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Mehrwert der Selbstverwaltung

von Claudia Maria Hofmann (Band-Herausgeber:in) Indra Spiecker gen. Döhmann (Band-Herausgeber:in) Astrid Wallrabenstein (Band-Herausgeber:in)
©2020 Konferenzband 222 Seiten

Zusammenfassung

Die Selbstverwaltung als tragendes Organisationsprinzip der Sozialversicherung scheint in jüngster Zeit zunehmend unter Druck. Sie ist nicht nur Gegenstand öffentlicher Debatten, sondern sieht sich auch mit tiefgreifenden gesetzlichen Veränderungen konfrontiert. Muss sie gestärkt werden, wie der Name des Reformgesetzes aus der letzten Legislaturperiode nahelegt? Oder sind Einschränkungen notwendig, wie sie aktuell diskutiert werden? Antworten hierauf brauchen eine Vergewisserung darüber, welche Erwartungen an die Selbstverwaltung als Organisationsform bestehen. Mit Fokus auf die Selbstverwaltung in der Gesetzlichen Krankenversicherung vereint dieser Band daher Perspektiven aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen zum „Mehrwert der Selbstverwaltung" mit solchen aus der Praxis.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Selbstverwaltung im Gesundheitswesen: Von Governance zu Government (Doris Pfeiffer / Markus Grunenberg)
  • Mehrwert der Selbstverwaltung? Erfahrungen aus der Frühzeit der gesetzlichen Krankenversicherung (Peter Collin)
  • Mehrwert durch öffentlich-rechtliche Selbstregulierung? (Franz Reimer / Sonja Reimer)
  • Mehrwert durch Parafiskalität (Peter Axer)
  • Strukturwandel und Mehrwert der sozialen Selbstverwaltung im deutschen Sozialstaat am Beispiel der gesetzlichen Krankenkassen (Wolfgang Schroeder)
  • Mehrwert der Selbstverwaltung durch spezifische Prozesse der Kommunikation und des Wissensmanagements!? (Bernard Braun)
  • Sozialversicherungswahlen als Fundament der Selbstverwaltung in der GKV? (Axel Olaf Kern)
  • Selbstverwaltung 4.0 im Spannungsfeld von staatlichen Übergriffen und wettbewerblichen Zwangslagen – Anmerkungen zu Problemfeldern und Lösungsperspektiven (Franz Knieps)
  • Autorenverzeichnis

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Doris Pfeiffer und Markus Grunenberg

Selbstverwaltung im Gesundheitswesen: Von
Governance zu Government

I. Einleitung

Der bisherige gesellschaftliche Konsens einer Aufgabenteilung zwischen staatlichen Akteuren und der Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung wird aktuell im Grundsatz hinterfragt. Von politischer Seite wird zunehmend der Anspruch formuliert, nicht nur die Gestaltung gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen, sondern auch deren konkrete Ausgestaltung selbst vornehmen zu wollen und nicht wie bislang der Selbstverwaltung zu überlassen.1 Bereits in der Gesetzgebung der letzten Legislaturperioden schlägt sich diese veränderte Anspruchshaltung verstärkt nieder. Dieser Trend bedeutet letztlich die Abkehr von einer eigenverantwortlich gestaltenden Selbstverwaltung. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage danach, ob auf diese Weise effizientere, effektivere oder gar legitimere Ergebnisse erzielt werden. Letztlich geht es dabei auch darum, welcher gesellschaftliche Wert der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen künftig zugeschrieben wird.

Ganz generell bleibt aus politischer und gesellschaftlicher Perspektive von herausgehobener Bedeutung, wie gemeinwohlorientierte Lösungen bestmöglich erreicht werden können. Einfache Antworten auf diese Frage stehen nach wie vor aus. Dies ist vor allem auch auf die Komplexität von gesellschaftlichen Prozessen und Zusammenhängen zurückzuführen. Diese Vielschichtigkeit der jeweiligen Herausforderungen wird insbesondere durch konkurrierende Lösungsoptionen sowie die jeweils betroffenen Akteure und deren Interessenlagen determiniert.

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Hilfreich kann vor diesem Hintergrund der Blick in die politikwissenschaftliche Debatte sein, die sich – aufbauend auf institutionenökonomischen Erkenntnissen – bereits seit geraumer Zeit mit der Fragestellung befasst, unter welchen Rahmenbedingungen gemeinwohlorientierte Entscheidungen sichergestellt werden können. Die Untersuchung idealtypischer Modi politischer Steuerung und Koordination (Hierarchie, Verhandlung, Markt) zeigt auf, dass mit diesen grundsätzlich jeweils Vor- und Nachteile verbunden sind. Im Kern wird deutlich, dass vieles dafür spricht, nicht einseitig auf staatliche Vorgaben zu setzen, sondern gesellschaftliche und unter Umständen auch private Akteure in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

Die Analyse politischer Steuerungsmodi erklärt auch den Wandel vom Interventionsstaat zum modernen „kooperativen Staat“. Im Zuge dieser Entwicklung hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Grenzen für die staatliche Handlungsfähigkeit bestehen. Im Zuge der Einbindung gesellschaftlicher Akteure in den Steuerungsprozess konzentrierten sich staatliche Akteure unter der Überschrift der „Governance“ auf die Koordination und Steuerung im Rahmen horizontal organisierter Regelungsstrukturen – und damit weniger auf eine hierarchische Staatsführung im „Top Down“-Prozess. In der jüngeren Diskussion zeigt sich inzwischen, dass die Leistungsfähigkeit dieser Form von Steuerung differenziert zu bewerten ist. Nicht für alle Regelungsbereiche und Fragestellungen sind die Einigungschancen im Wege der Verhandlung grundsätzlich gegeben.

In der gesetzlichen Krankenversicherung wurde diese Entwicklung ein Stück weit nachgezeichnet. Hier spielt die Steuerung durch korporatistische Verbände der Selbstverwaltung weiterhin eine bedeutsame Rolle. Generell wird davon ausgegangen, dass Selbstverwaltung einen wichtigen Beitrag für gemeinwohlorientierte Lösungen im Gesundheitswesen leistet. Allerdings ist festzustellen, dass der Grad der von staatlicher Seite eingeräumten Handlungsmöglichkeiten von selbstverwalteten Verbänden im Zeitverlauf variiert. Mitte der 1990er Jahre wurde unter dem damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer die Devise der „Vorfahrt für die Selbstverwaltung“ ausgerufen. Grundgedanke war vor allem, dass Entscheidungen über die Ausgestaltung der gesundheitlichen Versorgung am besten durch diejenigen getroffen werden sollten, die zum einen aufgrund der Nähe zum Versorgungsgeschehen über besondere Regelungsexpertise verfügen und die zum anderen im Wege der eigenverantwortlichen Verhandlung gefundenen Lösungen in hohem Maße akzeptieren würden. Nach diesem Modell greift der Gesetzgeber nur dann in die Zusammenarbeit der betroffenen Akteure ein, wenn Verhandlungen ergebnislos bleiben.

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Während dieser Wert der Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung zunächst lange Zeit zum gesellschaftlichen und politischen Konsens gehörte, sieht sich die Selbstverwaltung aktuell mit einem zunehmenden Trend von Kompetenzeinschränkungen durch die Gesetzgebung konfrontiert. Die Veränderungen reichen von engen gesetzlichen Vorgaben für Entscheidungen der Selbstverwaltung bis hin zum Entzug von Gestaltungsmöglichkeiten und einer gesetzgeberischen Neuorganisation von Entscheidungsstrukturen auf Ebene der sozialen und gemeinsamen Selbstverwaltung. Damit geht eine Abkehr vom kooperativen Staat einher, die letztlich einen fortschreitenden Bedeutungsverlust der Selbstverwaltung impliziert. Allerdings werden dadurch die Vorteile der bisherigen Steuerungsmodi aufgegeben.

In diesem Beitrag werden vor diesem Hintergrund zunächst die grundlegenden Vorteile von Selbstverwaltung zur Gewährleistung gemeinwohlorientierter Entscheidungen dargestellt. Anschließend wird konkret aufgezeigt, wie Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung diesen gesellschaftlichen Mehrwert gegenüber anderen Formen der Steuerung der gesundheitlichen Versorgung ausfüllt. Darüber hinaus wird der Trend zur Abkehr von selbstverwalteten Entscheidungen anhand jüngerer gesetzlicher Änderungen skizziert. Zuletzt sollen die Perspektiven für ein Verhältnis von Staat und Selbstverwaltung dargestellt werden. Dabei sollte die Zielsetzung sein, möglichst gemeinwohlorientierte Entscheidungsstrukturen bei der Gestaltung der gesundheitlichen Versorgung sicherzustellen.

II. Gemeinwohlorientierung im kooperativen Staat

Aus wissenschaftlicher Perspektive kann sich der Frage einer Wohlfahrtsmaximierung von verschiedenen Seiten genähert werden. Die Institutionenökonomie ist vergleichsweise früh zu der Erkenntnis gekommen, dass für die Organisation von Unternehmen neben dem Markt und der hierarchischen Handlungskoordination auch die Alternative der Steuerung über Netzwerke besteht und die Entscheidung über den Steuerungsmodus kontextabhängig entlang der zu erwartenden Transaktionskosten zu treffen ist.2

Hieran anschließend wurde für politische Entscheidungsprozesse argumentiert, dass hinsichtlich der Regelung von gesellschaftlichen Problemen durch staatliche Institutionen grundsätzlich zwischen den Steuerungsmodi Hierarchie, ←17 | 18→Verhandlung und Wettbewerb unterschieden werden kann. Die weitere Debatte fokussierte sich stark auf die beiden ersten Modi, da wettbewerbliche Koordination vor allem im Bereich des politischen Wettbewerbs um Wählerstimmen und des marktlichen Wettbewerbs auf Angebots- und Nachfrageseite identifiziert wurde.3 Im Folgenden werden daher nur die Wohlfahrtseffekte einer Steuerung durch Hierarchie und Verhandlung sowie der Kombination dieser Steuerungsmodi dargestellt.

1. Staatliche Steuerung zwischen Verhandlung und Hierarchie

Als grundlegender Vorteil von hierarchischen Entscheidungen ist die Verfahrenseffizienz zu identifizieren, da nur wenige Akteure an der Entscheidung beteiligt werden müssen. Im Zweifel können z. B. von staatlichen Akteuren präferierte Ergebnisse gegen die Interessenlagen von gesellschaftlichen Akteuren per Hierarchie durchgesetzt werden. Damit führt Hierarchie noch nicht per se zu größeren Wohlfahrtsgewinnen als andere Formen der Handlungskoordination. Für eine am Gemeinwohl orientierte Politik sind hierarchisch getroffenen Entscheidungen einige Grenzen inhärent4: Grundsätzlich ist ein Risiko inadäquater Entscheidungen gegeben, da möglicherweise nicht alle für die Entscheidungsfindung notwendigen Informationen an zentraler Stelle vorliegen und auch nicht zusammengeführt werden können. Im Ergebnis drohen ineffiziente Lösungen durch hierarchische Entscheidungen. Dies gilt umso mehr, wenn der Regelungsgegenstand einer großen Dynamik unterworfen ist.5

Zugleich ist – trotz aller institutioneller Vorkehrungen im demokratischen Verfassungsstaat – ein Risiko opportunistischer Entscheidungen durch autoritative Maßnahmen nicht vollständig auszuschließen. Grundsätzlich ist die Gefahr nicht zu bannen, dass nicht ausschließlich die Gemeinwohlmaximierung entscheidungsleitend ist, sondern auch kurzfristige politische Gewinne eine Rolle spielen könnten. Daher sind hierarchische Entscheidungen besonders begründungsbedürftig, wenn mit diesen die Entscheidungsfreiheit anderer ←18 | 19→gesellschaftlicher Akteure erheblich eingeschränkt wird, die nicht am Entscheidungsprozess beteiligt waren.6

Um Entscheidungen zulasten einzelner gesellschaftlicher Gruppen auszuschließen, bieten sich freiwillige Verhandlungen zwischen den von Entscheidungen unmittelbar betroffenen Akteuren an.7 Durch eine kooperative Entscheidungsfindung können gemeinsam getragene Lösungen gefunden werden. Allerdings bestehen auch bei Verhandlungen einige Hürden für wohlfahrtsmaximierende Lösungen. Verhandlungen setzen eine grundlegende Einigungsbereitschaft der beteiligten Akteure voraus. Nicht unterschätzt werden sollte, dass zwar eine gemeinsame Problemlösung mit dem Ziel der Nutzenmaximierung für alle Seiten im Vordergrund steht, aber zugleich ein Fokus auf der Durchsetzung der jeweiligen individuellen Interessen liegt.8 Hinzu kommt, dass Entscheidungsblockaden nicht auszuschließen sind, wenn die Interessenlagen im Rahmen der Verhandlung stark divergieren. Freiwillige Vereinbarungen sind vor allem in Konstellationen wahrscheinlich, in denen keine konfliktiven Interessen der beteiligten Akteure vorliegen.9

Die politikwissenschaftliche Schlussfolgerung aus der Untersuchung von hierarchischer Steuerung sowie von Verhandlungen lautet, dass deren Hürden und Dilemmata durch eine „Selbstkoordination durch Verhandlungen im Schatten der Hierarchie“ überwunden bzw. gelöst werden können.10 Mit dem Ziel der Maximierung von Wohlfahrtseffekten gerade bei konfliktbehafteten und komplexen Fragestellungen sorgen Verhandlungen unter staatlicher Aufsicht dafür, dass die von den Entscheidungen unmittelbar betroffenen Akteure grundsätzlich selbstregulierend zu Lösungen kommen können. Sollte eine einvernehmliche Einigung allerdings ausbleiben, kann eine Lösung durch staatliche Intervention herbeigeführt werden.11 Der Schatten der Hierarchie verhindert damit einseitige Abschlüsse zulasten einzelner Beteiligter und erhöht zugleich die Konsensbereitschaft der Verhandlungsparteien.

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Die Vorteile, den Steuerungsmechanismus der Verhandlungen verbandlicher Akteure mit der grundsätzlichen Möglichkeit staatlicher Intervention zu verbinden, wurden bereits in der Korporatismusdiskussion erkannt. Ein zentrales Argument bleibt die wechselseitige „Entlastung zwischen Staat und Verbänden“.12 Korporatismus zeichnet sich zugleich durch eine hohe Handlungsfähigkeit von staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren aus. Die Verhandlungsparteien kommen eigenverantwortlich zu Ergebnissen. Der Staat kann mit der Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen indirekt Einfluss auf die Verhandlungslösungen nehmen.13 Bereits aus wohlfahrtstheoretischer Perspektive gibt es vor diesem Hintergrund gute Gründe, warum eine in staatliche Institutionen eingebettete Selbstverwaltung einen gesellschaftlichen Wert aufweist.

2. Von Government zu Governance

Dass es sich bei den vorstehenden Überlegungen nicht um allein theoretische Gedankenexperimente handelt, zeigt der Wandel des staatlichen Rollenverständnisses hin zur Kontextsteuerung, die mit dem Begriff der „Governance“ beschrieben wird. Im Gegensatz zum „Government“ eines hierarchisch agierenden Staates meint dieses Rollenverständnis, dass staatliche Akteure mit zivilgesellschaftlichen und privaten Akteuren kooperativ an der Lösung gesellschaftlicher Probleme und Herausforderungen mitwirken.14 Im staatlichen Instrumentenkasten tritt damit die Hierarchie in den Hintergrund, während insbesondere Verhandlungen unter staatlicher Aufsicht eine größere Bedeutung einnehmen.

Anlass für die Neubestimmung des staatlichen Selbstverständnisses bildete insbesondere die wirtschaftspolitische Krisenphase Mitte der 1970er Jahre. Nach der vorhergehenden „Planungseuphorie“ setzte sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass in hierarchischem Wege vorgegebene Lösungen auf soziale und ökonomische Probleme häufig nicht (mehr) die erwünschten Effekte erzielten. Im Zusammenhang mit dem Übergang zum kooperativen Staat standen auch veränderte gesellschaftliche Ansprüche auf selbstbestimmte Entscheidungen ←20 | 21→und eine zunehmende Ablehnung einseitiger staatlicher Vorgaben und Regulierung.15

Mit dem Wandel vom Interventionsstaat zum kooperativen Staat einher ging eine zunehmende Mehrebenenverflechtung von staatlichen Strukturen, z. B. mit der Europäischen Integration oder dem Bedeutungszuwachs von internationalen Organisationen und Institutionen. Nationalstaatliche Akteure sind in diesen Regelungskontexten gerade nicht in der Lage, einseitige hierarchische Entscheidungen zu treffen, die dem Ziel der Gemeinwohlmaximierung gerecht werden. Kooperation wird insofern zur Notwendigkeit für effektives Regierungshandeln.

Unmittelbar damit verbunden ist die Frage, ob gesellschaftliche Herausforderungen uneingeschränkt durch Governance gelöst werden können. Die Grenzen von Kooperation werden insbesondere bei Verteilungskonflikten manifest, mit denen ein Eingriff in bestehende Rechte bzw. eine Belastung von einzelnen gesellschaftlichen Akteuren verbunden ist.16 Je höher die Betroffenheit von einer derartigen Umverteilung ist, desto wahrscheinlicher wird gesellschaftlicher Widerstand gegen Veränderungen. Die Steuerungsformen der Koordination und Verhandlung erweisen sich als besonders anfällig bei aktuellen gesellschaftlichen Schlüsselproblemen, wie z. B. dem Klimawandel und der Staatsverschuldung. Daher kann die Notwendigkeit einer hierarchischen Entscheidung nicht von vorherein ausgeschlossen werden.17

Der in der Steuerungsdiskussion vorgeschlagene Modus der Verhandlung im Schatten der Hierarchie liefert die Antwort für diese Problematik. Bei scheiternden Verhandlungen bedarf es eines handlungsfähigen Staates, der im Zweifel selbst eine Lösung herbeiführen kann. Deshalb muss die Problematik von Verteilungskonflikten nicht zwangsläufig bedeuten, dass eine generelle Rückkehr von der Governance zum Government erforderlich ist. Vielmehr muss der Schatten der Hierarchie „lang genug sein“, damit auch im Wege der Verhandlung bei Verteilungsfragen realistische Einigungschancen gegeben sind.18 Aufbauend ←21 | 22→auf dieser theoretischen Darstellung von Steuerungsmodi und anhand des Wandels zum kooperativen Staat lassen sich die Entwicklungen in der Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung einordnen.

III. Selbstverwaltung im Gesundheitswesen

Die Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung wird häufig geradezu prototypisch als Beispiel für die gesellschaftliche Selbstregelung angeführt.19 Die jeweils betroffenen Akteure handeln in staatlichem Auftrag und tragen durch die Umsetzung von gesetzlichen Aufgaben zur Staatsentlastung bei. Ein wesentlicher Faktor, der eine Aufgabenübertragung an die Selbstverwaltung begründet, ist die aufgebaute Expertise der beteiligten Akteure. Diese wird in besonderem Maße erforderlich aufgrund der Regelungstiefe im Sozialrecht, das mit Blick auf die zunehmende Komplexität der Gesundheitsversorgung regelmäßigen gesetzlichen Detailanpassungen unterworfen ist.

Details

Seiten
222
Jahr
2020
ISBN (PDF)
9783631834510
ISBN (ePUB)
9783631834527
ISBN (MOBI)
9783631834534
ISBN (Hardcover)
9783631811245
DOI
10.3726/b17550
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (August)
Schlagworte
Gesundheitsrecht Partizipation Selbstregulierung Sozialversicherung Gesetzliche Krankenversicherung Selbstverwaltung
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2020. 222 S., 9 s/w Abb., 7 Tab.

Biographische Angaben

Claudia Maria Hofmann (Band-Herausgeber:in) Indra Spiecker gen. Döhmann (Band-Herausgeber:in) Astrid Wallrabenstein (Band-Herausgeber:in)

Claudia Maria Hofmann ist als Lehrstuhlvertreterin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main tätig und assoziiertes Mitglied des Instituts für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht (ineges). Indra Spiecker genannt Döhmann ist Professorin für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie ist Direktorin des Instituts für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht (ineges) und der Forschungsstelle Datenschutz sowie Mitglied der Acatech. Astrid Wallrabenstein ist Professorin für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Direktorin des Instituts für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht (ineges). Zudem ist sie Mitglied des Sozialbeirats der Bundesregierung und Richterin am Hessischen Landessozialgericht.

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