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Germanistik im Kontext des LMD-Systems

Didaktische und curriculare Herausforderungen einer regionalen Hochschulpolitik für das Deutsch-Studium in Westafrika

von Akila Ahouli (Band-Herausgeber:in)
©2020 Konferenzband 182 Seiten

Zusammenfassung

Das seit einigen Jahren an Universitäten des frankophonen Westafrikas geltende LMD-System lässt sich als Anpassung des Bologna-Prozesses an die subregionalen Verhältnisse betrachten. Es geht auf eine Reform zurück, die für mehr Internationalität und vor allem für mehr Employability in der Hochschulbildung eintritt. Wie könnte man dieser Reform im Fach Germanistik Rechnung tragen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Beiträge in diesem Band, die sich aus einem internationalen Kolloquium anlässlich des 50. Gründungsjahres des Département d’allemand der Université de Lomé (Togo) ergeben haben. Ausgehend von den Erfahrungen aus ihren jeweiligen Heimatuniversitäten setzen sich die Beitragenden insgesamt für eine Reform der Germanistik gemäß den Anforderungen des LMD-Systems ein, die aber das Fach nicht in eine Berufsschule verwandelt.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Inhaltsverzeichnis
  • Geleitwort
  • Literatur im Studium Deutsch als Fremdsprache und in der internationalen Germanistik: Sprachbildung und Förderung interkultureller Kompetenzen durch literarische Texte: (Cornelia Zierau)
  • Interkulturelle Kompetenzen fördern! Überlegungen zu einem DaF-Literaturunterricht im Kontext der LMD-Reform in Westafrika: (Boaméman Douti)
  • DaF-Unterrichtseinheiten als Beitrag zur berufsorientierteren Ausrichtung des Germanistikstudiums an der Universität Lomé: (Ursula Logossou)
  • Germanistik im senegalesischen Kontext: zwischen Reformanforderungen und strukturellen Einschränkungen: (Amadou Oury Ba)
  • Die LMD-Reform in westafrikanischen Germanistik-Abteilungen: Welche Aussichten für die Option Landeskunde?: (Yaovi Antoine Hounhouenou)
  • Literaturwissenschaft professionalisiert und entartet? Einige Überlegungen zur Strukturreform des Germanistikstudiums in Benin im Kontext vom LMD: (Constant Kpao Sarè)
  • Von der Notwendigkeit einer angewandten Linguistik im Zuge der LMD-relevanten Professionnalisation spläne am Département d’allemand der Universität Lomé. Ein Plädoyer: (Akila Ahouli)
  • Deutsche klassische Literatur in Afrika unterrichten: Eine Herausforderung? Beispiel von Goethes Iphigenie auf Tauris und Friedrich Schillers Maria Stuart: (Amatso Obikoli Assemboni, Assion Ayikoué, Damgale Waldja)
  • Zu den Herausforderungen des Deutschunterrichts am Département d’Anglais der Universität Lomé: (Mantahèwa Lebikassa)
  • Zum DaF-Studium an der University of Education, Winneba: eine perspektivische Darstellung mit Blick auf das „LMD“-System anhand einer curricularen Beschreibung bezogen auf die Deutschabteilung in spe: (Franck Dovonou)
  • Angaben zu Autorinnen und Autoren
  • Wissenschaftlicher Beirat
  • Namensindex
  • Reihenubersicht

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Geleitwort

Die im vorliegenden Band „Germanistik im Kontext des LMD-Systems. Didaktische und curriculare Herausforderungen einer regionalen Hochschulpolitik für das Deutsch-Studium in Westafrika“ gesammelten Beiträge ergeben sich aus einem internationalen Kolloquium zum gleichnamigen Thema, das vom 12. bis zum 15. November 2018 anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Deutsch-Abteilung der Université de Lomé (Togo) stattfand. Die Tagung stellt die erste fachbezogene und epistemologische Auseinandersetzung regionalen Ausmaßes mit dem LMD-System dar.

Die Anforderungen der Internationalisierung der universitären Bildung sowie die Anpassung der Lehrangebote und der Forschungsschwerpunkte an die aktuell bestehenden Verhältnisse in den jeweiligen Ländern bewogen vor mehr als einem Jahrzehnt die Hochschuleinrichtungen der westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsvereinigung (UEMOA) dazu, sich für eine durchgängige Reform einzusetzen. Der unter der Bezeichnung „LMD-Reform“ firmierte Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik lehnt sich an den seit 1998 in Europa geltenden „Bologna-Prozess“ an und fußt auf Leitbegriffen wie ‚Einteilung des Studienjahres in Semester‘, ‚Einführung von Credit Points‘, ‚berufsorientierte Studiengänge‘ und ‚Mobilität‘. Hinzu kommt die ‚Exzellenzförderung‘, die sich die in REESAO (Réseau pour l’Excellence de l’Enseignement Supérieur en Afrique de l’Ouest) versammelten Universitäten der UEMOA-Länder zur Aufgabe gemacht haben. Solche tiefgreifenden hochschulpolitischen Umwälzungen haben in allen Studienfächern schwerwiegende Auswirkungen auf die Erarbeitung der Lehrinhalte, auf die Bestimmung der Lernziele, auf die didaktischen Methoden sowie auf die Art der Leistungsfeststellung. In den Germanistik-Abteilungen hat die LMD-Reform die bereits in den 1980er und 1990er Jahren von prominenten Germanisten wie Amadou B. Sadji (1983), Leo Kreutzer (1984), Edith Ihekweazu (1985), Alioune Sow (1986), David Simo (1987) und Norbert Ndong (1993) geführte Debatte um die Orientierung und Konturierung der Germanistik in Afrika erneut auf die Tagesordnung gestellt.

Eine Zwischenbilanz hinsichtlich der Umsetzung der LMD-Reform an den jeweiligen Universitäten liegt mittlerweile vor. Sie ist eher gemischt und erbringt den Nachweis, dass die Umsetzung des LMD-Systems noch der Verbesserung bedarf. In Anbetracht dessen empfiehlt es sich, die spezifische Situation der afrikanischen Germanistik-Studiengänge eingehend zu untersuchen. Hierbei geht es nicht allein darum, eine Bilanz über die Umsetzung der LMD-Reform an den jeweiligen Standorten zu ziehen, sondern auch und vor allem ←7 | 8→fassende epistemologische Überlegungen über die Zukunftsperspektiven des Faches mit Rücksicht auf die Anforderungen der LMD-Reform durchzuführen.

Das 50. Gründungsjahr des Département d’allemand der Université de Lomé, eine der von der LMD-Reform betroffenen Universitäten, bot den geeigneten Anlass, wichtige Neuorientierungen des Faches regional zu reflektieren, damit landesspezifische Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge besprochen, miteinander verglichen und ausgetauscht werden können. Dieser Vorgehensweise liegt die Überzeugung zugrunde, dass das Zusammentragen der Erfahrungen und Kompetenzen sowie der vorhandenen Ressourcen der anvisierten Exzellenzförderung Vorschub leisten kann. Dem Kolloquium fiel dementsprechend die Aufgabe zu, die folgenden Leitfragen zu beantworten: Was ist die aktuelle Sachlage an den einzelnen Germanistik-Abteilungen hinsichtlich der Umsetzung der LMD-Reform? Welche Strategien sollten noch entwickelt bzw. unternommen werden, damit die Potenziale des LMD-Systems bei der Adaptierung des Faches an die aktuellen lokalen und globalen Herausforderungen optimal genutzt werden können? Wie werden diese Herausforderungen sichtbar und inwiefern kann das Fach diesen gerecht werden?

Die vorliegenden, an diesen Leitfragen orientierten Beiträge stammen von Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Senegal, Côte d’Ivoire, Ghana, Benin und Togo.

Cornelia Zierau geht auf die Frage nach dem Stellenwert der literarischen Texte sowie des literarischen Lernens in der internationalen Germanistik ein. Dabei zeigt sie exemplarisch anhand von Wolfgang Herrndorfs Adoleszenzroman Tschick, inwiefern in der internationalen Germanistik literarästhetisches mit sprachlichem, landeskundlichem und interkulturellem Lernen in Verbindung gebracht werden können. In derselben Hinsicht demonstriert Boaméman Douti anhand von Murad Durmus Romansatire Panoptikum. Deutschland den Türken. Oder wie kann man diese Türken nur assimilieren?, wie interkulturelle Kompetenzen, die für eine gelungene Mobilität im Kontext des LMD-Systems vonnöten sind, anhand von literarischen Texten vermittelt werden können.

Aus verschiedenen Perspektiven wird die Situation des Germanistik-Studiums in einzelnen Ländern im Rahmen des LMD-Systems untersucht. So beschäftigt sich Ursula Logossou mit den neuerdings von der Deutsch-Abteilung der Universität Lomé entwickelten und noch zu akkreditierenden Curricula und begrüßt dabei die Einführung von DaF-didaktikbezogenen Studieneinheiten in diese Curricula. Für eine bessere Ausbildung zum Lehrberuf plädiert sie jedoch für die Einbeziehung der vom DAAD entwickelten DHoch3-Unterrichtsmodule in die geplanten Studieneinheiten, da dies sich positiv auf die Bildungsqualität hinsichtlich des Deutschunterrichts in den Schulen auswirken kann. Amadou Oury Ba zufolge sei Germanistik in Senegal mit der Einführung des LMD-Systems deshalb in eine Krise geraten, weil ←8 | 9→das Fach nicht in der Lage sei, vor allem den Professionnalisationsansprüchen des neuen Systems gerecht zu werden. Er eruiert die Lösung für diese Krise darin, dass man es eher bei der allgemeinen Bildung belassen sollte, wie Letztere vor der Reform am Département de Langues et Civilisations Germanistiques organisiert wurde und dem Institut für Angewandte Sprachen (Institut des Langues Étrangères Appliquées – ILEA) die Aufgabe überlassen, eine berufsorientierte Bildung unter Einbeziehung des Deutschunterrichts anzubieten. Yaovi Antoine Hounhouenou vertritt die Meinung, dass über den Lehrberuf hinaus dank der ‚Angewandten Germanistik‘ im Allgemeinen und der Landeskunde insbesondere sich zusätzliche Berufsmöglichkeiten den Germanistik-Absolventen in Benin auftun können. Sein Landsmann Constant Kpao Sarè bemängelt bei der Durchführung der LMD-Reform an seiner Heimatuniversität Abomey-Calavi die für ihn unangemessene Bevorzugung von arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen zuungunsten der forschungsbezogenen Fähigkeiten, die er als für die germanistische Literaturwissenschaft geeignet betrachtet. Damit Literarturwissenschaft nicht dadurch beeinträchtigt wird, empfiehlt er, dass zuerst studiert und erst danach beruflich gebildet wird. Auch die berufsorientierte Umstrukturierung des Faches Germanistik steht im Mittelpunkt des Beitrags von Akila Ahouli. Letzterer untersucht die Schwierigkeiten, den Professionnalisationsanforderungen in den klassischen Schwerpunkten der Auslandsgermanistik wie Literaturwissenschaft, Landeskunde/Kulturwissenschaft (Civilisation) gebührend zu entsprechen, und plädiert für eine ‚angewandte interkulturelle Linguistik‘ beim Aufbau von berufsorientierten Modulen oder Studiengängen am Département d’allemand der Université de Lomé.

In ihrem gemeinsamen Beitrag gehen Obikoli A. Assemboni, Assion Ayikoué und Damgale Waldja von der Feststellung aus, dass der Literaturunterricht zur deutschen Klassik am Beispiel von Goethes Tragödie Iphigenie am Département d’allemand der Universität Lomé eine große Herausforderung darstellt, die aber unbedingt angenommen werden soll. Durch eine gesteuerte Lektüre von Dramen der Weimarer Klassik können Studierende Kompetenzen in der Dramaturgie erwerben. Somit wird die Professionnalisationsanforderung des LMD-Systems erfüllt. Dies macht darüber hinaus die Studieneinheit attraktiver für die Studierenden.

Mantahèwa Lebikassa geht anhand von fremdsprachendidaktischen Kategorien wie ‚integrative Orientierung‘ und ‚instrumentale Orientierung‘ der Frage nach der Umorientierung des Deutsch-Unterrichts am Département d’anglais der Universität Lomé im Rahmen des LMD-Systems nach, also an einer Abteilung, in der Deutsch als Wahlpflichtfach unterrichtet wird. Zum Schluss arbeitet Franck Dovonou Ähnlichkeiten zwischen dem Hochschulsystem im geplanten German Department der University of Education, Winneba in Ghana, einem englischsprachigen Land Westafrikas, und dem in den ←9 | 10→frankophonen Ländern derselben Region geltenden LMD-System heraus. Er setzt sich dabei für eine regionale interuniversitäre Kooperation zur Förderung der künftigen Deutsch-Abteilung ein.

Lomé, Februar 2019
Der Herausgeber

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Literatur im Studium Deutsch als Fremdsprache und in der internationalen Germanistik: Sprachbildung und Förderung interkultureller Kompetenzen durch literarische Texte

Cornelia Zierau
(Universität Paderborn)

Abstract: In der Didaktik des Deutschen als Zweit- (DaZ) und Fremdsprache (DaF) und in der internationalen Germanistik stellt sich häufig die Frage nach dem Stellenwert literarischer Texte und literarischen Lernens. In diesem Beitrag soll diskutiert werden, inwiefern sich literar-ästhetisches mit sprachlichem und landeskundlichem sowie interkulturellem Lernen im Literaturunterricht verbinden lässt. Dabei werden nach einer Bestandsaufnahme einiger Positionen aus der DaF-Forschung und aus der interkulturellen Literaturwissenschaft Überlegungen zur Verknüpfung von Ansätzen aus der Literatur- und DaZ/DaF-Didaktik hin zu einem sprachsensiblen und interkulturellen Literaturunterricht vorgestellt und abschließend an einem literarischen Beispiel – Auszügen aus Wolfgang Herrndorfs Adoleszenzroman „Tschick“ – veranschaulicht.

Keywords: Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Literaturdidaktik, sprachsensibler Literaturunterricht, interkulturelles Lernen, Wolfgang Herrndorf: Tschick

1. Einführung

Welchen Stellenwert haben literarische Texte und literarisches Lernen in der internationalen Germanistik und in den Studiengängen des Deutschen als Fremdsprache? Während die eine – spracherwerbsorientierte – Seite gerne „Literatur ‚als zu schwierig, zu lang, zu weit weg von den Anforderungen alltäglicher Kommunikation‘“ abstempelt und ihr damit eine tragende Rolle in Spracherwerbsprozessen von DaZ- und DaF-Lernern abspricht,1 befürchtet die ←11 | 12→andere – literar-ästhetisch orientierte – Seite, „dass sich die Rolle von Literatur im Fremdsprachenunterricht […] auf die Nutzung für Fremdzwecke reduzieren lässt, wie etwa für die Grammatik- und Landeskundevermittlung, als Sprech- und Schreibanlass oder als Material für den Erwerb von interkultureller Kompetenz.“2 Nicht, dass die Arbeit mit literarischen Texten nicht auch Sprachbildung, Landeskundekenntnisse und interkulturelles Lernen fördern kann und sollte, aber mit der eigenen sprachlichen und ästhetischen Spezifik literarischer Texte. Dobstadt und Riedner formulieren deshalb als Forschungsfrage der Literaturdidaktik in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache:

Details

Seiten
182
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783034341141
ISBN (ePUB)
9783034341158
ISBN (MOBI)
9783034341165
ISBN (Paperback)
9783034338837
DOI
10.3726/b17126
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Dezember)
Schlagworte
German Studies Modularisierung Internationalität Mobilität Employability Kooperation Semestrialisierung
Erschienen
Bern, Berlin, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 182 S., 6 Tab.

Biographische Angaben

Akila Ahouli (Band-Herausgeber:in)

Akila Ahouli ist Maître de Conférences (Assoziierter Professor) für Interkulturelle Germanistik an der Université de Lomé (Togo). Er leitet das Forschungsteam Germanistik, Interkulturalität und Nachhaltige Entwicklung (ER-GIDD) an derselben Universität und fungiert als Generalsekretär des Germanistenverbands G.A.S. (Germanistik in Afrika Subsahara).

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