Lade Inhalt...

Das Entschädigungsverfahren nach dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung

von Volker Müller (Autor:in)
©2020 Dissertation 234 Seiten

Zusammenfassung

Am 1. Juli 2017 trat das «Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung» in Kraft. Diese grundlegende Reform des Abschöpfungsrechts stieß in der Praxis und im Schrifttum auf erhebliche Kritik. Im Zentrum der Kritik steht die weiterhin komplexe und unsystematische verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Entschädigungsmodells. Mit Blick auf dieses Problem wurde in der Literatur nicht nur die Verlagerung der Entschädigung in das Strafvollstreckungsverfahren durchweg abgelehnt, sondern auch die Verknüpfung mit dem Insolvenzrecht. Der Band versteht sich daher als Begutachtung der reformierten Verfahrensvorschrift und einer in diesem Lichte erfolgenden Ausarbeitung einer anwendungsfreundlichen und interessengerechten Vermögensabschöpfung als Instrument der Opferentschädigung.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Title Page
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Einleitung
  • Erster Teil: Entwicklung des Rechts der Vermögensabschöpfung
  • A. Gesetzgebungsgeschichte der Opferentschädigung
  • B. Grundzüge der Opferentschädigung nach altem Recht
  • C. Reformbedarf
  • Zweiter Teil: Darstellung der Gesetzesänderung
  • A. Materiell-rechtliche Änderungen
  • I. Begriffliche Änderungen
  • II. Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F.
  • III. Verletztenbegriff
  • IV. Berechnung des erlangten Etwas
  • 1. § 73 Abs. 1 StGB
  • 2. § 73d Abs. 1 StGB
  • V. Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB)
  • VI. Ausschluss der Einziehung (§ 73e StGB)
  • VII. Rechtliche Wirkung der rechtskräftigen Einziehungsanordnung (§ 75 StGB)
  • VIII. Einziehung bei anderen Personen als dem Beschuldigten (Drittbegünstigte)
  • IX. Erweiterte Einziehung von Taterträgen
  • B. Prozessuale Änderungen
  • I. Vorläufige Sicherungsmaßnahmen
  • 1. Beschlagnahme (§§ 111b, 111c, 111d StPO)
  • 2. Vermögensarrest (§§ 111e, 111f, 111g StPO)
  • 3. Verfahren bei Anordnung und Vollziehung der Sicherungsmaßnahme
  • a. Verfahren bei Anordnung der Beschlagnahme und des Vermögensarrestes (§ 111j StPO)
  • b. Verfahren bei der Vollziehung der Beschlagnahme und des Vermögensarrestes (§§ 111k, 111l StPO)
  • c. Verwaltung beschlagnahmter oder gepfändeter Gegenstände (§ 111m StPO)
  • 4. Herausgabe beweglicher Sachen vor Rechtskraft der Einziehungsentscheidung (§§ 111n, 111o StPO)
  • II. Erkenntnisverfahren (§ 421 ff. StPO)
  • 1. Absehen von der Einziehung
  • 2. Abtrennung der Einziehung für die Hauptverhandlung
  • III. Entschädigung der Verletzten
  • 1. Entschädigung im Strafvollstreckungsverfahren (§§ 459h ff. StPO)
  • a. Entschädigung bei Einziehung des Tatertrages (§ 459h Abs. 1 StPO)
  • b. Entschädigung bei Wertersatzeinziehung des Tatertrages (§ 459h Abs. 2 StPO)
  • 2. Entschädigung im Insolvenzverfahren (§ 111i StPO)
  • a. § 111i Abs. 1 StPO
  • b. § 111i Abs. 2 StPO
  • 3. Entschädigung nach Durchführung des Insolvenz- und Auskehrungsverfahrens (§ 459m StPO)
  • 4. Zuständigkeit für Entschädigung
  • 5. Schutz des Beschuldigten
  • Dritter Teil: Problemdarstellung
  • A. Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung als quasi-kondiktionelle Maßnahme?
  • I. Darstellung des bisherigen Streitstandes
  • II. Reaktionen auf Gesetzesbegründung
  • III. Bewertung
  • IV. Ergebnis
  • B. Zeitliche Anwendbarkeit der Vorschriften
  • I. Verfahrensvorschriften mit materiell-rechtlichem Charakter?
  • II. Nichtanwendung des § 2 Abs. 5 StGB durch den Gesetzgeber
  • III. Verstoß gegen Rückwirkungsverbot
  • IV. Ergebnis
  • C. Vorläufige strafprozessuale Sicherungsmaßnahmen
  • I. Vereinfachung eingriffsintensiver Maßnahmen
  • 1. Gesetzlicher Regelfall beim Vorliegen dringender Gründe
  • 2. Wegfall des Arrestgrundes
  • 3. Verdachtsgradunabhängige Aufrechterhaltung der Sicherungsmaßnahmen
  • II. Verhältnis von Arresten unterschiedlicher Rechtsgebiete
  • III. Ausschließliche Zuständigkeit der Strafgerichtsbarkeit für Rechtsbehelfe gegen Vollziehungsmaßnahmen
  • IV. Ergebnis
  • D. Strafprozessrecht und Insolvenzrecht
  • I. Bestand strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzverfahren
  • 1. Beschlagnahme im Insolvenzverfahren
  • 2. Vermögensarrest im Insolvenzverfahren
  • II. Insolvenzantragsrecht der Staatsanwaltschaft
  • 1. Rechtsschutzinteresse der Staatsanwaltschaft
  • 2. Feststellung des Mangelfalls durch die Staatsanwaltschaft
  • 3. Prüfung des Insolvenzgrundes durch das Insolvenzgericht
  • 4. Unschuldsvermutung
  • 5. Amtshaftung der Staatsanwaltschaft
  • 6. Insolvenzantrag als Druckmittel
  • III. Ergebnis
  • E. Stellung der Geschädigten
  • I. Befriedigung im Strafvollstreckungsverfahren
  • 1. Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F.
  • 2. Art der Verteilung
  • 3. Zeitpunkt der Entschädigung
  • 4. Vorläufige Verteilung
  • 5. Zuständigkeitskonzentration auf den Rechtspfleger
  • II. Dynamischer Verletztenbegriff
  • III. Ergebnis
  • F. Stellung des Beschuldigten
  • I. Einziehung ein Fall des § 46a Nr. 2 StGB?
  • II. Fehlende Handlungsalternativen des Beschuldigten
  • 1. Problemdarstellung
  • 2. Bewertung
  • III. Rechtsschutz des Beschuldigten
  • 1. Rechtsschutz im Insolvenzverfahren
  • a. Problemdarstellung
  • b. Bewertung
  • aa. § 97 InsO: Mitwirkungs- und Auskunftspflichten des Beschuldigten
  • bb. § 111i StPO: Ein neuer Fall der notwendigen Verteidigung?
  • 2. Rechtsschutz bei Abtrennung der Einziehungsanordnung
  • IV. Ergebnis
  • Vierter Teil: Schlussbetrachtung
  • A. Fazit
  • B. Vorschlag für eine anwendungsfreundliche Ausgestaltung des Rechts der Vermögensabschöpfung
  • I. Darstellung des Verfahrensablaufs
  • II. Darstellung der zu reformierenden Vorschriften
  • C. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
  • Anhang
  • Literaturverzeichnis

←18 | 19→

Einleitung

Am 1. Juli 2017 trat das „Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung“ in Kraft.1 Mit diesem Gesetz wurden Vereinbarungen des Koalitionsvertrages2 sowie die RiLi 2014/42/EU3 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union in innerstaatliches Recht umgesetzt. Weiter verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, das Recht der Vermögensabschöpfung durch eine grundlegende Reform zu vereinfachen und nicht vertretbare Abschöpfungslücken zu schließen.4 Die Reform weckte die Erwartung, dass sich der Opferschutz dadurch verbessere, dass das Recht der Vermögensabschöpfung durch die intendierte Vereinfachung auch eine erhöhte Akzeptanz in der Praxis erreiche. Im selben Zuge wurde die Reform mitunter als die Möglichkeit eines „großen Wurfes“ für den Opferschutz bezeichnet.5

Zwar verdeutlichte die immense Seitenzahl des Referentenentwurfs6 den umfassenden Reformwillen des Gesetzgebers, gleichwohl war dies Ausdruck seiner Schwachstelle. Denn eine solch grundlegende Gesetzesreform in einem kurzen Zeitraum durch das parlamentarische Verfahren zu bringen, birgt nicht nur ein erhebliches Fehlerpotential, sondern lässt auch den Eindruck des gesetzgeberischen Schnellschusses zu.7 Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens sahen sich daher sowohl der Referentenentwurf 8 als auch der nachfolgende Regierungsentwurf9 einer intensiven Diskussion ausgesetzt.10 Dabei stieß das ←19 | 20→Reformvorhaben auf grundlegende Bedenken. Insbesondere die Stimmen aus der Praxis, und zwar nicht nur diejenigen der Anwaltschaft, sondern auch der Justiz, wiesen darauf hin, dass die Verfahrensvorschriften konzeptionell ungeeignet seien, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen. Diese kritischen Stimmen verstummten auch nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und anschließendem Inkrafttreten der reformierten Verfahrensvorschriften nicht, sondern trafen vielmehr auf breiten Zuspruch im Schrifttum.

Im Zentrum der Kritik steht die weiterhin komplexe und unsystematische verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Entschädigungsmodells. Mit Blick auf dieses Problem wurde in der Literatur nicht nur die Verlagerung der Entschädigung in das Strafvollstreckungsverfahren durchweg abgelehnt, sondern auch die Verknüpfung mit dem Insolvenzverfahren. Insbesondere die avisierte Harmonisierung von Strafprozess- und Insolvenzrecht wirft in ihrer konkreten Ausgestaltung Fragen nach der Vereinbarkeit mit geltenden insolvenz- und strafrechtlichen Grundsätzen auf. Darüber hinaus streitet die sich im Rahmen der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen abzeichnende Tendenz des Gesetzgebers, die Eingriffsvoraussetzungen für die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen weiter abzusenken, mit verfassungsrechtlichen Maximen. Vor diesem Hintergrund und den Auswirkungen der Reform auf die Rechtsstellung des Beschuldigten11 muss auch die dogmatische Einordnung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung als quasi-kondiktionelle Maßnahme grundlegend überholt werden. Eine Abkehr von der derzeitigen Auffassung des Gesetzgebers und der Rechtsprechung scheint gleichwohl unausweichlich. Den vorstehenden Problemaufriss aufgreifend, versteht sich die Arbeit daher als Begutachtung der reformierten Verfahrensvorschriften und einer in diesem Lichte erfolgenden Ausarbeitung einer anwendungsfreundlichen und interessengerechten Vermögenabschöpfung als Instrument der Opferentschädigung.

Die Arbeit gliedert sich in vier Teile. Die mit der Reform einhergehenden weitreichenden Änderungen12 im Recht der Vermögensabschöpfung resultieren insbesondere aus der Aufgabe des bisherigen Regelungsmodelles, der „Rückgewinnungshilfe“. Der erste Teil der Arbeit schafft daher die Grundlage für das ←20 | 21→spätere Verständnis der Radikalität dieses Systemwechsels. Insoweit ist eine – sich auf die wesentlichen Entwicklungsschritte unter dem besonderen Augenmerk auf die vorläufigen Sicherungsmaßnahmen beschränkende – Einführung in die historische Entwicklung der Vermögensabschöpfung als Instrument der Opferentschädigung ebenso unerlässlich wie die Darstellung der Grundzüge der „Rückgewinnungshilfe“.13 Erst mit diesem Wissen zeigen sich die reformbedingten Änderungen in der gewünschten Deutlichkeit.

Im zweiten Teil werden sowohl die reformierten materiellen als auch die prozessualen Vorschriften inhaltlich dargestellt. Dabei liegt, dem eingangs skizzierten Problemaufriss der Arbeit folgend, der Schwerpunkt auf dem Kernstück der Reform, den prozessualen Änderungen der Opferentschädigung.14 Allerdings dürfen die wesentlichen materiellen Modifikationen, insbesondere die Neugestaltung des § 73 StGB, für das Gesamtverständnis nicht ausgeklammert werden. Denn diese sind u.a. für die Frage, was im Einzelnen abgeschöpft werden darf und welche Vermögensmasse anschließend für die Opferentschädigung zur Verfügung steht, essentiell. Demnach umfasst der zweite Teil der Arbeit ebenfalls die – wenn auch nur summarische – Darstellung der Vorschriften über die Einziehung bei Drittbegünstigten und der erweiterten Einziehung. Zwar wird nicht verkannt, dass diese Institute auf erhebliche Kritik im Schrifttum stoßen, sodass eine knappe Stellungnahme angezeigt ist. Gleichwohl sind die Vorschriften lediglich für das Verständnis, in welchem Umfang Vermögen abgeschöpft wird, notwendig. Die sich in Bezug auf die Einziehung bei Drittbegünstigten und das Institut der erweiterten Einziehung ergebenden Fragestellungen werden mithin von der vorliegenden Untersuchung ausgenommen und stellen ein eigenes Desiderat der Forschung dar.15

Auf den ersten beiden Teilen aufbauend, gliedert sich der dritte Teil der Arbeit in die einzelnen, sich in Bezug auf eine Vereinfachung und anwendungsfreundliche Ausgestaltung des Rechtes der Vermögensabschöpfung ergebenden Problemstellungen. In diesem Zusammenhang geht es vor allem darum zu prüfen, ob die vom Gesetzgeber beklagte Ineffektivität der inzwischen aufgegebenen „Rückgewinnungshilfe“ auf unzureichenden gesetzlichen Regelungen beruht, oder ob es sich um Vollzugsdefizite handelt. Wäre letzteres der Fall, etwa bei ←21 | 22→mangelndem Personal oder fehlender finanzieller Ausstattung, würde die hier zu behandelnde Gesetzesreform nämlich den eigentlichen Kern des Problems verfehlen.16

Zwar mag man der Arbeit vorwerfen, dass sie sich dem Umstand ausgesetzt sieht, dass sich die objektiv-rechtlichen Auswirkungen der reformierten Vorschriften und ihre Akzeptanz in der Praxis erst nach einiger Zeit überblicken lassen.17 Dennoch handelt es sich bei den aufgeworfenen Themenkomplexen um gewichtige Probleme, welche Fragen nach der grundsätzlichen rechtlichen Zulässigkeit der Reform aufwerfen, die lieber früher statt später erörtert werden sollten.

Details

Seiten
234
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631805268
ISBN (ePUB)
9783631805275
ISBN (MOBI)
9783631805282
ISBN (Hardcover)
9783631800454
DOI
10.3726/b16281
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (November)
Schlagworte
Insolvenzantragsrecht Entschädigung Strafvollstreckungsverfahren Verletztenbegriff Sicherungsmaßnahmen Strafähnlichkeit Beschlagnahme Vermögensarrest Insolvenzverfahren Opferentschädigung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, 2020., 234 S., 1 s/w Abb.

Biographische Angaben

Volker Müller (Autor:in)

Volker Müller studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und der Universidade da Coruña, Spanien. Er war während der Promotion als Assessor bei einer Kölner Sozietät im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht tätig.

Zurück

Titel: Das Entschädigungsverfahren nach dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
book preview page numper 31
book preview page numper 32
book preview page numper 33
book preview page numper 34
book preview page numper 35
book preview page numper 36
book preview page numper 37
book preview page numper 38
book preview page numper 39
book preview page numper 40
236 Seiten