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Differenz- und Existenzvernichtungshaftung in der Aschenputtel-GmbH

von Martin Grabmann (Autor:in)
©2019 Dissertation 218 Seiten

Zusammenfassung

Werden innerhalb eines Konzerns Risiken und Chancen so ungleich verteilt, dass eine Gesellschaft weit überwiegend belastet und alleine nicht überlebensfähig ist, spricht man von einer «Aschenputtel-Konstellation ». Im Fall einer Insolvenz der risikobelasteten Gesellschaft stellt sich die Frage nach einer Haftung der Gesellschafter. Vor diesem Hintergrund entwickelt der Autor verschiedene Fallgruppen der «Aschenputtel-Konstellation » und überprüft diese in Hinblick auf eine mögliche Differenzhaftung und Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter. Dabei werden die Voraussetzungen und dogmatischen Hintergründe beider Haftungsinstitute und insbesondere Fragen der Unternehmensbewertung und der Grenzen der Dispositionsbefugnis von GmbH-Gesellschaftern näher betrachtet.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abbildungsverzeichnis
  • Einleitung
  • Gang der Untersuchung
  • Kapitel 1 Die Aschenputtel-Konstellation in der GmbH
  • A. Grundlagen der Aschenputtel-Konstellation
  • B. Die Fallvarianten der Aschenputtel-Konstellation
  • I. Fallvariante 1 – Die Abspaltung des guten Geschäftsbereichs
  • II. Fallvariante 2 – Die Abspaltung des schlechten Geschäftsbereichs
  • III. Fallvariante 3 – Die Aufspaltung des Unternehmens auf zwei neue Gesellschaften
  • IV. Fallvariante 4 – Die bei Gründung angelegte Aschenputtel-Konstellation
  • Kapitel 2 Differenzhaftung in der Aschenputtel-GmbH
  • A. Grundlagen der Kapitalaufbringung
  • I. Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen
  • II. Differenzhaftung der einlegenden Gesellschafter
  • III. Zusammenfassung
  • B. Rahmenbedingungen der Unternehmensbewertung
  • I. Grundlagen
  • 1. Unternehmensbewertung als Tat- oder Rechtsfrage
  • a. Einordnung als Tatfrage durch die Rechtsprechung
  • b. Einordnung als Rechtsfrage durch die Literatur
  • c. Ansatzpunkte einer differenzierten Betrachtung
  • aa. Gesetzliche Vorgaben an die Unternehmensbewertung
  • bb. Die Berechnung des Unternehmenswerts als Tatsachenfrage
  • d. Zusammenfassung zur Unternehmensbewertung als Tat- oder Rechtsfrage
  • 2. Ziel der Unternehmensbewertung im Rahmen der Kapitalaufbringung
  • a. Bewertungsobjekt im Rahmen der Kapitalaufbringung
  • b. Der für die Kapitalaufbringung maßgebliche Unternehmenswert
  • aa. Objektiver und subjektiver Unternehmenswert
  • bb. Objektivierte Unternehmensbewertung
  • cc. Berücksichtigungsfähigkeit des subjektiven Entscheidungswerts
  • II. Bewertungsmethodik
  • 1. Fortführungs- oder Zerschlagungswerte
  • a. Der Going-Concern-Grundsatz
  • b. Abweichung vom Going-Concern-Grundsatz und Fortführungsprognose
  • aa. Anlass und Inhalt der Fortführungsprognose
  • bb. Voraussetzungen einer negativen Fortführungsprognose
  • cc. Intensität der Fortführungsprognose
  • dd. Spielräume bei der Erstellung der Fortführungsprognose
  • ee. Tatsächliche Gründe für die Abweichung vom Going-Concern-Grundsatz
  • ff. Rechtliche Gründe für eine Abweichung vom Going-Concern-Grundsatz
  • gg. Zusammenfassung
  • c. Folgen einer Abweichung vom Going-Concern-Grundsatz für die Bewertung
  • d. Zusammenfassung
  • 2. Mögliche Bewertungsmethoden
  • a. Fortführungswerte
  • aa. Der Zukunftserfolgswert
  • bb. Der Börsenwert
  • cc. Der Substanzwert
  • dd. Multiplikatorverfahren
  • ee. Zusammenfassung
  • b. Der Liquidationswert
  • c. Relevanz eines erzielten Marktwerts
  • d. Zwischenergebnis
  • III. Berücksichtigung von Synergieeffekten
  • IV. Der negative Unternehmenswert
  • 1. Zustandekommen eines negativen Unternehmenswerts
  • 2. Haftungsumfang bei negativem Unternehmenswert
  • 3. Negativer Unternehmenswert in Aschenputtel-Konstellationen
  • V. Zwischenergebnis
  • C. Maßgeblicher Bewertungszeitpunkt
  • I. Gesetzliche Regelung und Stichtagsprinzip
  • II. Grundsätzliche Relevanz späterer Wertentwicklung
  • 1. Wertänderung durch Änderung der maßgeblichen Bewertungsmethode
  • a. Argumente gegen eine nachträgliche Anwendung neuer Bewertungsstandards
  • b. Argumente für eine nachträgliche Anwendung neuer Bewertungsstandards
  • c. Stellungnahme und Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung im Rahmen der Kapitalaufbringung
  • 2. Wertänderung durch tatsächliche Änderung bei der Gesellschaft
  • a. Echte nachträgliche Wertänderung
  • aa. Wertänderung zwischen Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft
  • bb. Wertänderung nach Eintragung der Gesellschaft
  • cc. Zusammenfassung
  • b. Bereits zum Bewertungszeitpunkt im Unternehmen angelegte Wertänderungen
  • aa. Die Wurzeltheorie des BGH
  • bb. Das strenge Stichtagsprinzip
  • cc. Stellungnahme und Auswirkungen auf die Unternehmensbewertung im Rahmen der Kapitalaufbringung
  • c. Zusammenfassung
  • 3. Zwischenergebnis zur grundsätzlichen Relevanz späterer Wertentwicklung
  • D. Besonderheiten der Bewertung von ertragsschwachen Unternehmen und Unternehmen mit negativer Fortführungsprognose
  • I. Besonderheiten in Aschenputtel-Gesellschaften
  • II. Berücksichtigung der Ertragsschwäche bei der Unternehmensbewertung
  • III. Berücksichtigung einer späteren Insolvenz
  • IV. Zwischenergebnis
  • E. Ergebnis
  • Kapitel 3 Existenzvernichtungshaftung und Aschenputtel-Konstellationen
  • A. Grundlagen der Existenzvernichtungshaftung
  • I. Entwicklung durch die Rechtsprechung
  • 1. Der qualifiziert faktische Konzern
  • 2. Die Bremer-Vulkan-Entscheidung
  • 3. Die Trihotel-Entscheidung
  • 4. Weitere Entwicklungen
  • 5. Zusammenfassung
  • II. Dogmatische Grundlage der Haftung
  • 1. Die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter über das Vermögen der GmbH
  • a. Das gesetzliche Regelungssystem
  • b. Schutzlücken im gesetzlichen Regelungssystem
  • c. Legitimität einer Regelung durch richterliche Rechtsfortbildung
  • 2. Grenzen der Dispositionsbefugnis
  • a. Eigenständiges Bestandsinteresse der Gesellschaft
  • aa. Herleitung eines Bestandsinteresses
  • bb. Inhalt und Umfang des Bestandsinteresses
  • cc. Zusammenfassung
  • b. Gläubigerschutzerwägungen
  • c. Das Verbot der kalten Liquidation
  • d. Zusammenfassung
  • 3. Existenzvernichtungshaftung als Folge einer Grenzüberschreitung
  • a. Reichweite der Existenzvernichtungshaftung
  • aa. Haftung für Insolvenzverursachung und/oder -vertiefung
  • bb. Reine Managementfehler und die Anwendbarkeit der Business-Judgement-Rule
  • cc. Zusammenfassung
  • b. Normative Anknüpfung
  • aa. Konzernrechtliche Vorschriften
  • bb. Analoge Anwendung der §§30, 31 GmbHG
  • cc. Nichtanwendung von §13 Abs. 2 GmbHG wegen Missbrauchs der Rechtsform
  • dd. Verschuldensabhängige Haftungstatbestände
  • (1) Vertragliche Haftung nach §280 BGB
  • (2) Deliktische Haftung nach §826 BGB
  • 4. Zusammenfassung
  • III. Voraussetzungen und Rechtsfolge
  • 1. Eingriff in Vermögen und Geschäftschancen der Gesellschaft
  • a. Art des Eingriffs
  • b. Zeitpunkt des Eingriffs
  • c. Zusammenfassung
  • 2. Schädigung durch Haftungsausfall/Insolvenzverursachung
  • 3. Kausalität des Eingriffs für den Haftungsausfall
  • 4. Sittenwidrigkeit
  • 5. Vorsätzliches Handeln und Zurechnung
  • 6. Rechtsfolge der Existenzvernichtungshaftung
  • IV. Zusammenfassung
  • B. Die Fallvarianten der Aschenputtel-Konstellation
  • I. Existenzvernichtungshaftung wegen eines Eingriffs in eine werbende Gesellschaft (Fallvariante 1)
  • 1. Die Fallgestaltung in Fallvariante 1
  • 2. Fallvariante 1 als Standardfall der Existenzvernichtungshaftung
  • 3. Zwischenergebnis
  • II. Existenzvernichtungshaftung wegen der Einlage eines nicht überlebensfähigen Unternehmensteils (Fallvariante 2+3)
  • 1. Die Fallgestaltung in Fallvariante 2
  • 2. Die Einlage des schlechten Geschäftsbereichs als Eingriff
  • a. Eingriffsfähigkeit einer (noch) nicht wirtschaftenden Gesellschaft
  • b. Der Eingriff in Fallvariante 2
  • aa. Die Fortsetzung der Gesellschaft als Eingriff
  • bb. Eingriff durch Unterlassen
  • cc. Eingriff durch Einlage des schlechten Geschäftsbereichs
  • dd. Zusammenfassung
  • c. Wertungsparallele zu Fallvariante 1
  • d. Zusammenfassung
  • 3. Besonderheiten der Fallvariante 3
  • 4. Zwischenergebnis
  • III. Existenzvernichtungshaftung wegen bei Gründung angelegter Aschenputtel-Konstellation (Fallvariante 4)
  • 1. Die Fallgestaltung in Fallvariante 4
  • 2. Abgrenzung zur Fallgruppe der materiellen Unterkapitalisierung
  • 3. Die nachteilige Satzungs- und Konzerngestaltung als existenzvernichtender Eingriff
  • a. Eingriffsfähigkeit einer (noch) nicht wirtschaftenden Gesellschaft
  • b. Typisierung der Kapitalaufbringung als Argument gegen eine Existenzvernichtung
  • c. Mangelnde Überlebensfähigkeit der GmbH als sittenwidrige Schädigung
  • d. Zusammenfassung
  • 3. Zwischenergebnis
  • IV. Zusammenfassung
  • C. Ergebnis
  • Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

„… die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.“

- Aschenputtel1

Die konkrete Gestaltung von Unternehmenstransaktionen und Konzernstrukturen folgt in der Praxis in den seltensten Fällen rein rechtlichen Überlegungen. Häufig werden zunächst betriebswirtschaftliche, bilanzielle und steuerliche Überlegungen angestellt, bevor dann die rechtlich zulässige Variante gewählt wird, die den Vorüberlegungen am Nächsten kommt. Aus diesem Gedanken des „form follows function“ heraus können Gestaltungen entstehen, die der Gesetzgeber so nicht vorhergesehen hat.

Im Regelfall sind Gesellschafter zum Beispiel am wirtschaftlichen Erfolg ihrer Gesellschaft interessiert, da sie selbst davon profitieren. Das bietet grundsätzlich eine Gewähr, dass sie die Gesellschaft nicht bewusst ruinieren.2 In den als „Aschenputtel-Konstellation“3 bezeichneten Fällen ist die Situation jedoch anders gelagert: Innerhalb verschiedener Konzerngesellschaften werden Chancen und Risiken dergestalt ungleich verteilt, dass eine Gesellschaft überhaupt nicht alleine überlebensfähig ist. Dabei wird, z.B. um das bisherige Unternehmen für einen möglichen Käufer attraktiver zu machen, ein schlechter, alleine nicht überlebensfähiger Unternehmensteil auf eine andere, in der Praxis häufig neu gegründete Gesellschaft4 ausgegliedert.5 Überlebt der ausgegliederte Teil alleine tatsächlich nicht, wird die Gesellschaft insolvent und kann abgewickelt werden. Der ungeliebte Gesellschaftsteil wurde vermeintlich unproblematisch „beerdigt“.

In der Praxis werden solche Konstellationen z.B. bei Unternehmensverkäufen gewählt, um in einer bereits bestehenden Gesellschaft die schlechten Geschäftsbereiche von den guten Geschäftsbereichen zu trennen und die Gesellschaft mit ←19 | 20→den guten Geschäftsbereichen6, das sogenannte „Target“, für potenzielle Käufer attraktiver zu machen.7

Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist eine solche Gestaltung allerdings gleich in mehrerlei Hinsicht problematisch und birgt nicht unerhebliche Haftungsrisiken für die beteiligten Gesellschafter: Zum einen stellt sich in den Fällen, in denen ein schlechter Unternehmensteil im Rahmen einer Sacheinlage oder Sachkapitalerhöhung eingebracht (und die ungleiche Risikoverteilung nicht z.B. durch Satzungsgestaltungen erreicht wird) bei der Bewertung dieses Unternehmens(-teils) die Frage nach dem Wert und damit der Werthaltigkeit der Sacheinlage. Sind die fehlenden Ertragschancen und die zeitnahe Insolvenz bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen, wird der Unternehmenswert regelmäßig nicht sehr hoch sein – wurde dies bei der Höhe der übernommenen Einlage nicht berücksichtigt, droht eine Differenzhaftung der einlegenden Gesellschafter.

Zum anderen wird für die Fallgruppe der Aschenputtel-Gesellschaft vor allem eine mögliche Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter diskutiert.8 Diese von der Rechtsprechung entwickelte und mittlerweile auf §826 BGB gestützte Haftung soll Gesellschafter für Verhalten in Anspruch nehmen, das mittelbar Gläubiger dadurch schädigt, dass die Gesellschaft aufgrund ihres Verhaltens insolvent wird. Bislang wird jedoch bezweifelt, ob das Einlegen eines insolvenzgefährdeten Unternehmens die notwendigen Voraussetzungen erfüllt.9

Im Rahmen dieser Arbeit sollen beide Haftungsrisiken näher untersucht und vollumfänglich dargestellt werden. Hierdurch soll die Frage beantwortet werden, inwiefern den Gesellschaftern in Aschenputtel-Konstellationen eine Differenz- und/oder Existenzvernichtungshaftung droht.

Die Darstellung konzentriert sich dabei im Weiteren auf die GmbH, obwohl die Sachverhalte theoretisch auch mit einer Aktiengesellschaft denkbar sind.10 ←20 | 21→Die Fallgruppe wurde ursprünglich mit Blick auf die GmbH entwickelt und es spricht viel dafür, für Aschenputtel-Konstellationen eine GmbH zu verwenden, da deren Gründung einfacher ist als die einer AG (vgl. §§33 ff. AktG) und es sachlogischer ist eine GmbH mit einem Mindeststammkapital von 25.000 Euro zur reinen Abwicklung eines Unternehmens zu verwenden als eine AG mit einem Mindestgrundkapital von 50.000 Euro.

←21 | 22→←22 | 23→

1 Zitiert nach Brüder Grimm: Die schönsten Kinder- und Hausmärchen – Kapitel 16.

2 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), 274, 277.

3 Alternativ auch insgesamt als „Aschenputtel-Gesellschaft“ oder, wegen des häufigsten Anwendungsfalles, „Aschenputtel-GmbH“ bezeichnet.

4 Gerne auch in Form einer Vorratsgesellschaft oder als (re-)aktivierte Mantelgesellschaft.

5 Lösungen nach dem Umwandlungsgesetz bleiben im Rahmen dieser Untersuchung außer Betracht. Mit einer entsprechenden Fallkonstellation beschäftigte sich der BGH jedoch jüngst in BGH, Urt. v. 06.11.2018 – II ZR 199/17, NJW 2019, 589.

6 Abhängig von der gewählten Konstellation die ursprüngliche oder eine neu gegründete Gesellschaft, dazu sogleich.

7 Hennrichs, FS Schneider, 2011, S. 489, 490.

8 Vgl. Burgard, WuB 2002, 149, 151; Henze, NZG 2003, 649, 658.

9 Vgl. Weller, DStR 2007, 1166; ders., ZIP 2007, 1681, 1684.

10 Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) kommt dagegen durch das Sacheinlageverbot in §5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG nicht in Betracht. Dieses kann zwar durchaus umgangen werden, vgl. MüKoGmbHG/Rieder, §5a Rn. 19, was jedoch seinerseits zu besonderen Problemen führt, die hier nicht näher beleuchtet werden sollen.

Gang der Untersuchung

Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wird im Folgenden in drei Kapitel gegliedert, die sich jeweils einer Kernfrage widmen und mit einem eigenständigen Ergebnis abschließen.

Das erste Kapitel soll die Frage beantworten, was genau eigentlich unter einer Aschenputtel-Konstellation zu verstehen ist und vier Fallkonstellationen darstellen, die als Grundlage der weiteren Arbeit dienen.

Das zweite Kapitel soll die Frage beantworten, welche Auswirkung eine Aschenputtel-Konstellation auf die Kapitalaufbringung der betreffenden GmbH hat und welches Differenzhaftungsrisiko der Gesellschafter besteht. Insbesondere soll geklärt werden, wie ein „schlechtes“ Unternehmen (oder ein „schlechter“ Unternehmensteil) als Sacheinlage zu bewerten ist und wie sich eine negative Fortführungsprognose zum Zeitpunkt der Einlage und eine spätere Insolvenz auf diese Bewertung und die Differenzhaftung der Gesellschafter auswirken.

Das dritte Kapitel soll schließlich die Frage beantworten, ob für die vorgestellten Aschenputtel-Konstellationen eine Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter in Betracht kommt. Insbesondere soll hierbei geklärt werden, welchen dogmatischen Hintergrund die Existenzvernichtungshaftung hat und welche Voraussetzungen sich daraus für eine Gesellschafterhaftung ergeben, bevor die in Kapitel 1 entwickelten Fallgruppen im Einzelnen auf ihr Haftungsrisiko untersucht werden sollen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei die Existenzvernichtungshaftung nach aktueller Rechtsprechung des BGH, weitergehende Überlegungen bezüglich der „richtigen“ Ausgestaltung dieses Haftungsinstituts sollen dagegen nur ergänzend berücksichtigt werden.

Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung in Thesen zusammengefasst.

Detailprobleme der Unternehmensbewertung und Existenzvernichtungshaftung sollen jeweils nur insoweit problematisiert werden, wie sie für die Diskussion und Beantwortung der vorliegenden Haftungsfragen relevant sind. Die ebenfalls denkbare Haftung der Gesellschafter wegen Verletzung der Gründungsvorschriften aus §9a GmbHG und der Verletzung der Leistungspflichten aus dem Einbringungsvertrag, §§437, 280, 281, 311a BGB bleiben ebenso außer Betracht wie eine mögliche Haftung des Geschäftsführers.

Kapitel 1 Die Aschenputtel-Konstellation in der GmbH

Der Begriff der „Aschenputtel-Konstellation“ wurde – obschon er seit Langem11 regelmäßig in der Literatur verwendet wird – bislang recht uneinheitlich definiert. Schon deshalb muss vor der Betrachtung der konkreten Probleme bei Kapitalaufbringung und Existenzvernichtungshaftung zunächst diese Fallgruppe näher definiert werden. Zur einfacheren Handhabung in der weiteren Betrachtung sollen außerdem im Folgenden verschiedene Fallvariationen vorgestellt werden, anhand derer die Diskussion beispielhaft erfolgen kann.12

A. Grundlagen der Aschenputtel-Konstellation

Bei den Aschenputtel-Konstellationen handelt es sich im Grundsatz um eine besondere Konstellation im GmbH-Konzernrecht, bei der es zu einer ungleichen Chancen- und Risikenverteilung auf verschiedene Konzerngesellschaften kommt.13 Beteiligt sind also zumindest zwei Gesellschaften, wobei eine Gesellschaft – in Anlehnung an das bekannte gleichnamige Märchen Aschenputtel genannt – sämtliche oder zumindest die weit überwiegenden Risiken eines Geschäfts(-bereiches) trägt, während alle potentiellen Ertragschancen – regelmäßig zum einseitigen Vorteil der Betreiber – auf eine oder mehrere andere ←25 | 26→Gesellschaften abgeleitet werden.14 Die Aschenputtel-Gesellschaft ist dabei häufig Träger eines Unternehmens, das von Beginn an darauf ausgelegt ist seine gewöhnlichen Geschäftsverbindlichkeiten nicht bedienen zu können, sodass Nachteile geradezu notwendigerweise die Gläubiger der Gesellschaft treffen müssen.15

Zum besseren Verständnis und in Anlehnung an die in der Praxis üblichen Anglizismen soll die risikotragende Gesellschaft im Folgenden als „BadCo“ und die chancentragende Gesellschaft als „GoodCo“ bezeichnet werden.16

Details

Seiten
218
Jahr
2019
ISBN (PDF)
9783631802458
ISBN (ePUB)
9783631802465
ISBN (MOBI)
9783631802472
ISBN (Hardcover)
9783631791448
DOI
10.3726/b16154
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Gesellschafterhaftung Kapitalaufbringung Kapitalerhaltung Unternehmensbewertung Kapitalschutz Kapitalgesellschaftsrecht Gesellschaftsrecht
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 218 S., 9 s/w Abb.

Biographische Angaben

Martin Grabmann (Autor:in)

Martin Grabmann hat Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Unternehmensrecht an der Universität zu Köln studiert. Neben seinem Promotionsstudium arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Institut für Gesellschaftsrecht. Er forscht und arbeitet schwerpunktmäßig im Gesellschaftsrecht.

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