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CoCo-Bonds

Praxis und Dogmatik bedingter Pflichtwandelanleihen

von Stefan Gohling (Autor:in)
©2019 Dissertation 276 Seiten

Zusammenfassung

CoCo-Bonds sind Anleihen, die beim Eintritt eines vordefinierten Ereignisses – in der Regel ein Krisenszenario – in Eigenkapital des Emittenten umgewandelt werden. Als Emittenten kommen insbesondere Banken in Betracht. Das Instrument wurde kreiert, um im Fall einer Bankenkrise oder -insolvenz durch Beteiligung bestimmter Gläubiger zur Stabilität der Märkte beizutragen. Dieses Ziel kann jedoch nur bei richtiger Ausgestaltung erreicht werden. Anderenfalls drohen gefährliche Anreize für verschiedene Marktteilnehmer. Auch die automatische Umwandlung erweist sich als juristisch sehr komplex. Die Publikation geht auf wichtige Ausgestaltungsparameter ein, entwickelt neue dogmatische Begründungen der Umwandlung und ordnet CoCo-Bonds in das System des neuen Bankensanierungs- und Abwicklungsregimes ein.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • Kapitel 1 Die Idee der CoCo-Bonds sowie der Bezug zur Krise 2007/2008 und zum Aufsichtsrecht
  • 1.I. Die bedingte Pflichtwandelanleihe als automatisierter Debt-Equity-Swap
  • 1.II. Der Debt-Equity-Swap als Sanierungsinstrument
  • 1.III. Eigenkapitalanforderungen durch Basel III bzw. CRD-IV – der rechtliche Nährboden für CoCos
  • 1.IV. Instrument zur Stabilisierung und Sanierung im Krisenfall
  • 1.V. Bail-out der Bank durch Bail-in von Investoren – der ordnungspolitische Rahmen
  • 1.VI. CoCo-Bonds im System eines neuen Sanierungs- und Abwicklungsregimes – BRRD, SAG und SRM-Verordnung
  • 1.VII. CoCo-Bonds als Krisenverstärker?
  • A. Ansteckung anderer Marktteilnehmer – contagion
  • B. Panik vor Umwandlung und Abwärtsspirale
  • C. Falsche Anreizsetzung durch CoCo-Bonds
  • 1.VIII. Keine Alternative zu Kernkapital?
  • 1.IX. CoCo-Bonds als geeigneter Kompromiss für verschiedene Interessengruppen
  • Kapitel 2 CoCo-Bonds in der Praxis – Verbreitung bei Emittenten und Investoren
  • 2.I. Mögliche Emittenten von CoCo-Bonds
  • 2.II. Emissionspraxis von CoCo-Bonds
  • 2.III. Mögliche Investoren von CoCo-Bonds
  • 2.IV. Das tatsächliche Investorenumfeld
  • Kapitel 3 CoCos in der Kapitalstruktur von Körperschaften
  • 3.I. Einfluss staatlicher Institutionen
  • 3.II. Basel III, CRD-IV und CRR als rechtlicher Rahmen für CoCo-Bonds
  • A. Einführung
  • B. Eigenmittel – Total Capital
  • C. Kapitalpuffer
  • 3.III. CoCo-Bonds als Eigenmittelbestandteil
  • A. CoCos als Instrumente des harten Kernkapitals – Common Equity Tier1-Capital
  • a. Allgemeine Einordnung
  • b. CoCo-Bonds als Kapitalpuffer
  • i.   Der antizyklische Kapitalpuffer
  • ii.   Der Kapitalerhaltungspuffer
  • iii.   Der Kapitalpuffer für systemische Risiken
  • iv.   Der Kapitalpuffer für global systemrelevante Institute
  • B. CoCos als Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals – Additional Tier1-Capital
  • a. Wesen und Eigenschaften des zusätzlichen Kernkapitals
  • b. CoCos als zusätzliches Kernkapital
  • C. CoCos als Instrumente des Ergänzungskapitals – Tier2-Capital
  • 3.IV. Steuerrechtliche Beurteilung von CoCo-Bonds
  • 3.V. CoCo-Bonds in der Überschuldungsbilanz
  • 3.VI. CoCo-Bonds in der Bilanz von Versicherungsunternehmen
  • 3.VII. Ein Blick in die Zukunft: CoCo-Bonds und Eigenkapitalanforderungen in der Schweiz
  • A. Bedeutung des Bankensektors in der Schweiz
  • B. Die Regulierung von Banken nach schweizerischem Recht
  • a. Eigenkapitalanforderungen an Banken, die nicht systemrelevant sind
  • b. Eigenkapitalanforderungen an systemrelevante Banken
  • c. Zukunft von CoCo-Bonds in der Schweiz
  • C. Fazit
  • Kapitel 4 Das Trigger Event
  • 4.I. Bedeutung und Rechtsnatur des Trigger Events
  • A. Bedeutung des Trigger Events
  • B. Rechtsnatur
  • a. Rechtsnatur der Wandelanleihe i.S.d. § 221 I AktG
  • b. Rechtsnatur der Pflichtwandelanleihe und der CoCo-Bonds
  • i.   Ermächtigung der Wandlungsstelle
  • ii.   Theorie des Vorvertrages
  • iii.   CoCos als Put-Option
  • iv.   Das Trigger Event als Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB
  • 1. Rechtsnatur von vor dem 31. Dezember 2015 emittierten CoCos
  • (i.) Erbringung der Einlage
  • (ii.) Rechtsnatur der Einlage
  • (iii.) Begründung der Aktionärsstellung
  • (iv.) Bedingungsfeindlichkeit der Umwidmung?
  • (v.) Zeitpunkt der Wirksamkeit der Umwandlung
  • (vi.) Schicksal der verbrieften Anleihe
  • 2. Rechtsnatur ab dem 31. Dezember 2015 emittierter CoCos
  • 3. Die Umwandlung von schweizerischen CoCo-Bonds
  • 4. Zusammenfassung
  • 4.II. Mögliche Ausgestaltungen des Trigger Events
  • A. Einführung
  • B. Auslösende Ereignisse
  • a. Systemische Trigger
  • b. Bankspezifische Trigger
  • i.   Regulatorische Trigger
  • ii.   Bilanzwertorientierte Trigger
  • iii.   Marktwertorientierte Trigger
  • iv.   Rating-Trigger
  • v.   Dual Price Trigger
  • vi.   Eintritt einer Katastrophe (Versicherungen)
  • vii. Schlussfolgerungen
  • C. Threshold des Triggers
  • a. Hohe und niedrige Trigger
  • b. Going-concern und gone-concern
  • D. Ergebnis
  • 4.III. Rechtsfolgen und tatsächliche Folgen der Auslösung des Trigger Events
  • A. Einführung
  • B. Writedown-Bonds
  • a. Einfache Writedown-Bonds
  • b. Temporary Writedown-Bonds
  • C. „Klassische“ CoCo-Bonds (mit Umwandlungsmechanismus)
  • a. Überblick
  • b. Variable Umwandlung (Partial Swap)
  • c. Fixed dollar conversion
  • d. Fixed share conversion
  • 4.IV. Prämissen für die Ausgestaltung
  • Kapitel 5 Anforderungen an die Emission von CoCo-Bonds
  • 5.I. Umwandlung als Kapitalerhöhung
  • 5.II. Aktienrechtliche Zulässigkeit von CoCo-Bonds nach § 221 AktG
  • 5.III. Absicherung der Wandlungsrechte mit bedingtem Kapital
  • 5.IV. Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre
  • A. Interesse am Bezugsrechtsausschluss
  • B. Voraussetzungen eines Bezugsrechtsausschlusses
  • 5.V. Die Emission von CoCo-Bonds nach schweizerischem Recht
  • Kapitel 6 Die Zukunft von CoCo-Bonds
  • 6.I. CoCo-Bonds als Grundlage neuer Finanzierungsinstrumente
  • 6.II. CoCo-Bonds als Wunderanleihe? – Koexistenz von CoCos, SAG und SRM-VO
  • 6.III. CoCo-Bonds als Baustein auf dem Weg zu einer sichereren Finanzmarktlandschaft
  • 6.IV. Zusammenfassung
  • Literaturverzeichnis

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Einleitung

„Dass Haftung und Risiko zusammengehören, ist keine linke Idee, sondern ein Grundprinzip der Marktwirtschaft.“3

„Alles in allem halte ich es für eine gesunde Entwicklung, dass Risiko wieder einen Preis hat.“4

CoCo-Bonds sind Schuldverschreibungen, die beim Eintritt eines in den Anleihebedingungen definierten Ereignisses – in der Regel ein Krisenszenario – in Eigenkapital des Emittenten umgewandelt werden. Sie müssen in diesem Fall nicht zurückgezahlt werden und nehmen als Eigenkapital an den Verlusten der Gesellschaft teil (Verlustabsorption). CoCo steht für Contingent Convertible und drückt die Umwandlung unter einer Bedingung aus. Das die Umwandlung in Eigenkapital auslösende Ereignis wird als Trigger Event bezeichnet. Als Emittenten kommen insbesondere Banken in Betracht. Bei dieser Sonderform der Anleihe handelt es sich nicht lediglich um ein Denkmodell, sondern um eine in den vergangenen Jahren überaus praxisrelevant gewordene Finanzierungsform und ein lukratives, wenngleich risikoträchtiges Investitionsobjekt.

CoCo-Bonds sind in mehrerlei Hinsicht besonders. Aus wirtschaftlicher Sicht fällt ihre unbedingte Haftungsansage auf. Bankaufsichtsrechtlich bemerkenswert sind die zur Gruppe der hybriden Finanzinstrumente zählenden CoCos, weil sie teilweise zur Erfüllung von Eigenkapitalanforderungen herangezogen werden können, noch bevor sie zu Eigenkapital umgewandelt werden. Steuerrechtlich hingegen gelten sie unter Umständen als Fremdkapital. Rechtsdogmatisch ist ihre automatische Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital interessant. CoCo-Bonds polarisieren und verunsichern gleichermaßen, werden von den Medien zuweilen als „Wunderanleihe“5, dann wieder als „Brandbeschleuniger“6 ←21 | 22→bezeichnet. Auch in der juristischen und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur werden sie kontrovers diskutiert.

Entwickelt wurden die Bonds, um Verbindlichkeiten zu schaffen, die im Krisenfall von vornherein explizit aus einer möglichen Staatsgarantie ausgenommen und stattdessen mit einer unbedingten Haftungsansage versehen sind. Die Gläubiger von CoCos sollen etwaige Verluste aus den von ihnen eingegangenen Risiken selbst tragen. Dass es dazu eines speziellen Instruments bedarf, mag angesichts der einleitenden Epigraphe verwundern: Haftung und Risiko sollten nach allgemeinem Verständnis zusammenhängen und Risiko sollte einen Preis haben. Niemand soll Risiken eingehen und die Rendite abschöpfen können, während er die Verluste anderen aufbürdet. Diese Selbstverständlichkeit gilt in der Praxis des Bankwesens jedoch nicht ohne Weiteres. Durch implizite Staatsgarantien wurden in der Vergangenheit sowohl Banken mit ihren Aktionären als auch die Gläubiger der Banken von Verlusten freigestellt.

Tatsächlich sollten Forderungen gegen Banken aus ordnungspolitischen Gründen nicht in jedem Falle zur Verlusttragung herangezogen werden. Das darf aber nicht dazu führen, dass alle Gläubiger von Verlusten freigestellt werden und sich jedes Investment in eine Bank letztendlich als für den Gläubiger risikolos erweist. Er bekäme auf seine Anlage Zinsen als Risikokompensation, obwohl er gar kein Risiko trägt. Wie sollen jedoch im Krisenfall solche Verbindlichkeiten der Bank, die nicht am Verlust teilnehmen, von verlustabsorbierenden Verbindlichkeiten unterschieden werden?

Die Antwort lautet, dass die verlustabsorbierenden Verbindlichkeiten entweder im konkreten Fall einer Krise auszuwählen wären – zum Beispiel von einer Abwicklungsbehörde7 – oder von vornherein mit einer expliziten Haftungsansage für den Fall der Krise verbunden sind. Letzteres ist bei CoCo-Bonds der Fall. Die von Beginn an bestehende Haftungsansage schafft Rechtssicherheit und erleichtert Abläufe in der Krise. Obwohl in der Gesellschaft weitgehend Konsens darüber herrscht, dass eingegangene Risiken bei ihrer Realisierung mit Haftung verbunden sein sollen, zeigt sich in der allgemeinen Wahrnehmung, insbesondere in der Presse, dass Haftung für eingegangene Risiken auch für Verwunderung und Verunsicherung sorgt. Als im Jahr 1995 das Hamburger Bankhaus Fischer in die Krise geriet, monierten die Medien eine Lücke im Anlegerschutz. Anleihegläubiger würden nicht durch ein Äquivalent zum Einlagensicherungsfonds abgesichert und von Verlusten freigestellt.8 In der Literatur wird sogar ←22 | 23→von einer Enteignung zugunsten der Bank gesprochen und davor gewarnt, dass Gläubiger verlustabsorbierender Verbindlichkeiten9 „plötzlich für die Schulden ihrer Bank“ haften.10 Das ist im Ergebnis richtig. Sie haften insbesondere für Schulden, die die Bank ihnen gegenüber hat. Angefallene Verluste müssen von jemandem getragen werden. Das sind in erster Linie die Träger, die das Unternehmen betreiben, bei einer Bank also häufig eine AG. Innerhalb der AG haften die Aktionäre als Eigenkapitalgeber zuerst. Reichen ihr eingelegtes Kapital und eventuelle Rücklagen des Unternehmens jedoch nicht aus, um die angefallenen Verluste auszugleichen, dann müssen für die übrigen Verluste entweder Gläubiger oder Dritte aufkommen, was letztendlich der Staat und damit der Steuerzahler oder aber eine Einlagensicherung ist. Letzteres soll vermieden werden. Damit verbleiben als Haftungssubjekte nur noch die Gläubiger. In einer solchen Konstellation wird man jedoch kaum von einer Enteignung reden können. Stattdessen realisiert sich das mit der Investition verbundene Risiko und die Investition stellt sich nicht als Gewinn, sondern als Verlustgeschäft heraus, indem die Forderung abgeschrieben wird.

Details

Seiten
276
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631786260
ISBN (ePUB)
9783631786277
ISBN (MOBI)
9783631786284
ISBN (Paperback)
9783631779972
DOI
10.3726/b15468
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Mai)
Schlagworte
Bankensanierung moral hazard Bail-in Gläubigerbeteiligung bankrechtliches Eigenkapital Hybridkapital
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2019. 275 S., 2 s/w Abb.

Biographische Angaben

Stefan Gohling (Autor:in)

Stefan Gohling ist Rechtsanwalt in einer internationalen Wirtschaftskanzlei und dort im Bereich Kapitalmarktrecht tätig. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, an der er zuvor auch sein Jurastudium absolviert hatte. Die Promotion erfolgte an der Universität Bonn.

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Titel: CoCo-Bonds
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