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Aufsichtsrechtliche Anforderungen an den Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren eines Versicherungsunternehmens in der monistisch organisierten Societas Europaea

von Lisa Brasseler (Autor:in)
©2020 Dissertation 232 Seiten

Zusammenfassung

Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer SE können dualistisch oder monistisch organisiert sein. Bislang gibt es in Deutschland keine monistisch organisierten Versicherungs-SE. Das mag nicht zuletzt an der mangelnden Kenntnis und der fehlenden Erfahrung mit dem monistischen System in Deutschland liegen. Rechtsunsicherheiten bestehen insbesondere in Bezug auf die Anforderungen an eine wirksame und ordnungsgemäße Geschäftsorganisation. Die Autorin untersucht die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Zuverlässigkeit und fachliche Eignung von Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren, das Vieraugenprinzip, die Begrenzung von Mehrfachmandaten und die Zahl ehemaliger Geschäftsleiter im Verwaltungs- oder Aufsichtsrat.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • A. Hinführung zum Thema
  • B. Gang und Grenzen der Arbeit
  • Teil 1 Die monistische SE in Deutschland in Abgrenzung zum dualistischen System
  • A. Die SE als Rechtsform
  • I. Supranationale Rechtsform
  • II. Strukturmerkmale
  • III. Anwendbares Recht und Normenhierarchie
  • B. Vor- und Nachteile der SE
  • I. Nachteile der SE
  • II. Vorteile der SE
  • C. Organisationsformen einer SE
  • I. Dualistisches System
  • 1. Gesetzliche Grundlagen der dualistischen SE
  • 2. Organisationsstruktur der dualistischen SE in Deutschland
  • a) Trennung von Unternehmensleitung und Überwachung
  • b) Bestellung und Abberufung des Leitungsorgans
  • c) Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsorgans
  • 3. Kompetenzverteilung im dualistischen System
  • a) Kompetenzen des Leitungsorgans
  • b) Kompetenzen des Aufsichtsorgans
  • 4. Zwischenergebnis
  • II. Monistisches System
  • 1. Gesetzliche Grundlagen der monistischen SE
  • 2. Organisationsstruktur der monistischen SE in Deutschland
  • a) Verwaltungsrat
  • aa) Bestellung von Verwaltungsratsmitgliedern
  • bb) Anstellungsvertrag mit Verwaltungsratsmitgliedern
  • cc) Abberufung von Verwaltungsratsmitgliedern
  • dd) Persönliche Voraussetzungen von Verwaltungsratsmitgliedern
  • b) Geschäftsführende Direktoren
  • aa) Bestellung von geschäftsführenden Direktoren
  • bb) Anstellungsverhältnis mit geschäftsführenden Direktoren
  • cc) Jederzeitige Abberufung von geschäftsführenden Direktoren
  • dd) Organqualität geschäftsführender Direktoren
  • (1) Organ im Sinne der SE-VO
  • (2) Organ im Sinne des SEAG
  • (3) Organ im Sinne der §§ 46–51 SE-VO
  • ee) Persönliche Voraussetzungen von geschäftsführenden Direktoren
  • 3. Kompetenzverteilung im monistischen System
  • a) Unternehmensleitung
  • aa) Verhältnis von Unternehmensleitung und Geschäftsführung nach SEAG
  • bb) Originäre Leitungsaufgaben
  • (1) Gesetzlicher Anknüpfungspunkt
  • (2) Grundsätze zur Bestimmung originärer Leitungsaufgaben
  • (3) Planungs- und Steuerungsverantwortung
  • (4) Finanzverantwortung
  • (5) Organisationsverantwortung
  • cc) Gesetzlich zugewiesene Aufgaben
  • b) Geschäftsführung durch geschäftsführende Direktoren
  • c) Weisungsrecht
  • aa) Umfang des Weisungsrechts
  • bb) Weisungen im Bereich gesetzlich zugewiesener Aufgaben der geschäftsführenden Direktoren
  • cc) Weisungsrecht gegenüber Angestellten nachgeordneter Ebenen
  • dd) Weisungsrecht der Hauptversammlung
  • d) Überwachungsaufgabe
  • aa) Horizontale Überwachung
  • bb) Vertikale Überwachung
  • cc) Instrumente zur Überwachung
  • e) Letztverantwortung
  • f) Vertretung
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Vor- und Nachteile des dualistischen und monistischen Systems
  • Teil 2 Versicherungsaufsichtsrechtliche Anforderungen an die Geschäftsorganisation einer monistischen SE in Deutschland
  • A. Einführung in die versicherungsaufsichtsrechtliche Problematik
  • B. Gesetzliche und aufsichtsbehördliche Grundlagen des Versicherungsaufsichtsrechts
  • I. Europäische Ebene
  • 1. Lamfalussy-Verfahren
  • a) Ebene 1 – Solva-II-RL
  • b) Ebene 2 – Solva-II-VO
  • c) Ebene 2,5 – Technische Durchführungsstandards
  • d) Ebene 3 – EIOPA Guidelines
  • e) Ebene 4 – Umsetzung in nationales Recht
  • 2. Grad der Harmonisierung
  • 3. Prinzipienbasierter Ansatz
  • 4. Proportionalitätsprinzip
  • 5. Auslegung des Unionsrechts
  • II. Nationale Ebene
  • 1. Gesetzliche Vorgaben
  • a) Umsetzung in nationales Recht
  • b) Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung
  • 2. Vorgaben der Aufsichtsbehörde
  • C. Zuverlässigkeit und fachliche Eignung der Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführenden Direktoren
  • I. Anforderungen nach Art. 42 Solva-II-RL
  • 1. Zweck der Solva-II-RL im Allgemeinen und von Art. 42 Solva-II-RL im Besonderen
  • a) Zweck der Solva-II-RL und Ziel der Aufsicht
  • b) Zweck von Art. 42 Solva-II-RL
  • 2. Persönlicher Anwendungsbereich von Art. 42 Abs. 1 Solva-II-RL
  • a) Differenzierung von Personen, die das Unternehmen tatsächlich leiten und die andere Schlüsselaufgaben innehaben
  • b) Personen, die das Unternehmen tatsächlich leiten
  • aa) Leitung im Sinne der Solva-II-RL
  • bb) Formale Definition der Unternehmensleiter
  • (1) Verwaltungs-, Management- und Aufsichtsorgan
  • (2) Geschäftsführende Direktoren
  • cc) Materielle Definition der Unternehmensleiter
  • (1) Vorstand
  • (2) Geschäftsführende Direktoren
  • (3) Verwaltungsrat
  • (4) Aufsichtsrat
  • dd) Sonstige Personen als Unternehmensleiter
  • (1) Tatsächliche Einflussnahme
  • (2) Nachgeordnete Leitungsebene
  • (3) Hauptbevollmächtigter einer Niederlassung
  • c) Personen, die andere Schlüsselaufgaben innehaben
  • aa) Andere Schlüsselaufgaben
  • bb) Inhaber anderer Schlüsselfunktionen
  • d) Zwischenergebnis
  • 3. Zuverlässigkeit nach Solva-II-RL und Solva-II-VO
  • 4. Fachliche Eignung nach Solva-II-RL und Solva-II-VO
  • a) Proportionale Bestimmung der fachlichen Qualifikation
  • aa) Unternehmensspezifische Bestimmung
  • bb) Funktionsspezifische Bestimmung
  • b) Berufsqualifikationen, Kenntnisse und Erfahrungen
  • c) Qualifikation des Gesamtorgans
  • d) Zwischenergebnis
  • II. Zuverlässigkeit und Fachliche Eignung nach nationalem Recht
  • 1. Schutzzweck des VAG
  • 2. Persönlicher Anwendungsbereich von § 24 Abs. 1 VAG
  • a) Personen, die das Unternehmen tatsächlich leiten
  • aa) Vorstand
  • bb) Geschäftsführende Direktoren
  • cc) Aufsichtsrat und Verwaltungsrat
  • (1) Keine Geschäftsleiter im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 2 VAG
  • (2) Befugnis wesentliche Entscheidungen zu treffen
  • dd) Nachgeordnete Leitungsebene
  • ee) Hauptbevollmächtigter
  • b) Personen, die andere Schlüsselaufgaben wahrnehmen
  • c) Zwischenergebnis
  • 3. Anforderungen an die Zuverlässigkeit nach § 24 VAG
  • 4. Anforderungen an die fachlichen Eignung nach § 24 VAG
  • a) Proportionalitätsprinzip
  • aa) Unternehmensspezifische Bestimmung
  • bb) Funktionsspezifische Bestimmung
  • (1) Originäre Leitungsaufgaben
  • (2) Tagesgeschäft
  • (3) Überwachungsfunktion
  • (4) Zwischenergebnis
  • cc) Einfluss der Gesamtverantwortung und Ressortverteilung auf die Bestimmung der fachlichen Eignung
  • (1) Vorstand
  • (2) Verwaltungsrat
  • (3) Geschäftsführende Direktoren
  • (4) Zwischenergebnis
  • dd) Qualifikation des Gesamtorgans
  • b) Theoretische und praktische Kenntnisse in Versicherungsgeschäften
  • aa) Theoretische Kenntnisse
  • bb) Praktische Kenntnisse
  • cc) Kenntnisse in Versicherungsgeschäften
  • dd) Weitergehende Kenntnisse
  • ee) Zwischenergebnis
  • c) Leitungserfahrung
  • aa) Definition von Leitungserfahrung im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 3 VAG
  • (1) Erfahrung in der Geschäftsführung
  • (2) Erfahrung in der strategischen Unternehmensleitung
  • (3) Zwischenergebnis
  • bb) Wahrnehmung von Leitungsaufgaben im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 3 VAG
  • (1) Vorstand
  • (2) Geschäftsführende Direktoren
  • (3) Aufsichtsrat
  • (4) Verwaltungsrat
  • (5) Zwischenergebnis
  • cc) Regelvermutung bei dreijähriger leitender Tätigkeit
  • dd) Vereinbarkeit mit europäischen Vorgaben
  • d) Anforderungen an den Wohnort
  • aa) Vorstand
  • (1) Residenzpflicht
  • (2) Einreisemöglichkeit
  • bb) Geschäftsführende Direktoren
  • cc) Aufsichtsrat
  • dd) Verwaltungsrat
  • ee) Zwischenergebnis
  • e) Anforderungen an die Sprache
  • f) Zusätzliches Sachkundeerfordernis bei Unternehmen von öffentlichem Interesse
  • D. Vieraugenprinzip
  • I. Gesellschaftsrechtliche Anforderungen an die Besetzung der Organe in der monistischen SE
  • 1. Zahl der Mitglieder im Verwaltungsrat
  • a) Mindestzahl
  • b) Höchstzahl
  • 2. Zahl der geschäftsführenden Direktoren
  • II. Auswirkungen des versicherungsaufsichtsrechtlichen Vieraugenprinzips
  • 1. Mindestens zwei Mitglieder im Verwaltungsrat
  • 2. Mindestens zwei geschäftsführende Direktoren
  • 3. Stellungnahme
  • III. Zwischenergebnis
  • E. Begrenzung von Mehrfachmandaten
  • I. Vereinbarkeit mit EU-Recht
  • II. Begrenzung von Vorstands- bzw. Geschäftsleitermandaten
  • 1. Gesellschaftsrechtliche Beschränkung von Geschäftsleitermandaten
  • 2. Versicherungsaufsichtsrechtliche Beschränkung von Geschäftsleitermandaten
  • a) Zweck der Begrenzung
  • b) Persönlicher Anwendungsbereich
  • c) Sachlicher Anwendungsbereich
  • d) Mandate in Unternehmen derselben Versicherungsgruppe
  • e) Mandate in ausländischen Versicherungsunternehmen
  • III. Begrenzung von Aufsichts- und Verwaltungsratsmandaten
  • 1. Gesellschaftsrechtliche Beschränkungen der Aufsichts- und Verwaltungsratsmandate
  • a) Handelsgesellschaft mit obligatorischem Aufsichts- oder Verwaltungsrat
  • b) Konzernprivileg und doppelte Berücksichtigung
  • c) Berücksichtigung interner geschäftsführender Direktoren
  • d) Berücksichtigung von Mandaten in ausländischen Unternehmen
  • 2. Versicherungsaufsichtsrechtliche Beschränkungen von Aufsichts- und Verwaltungsratsmandaten
  • a) Sinn und Zweck der Begrenzung
  • b) Anwendungsbereich von § 24 Abs. 4 Satz 2 VAG
  • c) Konzernprivileg und doppelte Berücksichtigung
  • d) Anwendbarkeit von § 24 Abs. 4 Satz 2 VAG auf die monistische SE
  • e) Berücksichtigung von Mandaten in regulierten Unternehmen mit Sitz im Ausland
  • IV. Zwischenergebnis
  • F. Ehemalige Geschäftsleiter im Verwaltungs- oder Aufsichtsrat
  • I. Gesellschaftsrechtliche Beschränkung ehemaliger Geschäftsleiter
  • II. Versicherungsaufsichtsrechtliche Beschränkung ehemaliger Geschäftsleiter
  • 1. Anwendbarkeit auf die monistische SE
  • 2. Teleologische Reduktion von § 24 Abs. 4 Satz 1 VAG
  • a) Sinn und Zweck von § 24 Abs. 4 Satz 1 VAG
  • b) Unabhängigkeit der Überwachung im dualistischen System
  • c) Unabhängigkeit der Überwachung im monistischen System
  • d) Vergleich mit der Wertung in § 27 Abs. 1 Satz 1 SEAG
  • III. Zwischenergebnis
  • G. Zusammenfassung und Thesen
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

A. Hinführung zum Thema

Unternehmen, die in Deutschland das Versicherungsgeschäft betreiben, bedürfen hierzu einer Erlaubnis der BaFin. Gemäß § 8 Abs. 2 VAG darf die Erlaubnis nur Aktiengesellschaften einschließlich der Europäischen Gesellschaft, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts erteilt werden. Der numerus clausus der Gesellschaftsformen ist abschließend.

Die nationale Regelung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Solva-II-RL1. Die Solva-II-RL listet in Anhang III jeweils bezogen auf den einzelnen Mitgliedstaat die dort für Versicherungsunternehmen zulässigen Gesellschaftsformen auf. Für Deutschland sind dies die Aktiengesellschaft, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und öffentlich-rechtliche Wettbewerbsversicherungsunternehmen.2 Daneben dürfen Versicherungsunternehmen in allen Mitgliedstaaten auch in der Rechtsform der in der SE-VO definierten Europäischen Aktiengesellschaft, der sogenannten Societas Europaea („SE“), gegründet werden.3 In Deutschland wurde die SE mit Wirkung zum 02.06.2007 im Rahmen der 8. VAG-Novelle4 in den numerus clausus der zulässigen Gesellschaftsformen aufgenommen.5

Versicherungsunternehmen in der Rechtsform SE können entweder dualistisch oder monistisch organisiert sein. Das dualistische System entspricht der Organstruktur einer deutschen Aktiengesellschaft. Es setzt sich zusammen aus einem Leitungs- und einem Überwachungsorgan. Dagegen sind Leitung und Überwachung im monistischen System in einem Organ, dem Verwaltungsrat, vereint.

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Die Zahl der SE steigt stetig. Zum 31. Dezember 2016 gab es in Europa 2.670 SE. 451 der 2.670 Gesellschaften sind operativ tätig und verfügen über mehr als fünf Arbeitnehmer. Von diesen 451 operativ tätigen Gesellschaften haben 230 ihren Sitz in Deutschland. Dagegen waren es im Dezember 2015 185 und knapp zwei Jahre zuvor im Januar 2014 lediglich 135 Gesellschaften, die als SE in Deutschland operativ tätig waren und mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigten. Etwa 65 % (150) der heute in Deutschland ansässigen SE sind dualistisch organisiert. Monistisch organisierte SE bilden mit etwa 35 % (80) die Minderheit.6 Unter den monistisch organisierten SE finden sich bekannte Namen wie PUMA SE, Deichmann SE, Mensch und Maschine Software SE oder Conrad Electronics SE.7

Auch oder besonders im Versicherungssektor findet die Rechtsform der SE großen Zuspruch.8 International agierende Versicherungsgruppen wissen die Vorteile der europäischen Gesellschaftsform zu schätzen. In Deutschland wurde die Allianz AG bereits 2006 in eine SE umgewandelt. 2011 wurde auch die ARAG AG in die ARAG SE umgewandelt. Die HDI-Gerling Industrie Versicherung AG firmiert seit 2016 als SE unter dem Namen HDI Global SE.9

Versicherungsunternehmen in der Rechtsform der SE können nach Art. 38 lit. b) SE-VO10 wählen, ob sie ihr Unternehmen dualistisch oder monistisch organisieren.11 Bislang gibt es in Deutschland jedoch keine monistisch organisierten Versicherungsunternehmen. Dies mag nicht zuletzt an einer mangelnden Kenntnis und fehlenden Erfahrung mit dem monistischen System in Deutschland liegen. Insbesondere die Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Anforderungen an eine wirksame und ordnungsgemäße Geschäftsorganisation einer monistischen Versicherungs-SE schränkt die Wahl der monistischen Organisationsform faktisch ein.12

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Versicherungsunternehmen unterliegen der Aufsicht durch die BaFin und zählen somit zu den regulierten Unternehmen. In den regulierten Bereichen spielt die Geschäftsorganisation eine besondere Rolle. Das VAG regelt in den §§ 23 bis 34 VAG besondere Anforderungen an die Geschäftsorganisation in Versicherungsunternehmen. Die BaFin als Aufsichtsbehörde ist nach §§ 298 ff. VAG befugt, Sanktionen gegenüber Versicherungsunternehmen zu verhängen, wenn es an einer wirksamen und ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation fehlt, beispielsweise Organmitglieder nicht hinreichend zuverlässig oder fachlich ungeeignet sind.13 Die Anforderungen an die Geschäftsorganisation im dualistischen System sind bereits Gegenstand zahlreicher Abhandlungen gewesen. Die Anforderungen an die Geschäftsorganisation im monistischen System wurden bislang nur im Ansatz untersucht. Aufgrund der unterschiedlichen Organisationsstruktur des dualistischen und monistischen Systems können die Anforderungen an die Organmitglieder im dualistischen System nicht pauschal auf die monistische SE übertragen werden.

B. Gang und Grenzen der Arbeit

Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, Unsicherheiten in Bezug auf die rechtlichen Anforderungen an die Geschäftsorganisation einer monistisch organisierten Versicherungs-SE in Deutschland zu beseitigen, um so den Weg für die monistische SE im Versicherungssektor zu ebnen. Die Arbeit erhebt nicht den Anspruch, einen vollständigen Überblick über aufsichtsrechtliche Anforderungen an Versicherungsunternehmen im Allgemeinen zu vermitteln. Untersucht werden sollen ausschließlich die Anforderungen an die Geschäftsorganisation, die im monistischen und dualistischen System aufgrund der unterschiedlichen Kompetenzverteilung variieren können.

Die Untersuchung gliedert sich in zwei Teile. In einem ersten Teil sollen die Unterschiede zwischen dem dualistischen und monistischen System aufgezeigt werden (Teil 1). Da die SE-VO durch Verweise auf das nationale Recht geprägt ist, sind die rechtlichen Grundlagen für die Organisation der SE von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden.14 Die vorliegende Arbeit untersucht ausschließlich die SE deutscher Prägung. Ausgehend von dem monistischen System einer SE mit Sitz in Deutschland soll es vornehmlich um die Kompetenzverteilung auf ←23 | 24→Leitungsebene, namentlich die Kompetenzen der Verwaltungsratsmitglieder und die Aufgaben der geschäftsführenden Direktoren, gehen.

Basierend auf der Kompetenzverteilung im monistischen System in Abgrenzung zum dualistischen System sollen anschließend in einem zweiten Teil die versicherungsaufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsorganisation einer monistischen Versicherungs-SE untersucht werden (Teil 2). Hierzu ist es erforderlich, zunächst die Regelungssystematik im Versicherungsaufsichtsrecht zu durchdringen. Nach einer kurzen Einführung in die versicherungsaufsichtsrechtliche Problematik (Teil 2A.) gibt der zweite Teil daher zunächst einen Überblick über die gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Grundlagen des Versicherungsaufsichtsrechts (Teil 2B.). Relevant ist hier vor allem das Zusammenspiel der Vorgaben auf europäischer Ebene und ihrer Umsetzung bzw. Geltung im nationalen Recht. Auf dieser Grundlage sollen dann die Anforderungen an Zuverlässigkeit und fachliche Eignung von Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren (Teil 2C.), das Vieraugenprinzip (Teil 2D.), die Begrenzung von Mehrfachmandaten im Verwaltungsrat oder als geschäftsführender Direktor (Teil 2E.) und die Zahl ehemaliger Geschäftsleiter im Verwaltungs- oder Aufsichtsrat (Teil 2F.) im Einzelnen dargestellt werden.

Die Arbeit schließt mit einer thesenartigen Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse (Teil 2G.).


1 Richtlinie 2009/138/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl. Nr. L 335 S. 1, ber. 2014 Nr. L 219 S. 66.

2 Vgl. Anhang III A/B/C jeweils Nr. 5 Solva-II-RL.

3 Vgl. Anhang III A/B/C jeweils Nr. 28 Solva-II-RL.

4 8. Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes sowie zur Änderung des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes und anderer Vorschriften v. 28.05.2007, BGBl. I 2007, S. 923.

5 Vgl. Hersch, Aufsichtsrechtliche Anforderungen 2015, S. 19f.

6 Vgl. Erhebung der Hans Böckler Stiftung zum 31.12.2016, http://www.boeckler.de/34750.htm (abgerufen am 01.02.2017).

7 Vgl. Baum/Verse, AG 2016, 235 (235); Haider-Giangreco/Polte, BB 2014, 2947 (2950).

8 Vgl. Eidenmüller/Engert/Hornuf, AG 2008, 721 (727).

9 In Deutschland gibt es außerdem die Hannover Rück SE. Europaweit seien hier beispielhaft die Swiss Re International SE, ArgoGlobal SE, Chubb Insurance Company of Europe SE und die Aviva Undershaft Three SE genannt.

10 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), L 294/1.

11 Vgl. auch Erwägungsgrund 14 SE-VO, „Die Wahl des Systems bleibt der SE überlassen (…).“.

Details

Seiten
232
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631812327
ISBN (ePUB)
9783631812334
ISBN (MOBI)
9783631812341
ISBN (Paperback)
9783631810491
DOI
10.3726/b16554
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Dezember)
Schlagworte
Monistische Versicherungs-SE Geschäftsorganisation Kompetenzverteilung Zuverlässigkeit und fachliche Eignung Vieraugenprinzip Mehrfachmandate ehemalige Geschäftsleiter im Verwaltungsrat
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 232 S., 1 s/w Abb.

Biographische Angaben

Lisa Brasseler (Autor:in)

Lisa Brasseler studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie wurde an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster promoviert.

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