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Der Product-by-process-Anspruch im System des deutschen Patentrechts

von Katharina Brandt (Autor:in)
©2019 Dissertation 236 Seiten

Zusammenfassung

Der Product-by-process-Anspruch nimmt im deutschen Patentrecht eine Sonderstellung ein und bringt so rechtliche und praktische Unsicherheiten mit sich. Die Autorin greift die Überlegungen der Rechtsprechung und Literatur auf, führt sie weiter und entwickelt eigene Ansätze. Dabei begleitet das Buch den Product-by-process-Anspruch von der Erteilung bis hin zu seiner Durchsetzung und vermittelt so einen umfassenden Überblick. Eine besondere Bedeutung kommt dem Product-by-process-Anspruch u.a. im Bereich der Biopatente zu. Anknüpfend an die aktuelle Diskussion beschäftigt sich die Autorin mit der Bedeutung des Anspruchs im Hinblick auf Patente auf Pflanzen aus im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autoren-/Herausgeberangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • 1. Teil: Einleitung – Aufgabe und Lösung
  • A. Die Aufgabe
  • B. Die Lösung
  • 2. Teil: Die Einordnung des Product-by-process-Anspruchs in das Patentrecht
  • A. Die verschiedenen Patente
  • I. Das europäische Patent
  • II. Das Einheitspatent
  • III. Das nationale Patent
  • B. Das deutsche Patentrecht – Patentkategorien und Patentansprüche
  • I. Die Patentkategorien
  • II. Das Erzeugnispatent – Der Erzeugnisanspruch
  • III. Das Verfahrenspatent – Der Verfahrensanspruch
  • IV. Das Verwendungspatent – Der Verwendungsanspruch
  • C. Der Product-by-process-Anspruch und dessen Einordnung in die aufgezeigte Systematik
  • I. Übliche Kennzeichnung eines Erzeugnisses im Patentanspruch
  • II. Der Product-by-process-Anspruch
  • III. Die Einordnung in die Systematik der Patentansprüche
  • 3. Teil: Allgemeines zum Product-by-process-Anspruch
  • A. Rechtsnatur – Historische Entwicklung
  • B. Existenzberechtigung des Product-by-process-Anspruchs
  • C. Formulierung
  • D. Anwendungsbereiche
  • E. Zulässigkeitsvoraussetzungen im Erteilungsverfahren
  • I. Allgemeine Voraussetzungen der Patentierbarkeit
  • 1. Formelle Voraussetzungen der Erteilung
  • 2. Materielle Voraussetzungen der Erteilung
  • a) Erfindung auf einem Gebiet der Technik
  • b) Neuheit
  • c) Erfinderische Tätigkeit
  • d) Gewerbliche Anwendbarkeit
  • II. Subsidiarität
  • III. Ausführbarkeit des Verfahrens
  • 4. Teil: Die Bestimmung des Schutzbereichs
  • A. Allgemeine Auslegungsgrundsätze im Patentrecht
  • B. Die Auslegung des Product-by-process-Anspruchs
  • I. Bezeichnung als Product-by-process-Anspruch
  • II. Der Product-by-process-Anspruch als Ergebnis der Auslegung
  • III. Auswirkungen der Formulierungen „hergestellt“/„erhalten“ und „herstellbar“/„erhältlich“
  • 1. Die Rechtsprechung
  • a) Zu Product-by-process-Ansprüchen
  • b) Zur Formulierung von Patentansprüchen
  • 2. Die Literatur
  • a) Anhänger der Rechtsprechung
  • b) Kritiker der Rechtsprechung
  • aa) Beschränkung durch beide Formulierungsvarianten
  • bb) Differenzierung zwischen den Formulierungsvarianten
  • c) Einordnung als Verfahrensanspruch
  • 3. Das Patentamt
  • 4. Zusammenfassung und Stellungnahme
  • a) Stellungnahme zu der vorangegangenen Argumentation
  • b) Zusammenfassung und eigenes Meinungsbild
  • IV. Auslegung des Anspruchs
  • C. Auslegung im Erteilungs-, Rechtsbestands- und Verletzungsverfahren
  • D. Der Schutzbereich
  • E. Kritik am absoluten Stoffschutz
  • 5. Teil: Die Probleme und Unsicherheiten des Product-by-process-Anspruchs
  • A. Rechtsunsicherheiten im Erteilungsverfahren
  • B. Rechtsunsicherheiten im Rechtsbestands- und Verletzungsverfahren
  • I. Allgemeine Unsicherheiten beim Schutzbereich
  • II. Neue Analyse- und Messmethoden
  • C. Bestehende Lösungsansätze
  • D. Eigener Lösungsansatz
  • I. Belastung mit Beweisschwierigkeiten
  • II. Verschärfung der Subsidiarität
  • 1. Verschärfung im Erteilungsverfahren
  • 2. Verschärfung im Rechtsbestands- oder Verletzungsverfahren
  • 3. Praktische Umsetzung
  • a) Grenze zur Unmöglichkeit
  • b) Kurze und genaue Bezeichnung
  • c) Durchsetzung einer verschärften Subsidiarität
  • aa) Mögliche Verfahren zur Korrektur
  • bb) Charakterisierung des Subsidiaritätsdefizits
  • (1) Fehlende Subsidiarität als Widerrufs- bzw. Nichtigkeitsgrund
  • (a) Charakterisierung durch den BGH?
  • (b) § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG
  • (c) § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG
  • (d) § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG
  • (e) § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG
  • (2) Fehlende Subsidiarität als Verfahrensfehler
  • cc) Durchsetzungsmöglichkeit
  • III. Zusammenfassung
  • 6. Teil: Die Durchsetzung von Product-by-process-Ansprüchen in der Praxis
  • A. Die Patentverletzung
  • I. Wortsinngemäße und äquivalente Verwirklichung
  • 1. Wortsinngemäße Verwirklichung
  • 2. Äquivalente Verwirklichung
  • 3. Äquivalente Verwirklichung des Product-by-process-Anspruchs
  • a) Anwendbarkeit der Lehre von der Äquivalenz beim unbeschränkten Product-by-process-Anspruch
  • b) Anwendbarkeit der Lehre von der Äquivalenz beim beschränkten Product-by-process-Anspruch
  • aa) Systematische Beurteilung anhand eines Fallbeispiels
  • (1) Äquivalenz beim Verfahrensanspruch
  • (2) Äquivalenz beim Erzeugnisanspruch
  • (3) Äquivalenz beim Product-by-process-Anspruch
  • (a) Äquivalenz beim unbeschränkten Product-by-process-Anspruch
  • (b) Äquivalenz beim beschränkten Product-by-process-Anspruch
  • bb) Gesamtbetrachtung
  • (1) Verfahren als kritischer Wert – Rechtsprechung zu Zahlen- und Maßangaben
  • (2) Auswahlentscheidung
  • (3) Widerspruch zur technischen Lehre, wesentliche Veränderung, ersatzloses Fehlen
  • cc) Das Resultat der Überlegungen – Die Äquivalenz beim beschränkten Product-by-process-Anspruch
  • II. Unmittelbare und mittelbare Patentverletzung
  • B. Der allgemeine Nachweis der Patentverletzung
  • I. Vorlage- und Besichtigungsanspruch
  • II. Testkauf
  • C. Der Nachweis der Patentverletzung beim Product-by-process-Anspruch
  • I. Unklarheiten im Patentanspruch
  • II. Die zwei Möglichkeiten des Nachweises
  • 1. Verwendung des gleichen Verfahrens
  • 2. Verwendung eines anderen Verfahrens
  • D. Weitere verfahrensrechtliche Fragen
  • I. Die Beweiserleichterung nach § 139 Abs. 3 PatG
  • II. Das Besichtigungsverfahren
  • 1. Allgemeine verfahrensrechtliche Durchsetzung
  • 2. Die Besichtigung beim Product-by-process-Anspruch
  • E. Resultat der Überlegungen
  • 7. Teil: Jüngster Diskussionsschwerpunkt: Der Product-by-process-Anspruch bei Patenten auf Pflanzen aus im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren
  • A. Einschränkung des Untersuchungsrahmens
  • B. Allgemeine Feststellungen
  • I. Der Begriff der Biotechnologie
  • II. Abgrenzung von Erfindung und Entdeckung
  • III. Abgrenzung von Sortenschutz und Patent
  • IV. Kein Schutz im Wesentlichen biologischer Verfahren
  • 1. Die Verbotsnormen
  • 2. Das Verhältnis der Vorschriften zueinander
  • C. Die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer – Tomate und Brokkoli
  • I. Der Sachverhalt
  • II. Die Entscheidungen
  • D. Die Folgen der Entscheidungen des EPA
  • I. Die Reaktionen
  • II. Das Umgehungsargument
  • III. Die Mitteilung der Kommission
  • 1. Die Mitteilung
  • 2. Die Verbindlichkeit
  • IV. Reaktion des EPA
  • E. Die Auslegung des Product-by-process-Anspruchs auf dem Gebiet der Biotechnologie
  • F. Fazit
  • 8. Teil: Der Product-by-process-Anspruch und das Gebrauchsmuster
  • 9. Teil: Forschungsergebnis, Ausblick und Anregungen

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1. Teil: Einleitung – Aufgabe und Lösung

Ursprünglich in den USA entwickelt und seit 1971 auch in Deutschland anerkannt, gesellt sich der Product-by-process-Anspruch zu den Ansprüchen des Patentrechts und sorgt nicht selten für Aufsehen.

Schon der Name und die Sonderstellung des Anspruchs innerhalb des Patentrechts bergen das Potential, mit Sicherheit den Studierenden, vereinzelt sogar den Fachmann abzuschrecken. Zumindest hinsichtlich der Anzahl der Patentansprüche scheint das Patentrecht doch zurückhaltend gewesen zu sein. Die Unterscheidung von Erzeugnis- und Verfahrensanspruch gelingt – gerade in der Theorie – schnell. Warum muss es also einen weiteren Anspruch geben und warum sollte man sich mit diesem beschäftigen?

Der Product-by-process-Anspruch wird oftmals wie ein ungebetener Gast behandelt. So werden dem Anspruch meist nur wenige Zeilen gewidmet. Dabei geht es überwiegend um den Umfang des Schutzbereichs, über den seit Jahren Uneinigkeit herrscht. Viele weitere Aspekte des Product-by-process-Anspruchs bleiben jedoch oftmals unkommentiert.

A. Die Aufgabe

Auch wenn nur spezielle Erfindungen – insbesondere solche auf den Gebieten der Chemie und Biologie – auf den Product-by-process-Anspruch angewiesen sind, vervollständigt doch erst dieser Anspruch das Patentsystem. Er ermöglicht es auch den Erfindern auf diesen Gebieten, Erzeugnisschutz für ihre Erfindungen zu erlangen. Dies erreicht der Anspruch, indem er dem Anmelder die Möglichkeit gibt, seine Erzeugniserfindung nicht nur mittels körperlicher Merkmale zu kennzeichnen, sondern hierfür das Herstellungsverfahren zu verwenden. Damit schließt er eine Schutzlücke, die unter anderem durch die Abschaffung des Stoffschutzverbots entstanden ist.

Gleichzeitig führt die mittelbare Kennzeichnung durch das Verfahren zu scheinbaren Überschneidungen des Erzeugnis- und Verfahrensanspruchs. Dabei gewinnt das Zusammenspiel von Erzeugnis und Herstellungsverfahren besondere Bedeutung. Entscheidend ist die Bedeutung des Herstellungsverfahrens insbesondere für den Schutzbereich des Product-by-process-Anspruchs.

Der Anspruch ist im Patentgesetz nicht normiert. Der BGH hat entschieden, dass der Product-by-process-Anspruch im deutschen Recht zulässig ist. Bis heute hat der Gesetzgeber eine Normierung des Anspruchs unterlassen. ← 13 | 14 → Rechtsprechung und Literatur arbeiten jedoch seit Jahren an der weiteren Ausformung des Anspruchs und der Reduzierung der verbleibenden Unklarheiten.

Diese Überlegungen werden aufgenommen und weitergeführt. Dabei werden insbesondere diejenigen Aspekte des Anspruchs näher betrachtet und bewertet, die in den vergangenen Jahren vermehrt diskutiert wurden. Damit wird zur Beseitigung der bestehenden Unklarheiten beigetragen. Darüber hinaus ist es Ziel dieser Arbeit, dem Leser einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Aspekte des Product-by-process-Anspruchs zu verschaffen und so insgesamt zu seinem besseren Verständnis beizutragen.

B. Die Lösung

Hierzu begleitet diese Arbeit den Product-by-process-Anspruch von der Erteilung bis hin zu seiner Durchsetzung. Dabei bildet insbesondere die Schutzbereichsbestimmung einen Schwerpunkt, in deren Rahmen die verschiedenen Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur genauer betrachtet werden. Darüber hinaus wird ein Lösungsvorschlag unterbreitet, der einen Weg aufzeigt, die Rechtsunsicherheiten um den Product-by-process-Anspruch zu minimieren. Doch auch die verschiedenen Verletzungsformen bedürfen einer umfassenden Analyse. Dabei wirft insbesondere die äquivalente Verwirklichung des Product-by-process-Anspruchs Fragen auf. Auch diese Fragen werden mit Hilfe systematischer Überlegungen beantwortet. Schließlich widmet sich die Arbeit dem Nachweis der Verletzung eines Product-by-process-Anspruchs.

Für eine umfassende Betrachtung bedarf es auch eines Blicks auf Patente auf Pflanzen aus im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren. Nachdem nicht nur ein Patent auf eine Tomate erteilt wurde, die ohne zu verderben an der Tomatenpflanze dehydriert, sondern auch ein besonders gesunder Brokkoli mit dem Monopolrecht belohnt wurde, entbrannte eine lebhafte Diskussion. Die Ansprüche auf die besagte Tomate und den Brokkoli waren als Product-by-process-Ansprüche formuliert worden. Entscheidend in diesem Bereich sind insbesondere die Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens und der Biopatentrichtlinie der EU. Maßgebend ist dabei das Patentierungsverbot für im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren. Dabei soll der Fokus der Untersuchung auf dem deutschen Patenrecht verbleiben. Jedoch sieht auch der deutsche Gesetzgeber besondere Normen für das Biopatent vor. Durch die Umsetzung der Biopatentrichtlinie wurde mitunter das Patentierungsverbot für im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren auch in das deutsche Recht übernommen. Um das Bild vom Product-by-process-Anspruch zu vervollständigen, muss also die Frage beantwortet werden, ob der Anspruch im Bereich der ← 14 | 15 → Biopatente rechtlich anders behandelt werden muss. Dies könnte aus den additionalen Rechtsnormen hervorgehen. Dabei wird der aktuelle Diskurs untersucht und dargelegt, um abschließend den Product-by-process-Anspruch auch im Bereich der Biopatente beurteilen zu können.

Schließlich gehört zu der umfassenden Bearbeitung des Product-by-process-Anspruchs auch dessen Einsatz im Gebrauchsmusterrecht.

Das Augenmerk liegt dabei immer auf dem Anspruch selbst.

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2. Teil: Die Einordnung des Product-by-process-Anspruchs in das Patentrecht

Damit eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Product-by-process-Anspruch gelingen kann, muss zunächst ein Überblick über dessen rechtliches Umfeld geschaffen werden. Der Product-by-process-Anspruch ist hierbei im Prinzip nicht auf das Patentrecht beschränkt. Eine solche Anspruchsformulierung ist auch im Gebrauchsmusterrecht denkbar.1 Dabei soll sich diese Arbeit zunächst nicht mit dem Gebrauchsmustergesetz beschäftigen. Der Product-by-process-Anspruch wirft innerhalb der patentrechtlichen Systematik mehrere Fragen und Probleme auf. Aus diesem Grund wird er im Rahmen des Patentrechts grundlegend aufgearbeitet. Im Anschluss kann eine gezielte Einordnung in das Gebrauchsmusterrecht erreicht werden. Damit muss der Anspruch zunächst in die patentrechtliche Systematik eingeordnet werden.

Das Patentrecht kennt verschiedene Arten von Patenten. Darüber hinaus gibt es im deutschen Patentrecht verschiedene Patentansprüche. Durch die kurze Behandlung der verschiedenen Arten von Patenten soll die Basis geschaffen werden, um schließlich auf nationaler Ebene im Rahmen des deutschen Patentrechts den Product-by-process-Anspruch einordnen zu können. Einer tieferen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Patenten bedarf es für das Forschungsziel dieser Arbeit nicht. Der Überblick über die Patente soll lediglich die Einordnung in den Gesamtzusammenhang des Patentrechts ermöglichen.

A. Die verschiedenen Patente

Patent ist nicht gleich Patent. Ein Erfinder hat mehrere Möglichkeiten, seine Erfindung schützen zu lassen. Dies ist auf europäischer und nationaler Ebene möglich. Für eine Erfindung kann damit ein europäisches oder nationales Patent erteilt werden. In Zukunft kann für europäische Patente zudem einheitliche Wirkung beantragt werden, was zu der Bezeichnung als Einheitspatent führt. ← 17 | 18 →

I. Das europäische Patent

Das europäische Patent ist gemäß Art. 2 Abs. 1 EPÜ das nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) erteilte Patent. Grundlage für alle zwischenstaatlichen Patentübereinkommen und damit auch für das EPÜ ist die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ).2 Mit dem Ziel, das Anmeldesystem sowie das Verfahren zur Erlangung und zur Sicherung des grenzüberschreitenden Patentschutzes zu vereinfachen, wurden verschiedene Übereinkommen getroffen.3 Neben dem EPÜ zählen hierzu insbesondere das Straßburger Patentübereinkommen (StraÜ) sowie der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT).4 Die materiell-rechtlichen Regelungen des StraÜ wurden weitgehend durch das EPÜ in das Recht der Mitgliedstaaten übernommen, sodass das StraÜ an Bedeutung verloren hat.5 Zu den unterschiedlichen Übereinkommen gehören zudem mehrere Protokolle und Ausführungsordnungen. Mit dem EPÜ und seiner Ausführungsordnung sowie den Protokollen wurde, mitunter als Teil der Europäischen Patentorganisation (EPO), das Europäische Patentamt (EPA) geschaffen.6

Das europäische Patent entsteht mit seiner Erteilung durch das EPA als Bündelpatent mit europäischen und nationalen Schutzwirkungen.7 Ein europäisches Patent hat gemäß Art. 2 Abs. 2 EPÜ für jeden Vertragsstaat, für den es erteilt wurde, die Wirkung eines nationalen Patents, soweit die nationalen Vorschriften nicht durch spezifische materiell-rechtliche Bestimmungen im EPÜ verdrängt werden. Das europäische Patent bündelt mithin nationale Patente, untersteht jedoch zusätzlich den spezielleren europäischen Regelungen des EPÜ. ← 18 | 19 →

II. Das Einheitspatent

Schon seit vielen Jahren bestand der Wunsch, ähnlich wie im Marken- und Designrecht einen einheitlichen und europaweit gültigen Patentschutz zu schaffen.8 Auf EU-Ebene wurde zu diesem Zweck das Europäische Patentpaket beschlossen, das aus dem Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ), der Verordnung (EU) 1257/2012 über die Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes sowie der Verordnung (EU) 1260/2012 über die anzuwendenden Übersetzungsregelungen besteht.9 Bei der Schaffung des neuen Systems erzielten die EU-Mitgliedstaaten jedoch nicht zu allen inhaltlichen Fragen eine Einigung.10 Deshalb schlossen sich nur die Mitgliedstaaten zusammen, die an der Schaffung des neuen Systems tatsächlich mitwirken wollten.11 Diese Möglichkeit eröffnen die Art. 326–334 AEUV über die verstärkte Zusammenarbeit. Hierdurch wird eine Gruppe von Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, einheitliche Regelungen zu treffen, ohne dass ein Konsens aller Mitgliedstaaten erreicht werden muss.12 Deshalb handelt es sich beim Einheitspatent nicht um ein Unionspatent, sondern um ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung. Dabei sollen die Schwierigkeiten, die sich beim europäischen Patent durch dessen Zerfall in nationale Patente ergeben, vermieden werden.13 Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. a (EU) 1257/2012 und Regel 5 der Durchführungsordnung zum einheitlichen Patentschutz ist das EPA für die Erteilung der einheitlichen Wirkung zuständig. Einheitliche Wirkung kann gemäß Art. 3 Abs. 1 (EU) 1257/2012 für europäische ← 19 | 20 → Patente eingetragen werden, die mit den gleichen Ansprüchen für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten erteilt wurden. Es bietet einheitlichen Schutz und hat gemäß Art. 3 Abs. 1 (EU) 1257/2012 die gleiche Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten. Damit kann das Einheitspatent nur für alle Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden.

Zudem wird mit dem Einheitspatentgericht ein eigenes supranationales europäisches Gerichtssystem geschaffen.14 Das Einheitspatentgericht wird gemäß Art. 1 EPGÜ nicht nur für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung, sondern auch für die klassischen europäischen Patente zuständig sein. Dabei hat es den Status eines nationalen Gerichts, da es in die Gerichtssysteme der teilnehmenden Mitgliedstaaten eingebunden wird. Damit hat es auch die Pflicht, Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem EuGH vorzulegen.15

Das Gericht besteht nach Art. 6 Abs. 1 EPGÜ aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei. Das Gericht erster Instanz umfasst Zentral-, Regional- und Lokalkammern, sodass es generell in jedem Mitgliedstaat angerufen werden kann. Die ersten sieben Jahre sind als Übergangsphase ausgestaltet, in der Klagen wegen Verletzung oder auf Nichtigerklärung gemäß Art. 83 Abs. 1 EPGÜ weiterhin bei den nationalen Gerichten oder den national zuständigen Behörden erhoben werden können. Nach Ablauf dieser Übergangsphase ist das Einheitspatentgericht ausschließlich zuständig.

Die Umsetzung des Einheitspatentsystems wurde 2016 mit der Ankündigung Großbritanniens, es werde aus der EU austreten, starken Unsicherheiten ausgesetzt. Die Verordnungen können erst in Kraft treten, wenn das EPGÜ in Kraft tritt, was jedoch gemäß Art. 89 Abs. 1 EPGÜ die Ratifizierung durch mindestens dreizehn Vertragsstaaten unter zwingendem Einschluss von Deutschland, Frankreich und Großbritannien voraussetzt.16 Großbritannien wird zwar aus der EU austreten, hat jedoch im April 2018 das Übereinkommen ratifiziert.17 ← 20 | 21 →

Die Ratifizierung des Übereinkommens verzögert sich jedoch weiter. In Deutschland wurde am 31. März 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben.18 Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ratifikationsgesetze zum einheitlichen Patentgericht sowie gegen das Abkommen selbst.19 Das Bundesverfassungsgericht bat den Bundespräsidenten daraufhin am 03. April 2017, die Umsetzungsgesetze nicht auszufertigen.20 Das Präsidialamt teilte mit, das Bundesverfassungsgericht habe seine Bitte damit begründet, dass die Verfassungsbeschwerde nicht von vornherein aussichtslos sei.21 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entsprach der Bitte des Bundesverfassungsgerichts und setzte die Ausfertigung bis zur Entscheidung in Karlsruhe aus.22

Solange Deutschland nicht ratifiziert, kann das neue System nicht in Kraft treten.23 Dabei wird die Verfassungsbeschwerde die Ratifikation erheblich verzögern. Gleichwohl dürfte sie nur einen weiteren Stolperstein auf dem Weg zu einem einheitlichen Patentschutz darstellen.

III. Das nationale Patent

Neben dem europäischen Patent und dem Einheitspatent gibt es die klassischen nationalen Patente.

Das Patentrecht basiert auf dem Territorialitätsprinzip.24 Hiernach entfalten Patente ihre Wirkung lediglich in dem Territorium des Staats, für den sie erteilt wurden.25 Patente werden auf Grund eines staatlichen Hoheitsakts erteilt, in ← 21 | 22 → Deutschland durch Verwaltungsakt.26 Der Erteilungsbeschluss ist ein rechtsgestaltender und begünstigender Verwaltungsakt.27 Er schafft das Patent und legt dessen Inhalt fest.28 Hieraus resultiert auch die territorial begrenzte Wirkung von Patenten.29 Auf Grund der territorial beschränkten Hoheitsgewalt kann auch nur territorial beschränkter Schutz erreicht werden.30 Auf europäischer Ebene werden Patente nicht durch die einzelnen nationalen Hoheitsakte erteilt, sondern durch eine Maßnahme, die das EPA kraft des nur für diese Behörde geltenden Sonderrechts trifft.31 Trotzdem gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 EPÜ das nationale Recht und damit das Territorialitätsprinzip, sodass dieses nicht durchbrochen wird.32 Da die Hoheitsgewalt eines Staats auf das eigene Staatsgebiet beschränkt ist, können damit auch ausländische nationale Patente in Deutschland keinen Patentschutz genießen.33

In Deutschland erteilt das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) die nationalen Patente.34

B. Das deutsche Patentrecht – Patentkategorien und Patentansprüche

Der Product-by-process-Anspruch ist ein spezieller Anspruch des Patentrechts. Seine Formulierung ist mithin unabhängig von der Art des erteilten Patents. Die Erteilung eines Product-by-process-Anspruchs ist somit, abhängig von der Zulässigkeit, in allen nationalen und übernationalen Patentrechtssystemen denkbar. Die weitere Einordnung des Product-by-process-Anspruchs richtet sich nach dem deutschen Recht. Damit erfolgt sie also auf der oben dargestellten nationalen Ebene von Patenten.35 Über die deutsche Anspruchssystematik im Patentrecht ist eine genauere Bestimmung des Product-by-process-Anspruchs möglich. ← 22 | 23 →

I. Die Patentkategorien

Patente können für Erzeugnisse oder Verfahren erteilt werden.36 Dementsprechend existieren zwei grundlegende Patentkategorien. Je nach Schutzgegenstand entfalten die Patente verschiedene Rechtswirkungen, denn den verschiedenen Kategorien sind spezifische Benutzungsarten zugeordnet, die sich unterscheiden können.37 Für die Einteilung des Patents in eine der Kategorien ist der Inhalt der Erfindung maßgeblich, welcher sich aus dem sachlichen Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen sowie dem Patentbegehren des Anmelders ergibt.38 Der Anmelder kann die entsprechende Kategorie für seine Erfindung im Grundsatz frei wählen, solange er nicht nur Eigenschaften eines Erzeugnisses oder ein Verfahren kennzeichnende Merkmale offenbart.39 Wird in der Patentschrift eine Erfindung offenbart, die sowohl ein Erzeugnis als auch ein Verfahren umfasst, kann der Anmelder auf alle in Betracht kommenden Erscheinungsformen seiner Erfindung einen Anspruch richten.40 Er kann seine Erfindung als technische Lehre in Bezug auf das Erzeugnis oder in Bezug auf das Verfahren definieren und damit die Patentkategorie bestimmen.41 Die Patentkategorie hängt also maßgeblich von dem Inhalt der Erfindung ab, welcher in Ansprüchen verschriftlicht wird.

Hierbei werden in einem Patent meist mehrere Ansprüche formuliert. Das deutsche Patentrecht kennt verschiedene Anspruchskategorien. Hierzu zählen Haupt-, Neben- und Unteranspruch, welche zunächst nichts über den Gegenstand der Erfindung aussagen.42 Im Allgemeinen wird ein Hauptanspruch bestimmt, wobei das Patent durch weitere Neben- oder Unteransprüche ergänzt werden kann. Der Hauptanspruch ist derjenige Anspruch, der die Erfindung in ihrer Gesamttragweite erfassen soll.43 Ein Nebenanspruch stellt eine vom Hauptanspruch unabhängige Erfindung unter Schutz, wobei ein Patent nur mehrere selbstständige Erfindungen erfassen kann, wenn die Einheitlichkeit gemäß § 34 Abs. 5 PatG gewahrt ist.44 Unteransprüche hingegen beziehen sich auf ← 23 | 24 → bestimmte Ausführungsarten der im Haupt- oder Nebenanspruch gekennzeichneten Erfindung und sind damit von dieser abhängig.45

Details

Seiten
236
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631774052
ISBN (ePUB)
9783631774069
ISBN (MOBI)
9783631774076
ISBN (Paperback)
9783631773451
DOI
10.3726/b14902
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Dezember)
Schlagworte
Schutzbereich Äquivalenz Durchsetzung Biologische Züchtungsverfahren Rechtsunsicherheiten Patentanspruch
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 236 S., 4 s/w Abb.

Biographische Angaben

Katharina Brandt (Autor:in)

Katharina Brandt studierte Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit einem Schwerpunkt im Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht.

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