterschiedlicher Gesellschaften ganz oder teilweise personenidentisch besetzt sind. Personelle Verflechtungen zwischen Wirtschaftsunternehmen sind ein häufig anzutreffendes Phänomen, das u.a. im Hinblick auf gesellschaftliche Auswirkungen untersucht wird. So diskutieren zum Beispiel Wissenschaftler in den USA über die gesellschaftspolitischen Auswirkungen von sog. „interlocking directorates“.1 Dabei geht es um Führungspersonen, die mehreren boards of directors2 angehören.

Personelle Verflechtungen kommen vorwiegend in konzernrechtlich verbundenen Unternehmen vor.3 Sie können Synergieeffekte freisetzen, Kooperationen stärken und die Durchsetzbarkeit von Interessen auf verschiedenen Ebenen sowie Abstimmungsprozesse vereinfachen.4 Andererseits können sie zur Konzentration von Macht auf wenige Personen, Interessenkonflikten, Intransparenz und fehlender gesellschaftlicher Diversität führen.

Personelle Verflechtungen können, so die gängige Erläuterung,5 in drei Varianten auftreten: ← 21 | 22 →

(1) im Konzern: Vorstandsmitglieder der Konzernspitze als Aufsichtsräte oder Vorstände der Untergesellschaft; (2) im Konzern: Aufsichtsratsmitglieder der Konzernspitze im Aufsichtsrat der Untergesellschaft; (3) Vorstandsmitglieder eines Unternehmens als Aufsichtsratsmitglieder eines anderen Unternehmens.“

Diese Erläuterung von personellen Verflechtungen ist jedoch unvollständig, denn eine Verflechtung im Sinne einer personellen Verzahnung von Unternehmen kann auch auf einer sog. Drittanstellung beruhen.6 Während bei Doppel- oder Mehrfachmandaten mindestens zwei Organe verschiedener Gesellschaften ganz oder teilweise in Personalunion geführt werden, ist unter der Drittanstellung das Modell zu verstehen, dass ein Vorstandsmitglied seinen Anstellungsvertrag nicht mit der Bestellungsgesellschaft, sondern mit einem Dritten abgeschlossen hat. Anders als bei den im Zitat angesprochenen Doppel- oder Mehrfachmandaten geht es also bei Drittanstellungen nicht um die Besetzung von zwei Organen mit derselben Person.

Bei Doppel- oder Mehrfachmandaten übt eine Person Organtätigkeiten für mehrere Gesellschaften aus. Es besteht zwar eine personelle Identität; bei Doppel- und Mehrfachmandaten kann und muss jedoch zwischen den einzelnen Tätigkeiten und bei jeder Tätigkeit zwischen den verschiedenen Organen, denen die mehrfach angestellte Person als Mitglied angehört, differenziert werden. Im Rahmen der Drittanstellung übernimmt das Vorstandsmitglied lediglich Vorstandstätigkeiten der Bestellungsgesellschaft. Zwischen der Drittanstellungsgesellschaft und dem Vorstandsmitglied besteht ein Vertragsverhältnis. Die Drittanstellung betrifft also lediglich ein Organ, nämlich den Vorstand der Bestellungsgesellschaft, und eine Aufgabe, nämlich die Vorstandstätigkeit für die Bestellungsgesellschaft. Auch wenn sich bei Doppel- und Mehrfachmandaten und Drittanstellungen ähnliche Pflichtenkollisionen und Interessenkonflikte ergeben können (das Vorstandsmitglied als „Diener zweier Herren“7), macht der aufgezeigte Unterschied bereits jetzt deutlich, dass beide Arten der personellen Verflechtung nicht notwendigerweise gleich zu behandeln sind.8 ← 22 | 23 →

B.  Problemstellung

Es ist umstritten, ob die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern zulässig ist. So bestehen Bedenken gegen das Auseinanderfallen von Anstellungs- und Bestellungskompetenz. Gemäß § 84 Abs. 1 S. 5 i.V.m. S. 1 AktG könnte ausschließlich der Aufsichtsrat der Bestellungsgesellschaft für die Anstellung der Vorstandsmitglieder zuständig sein. Das könnte insbesondere der Fall sein, wenn gemäß § 31 MitbestG die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat an der Entscheidung mitwirken, wer als Vorstandsmitglied bestellt werden soll. Die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern ist auch im Hinblick auf die autonome Leitungsmacht des § 76 Abs. 1 AktG problematisch. Eine Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand in eigener Verantwortung wäre möglicherweise nicht mehr gewährleistet, wenn wegen der Anstellung bei einem Dritten der Anreiz für ein oder mehrere Vorstandsmitglieder besteht, im Interesse der Drittanstellungsgesellschaft zu handeln.

I.  Rechtsprechung

Bisher hat sich die Rechtsprechung ausdrücklich nur zu Drittanstellungsverträgen mit Geschäftsführern nicht mitbestimmter GmbHs geäußert und die Zulässigkeit dieser Verträge anerkannt.

1.  BGH AG 2015, 535

In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des BGH ging es zwar um eine Überlassung eines Geschäftsführers einer GmbH an eine AG, in der der Geschäftsführer als Vorstandsmitglied bestellt wurde. Dennoch ging der BGH zumindest nicht ausdrücklich auf die Frage ein, ob die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern zulässig ist.9 In dem Fall, der dem BGH-Urteil zugrunde lag, hatten die GmbH und die AG in einem „Beratervertrag“ vereinbart, dass der einzige Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH Vorstandstätigkeiten in der AG wahrnehmen sollte. Der Vertrag sah für die Überlassung des Geschäftsführers einen finanziellen Ausgleich der AG zugunsten der GmbH vor. Die GmbH wiederum zahlte – wie im Beratervertrag vereinbart – dem Vorstandsmitglied eine Vergütung.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass der „Beratervertrag“ gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung der Bestellungsgesellschaft verstieß, da die AG bei Vertragsschluss allein durch den Vorstand vertreten wurde. Dem Urteil zufolge fällt gemäß §§ 84 Abs. 1 S. 5 i.V.m. Abs. 1 S. 1, 87, 112 AktG der Abschluss des die Vergütung eines Vorstandsmitglieds betreffenden Vertrags auch dann ← 23 | 24 → in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, wenn der Vertrag von der Gesellschaft nicht mit dem Vorstandsmitglied selbst, sondern, wie in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, mit einem Dritten abgeschlossen wird. Ob die Vertretungskompetenz allein dem Aufsichtsrat oder dem Aufsichtsrat zusammen mit dem Vorstand zukommt, ließ der BGH hingegen offen.

Auch wenn der BGH sich nur mit Fragen der Vertretungskompetenz des Vorstands und des Aufsichtsrats der AG auseinandersetzte, schien er davon auszugehen, dass die Überlassung von Managern, die für eine AG Vorstandstätigkeiten übernehmen sollen, zulässig ist.10 Da der Beratervertrag gerade die Überlassung des Managers zum Gegenstand hatte, liegt es nahe, dass der BGH andernfalls den Vertrag zwischen der GmbH und der AG als per se unwirksam angesehen hätte.

2.  Rechtsprechung der Instanzgerichte

Instanzgerichtliche Entscheidungen erwähnen die Konstruktion der Drittanstellung, ohne allerdings auf die Frage ihrer Zulässigkeit einzugehen. So hat das OLG Frankfurt11 entschieden, dass die Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 3 ArbGG für einen Drittanstellungsvertrag zuständig sind, wenn es sich bei der Drittanstellung um einen Arbeitsvertrag handelt. § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, wonach Vorstandsmitglieder nicht als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG gelten, finde nicht auf fremdangestellte Vorstandsmitglieder Anwendung. Drittangestellten Vorstandsmitgliedern steht, so die Entscheidung, im Verhältnis zur Drittanstellungsgesellschaft bei Rechtsstreitigkeiten der Arbeitsrechtsweg offen.

Einer Entscheidung des LAG Köln12 zufolge ist ein Arbeitsvertrag, dessen Annex ein aktienrechtlicher Drittanstellungsvertrag ist, ohne Rücksicht auf § 84 AktG kündbar. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Manager einen Arbeitsvertrag mit der Drittanstellungsgesellschaft geschlossen, bevor er als Vorstandsmitglied bestellt wurde. Erst anschließend bestellte die Bestellungsgesellschaft den Manager als Vorstandsmitglied. Die Drittanstellungsgesellschaft und das Vorstandsmitglied schlossen eine Zusatzvereinbarung zu dem schon bestehenden Arbeitsvertrag, in dem für die Übernahme der Vorstandstätigkeit eine monatliche Zusatzvergütung vereinbart wurde. Das Gericht ging davon aus, dass sich der arbeitsrechtliche Teil des Vertrags und die Zusatzvereinbarung, welche die Drittanstellung betraf, voneinander trennen ließen. Nur die Wirksamkeit der Kündigung des arbeitsrechtlichen ← 24 | 25 → Vertragsteils war Gegenstand der Entscheidung des LAG Köln. Der daneben bestehende Drittanstellungsvertrag bzw. die Zusatzvereinbarung blieben der Entscheidung zufolge durch die Kündigung unberührt.

Schließlich betreffen Entscheidungen des KG13 und des OLG Celle14 genauso wie die Entscheidung des BGH15 die Wirksamkeit eines Vertrags zwischen der Bestellungsgesellschaft und dem Dritten, der eine Vergütung für die Überlassung eines Angestellten an die Bestellungsgesellschaft regelt. Der Angestellte der Drittanstellungsgesellschaft wurde, wie im Vertrag zwischen der Drittanstellungsgesellschaft und Bestellungsgesellschaft vereinbart, als Vorstandsmitglied der Bestellungsgesellschaft bestellt. Ebenso wie der BGH gehen das KG und das OLG Celle in den Entscheidungen davon aus, dass der Aufsichtsrat im Verhältnis zu Dritten zuständig ist, wenn ein Vertrag abgeschlossen wird, der die Überlassung eines Vorstandsmitglieds zum Gegenstand hat.

II.  Schrifttum

Details

Seiten
198
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631749999
ISBN (ePUB)
9783631750001
ISBN (MOBI)
9783631750018
ISBN (Paperback)
9783631748510
DOI
10.3726/b13561
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Oktober)
Schlagworte
Kompetenzordnung Aufsichtsrat Personelle Verflechtung Drittvergütung Interessenkonflikt Loyalitätspflicht
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2018. 198 S.

Biographische Angaben

Stefan Laumeyer (Autor:in)

Stefan Laumeyer absolvierte ein rechtswissenschaftliches Studium an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Universität Genf (Schweiz) sowie an der Johann Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt am Main. Nach dem Ersten Staatsexamen 2013 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for Law and Finance (ILF) in Frankfurt am Main. Derzeit ist er Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Zurück

Titel: Die Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
200 Seiten