Lade Inhalt...

Logik und Erkenntnistheorie

Istanbuler Vorlesungen. Herausgegeben von Erhard Oeser

von Stephan Haltmayer (Autor:in) Erhard Oeser (Herausgeber:in)
©2019 Monographie 108 Seiten

Zusammenfassung

Das Anliegen des Werks ist es, die kulturübergreifende Bedeutung der Aristotelischen Philosophie in der islamisch-arabischen Kultur nachzuweisen. Die arabische Sprache ist nicht nur die Sprache des Koran, sondern sie ist auch die universale Sprache der Wissenschaft und Philosophie. Und es waren die arabisch schreibenden Autoren des Mittelalters, welche nicht nur die Aristotelischen Schriften ins Abendland überlieferten, aber auch in ihren Kommentaren weiterentwickelten. Das gilt sowohl für die naturwissenschaftlichen als auch für seine philosophischen Werke des Aristoteles, vor allem für seine Logik und Erkenntnistheorie.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung von Erhard Oeser. Aristoteles in der arabischen Tradition
  • Stephan Haltmayers Istanbuler Vorträge
  • 1. Logik und Erkenntnistheorie – ihr Unterschied und ihr Zusammenhang (1991)
  • 2. Das Aristotelische schlechthin und für uns frühere im Hinblick auf die Strukturierung des Organon (1991)
  • 3. Prinzip im Anschluss vor allem an die zweite Analytik (1991)
  • 4. Zum Begriff des Beweises in der Antike bis Euklid (1994)
  • 5. Zu den Prinzipien Körper/Leib, Seele und Nus (als Vernunft bzw. Geist) (1996)
  • 6. Bewegung und Ruhe oder Dialektik und Beweis. Eine Reise als Theoria (1998)
  • 7. Zeit, Muße und Ewigkeit. Betrachtungen auf primär Platonisch-Aristotelischer Grundlage (2000)
  • Schlusswort. Würdigung der Tätigkeit von Stephan Haltmayer am Institut für Wissenschaftstheorie
  • Literatur

← 8 | 9 →

Einleitung von Erhard Oeser
Aristoteles in der arabischen Tradition

Stephan Haltmayer hat frühzeitig, als er an seiner Habilitation gearbeitet hatte, festgestellt, dass einer der bedeutendsten deutschen Philosophen des 19. Jahrhunderts und Kenner der arabischen Sprache, Friedrich Wilhelm Schelling, die Ansicht vertreten hat, dass der „eigentliche Lehrer des Morgen- wie des Abendlandes“ Aristoteles war. Daraus ergab sich bei Stephan das Anliegen, die kulturübergreifende Bedeutung der Aristotelischen Philosophie nicht nur im arabischen, sondern auch im gesamten islamischen Raum nachzuweisen. Verwirklicht wurde dieses Anliegen im „Philosophischen Kreis Wien-Istanbul“ (Viyana-Istanbul Felsefe Çevresi). Dieser wissenschaftliche Verein wurde im Anschluss an meine Gastvorlesungen 1984 über „Wissenschaftlichen Universalismus“ an der Universität Istanbul gegründet. Die Leitfigur in der türkischen Philosophie war damals der aus dem heutigen Turkmenistan stammende Alfârâbi, der als Erklärer des Aristoteles, schon zu seinen Lebzeiten mit dem ehrenden Beinamen eines „zweiten Meisters“ ausgezeichnet worden ist. Stephan Haltmayer war nicht nur Mitglied dieses philosophischen Kreises, sondern hat mich bei den fast jährlich an der Universität Istanbul stattfindenden Tagungen begleitet und selbst Referate abgehalten – natürlich über Aristoteles.

Tatsächlich waren für den arabischen Philosophen aus Cordóba, Averroes (ibn Rushd), die Werke des Aristoteles die zuverlässigste wissenschaftliche Wahrheit, die in allen Zweifelsfragen als Richtschnur zu gelten hatte, weil sie nach seiner Meinung das Beste ist, was man auf diesem Gebiet finden konnte. Die Übernahme der Aristotelischen Philosophie und Wissenschaft durch die Araber in Al-Andalus ist daher auch als der Ursprung und Beginn des Dialogs der Kulturen zu betrachten. Und zwar dadurch, dass die rationale Philosophie des Aristoteles von Averroes über die Religion gestellt wurde, war es in diesem vom Islam beherrschten Teil Spaniens möglich, einen für das Zusammenleben von Muslimen, Christen und Juden toleranten Humanismus zu entwickeln. Diese unübersehbare kulturgeschichtliche Leistung des mittelalterlichen Al-Andalus bildete später auch die Grundlage der Hochschätzung der arabisch-islamischen Kultur in der europäischen Tradition des 18. und 19. Jahrhunderts.

Die Beschäftigung mit der islamischen Philosophie und Wissenschaft hat mich im Gegensatz zu der heutzutage überwiegenden Ablehnung islamischen Gedankenguts zur Ansicht gebracht, dass eine Einbeziehung der arabisch-islamischen Kommentatoren der antiken griechischen Philosophie zu einer gerechteren Beurteilung der naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles ← 9 | 10 → führen kann, die bisher von der modernen westlichen Philosophie und Wissenschaftstheorie vernachlässigt worden sind. Dass diese Ansicht nicht unberechtigt ist, wird auch durch die gegenwärtige Meinung arabisch-islamischer Wissenschaftler und Philosophen unterstützt, die in dem Modell des friedlichen Zusammenlebens von Muslimen, Christen und Juden im mittelalterlichen Andalusien ein historisches Vermächtnis und ein Vorbild für die Zukunft sehen. In dieser Ansicht wurde ich vor allem durch die Diskussion mit meinem arabischen Kollegen aus Tunis Mohamed Turki bestärkt, dem ich anlässlich seines Lehrauftrages an der Universität Wien begegnet bin. Schließlich waren es ja die arabischen Autoren des Mittelalters, welche das Gesamtwerk des Aristoteles, sowohl die philosophischen und naturwissenschaftlichen Schriften als auch seine systematisch begründeten Ansichten über Ethik, Recht und Politik nicht nur übernommen, sondern schon lange vor der europäischen Renaissance und Aufklärungsphilosophie weiterentwickelt haben.

Es waren vor allem die Übersetzungen und Kommentare zu den Schriften des Aristoteles, welche die Gelehrten Europas von den Arabern entlehnten. Und auf diese Weise sagt Herder „die Fackel der Wissenschaft für das damals barbarische Europa anzündeten“ (Herder 1792, Vierter Teil, S. 44). Dass die Araber „nach Spanien auch die neuen Wissenschaften und Künste gebracht hatten“ war auch die Meinung des großen Philosophen der europäischen Aufklärungszeit Voltaire (Voltaire 1785, chap. XXVII, S. 480 f.). Voltaire war es auch, der als die Araber durch die Reconquista, die Wiedereroberung Spaniens durch das christliche Heer Isabellas von Kastilien und Ferdinands von Aragon vertrieben wurden, feststellen musste, dass danach „Unwissenheit alle diese schönen Länder bedeckte“ (Voltaire 1867, 5. Teil, S. 265 f.). Später sind ihm vor allem Dichter wie Heinrich Heine, Chateaubriand, Washington Irving, Benjamin Disraeli und Garciá Lorca in dieser Ansicht gefolgt.

Alfârâbi und die anderen islamischen Autoren aus Asien gehören insofern zur arabischen Tradition, weil sie ihre Werke auf Arabisch verfassten, die nicht nur die Sprache des Koran, sondern auch die Sprachen der Wissenschaft war. Aber es war vor allem der arabisch beherrschte Teil Spaniens, der den größten Einfluss auf Europa hatte, weil dort der Ausgangspunkt der Wiedererweckung der klassischen griechischen Philosophie und Wissenschaft war. Es waren die arabischen Übersetzungen vor allem der Werke des Aristoteles, die zuerst zu einer Restauration der griechischen Wissenschaft und Philosophie im mittelalterlichen Europa führten. In diesem Sinn hat bereits im Jahr 1897 der britische Historiker Stanley Lane-Poole in seinem Werk „The Moors of Spain“ festgestellt: „Die Geschichte Spaniens bietet uns einen melancholischen Kontrast. Fast acht Jahrhunderte lang gab Spanien unter seinen muslimischen Herrschern ganz Europa ein leuchtendes Beispiel für einen zivilisierten und aufgeklärten Staat … Mit Granada fiel auch alle Größe ← 10 | 11 → Spaniens. Es folgten die Schwärze und Finsternis, worin Spanien seitdem versunken ist“ (zitiert nach Richard Fletcher, Moorish Spain, Berkeley 1992).

Was man aus diesen Ansichten lernen kann, ist die historische Tatsache, dass die Idee von Al-Andalus, mehr ist als ein Mythos, wie heutzutage manchmal behauptet wird. Sie war kein Hirngespinst maurophiler Romantiker, sondern war zumindest zeitweise konkrete historische Realität. Die Kultur des Islam mag in den Wüsten Arabiens entstanden sein, dennoch war sie es, die das europäische Erbe der antiken Philosophie bewahrt, weiterentwickelt und wieder nach Europa gebracht hat. Gerade durch diese historische Kontinuität hat sich vor allem die aristotelische Philosophie, und keine andere der philosophischen Richtungen der Gegenwart, als die Philosophia perennis schlechthin erwiesen.

Details

Seiten
108
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631778951
ISBN (ePUB)
9783631778968
ISBN (MOBI)
9783631778975
ISBN (Hardcover)
9783631765807
DOI
10.3726/b15118
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Januar)
Schlagworte
Organon Zweite Analytik Beweis Körper/Geist Bewegung Dialektik
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2019. 108 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Stephan Haltmayer (Autor:in) Erhard Oeser (Herausgeber:in)

Stephan Haltmayer (1933-2017) promovierte an der Universität Wien. Er habilitierte sich für das Gesamtgebiet der Philosophie. Im Mittelpunkt seiner Lehrtätigkeit und Publikationen stand griechische Antike.

Zurück

Titel: Logik und Erkenntnistheorie
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
110 Seiten