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Transfer und Transformation von Wissen

von Matthias Ballod (Band-Herausgeber:in)
©2020 Konferenzband 208 Seiten
Reihe: Transferwissenschaften, Band 13

Zusammenfassung

Wissenstransfer und Wissenstransformation sind zentrale Herausforderungen in der Wissensgesellschaft. Die fortschreitende Fragmentierung von Wissensdomänen und die eingeschränkte Zugänglichkeit von Wissensressourcen sind nur zwei gegenläufige Tendenzen. Umso mehr rücken funktionale Aspekte von Wissenskonstruktion und Wissenskonstitution in den Blickpunkt. Dieser Band bündelt ausgewählte transdisziplinäre Perspektiven und Positionen des Themenfeldes.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Matthias Ballod: Einleitung
  • I. Implementierung in der Wissensgesellschaft
  • Kristina Pelikan / Thorsten Roelcke: Disziplinaritäten
  • Jörg Dinkelaker / Malte Ebner von Eschenbach / Maria Kondratjuk: Ver-Mittlung oder Über-Setzung?
  • Christian Schwarke: Säkularisierung als Transformation religiösen Wissens
  • Konrad Ehlich: Transfer von Wissen als Transformation: neuzeitliche europäische Wissenschaftssprachen
  • II. Wissenskonstruktion und Wissenskonstitution
  • Hans-Liudger Dienel: Persönliches Wissensmanagement in Naturwissenschaft und Technik vom 19. Jahrhundert bis heute: Aufstieg und Niedergang des Notizbuchs
  • Volker Roelcke: Daten – Deuten – Umdeuten: Überlegungen zu Deutungsprozessen und Wissenstransfer in Medizin und Biowissenschaften
  • Antje Michel: Wissensintegration in interdisziplinären Lehr-Lernsettings
  • III. Hot Spots
  • Karin Luttermann: Vertikaler Wissenstransfer zwischen Experten und Laien in Klarer Sprache:
  • Mark Hempelmann: Wissensträger Mittelpunkt: Wissensaustausch und -transfer
  • Markus Nickl: Schreibprozesse in der Technischen Redaktion

Matthias Ballod

Einleitung

Der Transfer von Wissen stellt eine der bedeutendsten Herausforderungen unserer Wissensgesellschaft dar, nicht zuletzt, da in immer weiter ausdifferenzierten Wissenschaftsdomänen immer kleinere Personengruppen dieses Wissen tatsächlich rezipieren und nutzen können. Umso drängender ist es, den Austausch innerhalb und zwischen Disziplinen zu stärken, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und Bekanntes zu rekontextualisieren. Im Zentrum steht das Bestreben, wissenschaftliche Erkenntnisse so zu kommunizieren, dass sie zugänglich und nutzbar werden. Das heißt, die potenzielle Zugänglichkeit zu Wissensressourcen hat exponential zu-, die tatsächliche Zugänglichkeit abgenommen. Dass hierbei ganz unterschiedliche Einflussfaktoren eine Rolle spielen, konnte man in Vorträgen und Diskussionen heraushören und in diesem Band nachlesen. Geboten scheint aus theoretischer und praktischer Sicht eine transdisziplinäre Perspektive, wie sie anknüpfend an den letzten Band in dieser Reihe zur Berliner Tagung (2017) angelegt ist.

Denn: Fast alle wissenschaftlichen Disziplinen setzen sich in irgendeiner Form mit Information und Wissen auseinander. Sie definieren diese Begriffe jedoch sehr unterschiedlich, bezogen auf kaum kompatible Theorien und Referenzrahmen und daher also zumeist disziplinintern. Als Sprach- und Kommunikationswissenschaftler*innen streben wir keinen einheitlichen Wissensbegriff an. Aber: Unabhängig davon, was wir mit Wissen meinen, kann Wissen nur dann gesellschaftlich wirksam und fruchtbar werden, wenn dieses Wissen selbst und über Wissen kommuniziert werden kann. Notwendig erscheint daher ein Versuch, sich über Fachgrenzen hinaus über Wissen zu verständigen.

Die intensive Erforschung von Wissen und Wissenskommunikation innerhalb unseres eigenen Fachbereichs hat zur Herausbildung spezialisierter Teildisziplinen geführt wie die Transferwissenschaften (vgl. Wichter/Antos 2001; Antos/Weber 2005; Ballod/Weber 2013). Diese Spezialisierung und eine damit verbundene Einengung des Forschungsdiskurses kennzeichnet auch andere Fächer. Entwicklungen wie diese führen uns an konzeptuelle und methodische Grenzen, die nur durch einen Austausch und eine Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen überschreitbar erscheinen; Formen transdisziplinärer Kooperation lösen Fachidentitäten möglicherweise auf oder definieren sie neu. Im Hinblick auf den Gegenstandsbereich, der durch das Wissenskonzept geprägt ist, ←7 | 8→haben sich diese Tendenzen in den letzten Jahren durch technologische (Stichwort: Neue Medien) und gesellschaftliche (Stichwörter: Wissensgesellschaften und Globalisierung) Dynamiken enorm beschleunigt.

Der vorliegende Band umfasst dem entsprechend Beiträge des 2. Transferwissenschaftlichen Kolloquiums, das am 27. und 28.04.2017 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stattfand. Unter dem Titel „Transfer und Transformation von Wissen“ wurden folgende drei Schwerpunkte gefasst, die zugleich den Rahmen dieser Publikation abstecken:

Implementierung in der Wissensgesellschaft

Wissenskonstruktion und Wissenskonstitution

„Hot Spots“

I. Implementierung in der Wissensgesellschaft

Das Transparenzgebot – vielfach bereits als Diktat bezeichnet – kann einerseits zur Überwindung von Transfer-Barrieren führen, z.B. bei Tierversuchen (Biologie, Ethik, Recht), andererseits aber auch zu neuen Hürden, wie sie etwa in vielen Bereichen mit Beratungs- und Dokumentationspflichten sowie mit bürokratischer (Über-)Regulierung (Banken, Versicherungswesen) einhergehen. Der Begriff ‚Aufklärung‘ erfährt dann neue Konnotationen und wird zu einer dringlichen Forderung in unterschiedlichsten Feldern von Wissenschaft (z.B. Einfluss der Pharma-Industrie auf Ärzte) und Alltag (z.B. Verbraucherschutz: Lebensmittel-Ampel). Nicht zuletzt wird somit die Wissensvermittlung zu einem großen didaktischen Themenkomplex innerhalb und außerhalb klassischer Bildungseinrichtungen. Zielperspektiven können folglich die Beratung in Wirtschaft oder Familie, die Entwicklung einer Transferdidaktik oder die Erfolgskontrolle aus Sicht von Lehrenden und Lernenden sein.

In ihrem Beitrag Disziplinaritäten. Formen der Zusammenarbeit aus terminologischer Sicht nähern sich Thorsten Roelcke und Kristina Pelikan dem Begriff der Kollaboration auf semantischer Ebene und analysieren bzw. differenzieren unterschiedliche Termini der Beschreibung von Settings des wissenschaftlichen Austauschs. Jörg Dinkelaker, Malte Ebner von Eschenbach und Maria Kondratjuk vergleichen nachfolgend unter dem Titel Ver-Mittlung oder Über-Setzung? Eine vergleichende Analyse von Relationsbestimmungen in erziehungswissenschaftlichen Konzepten des Wissenstransfers unterschiedliche Konzepte, um sich dem Problem der Bestimmung des relationalen Charakters von Wissenstransferverhältnissen zu nähern. Im Anschluss setzt sich Christian Schwarke in seinem Beitrag mit Säkularisierung als Transformation religiösen Wissens auseinander. ←8 | 9→Dabei steht die Frage nach dem sich ständig verändernden Konzept von Religion der Hypothese gegenüber, dass diese eventuell eine komplexe Verknüpfung einzelner Elemente darstellt.

II. Wissenskonstruktion und Wissenskonstitution

Nicht nur durch die Spezialisierung im Wissenschaftsbetrieb, sondern auch durch inkohärente und heterogene Umwelten im realen Leben sowie in virtuellen Online-Welten nimmt die Fragmentierung von (Spezial-)Wissen ständig zu. Innerhalb der Disziplinen, von Online-Communities oder von Peer Groups entwickelt sich daraus eine fortwährende und eigenständige Konstruktion von Selbst- und Weltbildern. Die Aushandlungsprozesse sowie die Dynamiken zur Aufrechterhaltung von Eigen- und Fremdwahrnehmungen, die Manifestation von Weltanschauungen sind nur ein mögliches, aber neues Feld für begleitende Forschung. Ganz allgemein kann auch der Wissenstransfer bzw. die Wissenstransformation in Abhängigkeit von Inhalten und Zielgruppen Ziel wissenschaftlicher Betrachtung sein (Roelcke 2005) und natürlich die Vermittlung von Kenntnissen vs. Kompetenzen zur Bewältigung möglicher Ungleichverteilung.

Konrad Ehlich betrachtet in Transfer von Wissen als Transformation: neuzeitliche europäische Wissenschaftssprachen. Vorbereitende Überlegungen zu einer möglichen Fallstudie das Phänomen einer „universalen“ Wissenschaftssprache und ihrer Entwicklung.

Hieran schließt sich der von Hans-Liudger Dienel gewählte historische Blickwinkel, den er für seinen Beitrag Persönliches Wissensmanagement in Naturwissenschaft und Technik vom 19. Jahrhundert bis heute: Aufstieg und Niedergang des Notizbuchs. gewählt hat. Bewusst wird hier das Notizbuch als Unterstützung zur Bewältigung des täglichen Wissensansturms der letzten 150 Jahre hervorgehoben.

Eine ebenfalls auf den naturwissenschaftlichen Bereich ausgerichtete Betrachtung bietet Volker Roelcke mit Daten – Deuten – Umdeuten: Überlegungen zu Deutungsprozessen und Wissenstransfer in Medizin und Biowissenschaften. Mittels zweier Beispiele soll hier gezeigt werden, dass Wissenstransfer eventuell als Wechsel des Deutungsrahmens für existierendes Datenmaterial durch neue Kontexte konzeptualisiert werden kann.

Mit Antje Michel wird abschließend in diesem Abschnitt ein Blick auf aktuelle Lehr-Lernsettings geworfen. Wissensintegration in interdisziplinären Lehr-Lernsettings. Eine erfahrungsbasierte Thesenentwicklung für die hochschuldidaktische Forschung und Praxis wirft so einen Blick auf die Schlüsselkompetenz der „Transdisziplinarität“ und möglicher Konsequenzen.

←9 | 10→

III.  „Hot Spots“

So verschieden die Felder des Wissenstransfers sind, so wechselnd sind seine Anforderungen. Hierzu gehören etwa die vertikale und horizontale Schichtung von Wissen (Experten-Laien-Kommunikation), internationale Projekte (Pelikan/Roelcke 2015) als Transferkumulationen (Einzelsprachen, Fachwortschätze, (Experten-)Sprache der Praktiker vs. Wissenschaftler vs. Zielgruppen), Projekte in Schulen und Bildungseinrichtungen, innergesellschaftliche und übernationale Diskurse.

Einen ersten „Hot Spot“ bietet Karin Luttermann mit ihrer Betrachtung der Klaren Sprache: Vertikaler Wissenstransfer zwischen Experten und Laien in Klarer Sprache: Grundlagen, Konzept und Beispiele eröffnet eine neue Perspektive auf die Anforderungen der Inklusion und ihre Auswirkungen auf den Transfer von Wissen.

Ebenso wie die Klare Sprache stellt die Kommunikation aus informationsdidaktischer Sicht einen zu erforschenden „Hot Spot“ dar. Diesen betrachtet Mark Hempelmann in Wissensträger Mittelpunkt: Wissensaustausch und -transfer. Gestaltungswirken in vermittelnden Prozessen – eine informationsdidaktische Sicht auf den Wissenstransfer zwischen Menschen. Es folgt eine kritische Auseinandersetzung mit Wissen als einem vierten Produktionsfaktor.

Welche Dimensionen des Wissens liegen der Textproduktion im technischen Schreiben zu Grunde? Unter der Prämisse, dass die Textproduktion keine „Einbahnstraße“ des Informationsflusses darstellt, setzt sich Markus Nickl in seinem Beitrag Schreibprozesse in der Technischen Redaktion – ein Problem des beiderseitigen Wissenstransfers mit eben dieser Herausforderung auseinander.

In diesem Spannungsfeld ergaben sich bereits im Verlauf des Kolloquiums viele Anschlüsse, Querbeziehungen und Anregungen, die kritisches Denken in gleicher Weise erforderten wie förderten, vor allem aber den Blick über die Disziplingrenzen hinweg weiteten. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine ebenso anregende Lektüre.

Matthias Ballod, mit Stefanie Klein im Januar 2020

Literatur

Antos, Gerd; Weber, Tilo [Hg.] (2005): Transferqualität. Bedingungen und Voraussetzungen für Effektivität, Effizienz, Erfolg des Wissenstransfers. Frankfurt am Main, u.a.: Lang.

Details

Seiten
208
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631808368
ISBN (ePUB)
9783631808375
ISBN (MOBI)
9783631808382
ISBN (Hardcover)
9783631791455
DOI
10.3726/b16403
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Wissenskonstitution Wissensfragmentierung Wissensdomänen Fragmentierung der Wissensgesellschaft Wissenskonstruktion Wissensgesellschaft Fachkommunikation
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 208 S., 13 s/w Abb., 3 Tab.

Biographische Angaben

Matthias Ballod (Band-Herausgeber:in)

Matthias Ballod ist Professor für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich von Wissensmanagement und Digitalisierung von Lehren und Lernen, sowie der Verständlichkeitsforschung.

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Titel: Transfer und Transformation von Wissen
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