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Robert Musil und Amos Gitaï: Die Ethik des Möglichkeitssinns

von Bernadette Appel (Autor:in)
©2019 Dissertation 444 Seiten
Reihe: LiteraturFilm, Band 12

Zusammenfassung

Die literaturwissenschaftliche Studie widmet sich den Werken des österreichischen Schriftstellers Robert Musil (1880–1942) und des israelischen Filmemachers Amos Gitaï (*1950). Die Analyse erbringt erstmalig den Nachweis, dass sich Gitaï in seinen Filmen mit dem berühmten Musilschen Möglichkeitsdenken auseinandersetzt. Vor dem aktuellen Hintergrund des Israel-Palästina-Konfliktes wird der Möglichkeitssinn dabei als innovatives und visionäres Modell erkennbar, das sich sowohl in ethischer, in medienphilosophischer und letztlich auch in aktuell-politischer Hinsicht als Transmedium einer beweglichen kritischen Praxis auszeichnet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Dankwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • I Einleitung
  • II. Gegenstand – Forschungsperspektiven – Methode
  • 1 Der Schriftsteller Robert Musil1 und sein Werk
  • 1.1 Ein Werk ‚mit allen Eigenschaften‘ im Kaleidoskop der Forschung
  • 1.1.1 ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘ und sein Entstehungskontext
  • 1.1.2 Das Spannungsfeld von Wirklichkeit und Möglichkeit
  • 1.1.3 Der ‚Möglichkeitssinn‘ im Kaleidoskop der Forschung
  • 1.1.4 Der ‚Möglichkeitssinn‘ jenseits von Moderne und Postmoderne
  • 1.2 ‚Allerschaften des Medialen‘: Musils Werk und seine mediale Rahmung
  • 1.2.1 Dynamik des Perspektivismus statt ‚erzählerische Ordnung‘
  • 1.2.2 Die ‚unendlich verwobene Fläche‘ der digitalen Musil-Ausgabe
  • 1.2.3 Das Problem der Repräsentation
  • 1.2.4 Auf der Suche nach dem Medium des Ethischen
  • 1.2.5 Essayismus als ‚gleitende Logik der Seele‘
  • 1.2.6 Robert Musil und der Film
  • 2 Der Filmregisseur und Drehbuchautor Amos Gitaï und sein Werk
  • 2.1 Choreographie der Blickwinkel: Das Werk Gitaïs und sein Kontext
  • 2.1.1 Der israelisch-palästinensische Konflikt
  • 2.1.2 Die Filme Gitaïs und ihr Entstehungshintergrund
  • 2.1.3 Von der Sehnsucht nach dem ‚Bait‘ zur nomadischen Kartographie
  • 2.1.4 Grenzgänge: Der Spielfilm ‚Désengagement‘
  • 2.2. Architekturen des Möglichen: Das Werk und seine mediale Rahmung
  • 2.2.1 Die Rolle der Architektur
  • 2.2.2 Multidimensionale Grenzgänge zwischen Dokumentation und Fiktion
  • 2.2.3 Die Plansequenz als Dynamik des ‚Möglichen‘
  • 2.2.4 Polyphonie jenseits von Babel
  • 2.2.5 Amos Gitaï und die Literatur
  • 3 Theorie und Methode
  • 3.1 Darlegung der Analysekategorien und des methodischen Vorgehens
  • 3.1.1 Begründung der Analysekategorien und der Werkauswahl
  • 3.1.2 Methodisches Vorgehen
  • 3.2 Ethik, Ästhetik und der Bezug zum Medium
  • 3.2.1 Literatur und Film: Von der Inter- zur Transmedialität
  • 3.2.2 Die Rolle der Kunst zwischen Ethik und Ästhetik
  • 3.2.3 Die Frage nach der Ethik als Frage nach dem Medium500
  • 3.2.4 Medienphilosophische Ansätze jenseits von Urbild und Abbild
  • III Analyse
  • 4 Tod des ‚Wirklichkeitssinns‘: Erstarrung und Lösen
  • 4.1 Abschied von der Welt des ‚Seinesgleichen‘
  • 4.1.1 Kakanien: Von der (Un-)Möglichkeit einer ‚Bindestrichbeziehung‘
  • 4.1.2 Das Ich und die ‚Eigenschaftslosigkeit‘
  • 4.1.3 Die Ordnung des ‚Wirklichkeitssinns‘ und ihre Grenzen
  • 4.1.4 Auf der Suche nach der ‚allumfassenden Idee‘
  • 4.1.5 Ein ‚hohes Haus von Moral‘ und seine Statik
  • 4.1.6 Der Tod des Vaters
  • 4.2 Figuren der Abweichung
  • 4.2.1 Fälscher und Betrüger
  • 4.2.2 Ehebrecher und ‚verbotene Liebschaften‘
  • 4.2.3 Gewaltverbrecher
  • 4.2.4 Wahnsinnige
  • 4.3 Die Auflösung der Sprache und die Rolle der Übersetzung
  • 5 ‚Reise an den Rand des Möglichen‘: Aufbruch und Bewegung
  • 5.1 Aufbruch: Das Verlassen des Hauses
  • 5.1.1 Die Symbolik der Steine
  • 5.1.2 Die (De-)Konstruktion des ‚Bait‘
  • 5.1.3 Alternativen zum ‚Kartenhaus‘ auf ‚rissiger Erde‘
  • 5.1.4 Das Fenster als Motiv des Aufbruchs
  • 5.2 Unterwegs: Nomadische Kartographien
  • 5.2.1 Die Figur des Wanderers
  • 5.2.2 Orte des ‚Dazwischen‘
  • 5.2.3 Aufruf zur ‚Identität der Diaspora‘ und der Bezug zum Judentum
  • 5.2.4 Die eigenschaftslose Identität des Nomaden
  • 5.2.5 Kartographie der ‚Mannigfaltigkeit‘
  • 5.2.6 Die Dynamik des Werdens und ihr Bezug zur Geschichte
  • 5.3 Der ‚Grenzfall‘ der induktiven Gesinnung als Gleichgewichtsbewegung
  • 5.3.1 Die Grenzen der Exaktheit und die Suche nach dem ‚Ohnegleichen‘
  • 5.3.2 ‚Grenzfälle‘ der induktiven Gesinnung
  • 5.3.3 Das methodenutopische Konzept als ‚Wirklichkeitsethik‘
  • 5.3.4 Die ‚Moral des nächsten Schritts‘ jenseits von Repräsentation
  • 6 ‚Alle und alles umfassende Mitteilung‘: Verschmelzung und Trennung
  • 6.1 Der utopische Garten als ‚Nicht-Ort‘ des ‚Möglichen‘
  • 6.1.1 ‚Bewusster Utopismus‘ als geistige Experimentaltechnik
  • 6.1.2 Die Öffnung des hortus conclusus
  • 6.1.3 Die beiden Bäume der Liebe und Gewalt
  • 6.1.4 Der Garten als Möglichkeitsraum der Koexistenz
  • 6.1.5 Das Verfahren des Perspektivismus und die ‚Wirklichkeit‘
  • 6.2 ‚Du bist meine Eigenliebe‘: Der Durchgang zum ‚Du‘
  • 6.2.1 Der ‚andere Zustand‘ als mystische Verschmelzungserfahrung
  • 6.2.2 Die (Wieder-)Entdeckung der ‚Eigenliebe‘
  • 6.2.3 Rückgewinnung eines ‚kindhaften Verhältnisses zur Welt‘
  • 6.2.4 Grenzüberschreitende Vereinigungen
  • 6.2.5 Der Traum von der Transparenz des ‚Du‘1305
  • 6.2.6 Der ‚andere Zustand‘ als Möglichkeit einer neuen Liebesethik
  • 6.3 Abschiede: Das Scheitern des ‚anderen Zustands‘
  • 6.3.1 Das Gewächshaus als Bruch mit der Utopie des Gartens
  • 6.3.2 Trennungen und der Abschied vom Garten
  • 6.3.3 Der ‚andere Zustand‘ als Stillstand
  • 6.3.4 Das mediale Scheitern des ‚Transparenztraums‘1421
  • 6.3.5 Kritik an der Eindimensionalität medialer Berichterstattung
  • IV Fazit: Der ‚Möglichkeitssinn‘ als Transmedium einer ‚Ethik des Unfesten‘
  • 7 Die Trennung von Moral und Ethik zugunsten einer ‚Ethik des Unfesten‘
  • 8 Der ‚Möglichkeitssinn‘ als ‚Transmedium‘ der Kritik
  • V. Ausblick: Der ‚Möglichkeitssinn‘ und die Geisteswissenschaften
  • VI Verzeichnis der eingesehenen Quellen
  • 9 Eingesehene Primärquellen
  • 9.1 Eingesehene Primärquellen zu Robert Musil
  • 9.2 Eingesehene Primärquellen zu Amos Gitaï2
  • 9.2.1 Spielfilme
  • 9.2.2 Dokumentarfilme
  • 9.2.3 Kurzfilme
  • 9.2.4 Sonstige Veröffentlichungen [in Auswahl]
  • 10 Eingesehene Sekundärquellen
  • Reihenübersicht

Bernadette Appel

Robert Musil und Amos Gitaï:
Die Ethik des
Möglichkeitssinns

img

Autorenangaben

Bernadette Appel studierte Germanistik, Philosophie, Soziologie und Französisch an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und der Université de Bourgogne in Dijon. Sie wurde an der Universität Mainz promoviert und lehrt hier im Bereich der Literaturdidaktik. Außerdem ist sie Gymnasiallehrerin der Fächer Deutsch, Französisch und Philosophie/Ethik und übernimmt Ausbildungsaufgaben am Staatlichen Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien in Mainz.

Über das Buch

Die literaturwissenschaftliche Studie widmet sich den Werken des österreichischen Schriftstellers Robert Musil (1880–1942) und des israelischen Filmemachers Amos Gitaï (*1950). Die Analyse erbringt erstmalig den Nachweis, dass sich Gitaï in seinen Filmen mit dem berühmten Musilschen Möglichkeitsdenken auseinandersetzt. Vor dem aktuellen Hintergrund des Israel-Palästina-Konfliktes wird der Möglichkeitssinn dabei als innovatives und visionäres Modell erkennbar, das sich sowohl in ethischer, in medienphilosophischer und letztlich auch in aktuellpolitischer Hinsicht als Transmedium einer beweglichen kritischen Praxis auszeichnet.

Zitierfähigkeit des eBooks

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Dankwort

Mein herzlicher Dank ergeht an Frau Univ.-Prof. Dr. Dagmar von Hoff für die wissenschaftliche Begleitung meiner Arbeit, die gestalterischen Freiräume sowie für anregende und ermutigende Gespräche. Für ihre Unterstützung möchte ich mich auch bei Frau Univ.-Prof. Dr. Ariane Martin bedanken. Außerdem danke ich meiner Familie für ihr vielfältiges Engagement.←5 | 6→ ←6 | 7→

Inhaltsverzeichnis

I Einleitung

II. Gegenstand – Forschungsperspektiven – Methode

1 Der Schriftsteller Robert Musil und sein Werk

1.1 Ein Werk ‚mit allen Eigenschaften‘ im Kaleidoskop
der Forschung

1.1.1 ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘ und sein Entstehungskontext

1.1.2 Das Spannungsfeld von Wirklichkeit und Möglichkeit

1.1.3 Der ‚Möglichkeitssinn‘ im Kaleidoskop der Forschung

1.1.4 Der ‚Möglichkeitssinn‘ jenseits von Moderne
und Postmoderne

1.2 ‚Allerschaften des Medialen‘: Musils Werk und seine
mediale Rahmung

1.2.1 Dynamik des Perspektivismus statt
‚erzählerische Ordnung‘

1.2.2 Die ‚unendlich verwobene Fläche‘ der digitalen Musil-Ausgabe

1.2.3 Das Problem der Repräsentation

1.2.4 Auf der Suche nach dem Medium des Ethischen

1.2.5 Essayismus als ‚gleitende Logik der Seele‘

1.2.6 Robert Musil und der Film

2 Der Filmregisseur und Drehbuchautor Amos Gitaï und sein Werk

2.1 Choreographie der Blickwinkel: Das Werk Gitaïs
und sein Kontext

2.1.1 Der israelisch-palästinensische Konflikt

2.1.2 Die Filme Gitaïs und ihr Entstehungshintergrund

2.1.3 Von der Sehnsucht nach dem ‚Bait‘ zur
nomadischen Kartographie

2.1.4 Grenzgänge: Der Spielfilm ‚Désengagement‘

2.2. Architekturen des Möglichen: Das Werk und seine
mediale Rahmung

2.2.1 Die Rolle der Architektur

2.2.2 Multidimensionale Grenzgänge zwischen Dokumentation und Fiktion←7 | 8→

2.2.3 Die Plansequenz als Dynamik des ‚Möglichen‘

2.2.4 Polyphonie jenseits von Babel

2.2.5 Amos Gitaï und die Literatur

3 Theorie und Methode

3.1 Darlegung der Analysekategorien und des methodischen Vorgehens

3.1.1 Begründung der Analysekategorien und
der Werkauswahl

3.1.2 Methodisches Vorgehen

3.2 Ethik, Ästhetik und der Bezug zum Medium

3.2.1 Literatur und Film: Von der Inter- zur Transmedialität

3.2.2 Die Rolle der Kunst zwischen Ethik und Ästhetik

3.2.3 Die Frage nach der Ethik als Frage nach dem Medium

3.2.4 Medienphilosophische Ansätze jenseits von Urbild
und Abbild

III Analyse

4 Tod des ‚Wirklichkeitssinns‘: Erstarrung und Lösen

4.1 Abschied von der Welt des ‚Seinesgleichen‘

4.1.1 Kakanien: Von der (Un-)Möglichkeit einer ‚Bindestrichbeziehung‘

4.1.2 Das Ich und die ‚Eigenschaftslosigkeit‘

4.1.3 Die Ordnung des ‚Wirklichkeitssinns‘ und ihre Grenzen

4.1.4 Auf der Suche nach der ‚allumfassenden Idee‘

4.1.5 Ein ‚hohes Haus von Moral‘ und seine Statik

4.1.6 Der Tod des Vaters

4.2 Figuren der Abweichung

4.2.1 Fälscher und Betrüger

4.2.2 Ehebrecher und ‚verbotene Liebschaften‘

4.2.3 Gewaltverbrecher

4.2.4 Wahnsinnige

4.3 Die Auflösung der Sprache und die Rolle der Übersetzung

5 ‚Reise an den Rand des Möglichen‘: Aufbruch und Bewegung

5.1 Aufbruch: Das Verlassen des Hauses

5.1.1 Die Symbolik der Steine

5.1.2 Die (De-)Konstruktion des ‚Bait‘

5.1.3 Alternativen zum ‚Kartenhaus‘ auf ‚rissiger Erde‘

5.1.4 Das Fenster als Motiv des Aufbruchs←8 | 9→

5.2 Unterwegs: Nomadische Kartographien

5.2.1 Die Figur des Wanderers

5.2.2 Orte des ‚Dazwischen‘

5.2.3 Aufruf zur ‚Identität der Diaspora‘ und der Bezug
zum Judentum

5.2.4 Die eigenschaftslose Identität des Nomaden

5.2.5 Kartographie der ‚Mannigfaltigkeit‘

5.2.6 Die Dynamik des Werdens und ihr Bezug
zur Geschichte

5.3 Der ‚Grenzfall‘ der induktiven Gesinnung als Gleichgewichtsbewegung

5.3.1 Die Grenzen der Exaktheit und die Suche nach
dem ‚Ohnegleichen‘

5.3.2 ‚Grenzfälle‘ der induktiven Gesinnung

5.3.3 Das methodenutopische Konzept als ‚Wirklichkeitsethik‘

5.3.4 Die ‚Moral des nächsten Schritts‘ jenseits von Repräsentation

6 ‚Alle und alles umfassende Mitteilung‘: Verschmelzung
und Trennung

6.1 Der utopische Garten als ‚Nicht-Ort‘ des ‚Möglichen‘

6.1.1 ‚Bewusster Utopismus‘ als geistige Experimentaltechnik

6.1.2 Die Öffnung des hortus conclusus

6.1.3 Die beiden Bäume der Liebe und Gewalt

6.1.4 Der Garten als Möglichkeitsraum der Koexistenz

6.1.5 Das Verfahren des Perspektivismus und
die ‚Wirklichkeit‘

6.2 ‚Du bist meine Eigenliebe‘: Der Durchgang zum ‚Du‘

6.2.1 Der ‚andere Zustand‘ als mystische Verschmelzungserfahrung

6.2.2 Die (Wieder-)Entdeckung der ‚Eigenliebe‘

6.2.3 Rückgewinnung eines ‚kindhaften Verhältnisses
zur Welt‘

6.2.4 Grenzüberschreitende Vereinigungen

6.2.5 Der Traum von der Transparenz des ‚Du‘

6.2.6 Der ‚andere Zustand‘ als Möglichkeit einer neuen Liebesethik

6.3 Abschiede: Das Scheitern des ‚anderen Zustands‘

6.3.1 Das Gewächshaus als Bruch mit der Utopie des Gartens

6.3.2 Trennungen und der Abschied vom Garten

6.3.3 Der ‚andere Zustand‘ als Stillstand←9 | 10→

6.3.4 Das mediale Scheitern des ‚Transparenztraums‘

6.3.5 Kritik an der Eindimensionalität medialer Berichterstattung

IV Fazit: Der ‚Möglichkeitssinn‘ als Transmedium einer ‚Ethik des Unfesten‘

7 Die Trennung von Moral und Ethik zugunsten einer
‚Ethik des Unfesten‘

8 Der ‚Möglichkeitssinn‘ als ‚Transmedium‘ der Kritik

V. Ausblick: Der ‚Möglichkeitssinn‘ und
die Geisteswissenschaften

VI Verzeichnis der eingesehenen Quellen

9 Eingesehene Primärquellen

9.1 Eingesehene Primärquellen zu Robert Musil

9.2 Eingesehene Primärquellen zu Amos Gitaï

9.2.1 Spielfilme

9.2.2 Dokumentarfilme

9.2.3 Kurzfilme

9.2.4 Sonstige Veröffentlichungen [in Auswahl]

10 Eingesehene Sekundärquellen←10 | 11→

I Einleitung

„Thank you Robert Musil“1 – mit diesen Worten, versteckt am Ende des Abspanns eines seiner wichtigsten Spielfilme, würdigt der bekannteste israelische Filmregisseur und Drehbuchautor Amos Gitaï2 die Rolle des bedeutenden österreichischen Schriftstellers des 20. Jahrhunderts, dessen Hauptwerk Der Mann ohne Eigenschaften für Gitaï zu einer der zentralen Quellen seines filmischen Schaffens wurde. Neben der Erwähnung in einigen Interviews und Zeitschriftenartikeln3 sind die Bezüge des „offiziellen Filmemachers Israels“4 auf das Werk Musils jedoch vor allem in seinen Filmen selbst zu suchen, die eine sowohl literaturwissenschaftlich als auch philosophisch außerordentlich feinsinnige und dabei hochaktuelle Lesart des Musilschen ‚Möglichkeitsdenkens‘ offenbaren, welche von der Forschung bislang allerdings nicht bearbeitet wurde.5←11 | 12→

Amos Gitaï wurde als Sohn der jüdischen Pionierin Efratia Munschick Margalit, deren Familie im Rahmen der zionistischen Einwanderungsbewegungen bereits 1906 nach Palästina immigrierte, und des aus Polen stammenden Bauhaus-Architekten Munio Weinraub, der Anfang der 1930er Jahre vor dem Nationalsozialismus nach Palästina floh, im Jahre 1950 in der laizistisch geprägten Arbeiterstadt Haifa geboren. Er wuchs inmitten vielschichtiger und widerstreitender Identitätskonzepte auf – ein Umstand, der großen Einfluss auf sein Schaffen nahm6 und sich in allen seinen Filmen widerspiegelt, bis hin zu seinem Ende 2017 produzierten Dokumentarfilm À l’ouest du Jourdain.7 In seinem filmischen Werk befasst er sich äußerst kritisch mit der komplexen Situation des israelisch-palästinensischen Konflikts, weshalb einige seiner Filme wegen angeblich ‚pro-palästinensischer Haltung‘ zensiert und teilweise bis heute nicht in Israel gezeigt wurden.8 Zudem verbrachte Gitaï mehrere Jahre im französischen Exil, um den harschen Anfeindungen zu entgehen, die ihm ein uneingeschränktes Arbeiten unmöglich machten. Bis zum heutigen Tag ist die Region Israel-Palästina ein politisch, geographisch und kulturell hart umkämpftes Gebiet, das noch immer seiner Befriedung harrt. Robert Musil zeichnet mit dem Mann ohne Eigenschaften das Portrait einer ganz ähnlich gelagerten europäischen Zwischenkriegsepoche, die an ihrer politischen Vielstimmigkeit, den starren Moralvorstellungen des ‚Wirklichkeitssinns‘ und der Suche nach der ‚allumfassenden Idee‘ scheitert. Musil war es als „ärgerliche[m] Störenfried der
←12 | 13→Weltanschauung“9 jedoch darum zu tun, „aus der Denkgewohnheit herauszutreten“10 und vermittels seines multiperspektivischen „Möglichkeitssinns“11 die Welt „anders“12 zu denken. Schon zu seiner Zeit war es Musils nicht ganz unbescheidenes Ziel, „Beiträge zur geistigen Bewältigung der Welt“13 zu geben und es war ihm stets um eine gesellschaftliche Tragweite seines Schaffens zu tun. Auch der Protagonist des Mann ohne Eigenschaften, Ulrich, ist überzeugt, „daß nur eine Frage das Denken wirklich lohne, und das sei die des rechten Lebens“14. Die hier anklingende ethische Perspektive ist fundamental für das gesamte Musilsche Schaffen. Mit dem ‚Möglichkeitssinn‘ geht es Musil um „die Einsicht in die partiell realisierten Möglichkeiten der Wirklichkeit und die Aussicht auf eine Transzendierung der ‚wirklichen Möglichkeiten‘ zugunsten der ‚möglichen Wirklichkeit‘ neuen Seinkönnens.“15 Ähnlich komponiert daher auch Gitaï in seinen Filmen die unterschiedlichsten Sichtweisen auf den israelisch-palästinensischen Konflikt und zeigt deren mögliche Integration und unaufhörliche Neuverortung in einem beweglichen Perspektivismus, „da keine ‚Realität‘, was immer das auch sein mag, auf summarische Art dargestellt werden kann.“16 Er fordert eine „Theorie über Blickwinkel“,17 um „eine andere Zone im Nahen Osten zu schaffen, […] die partnerschaftliche Verhaltensformen ermöglich[t]“,18 denn er ist überzeugt, „dass die←13 | 14→ Situation dynamisch ist“.19 Für diese differenzierte und engagierte Auseinandersetzung gewann er zahlreiche bedeutende Auszeichnungen.20

Mit Désengagement (2007)21 als einem seiner wichtigsten Spielfilme liefert Gitaï eine sehr textnahe filmische Auseinandersetzung mit dem Roman Der Mann ohne Eigenschaften, wobei Textpassagen, Handlungselemente und Figurenkonstellationen in die filmische Arbeit eingehen. Doch auch in Gitaïs übrigem filmischen Werk lassen sich zahlreiche Bezüge auf Figuren- und Handlungsebene, vor allem aber auf motivischer und formaler Ebene nachweisen. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die argumentative Stoßrichtung der vorliegenden Studie und ihren Aussagegehalt, wie ich im Folgenden kurz umreißen möchte. Zwar finden sich in nahezu allen Filmen Amos Gitaïs spezifische Figurenkonstellationen, Textkompositionen und Handlungsstrukturen, die an den Mann ohne Eigenschaften bzw. an ihn anschließende Texte Musils angelehnt scheinen; als besonders aufschlussreich sowohl für das Werk Amos Gitaïs als auch für jenes Robert Musils erweist sich jedoch eine systematische Untersuchung des Musilschen ‚Möglichkeitsdenkens‘. Die vorliegende Studie möchte die vielfältigen Bezüge zwischen dem filmischen Werk Amos Gitaïs und dem schriftstellerischen Werk Robert Musils erstmalig systematisch nachzeichnen und neben der Würdigung des in Deutschland nahezu unbekannten Filmemachers außerdem den Autor Musil als nach wie vor sehr relevanten Denker unserer Zeit herausstellen.22 Dabei ergeben sich einerseits die für das Verhältnis von Literatur und Film klassischen Fragen, etwa inwiefern die Gitaïschen Bezugnahmen auf den Roman unmittelbare Handlungselemente, Figurenkonstellationen, formale Strukturen und philosophische Grundgedanken in den Kontext des Films aufnehmen, wie diese Beziehungen geartet sind, ob Abweichungen, Verschiebungen und Neuauslegungen zu beobachten sind und welche neuen Lesarten sich aus dem Vergleich für den Film, aber auch rückwirkend für den Roman ergeben.23 Hiermit leistet die←14 | 15→ vorliegende Studie Pionierarbeit und liefert einen wichtigen Beitrag im Feld der intermedialen Musil-Rezeption. Die entscheidende Leistung liegt jedoch darin, dass der ‚Möglichkeitssinn‘ darüber hinaus auch als eine eigenständige erkenntnistheoretische Kategorie verstanden wird, die in ihrer Funktionsweise und theoretischen Einbettung zum bestimmenden strukturellen Moment des Musilschen und letztlich auch des Gitaïschen Erzählens wird. Inka Mülder-Bach kritisiert, dass der Mann ohne Eigenschaften für sich bislang noch nicht als theoretischer Referenztext wahrgenommen worden sei. „Im Spiegel der Forschung“ gleiche der Roman „eine[r] gigantische[n] Baustelle, ein[em] Steinbruch an Diskursen und Wissensbeständen“, allerdings ergebe sich auf der anderen Seite „ein Mangel an Resonanz“. Man lese den Roman „mit Adorno, Derrida, Foucault, Luhmann oder Deleuze – und nicht etwa umgekehrt.“ Mülder-Bach bedauert, dass es „nie gelungen“ sei, Musils Roman „als einen Referenztext zu etablieren, an dem kulturwissenschaftliche Diskussionen ebenso wenig vorbeikommen wie an den Schriften der genannten Autoren.“24 Dies mag für den literaturwissenschaftlichen und philosophischen Forschungsdiskurs zutreffend sein, wie bereits angedeutet spielt der theoretische „Überbau“ des Musilschen Werkes für das künstlerische Schaffen Amos Gitaïs jedoch eine entscheidende Rolle. Der Filmemacher hat den Roman Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften als eigenständigen theoretischen Referenztext sehr ernst genommen. Dadurch ergibt sich nicht nur ein interessanter Blick auf Musil als äußerst relevanten Denker unserer Zeit, vielmehr offenbart die Gitaïsche Auseinandersetzung darüber hinaus eine völlig neue Perspektive auf die theoretische Struktur und narrative Einbettung des ‚Möglichkeitssinns‘ auch im Kontext des Musilschen Romans. Letztlich lässt sich durch die Zusammenschau beider Werke eine dynamische ‚Ethik des Unfesten‘, des ‚Werdens‘ profilieren, die die Tradierungslinien der Literaturwissenschaft für den österreichischen Autor neu zur Disposition stellt. Die Studie kann somit zeigen, dass mit dem Mann ohne Eigenschaften ein bedeutender Text vorliegt, der jenseits seiner zahlreichen Aneignungen im Spannungsfeld von Moderne und Postmoderne eine eigenständige und aktuelle theoretische Position behaupten kann. So eröffnet sich ein neuer Blick auf Robert Musil, der jenseits seiner literaturhistorischen Bedeutung als kritischer Beobachter seiner Zeit, mit seiner erkenntnistheoretischen Kategorie des ‚Möglichkeitssinns‘ auch in systematischer Hinsicht eine gerade für den gegenwärtigen literaturwissenschaftlichen und philosophischen Diskurs wesentliche Denkfigur entwickelte, wie im Folgenden noch etwas genauer umrissen wird.←15 | 16→

Details

Seiten
444
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631786994
ISBN (ePUB)
9783631787007
ISBN (MOBI)
9783631787014
ISBN (Hardcover)
9783631784495
DOI
10.3726/b15499
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (April)
Schlagworte
Israel-Palästina Medienphilosophie Intermedialität Film Essayismus Transmedialität Utopie Perspektivismus Kritik Politik
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien. 2019. 444 S. 1 s/w Tab.

Biographische Angaben

Bernadette Appel (Autor:in)

Bernadette Appel studierte Germanistik, Philosophie, Soziologie und Französisch an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und der Université de Bourgogne in Dijon. Sie wurde an der Universität Mainz promoviert und lehrt hier im Bereich der Literaturdidaktik. Außerdem ist sie Gymnasiallehrerin der Fächer Deutsch, Französisch und Philosophie/Ethik und übernimmt Ausbildungsaufgaben am Staatlichen Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien in Mainz.

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