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Steuervermeidungsstrategien multinationaler Internet-Konzerne

Bestandsaufnahme und Lösungsansätze aus ertragsteuerlicher Sicht

von Roxane Lilienfein (Autor:in)
©2021 Dissertation 348 Seiten

Zusammenfassung

Steuervermeidungsstrategien globaler Internet-Konzerne sind Gegenstand kontroverser politischer Debatten und stellen Deutschland und die Europäische Union vor beachtliche Herausforderungen. Globale Internet-Konzerne zahlen trotz ihrer hohen Umsätze vergleichsweise geringe Ertragsteuern, weil die geltenden steuer- und abkommensrechtlichen Vorgaben nicht auf grenzüberschreitende digitale Geschäftsmodelle zugeschnitten sind. Die vorliegende Publikation befasst sich mit den Besteuerungsdefiziten der Digitalen Wirtschaft. Die Autorin setzt sich kritisch mit ausgewählten Reformvorschlägen auseinander, die durch die OECD, die Kommission und den deutschen Gesetzgeber in der jüngeren Vergangenheit entwickelt und diskutiert wurden, darunter insbesondere mit dem Konzept der virtuellen Betriebsstätte.

Inhaltsverzeichnis


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Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz

a.E. am Ende

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

a.F. alte Fassung

AHRL Amtshilferichtlinie

AO Abgabenordnung

AOA Authorized OECD Approach

APA Advance Pricing Agreement

APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“)

Art. Artikel

AStG Außensteuergesetz

ATAD Anti Tax Avoidance Directive

BB Betriebsberater (Zeitschrift)

BC Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling

BEPS Base Erosion and Profit Shifting

BFH Bundesfinanzhof

BFH/​NV Sammlung für nicht veröffentlichte Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)

BMF Bundesministerium für Finanzen

BsGaV Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung

BStBK Bundesteuerberaterkammer

BStBl. Bundessteuerblatt

bzw. beziehungsweise

DBA Doppelbesteuerungsabkommen

ders. derselbe

d.h. das heißt

dies. dieselbe/​n

DKo Der Konzern (Zeitschrift)

DLF Deutschlandfunk

DÖV Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DST Digitalsteuer

DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft

DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

←22 | 23→ DStR-​Beih Deutsches Steuerrecht Beiheft

DStR-​KR Deutsches Steuerrecht Kammerreport

DStZ Deutsche Steuer-​Zeitung

EFG Entscheidungen der Finanzgerichte

EL Ergänzungslieferung

Engl. Englisch

EStG Einkommensteuergesetz

et al. et alii

etc. et cetera

EU Europäische Union

EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWR Europäischer Wirtschaftsraum

EZB Europäische Zentralbank

f. folgende

FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff. fortfolgende

FG Finanzgericht

FR Finanzrundschau (Zeitschrift)

G20 Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie-​ und Schwellenländer

gem. gemäß

GewStG Gewerbesteuergesetz

ggf. gegebenenfalls

GILTI Global Intangible Low-​Taxed Income

GKKB Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-​Bemessungsgrundlage

GloBE Global Anti-​Base Erosion

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHR GmbH-​Rundschau (Zeitschrift)

GRUR-​Prax Zeitschrift für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter-​ und Wettbewerbsrecht

Halbs. Halbsatz

Hdb. Handbuch

IF OECD Inclusive Framework on BEPS

IP Intellectual Property (geistiges Eigentum)

IP-​Adresse Internet-​Protocol-​Adresse

i.d.R. in der Regel

ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.

ifst Institut für Finanzen und Steuern e.V.

IStR Zeitschrift für Internationales Steuerrecht

←23 | 24→ IStR-​Beih. Zeitschrift für Internationales Steuerrecht Beiheft

IStR-​LB Zeitschrift für Internationales Steuerrecht Länderbericht

i.S. im Sinne

i.S.d. im Sinne des

i.S.v. im Sinne von

i.V.m. in Verbindung mit

JStG Jahressteuergesetz

JZ Juristische Zeitung

KStG Körperschaftsteuergesetz

lit. littera (Buchstabe)

LOB Limitation of Benefits (Vergünstigungsbeschränkungen)

MarkenG Markengesetz

MLI Multilaterales Instrument

MTRL Mutter-​Tochter-​Richtlinie

m.w.N. mit weiteren Nachweisen

MwStR Mehrwertsteuerrecht (Zeitschrift)

n.F. neue Fassung

NJW Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer

NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OECD Organisation for Economic Co-​Operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)

OECD-​MA OECD-​Musterabkommen

OECD-​MK OECD-​Musterabkommen-​Kommentar

PatG Patentgesetz

PPT Principal Purpose Test

RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

RL-​E Richtlinien-​Entwurf

Rn. Randnummer

S. Satz

SDP Signifikante digitale Präsenz

SH Schleswig-​Holstein

Slg. Sammlung

sog. sogenannte/​s/​n

SteuK Steuerrecht kurzgefasst (Zeitschrift)

StuW Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

st. Rspr. ständige Rechtsprechung

sublit. sublittera (Unterbuchstabe)

←24 | 25→ SWI Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift)

u.a. und andere/​unter anderem

Ubg Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift)

UmwStG Umweltsteuergesetz

UrhG Urhebergesetz

UStG Umsatzsteuergesetz

v. vom

vgl. vergleiche

WTO World Trade Organization (Welthandelsorganisation)

WÜRV Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

z.B. zum Beispiel

ZfbF Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik

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A. Einleitung

I. Einführung in die Problematik

Die Besteuerung multinational tätiger Unternehmen, deren Geschäftskonzepte primär auf dem Internet beruhen (nachstehend „digitale Geschäftsmodelle“ und solche Unternehmen in ihrer Gesamtheit die „Digitale Wirtschaft“), ist seit vielen Jahren auf medialer und politischer Ebene Gegenstand kontroverser und vielschichtiger Debatten. International tätige Konzerne der Digitalen Wirtschaft (nachstehend „globale Internet-​Konzerne“) –​ unter anderem Google, Amazon, Facebook und Apple1 –​ verursachen mit ihrer Steuerpraxis rechtliche und rechtspolitische Diskussionen. Mit Hilfe strategischer Steuergestaltungen gelingt es diesen Konzernen in vielen Teilen der Welt, in substanziellem Umfang Besteuerungen zu vermeiden. Der durchschnittliche effektive Steuersatz globaler Technologieunternehmen liegt nachweislich unter dem Steuersatz von Unternehmen mit analogen Geschäftsmodellen.2 Eine von der Partei Bündnis 90/​Die Grünen im Europäischen Parlament in Auftrag gegebene Studie3 zeigt, dass multinationale Großkonzerne in nahezu allen EU-​Mitgliedstaaten niedriger besteuert werden als nominell vorgesehen.4 In der Studie wurden länderspezifische Steuerdaten ausgewertet sowie effektive und nominale Unternehmensteuern innerhalb der Europäischen Union im Zeitraum 2011 bis 2015 miteinander verglichen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der nominelle und der tatsächliche Steuersatz multinationaler Großkonzerne teilweise erheblich auseinanderfallen.5

←26 | 27→

Statistiken zeigen, dass globale Internet-​Konzerne ein erheblich größeres Umsatzwachstum vorweisen und zugleich deutlich geringer besteuert werden als traditionelle und nicht digital tätige Unternehmen. Während nach einer Mitteilung der Europäischen Kommission die marktbeherrschenden Internet-​Konzerne steigende Erträge von rund 14 Prozent pro Jahr aufweisen, liege das jährliche Umsatzwachstum eines herkömmlich tätigen multinationalen Unternehmens (außerhalb der Digitalen Wirtschaft) im Durchschnitt bei lediglich 0,2 Prozent.6 Der effektive durchschnittliche Steuersatz betrage trotz jährlich steigender Erträge lediglich 9,5 Prozent, wohingegen die traditionellen Unternehmen einer effektiven Steuerlast in Höhe von 23,2 Prozent ausgesetzt seien.7

Besteuerungsdefizite in der Digitalen Wirtschaft sind mit Blick auf dieses Zahlenwerk offenkundig. Die Frage, wie man ihnen durch steuerrechtliche und steuerpolitische Maßnahmen effizient begegnen kann, beherrscht nicht nur die öffentliche Berichterstattung, sondern beschäftigt auch die zuständigen Gesetzgebungs-​ und (Steuer-​)Verwaltungsorgane. Der frühere deutsche Bundesfinanzminister Schäuble ist nur einer unter vielen, die einen „fairen Beitrag“ der Digitalen Wirtschaft und eine „international faire Steuergesetzgebung“ fordern.8 Nach einer Meinung seien es die Gesetze, die „es den Eliten in ihrer Gier [erlauben,] so wenig Steuern wie möglich zu zahlen“9. Der Skandal liege folglich ←27 | 28→nicht (nur) im Verhalten der globalen Internet-​Konzerne, sondern in den Gesetzen selbst.10

Die nationalen Steuerrechtsordnungen werden durch grenzüberschreitende digitale Geschäftsmodelle vor beachtliche Herausforderungen gestellt.11 Sie müssen mit der rasant voranschreitenden Globalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft Schritt halten, um Besteuerungslücken zu vermeiden. Das unternehmerische Denken und Handeln erfindet sich regelmäßig neu; auf digitale Geschäftsmodelle folgen inzwischen beispielsweise Online-​Werbekonzepte, die ihre Gewinne zu einem substanziellen Grad aus Nutzerdaten generieren (nachfolgend „hochdigitale Geschäftsmodelle“). Globale Internet-​Konzerne sind im heutigen Zeitalter territorial unabhängig. Sie können die Herstellung und Verwertung ihrer immateriellen Wirtschaftsgüter ohne besonderen Aufwand verlagern und durch eine moderne Informations-​ und Kommunikationstechnologie Gewinne in Märkten erzielen, ohne dort physisch präsent sein zu müssen.12

Die Frage, wie digitale und hochdigitale Geschäftsmodelle in der modernen globalisierten Welt zu besteuern sind, ist außerordentlich komplex. Sie muss eine Vielzahl von Aspekten berücksichtigen, etwa die Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit, die Fairness im Wettbewerb zwischen den Konzernen, aber auch im Steuerwettbewerb zwischen den Staaten, und auch die Steuermoral eines Unternehmens.13 Der in der öffentlichen Debatte gebräuchliche Terminus der „aggressiven Steuerplanung“ –​ der kein anerkannter Rechtsbegriff ist –​ unterstreicht, dass es sich keineswegs nur um eine steuerrechtliche Fragestellung handelt. Ungeachtet der rechtlichen Dimension gibt es vor allem ein rechtspolitisches Interesse an der Vermeidung globaler Steuergestaltungsstrategien, die zur artifiziellen Verlagerung oder Verkürzung von Gewinnen und damit zur Vermeidung einer Besteuerung führen.

Daneben wird die öffentliche Debatte ideologisch und wirtschaftsökonomisch geprägt.14 Der ideologische Aspekt betrifft die Wirkung von ←28 | 29→Steuergestaltungsstrategien auf die Bevölkerung. Hier stellt sich nicht allein die Frage ihrer Legalität, sondern auch ihrer Legitimität und damit die Frage nach der Bedeutung von Steuermoral und Steuergerechtigkeit.15 Im Gegensatz dazu beruht das Steuerrecht gerade nicht auf Ehrbarkeit oder Moral der Steuerpflichtigen und kennt die Unterscheidung zwischen Legitimität und Legalität nicht.16 Die Steuervermeidungsstrategien von globalen Internet-​Konzernen können jedoch –​ ungeachtet der Frage ihrer Rechtmäßigkeit –​ sozialschädlich und wirtschaftspolitisch bedenklich sein. Aus einer wirtschaftsökonomischen Perspektive sind Steuern Kosten, die den Unternehmensgewinn verringern. Eine höhere Steuerbelastung schwächt die Position des Unternehmens am Markt.17 Wirtschaftlich betrachtet wäre es aus Sicht eines globalen Internet-​Konzerns grob fahrlässig, die gesetzlich verfügbaren Spielräume für die Steuergestaltung nicht wahrzunehmen.18 Gleichzeitig stehen lokalen und/​oder nicht digital tätigen Unternehmen vergleichbare Gestaltungsmodelle nicht zu, weil die Steuergesetze für ihre geschäftlichen Tätigkeiten nur in sehr begrenztem Maße Gestaltungsspielräume zulassen. Eine lückenlose Besteuerung traditioneller und lokaler Unternehmen führt zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber der Digitalen Wirtschaft.19 Steuerliche Präferenzregime beeinflussen dabei die Standortwahl für Unternehmensinvestitionen, wodurch nicht nur eine Wettbewerbssituation zwischen Unternehmen, sondern auch zwischen den verschiedenen Staaten (Steuerhoheiten) entsteht.20

Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich auf die rechtliche Dimension der Steuergestaltungen globaler Internet-​Konzerne und die steuerrechtlichen Implikationen ihrer digitalen Geschäftsmodelle. Sie berücksichtigt rechtspolitische, ideologische und wirtschaftsökonomische Erwägungen, soweit diese untrennbar mit der rechtlichen Dimension verzahnt sind. Im Fokus der ←29 | 30→Untersuchung stehen die Fragen, worin die Ursachen für die Besteuerungsmissstände liegen und ob und wie diese Ursachen durch geeignete rechtliche Maßnahmen beseitigt werden können.

Steuern dürfen grundsätzlich nur durch oder aufgrund eines Gesetzes erhoben werden. Ist ein Steuertatbestand nicht erfüllt, wird auch keine Steuerpflicht ausgelöst.21 Grundsätzlich kann jedes Unternehmen seine Verhältnisse –​ im zulässigen Rahmen –​ so gestalten, dass es eine möglichst geringe Steuerlast trägt.22 Den Tatbestand einer aggressiven Steuerplanung kennt das Gesetz bisher nicht; unter Experten gelten als aggressiv eingestufte Steuerplanungen oder -​gestaltungen daher regelmäßig als legal.23 Gegenstand dieser Untersuchung sind ausschließlich mit dem geltenden Recht vereinbare Steuergestaltungen, die gleichwohl zu Besteuerungsdefiziten führen.

Die negativen Folgen legaler Steuervermeidungsstrategien, die durch die Schwächen in nationalen Steuergesetzen und abkommensrechtlichen Vereinbarungen begünstigt werden, sind typischerweise Gewinnverlagerungen und verkürzungen („BEPS“)24. Um solche Gewinnverlagerungen und verkürzungen durch multinationale Unternehmen abzuwenden und die internationalen Steuerstandards zu stärken, wurde unter der Federführung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das BEPS-​Projekt ins Leben gerufen. Den Anlass für das BEPS-​Projekt gaben Besteuerungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Digitalen Wirtschaft.25 Das BEPS-​Projekt bietet den teilnehmenden Staaten die Gelegenheit, sich zu Fragen der globalen Unternehmensbesteuerung abzustimmen ←30 | 31→und globale Lösungen zu entwickeln.26 Im Rahmen des BEPS-​Projekts wird insbesondere eine Besteuerung am Ort der unternehmerischen Tätigkeit und der wirtschaftlichen Wertschöpfung gefordert, in der jüngeren Vergangenheit zunehmend mit dem Fokus auf eine Besteuerung im Nichtansässigkeitsstaat (nachfolgend auch „Quellenstaat“ oder „Absatzstaat“) des betreffenden Unternehmens. Sowohl die OECD als auch die Europäische Kommission27 haben die steuerrechtlichen Herausforderungen digitaler Geschäftsmodelle erkannt und eigene Expertengruppen betraut, um diese Herausforderungen zu bewältigen.

Der Fokus der nachfolgenden Untersuchung liegt auf der Schaffung steuerlicher Anknüpfungspunkte und neuer Besteuerungsrechte dem Grunde nach. Auf die Besteuerung der Höhe nach und die damit verbundenen Fragen der Gewinnzuordnung wird nur am Rande eingegangen.

II. Zielsetzung und Gang der Untersuchung

Die Untersuchung befasst sich im Kern mit digitalen Geschäftsmodellen und damit verbundenen Steuergestaltungsstrategien globaler Internet-​Konzerne und den auf diese Geschäftsmodelle und Strategien anwendbaren ertragsteuerlichen Rahmenbedingungen de lege lata und de lege ferenda.

Die Komplexität der Materie verlangt einleitend eine Einführung in grundlegende Begriffsbestimmungen, die für die Zwecke der Untersuchung maßgeblich sind ( B.). Der Konturierung und Konkretisierung bedürfen insbesondere der Begriff der Steuergestaltung ( B.I.), die Definition und rechtliche Relevanz sog. aggressiver Steuergestaltungen ( B.II.) und die verschiedenen Kategorien der die globale Wirtschaft zunehmend dominierenden digitalen Geschäftsmodelle ( B.III.).

Auf dieser Grundlage konzentriert sich die Untersuchung sodann auf die Ertragbesteuerung von globalen Internet-​Konzernen in Deutschland ( C.). Weil ihre Geschäftsmodelle –​ unabhängig von der physischen Präsenz solcher Konzerne –​ typischerweise mehrere souveräne Steuerhoheiten berühren, gibt die Verfasserin zunächst einen Überblick über allgemeine steuerrechtliche Grundsätze im grenzüberschreitenden Kontext ( C.I.). Im Quellenstaat Deutschland werden die Geschäftstätigkeiten globaler Internet-​Konzerne aus verschiedenen Gründen derzeit nur im begrenzten Umfang besteuert ( C.II.). Die ←31 | 32→steuerrechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen auf Gewinnverkürzungen und -​verlagerungen und damit auf Steuervermeidung ausgerichtete Konzern-​ und Geschäftsstrukturen ( C.III.), was an zwei repräsentativ ausgewählten Praxisbeispielen aus der jüngeren Vergangenheit deutlich wird ( C.IV.). Bei diesen Praxisbeispielen handelt es sich um Steuerstrategien von Amazon im Bereich des Online-​Versandhandels und von Google im Bereich der Online-​Werbung. Die beiden Praxisbeispiele beruhen auf öffentlich verfügbaren Informationen und haben keinen Anspruch auf Aktualität, sie sollen für die Zwecke der Untersuchung lediglich exemplarisch die strategischen Handlungsspielräume globaler Internet-​Konzerne im (internationalen) Unternehmensteuerrecht aufzeigen.

Zu den steuerpolitisch wichtigsten Anliegen auf nationaler und internationaler Ebene zählen deshalb Maßnahmen und Reformansätze, die ein transparentes und kohärentes internationales Unternehmensteuerrecht gewährleisten, die Gewinnverkürzungen und -​verlagerungen durch multinational agierende Unternehmen verhindern und die Besteuerungsdefiziten im Quellenstaat wirkungsvoll begegnen ( D.). Ein entsprechender Handlungs-​ und Reformbedarf wurde in Deutschland, in der Europäischen Union und darüber hinaus bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten identifiziert ( D.I.). Die OECD hat im Jahr 2013 den BEPS-​Aktionsplan ins Leben gerufen und im Oktober 2015 insgesamt 15 Aktionspunkte zur Vermeidung von schädlichem Steuerwettbewerb und von Steuergestaltungen multinational tätiger Unternehmen vorgestellt ( D.II.). Die Europäische Kommission ( D.III.) und der deutsche Gesetzgeber ( D.IV.) sind in den vergangenen Jahren ebenfalls durch eine Vielzahl von Maßnahmen in diese Richtung tätig geworden. Durch eine Reform des US-​amerikanischen Steuerrechts konnten gewisse Besteuerungslücken im internationalen Steuerrecht sogar geschlossen werden ( D.V.).

Die Verfasserin unterzieht die im Hinblick auf digitale Geschäftsmodelle globaler Internet-​Konzerne wesentlichen Maßnahmen und Reformüberlegungen im Bereich der Körperschaftbesteuerung auf der Ebene der OECD und der Europäischen Union einer kritischen rechtlichen und steuerpolitischen Untersuchung ( E.). Schwerpunkte dieser Untersuchung bilden die rechtlichen und praktischen Hürden einer Umsetzung des Mehrseitigen Übereinkommens ( E.I.), die politischen Diskussionen um ein Sonderbesteuerungsregime für die Digitale Wirtschaft mit einem Fokus auf die auf EU-​Ebene diskutierte Digital-​ bzw. Digitalwerbesteuer ( E.II.) sowie die Konzepte der virtuellen Betriebsstätte und des Einheitlichen Ansatzes mit einem Fokus auf deren Ausgestaltungsmöglichkeiten und -​grenzen ( E.III.). Abschließend werden die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und durch einen Ausblick ergänzt ( F.).


1 Im Jahr 2019 bildeten Apple, Google und Amazon laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Interbrand die drei global stärksten Marken. Die drei Konzerne zählen auch seit Jahren zu den umsatzstärksten und erfolgreichsten Unternehmen weltweit, vgl. The Economist v. 17.09.2016; aufgegriffen von Kofler/​Mayr/​Schlager, BB 2017, 1751, 1751.

Details

Seiten
348
Jahr
2021
ISBN (PDF)
9783631852583
ISBN (ePUB)
9783631852590
ISBN (MOBI)
9783631852606
ISBN (Hardcover)
9783631844861
DOI
10.3726/b18305
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (März)
Schlagworte
BEPS Globale Internet-Konzerne Virtuelle Betriebsstätte Digitalsteuer Einheitlicher Ansatz OECD-Aktionsplan Steuergestaltungsstrategien Digitale Wirtschaft
Erschienen
Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien, 2021. 348 S.

Biographische Angaben

Roxane Lilienfein (Autor:in)

Roxane Lilienfein studierte Rechtswissenschaften an der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie war als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Kiel tätig, wo auch ihre Promotion erfolgte.

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