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Rechtliche Aspekte der Rekommunalisierung

von Leonard Rummel (Autor:in)
©2018 Dissertation 312 Seiten

Zusammenfassung

Nachdem in den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts das Leitbild des schlanken Staates propagiert wurde, steht heutzutage die Rekommunalisierung mehr im Fokus. Der Autor prüft den rechtlichen Rahmen von Rekommunalisierungen. Nur dann, wenn Rekommunalisierungen mit einem vertretbaren rechtlichen Aufwand durchgeführt werden können, ergeben die Diskussionen, ob die Daseinsvorsorge besser in privater oder staatlicher Hand liegen soll, einen Sinn. Der Band fasst daher verschiedene rechtliche Aspekte der Rekommunalisierung zusammen und bewertet diese. Er überzeugt durch die strukturierte Zusammenführung der Rechtsbereiche unter einer vereinenden Fragestellung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhalt
  • Einleitung
  • A. Einführung in das Thema
  • B. Gang der Untersuchung
  • Erster Teil Begriffsbeschreibung und Typisierung
  • A. Begriffsbeschreibung
  • I. Rechtsprechung/Gesetze
  • II. Heuristische Begriffsbestimmung
  • B. Typisierung
  • Zweiter Teil Gemeindliche Selbstverwaltung als Ausgangspunkt der Rekommunalisierung
  • A. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG
  • I. Dogmatische Einordnung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG
  • II. Funktionen der gemeindlichen Selbstverwaltung
  • III. Objektive Rechtsinstitutionsgarantie als zentraler Garantiegehalt für die Rekommunalisierungsentscheidung
  • 1. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
  • a. Definition
  • b. Universalität/Allzuständigkeit
  • c. Pflichtmoment bei der Aufgabenauswahl
  • (1) Wortlaut
  • (2) Systematik
  • (3) Sinn und Zweck
  • d. Ergebnis
  • 2. Weitere Aufgabenzuweisungsnormen
  • a. Landesverfassung
  • b. Gemeindeordnung
  • (1) Freiwillige Aufgaben
  • (2) Pflichtaufgaben
  • (3) Weisungsaufgaben
  • 3. Eigenverantwortlichkeit
  • a. Inhalt
  • b. Pflichtmoment bei der Organisationsentscheidung
  • (1) Wortlaut
  • (2) Systematik
  • (3) Sinn und Zweck
  • c. Ergebnis
  • IV. Gesetzesvorbehalt
  • 1. Ausgestaltungs- und Beeinträchtigungsmöglichkeit
  • 2. Ausgestaltungs- und Beeinträchtigungsgrenzen
  • a. Kernbereich
  • b. Randbereich
  • B. Folgen für die Rekommunalisierungsentscheidung
  • Dritter Teil Weitere rechtliche Determinanten der Rekommunalisierungsentscheidung
  • A. Unionsrecht
  • I. Grundsatz der Neutralität des Unionsrechts
  • II. Vergaberecht
  • 1. Rückführung einer öffentlichen Aufgabe auf ein nicht rechtsfähiges Unternehmen
  • 2. Rückführung einer öffentlichen Aufgabe auf ein rechtsfähiges Unternehmen
  • 3. Zusammenfassung
  • III. Beihilfenrecht
  • 1. Voraussetzungen
  • a. Unternehmensbegriff
  • b. Begünstigung
  • c. Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen
  • d. Selektivität
  • e. (Drohende) Verfälschung des Wettbewerbs und Beeinträchtigung zwischenstaatlichen Handels
  • 2. Ausnahmen
  • 3. Zusammenfassung
  • B. Verfassungsrecht
  • I. Grundrechte
  • 1. Eingriffsabwehrfunktion
  • 2. Objektiv-rechtliche Funktion
  • 3. Exkurs: Bürgerentscheid
  • 4. Ergebnis
  • II. Demokratieprinzip
  • 1. Inhalt
  • 2. Auswirkungen auf die Rekommunalisierungsentscheidung
  • a. Entscheidungsträger
  • b. Aufgabenauswahl und Organisationsform
  • (1) Anwendung des Demokratieprinzips auf Unternehmen in Privatrechtsform
  • (2) Organisationsrekommunalisierung als Maßnahme zur Herstellung eines ausreichenden Legitimationsniveaus
  • 3. Ergebnis
  • III. Rechtsstaatsprinzip
  • 1. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes
  • a. Grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt
  • b. Aufgabenrekommunalisierung
  • c. Organisations- und Funktionsrekommunalisierungen
  • 2. Gebot rationalen Handelns
  • 3. Ergebnis
  • C. Kommunalrecht
  • I. Wirtschaftliche Unternehmen
  • II. Öffentlicher Zweck
  • III. Angemessenes Verhältnis hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und des voraussichtlichen Bedarfs
  • IV. Subsidiaritätsklausel
  • V. Weitere Vorgaben
  • VI. Ergebnis
  • Vierter Teil Rechtliche Aspekte der Organisationsrekommunalisierung
  • A. Rechtstechnische Realisierung der Organisationsrekommunalisierung
  • I. Rückführung auf einen Regie- oder Eigenbetrieb durch Vermögensübertragung gemäß §§ 174 ff. UmwG
  • 1. Übersicht
  • 2. Ablauf der Vermögensübertragung
  • a. Vorbereitungsphase
  • (1) Übertragungsvertrag
  • (2) Übertragungsbericht
  • (3) Übertragungsprüfung
  • (4) Informationspflichten
  • (5) Schlussbilanz
  • b. Beschlussphase
  • (1) Zuständigkeit und Form
  • (2) Zustimmungsbeschluss
  • c. Vollzugsphase
  • 3. Vermögensübertragung und Insolvenz
  • a. Insolvenzrechtlicher Überblick
  • b. Umwandlungsfähigkeit in der Insolvenz
  • II. Rückführung auf eine selbständige Kommunalanstalt
  • 1. Rückführung einer Eigengesellschaft
  • 2. Rückführung einer Beteiligungsgesellschaft
  • a. Zwei Umwandlungsvorgänge
  • b. Einzelrechtsnachfolge mit Liquidation der Gesellschaft
  • B. Arbeitsrechtliche Folgen der Organisationsrekommunalisierung
  • I. Vermögensübertragung auf einen Regie- oder Eigenbetrieb
  • 1. Arbeitnehmer
  • a. Anwendungsbereich des § 613a BGB
  • b. Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB
  • (1) Betrieb oder Betriebsteil
  • (2) Übergang
  • (3) Rechtsgeschäft
  • c. Rechtsfolgen der Anwendung von § 613a BGB
  • (1) Arbeitsverhältnisse
  • (2) Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen
  • (a) Übersicht
  • (b) Rechtscharakter des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB
  • (i) Wortlaut
  • (ii) Entstehungsgeschichte/Richtlinienkonforme Auslegung
  • (iii) Sinn und Zweck
  • (iv) Ergebnis
  • (c) Folgen für die Organisationsrekommunalisierung
  • (3) Kündigung
  • (4) Unterrichtung und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
  • 2. Arbeitnehmervertretungen
  • II. Formwechsel in eine selbständige Kommunalanstalt
  • 1. Arbeitnehmer
  • 2. Arbeitnehmervertretung
  • III. Rückführung einer Beteiligungsgesellschaft in eine selbständige Kommunalanstalt
  • 1. Arbeitnehmer
  • 2. Arbeitnehmervertretung
  • IV. Ergebnis
  • C. Steuerrechtliche Folgen der Organisationsrekommunalisierung
  • I. Steuerpflicht gemeindlicher Unternehmen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform
  • 1. Ertragsteuern
  • a. Betriebe gewerblicher Art/Gewerbebetrieb
  • b. Vermögensverwaltung
  • c. Hoheitsbetriebe
  • 2. Umsatzsteuer
  • II. Steuerliche Kosten des Übertragungsvorgangs
  • 1. Vermögensübertragung auf einen Regie- oder Eigenbetrieb
  • a. Ertragsteuern
  • (1) Zu übertragende Kapitalgesellschaft
  • (a) Erstellung einer Schlussbilanz
  • (b) Antrag auf Buchwertansetzung gemäß § 11 Abs. 2 UmwStG
  • (2) Übernehmende Gemeinde
  • (a) Übernahmegewinn
  • (b) Übernahmefolgegewinn
  • (c) Beteiligungskorrekturgewinn
  • b. Grunderwerbsteuer
  • c. Umsatzsteuer
  • 2. Rückführung einer Eigengesellschaft auf eine selbständige Kommunalanstalt
  • 3. Rückführung einer Beteiligungsgesellschaft auf eine selbständige Kommunalanstalt
  • III. Ergebnis
  • Fünfter Teil Rechtliche Aspekte der Funktionsrekommunalisierung am Beispiel des Energieverteilernetzbetriebs
  • A. Verfassungsrecht
  • B. Anwendbarkeit des Vergaberechts und der Konzessionsvergabeverordnung
  • I. Vorliegen einer Dienstleistungskonzession
  • II. In-house-Vergabe gemäß § 108 GWB
  • C. Anwendbarkeit des § 19 GWB
  • D. Ablauf des Vergabeverfahrens
  • I. Verfahrensrechtliche Vorgaben
  • 1. Bekanntmachung
  • 2. Veröffentlichung der Netzdaten
  • 3. Mitteilung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung/Auswahlentscheidung
  • 4. Neutralitätsgebot
  • II. Entscheidungskriterien
  • 1. Zulässige Kriterien
  • a. Kriterien, die sich an den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG orientieren
  • b. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
  • c. Konzessionsabgaben und zulässige Nebenleistungen
  • 2. Gewichtung
  • III. Wechsel des Netzbetreibers
  • E. Zulässige Beschränkung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG
  • F. Ergebnis
  • Sechster Teil Zusammenfassung und Betrachtung der Ergebnisse
  • A. Zusammenfassung
  • B. Betrachtung
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

A.Einführung in das Thema

Bürgerinitiativen zum Rückkauf von Energienetzen1, die rechtswidrige Vergabe des Gasnetzes in Berlin an die kommunale Gesellschaft „Berlin Energie“2 oder die Kommunalverfassungsbeschwerde der Schwarzwaldgemeinde Titisee-Neustadt beim Bundesverfassungsgericht gegen die nach ihrer Ansicht zu weitgehende Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie bei der Vergabe von Netzkonzessionen3 zeigen, dass Rekommunalisierungen zu Konflikten führen. Jahrelang wurde die wissenschaftliche und die rechtspolitische Diskussion zur Organisation der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben von ideologisch aufgeladenen Schlagworten wie „Privatisierung“ und „Deregulierung“ bestimmt.4 Es wurde ein „schlanker Staat“5 propagiert, durch den, auch auf der Ebene der Kommunen, mit Hilfe von Wettbewerb und Konkurrenz ←15 | 16→eine effiziente Aufgabenwahrnehmung sichergestellt sein sollte. Öffentlich-rechtliche Organisationsformen galten als zu langsam, zu ineffizient und zu intransparent.6

Seit einiger Zeit wendet sich die wissenschaftliche Diskussion nun aber der Rekommunalisierung von öffentlichen Aufgaben zu.7 Es wird bereits von einem „Megatrend“8 gesprochen. Auch die Politik befasst sich mit der Wiedereingliederung ehemals privatisierter Bereiche in die Gemeinden. So wurde im Bundestag darüber debattiert, ob die Rekommunalisierungen von Energienetzen erleichtert werden soll9, was schließlich zu einer Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung führte.10 Es wurde auch erwogen, ob die geplanten ←16 | 17→plurilateralen Dienstleistungsabkommen wie TTIP, CETA11 oder TiSA Rekommunalisierungen be- oder sogar verhindern.12

Es ist kein neues Phänomen, dass über eine Rückkehr der kommunalen Leistungserbringung verstärkt diskutiert wird.13 In der ordnungspolitischen Diskussion ist das richtige Verhältnis zwischen Markt und Staat ein steter Streitpunkt.14 Die finanziellen Spielräume der Gemeinden und die gerade vorherrschenden politischen Vorstellungen von der „richtigen“ Leistungserbringung determinieren, inwieweit die Kommunen ihre Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen oder die Erfüllung dieser Angelegenheiten privaten Akteuren überlassen.15

Die Gründe für Rekommunalisierungen sind vielfältig.16 Zu nennen ist zunächst die Wirtschafts- und Finanzkrise, die seit 2007 auch die gemeindlichen Haushalte intensiv beschäftigt.17 Im Verlauf der Krise stellte sich heraus, dass die an Privatisierungen gestellten Erwartungen wie besseres Management, höhere Effizienz oder Kostenersparnisse oftmals enttäuscht wurden.18 Im Gegenteil: Preiserhöhungen und sinkende Qualität von kommunalen Dienstleistungen waren häufige Folgen19, weshalb Misstrauen und Ängste der Bevölkerung ←17 | 18→gegenüber der Privatisierung der Daseinsvorsorge wuchsen.20 Als Beispiel kann der anteilige Verkauf der städtischen Wasserbetriebe Potsdam GmbH angeführt werden, der nach kurzer Zeit wegen Differenzen mit dem privaten Partner wieder rückabgewickelt wurde.21 Es ist daher verständlich, dass die Kommunen aus politischen Erwägungen heraus wieder mehr Einfluss auf die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ausüben möchten. Bessere Kontroll-, Steuerungs- und Einwirkungsmöglichkeiten sind die propagierten Ziele, um die Qualität der Leistungserbringung, die Wirtschaftskraft vor Ort sowie die regionale Infrastruktur stärken zu können.22 Argumentiert wird zudem mit der Gemeinwohlverpflichtung der Gemeinden, die verlange, dass bei der Leistungserbringung die Interessen der Bürger im Vordergrund stehen.23 Gemeindliche Unternehmen seien stärker als die private Konkurrenz an sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit interessiert.24

Die Gemeinden erhoffen sich von einer Rekommunalisierung auch finanzielle Vorteile. Der öffentliche Haushalt soll aufgebessert werden, indem in lukrative Geschäftsfelder investiert wird, z. B. in die Energieversorgung.25 Die hohen Investitionskosten stellen für die Gemeinden nicht unbedingt eine unüberwindbare Hürde dar, weil sich zum einen die finanzielle Situation in manchen Gemeinden trotz der Finanzkrise positiv entwickelt hat und weil zum anderen das Zinsniveau für Kommunalkredite historisch niedrig liegt.26 Die Anlässe für ←18 | 19→Rekommunalisierungen liegen in auslaufenden Konzessionsverträgen, im Versagen privater Träger bei Erledigung öffentlicher Aufgaben und in der Nutzung von zuvor vereinbarten Rückholoptionen, die im Rahmen der Privatisierungen vertraglich vereinbart wurden.27

Die Qualität der Leistungserbringung wird durch eine Rekommunalisierung jedoch nicht zwangsläufig gesteigert. Es darf nicht vergessen werden, warum in den vergangenen Jahren viele öffentliche Aufgaben privatisiert wurden: fehlende Transparenz, mangelhaftes Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsdenken, strukturelle Haushaltsdefizite sowie Unzulänglichkeiten in der Führung kommunaler Betriebe sind nur einige der Gründe. Die Kommunen müssen sich bei der Entscheidung für eine Rekommunalisierung dieser Gefahren bewusst sein und vermeiden, in alte Muster zu verfallen.

Ziel der nachfolgenden Studie ist es, den rechtlichen Rahmen von Rekommunalisierungen zu untersuchen. Hierbei bleibt die Untersuchung trotz des Oberbegriffs „Rekommunalisierung“ auf die gemeindliche Aufgabenwahrnehmung beschränkt. Soweit es auf landesrechtliche Normen ankommt, orientiert sich die Arbeit am baden-württembergischen Landesrecht. Der Arbeit geht es nicht darum, zu klären, wann eine gemeindliche Aufgabenerfüllung rechts- und ordnungspolitisch sinnvoll ist. Die Beantwortung dieser Frage soll wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten vorbehalten bleiben. Vielmehr sollen die unterschiedlichen Arten von Rekommunalisierungen typisiert und deren rechtliche Bedingungen und Grenzen analysiert werden. Die bisher geführten, eher grundlegenden Diskussionen führen nur dann weiter, wenn sich Rekommunalisierungen rechtstechnisch leicht verwirklichen lassen. Wenn sich jedoch herausstellt, dass die praktische und/oder die rechtliche Umsetzung von Rekommunalisierungen einen so hohen organisatorischen Aufwand erfordern, dass Rekommunalisierungen ohnehin nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, verlieren die Debatten an Gewicht. Insoweit soll die Arbeit Orientierungspunkte für Wissenschaft und Praxis liefern.

B.Gang der Untersuchung

Die Arbeit beginnt mit einer begrifflichen Vorklärung. Es wird zunächst beschrieben, was unter dem Begriff der Rekommunalisierung zu verstehen ist, um den Arbeitsbegriff für die rechtliche Analyse festzulegen. Anschließend werden die verschiedenen Erscheinungsformen der Rekommunalisierung typisiert. ←19 | 20→

Im zweiten Teil wird die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung als Ausgangspunkt für eine Entscheidung über eine Rekommunalisierung dargestellt. Bezüglich der Aufgabenauswahl und der Organisationsform der Aufgabenwahrnehmung garantiert die Selbstverwaltung einen Gestaltungsspielraum. Bei der Nutzung dieses Spielraums sind die Gemeinden nicht ungebunden, sie müssen nach pflichtgemäßem Ermessen im Sinne des Gemeinwohls über Rekommunalisierungen entscheiden.

Im dritten Teil soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit der gemeindliche Gestaltungsspielraum im Hinblick auf Rekommunalisierungen durch weitere Rechtsnormen beeinflusst wird. Das Unionsrecht, das Verfassungsrecht und das Kommunalrecht werden untersucht.

Der vierte und der fünfte Teil untersuchen anhand zweier Beispiele, wie sich Rekommunalisierungen rechtstechnisch verwirklichen lassen. Zunächst wird im vierten Teil die Organisationsrekommunalisierung, also die Rückführung eines gemeindlichen Unternehmens in Privatrechtsform in ein Unternehmen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform, inklusive der arbeits- und steuerrechtlichen Folgen, behandelt. Es folgt ein Blick auf die Funktionsrekommunalisierung, also auf die Fälle, in denen die Aufgabenerfüllung wieder von der Gemeinde wahrgenommen wird, nachdem sie zuvor auf rechtsgeschäftlicher Basis von Privaten durchgeführt wurde. Als ein Beispiel einer Funktionalrekommunalisierung wird im fünften Teil die Rekommunalisierung des Energieverteilernetzes betrachtet. Aufgrund des weiten Zugriffsrechts der Gemeinden auf alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wird auf ein Beispiel einer Aufgabenrekommunalisierung verzichtet. Jedoch werden bereits im zweiten und dritten Teil die für alle Aufgabenrekommunalisierungen relevanten allgemeinen rechtlichen Determinanten dargestellt. Die Arbeit schließt im sechsten Teil mit einer zusammenfassenden Betrachtung.

1In Hamburg z. B. wurde im September 2013 aufgrund der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ ein Volksentscheid über den Rückkauf der Strom- und Fernwärmenetze durchgeführt. 50,9 % der abgegebenen Stimmen votierten für den Rückkauf, der Anfang 2014 realisiert wurde, siehe http://www.hamburg.de/energiewende/4279126/vertraege-netzkauf/ (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018). Im November 2013 scheiterte ein Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung knapp am erforderlichen Quorum.

2LG Berlin, EnWZ 2015, 230 (230 ff.).

3http://www.badische-zeitung.de/titisee-neustadt/kampf-um-stromnetz-titisee-neustadt-zieht-vors-hoechste-gericht--96283058.html (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018). Dazu der Präsident des Bundeskartellamts im Interview: http://www.badische-zeitung.de/titisee-neustadt/warum-greift-das-kartellamt-ausgerechnet-jetzt-in-titisee-neustadt-ein--100197811.html (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018). Das BVerfG hat die Kommunalverfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, siehe BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22. August 2016 – 2 BvR 2953/14 –, juris.

4Jarass, DÖV 2002, 489 (490); Mundt, EWeRK 2016, 149 (149); Friederiszick/Reinhold/Demuth, NZKart 2016, 246 (247); Cronauge, Kommunale Unternehmen, Kap. I Rn. 66.

5Z. B. Spieß, Öffentliche Verwaltung im neuen Jahrtausend, S. 14; Scholz, in: Ruland/Papier/v. Maydell, Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats - FS Zacher, S. 987 (987 ff.); Tomerius/Breitkreuz, DVBl 2003, 426 (426); Meyer-Teschendorf/Hofmann, DÖV 1997, 268 (268 ff.); v. Unruh, BayVBl 2002, 43 (43 ff.).

6Püttner, LKV 1994, 193 (193 ff.); Schoch, DVBl 1994, 967 (967 ff.); Cronauge, Kommunale Unternehmen, Kap. I Rn. 66.

7Mundt, EWeRK 2016, 149 (149); Schmidt, DÖV 2014, 357 (357 ff.); Bauer, JZ 2014, 1017 (1017 ff.); ders., DÖV 2012, 329 (329 ff.); Brüning, VerwArch 2009, 453 (453 ff.); Leisner-Egensperger, NVwZ 2013, 1110 (1110 ff.); Landsberg, KommP Spez. 2008, 85 (85 ff.); Franz, LKV 2011, 408 (408 ff.); Stirn, KommJur 2011, 48 (48 ff.); Budäus/Hilgers, DÖV 2013, 701 (701 ff.); Naumann, in: Sandberg/Lederer, Kommunale Unternehmen der Zukunft – Corporate Social Responsibility, öffentliche Unternehmen und die aktuelle Debatte um Rekommunalisierungen, S. 67 (67 ff.). Speziell zur Rekommunalisierung der Energieversorgung siehe Correll, DVBl 2016, 338 (338 ff.); Knauff, EnWZ 2015, 51 (51 ff.); Marnich, EnWZ 2015, 62 (62 ff.); Kment/Vorwalter, EnWZ 2015, 387 (387 ff.); Theobald, RdE 2015, 161 (161 ff.); ders./Wolkenhauer, EnWZ 2015, S. 483 ff; Richter/Brahms, KommJur 2014, 6 (6 ff.); Müller, VR 2014, 145 (145 ff.).

8Leisner-Egensperger, NVwZ 2013, 1110 (1110); Bauer, DÖV 2012, 329 (329); Guckelberger, VerwArch 2013, 161 (161); Marnich, EnWZ 2015, 62 (62).

9https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw12_de_energienetze/364416 (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018); Antrag „Energienetze zurück in die öffentliche Hand - Rechtssicherheit bei der Rekommunalisierung schaffen“ BT-Drs. 18/4323. Die Plenardebatte (S. 7962 ff.) zum Vorgängerantrag BT-Drs. 18/3745 zeigt, wie kontrovers das Thema diskutiert wird http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/18/18083.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018).

10Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/081/1808184.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018).

11Gutachten von Prof. Dr. Nettesheim im Auftrag des Staatsministeriums des Landes Baden-Württemberg zu den Auswirkungen von CETA auf den politischen Gestaltungsspielraum von Ländern und Gemeinden, S. 13 https://stm.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/160524_Nettesheim-CETA-Gutachten.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018).

12BT-Drs. 18/1913 Frage Nr. 7 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/019/1801913.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018); Scheidler, VR 2015, 369 (369 ff.) zu der Frage, ob sich Kommunen zu den geplanten Freihandelsabkommen politisch äußern dürfen, z. B. im Rahmen einer Gemeinderatsresolution.

13Collin, JZ 2011, 274 (274 ff.).

14Möschel, in: Ipsen, Sparkassen im Wandel, S. 117 (120 ff.); Schoch, DVBl 1994, 962 (967); Friederiszick/Reinhold/Demuth, NZKart 2016, 246 (247); Cronauge, Kommunale Unternehmen, Kap. I Rn. 67.

15Röber, Verwalt. Manag. 2009, 225 (225); Katz, NVwZ 2010, 405 (406).

16Siehe hierzu Cronauge, Kommunale Unternehmen, Kap. XIII Rn. 482.

17Brüning, VerwArch 2009, 453 (453); Landsberg, KommP Spez. 2008, 85 (85 ff.); Sonder, LKV 2013, 202 (202); Klieve, Gemeindehaushalt 2014, 254 (254 ff.); Henneke, VBlBW 2014, 241 (241 ff.).

18Guckelberger, VerwArch 2013, 161 (163); Matecki/Schulten, in: dies., Zurück zur öffentlichen Hand?, S. 8 (12); Röber, Verwalt. Manag. 2009, 225 (231); Sack, GWP 2014, 339 (345).

19Besonders im Bereich der Öffentlich-Privaten-Partnerschaften, siehe Bundes- und Landesrechnungshöfe, Gemeinsamer Erfahrungsbericht zur Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Projekten 2011, http://www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/media/978/Gemeinsamer%20Erfahrungsbericht%20zur%20Wirtschaftlichkeit%20von%20%D6PP-Projekten.pdf (zuletzt aufgerufen am 18.02.2018).

20Sonder, LKV 2013, 202 (202); Röber, Verwalt. Manag. 2009, 225 (225).

21Hachfeld, in: Candeias/Rilling/Weise, Krise der Privatisierung - Rückkehr des Öffentlichen, S. 87 (87).

22Bauer, DÖV 2012, 329 (335); Matecki/Schulten, in: dies., Zurück zur öffentlichen Hand?, S. 8 (14); v. Beust, in: Ehricke, Energiewirtschaftsrecht im Spannungsfeld von marktlicher Freiheit und hoheitlichen Einschränkungen, S. 13 (13 f.); Mundt, EWeRK 2016, 149 (149).

23Katz, NVwZ 2010, 405 (406); Brüning, VerwArch 2009, 453 (453 ff.); Bauer, VVDStRL 54 (1995), 242 (252 ff.).

24Sack, GWP 2014, 339 (345); Libbe, in: Matecki/Schulten, Zurück zur öffentlichen Hand?, S. 18 (20).

25Brüning, VerwArch 2009, 453 (454); Budäus/Hilgers, DÖV 2013, 701 (706); Burgi, in: Ipsen, Rekommunalisierung von Versorgungsleistungen?, S. 12 (17); Matecki/Schulten, in: dies., Zurück zur öffentlichen Hand?, 8 (13); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 27 ff.; Mundt, EWeRK 2016, 149 (149).

26Sack, GWP 2014, 339 (348).

27Burgi, in: Ipsen, Rekommunalisierung von Versorungsleistungen?, S. 12 (13). ←20 | 21→

Details

Seiten
312
Jahr
2018
ISBN (PDF)
9783631761403
ISBN (ePUB)
9783631761410
ISBN (MOBI)
9783631761427
ISBN (Paperback)
9783631760963
DOI
10.3726/b14373
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Oktober)
Schlagworte
Daseinsvorsorge Öffentliche Leistungserbringung Privatisierung Aufgabenerfüllung Kommunales Selbstverwaltungsrecht Energieversorgung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2018. 312 S.

Biographische Angaben

Leonard Rummel (Autor:in)

Leonard von Rummel studierte Rechtswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, an der Université Aix-Marseille III (Maîtrise en droit) sowie an der Stellenbosch University (LL.M.). Sein Referendariat absolvierte er beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg.

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Titel: Rechtliche Aspekte der Rekommunalisierung
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